Der Webstuhl der Geschichte einfach erklärt

Der Webstuhl der Geschichte

Hallo und herzlich willkommen. Wir tauchen heute richtig tief ein und zwar in eine verborgene Geschichte. Es geht um einen Faden, der sich durch die gesamte Menschheitsgeschichte zieht und unsere modernste KI mit uralten Vorstellungen von Schicksal und Macht verbindet. Okay, steigen wir doch direkt mal mit dieser Frage ein. Wir haben ja alle irgendwie das Gefühl, dass generative KI ein totaler Bruch mit der Vergangenheit ist. Aber was, wenn das gar nicht die ganze Wahrheit ist? Was, wenn wir hier nur ein neues Kapitel in einer sehr, sehr alten Geschichte aufschlagen? Und genau hier kommt die zentrale Metapher ins Spiel, die uns heute begleiten wird, der Webstuhl der Geschichte. Stellt euch mal vor, dass jede neue Technologie von der antiken Spindel bis zur heutigen KI Teil eines riesigen Gewebes ist, ein Gewebe, das macht, Arbeit und sogar unsere Wünsche immer wieder neu verwebt. Der KI Roboter von heute ist also kein plötzlicher Einbruch aus der Zukunft, sondern einfach nur der neueste, komplizierteste Knoten in diesem uralten Gewebe. Und genauso werden wir diesen Knoten heute entwirren. Zuerst schauen wir uns den spinnenden Roboter der Gegenwart mal genauer an, dann schärfen wir unseren Blick mit einem ganz speziellen Konzept, der Pragmatik des Überschusses. Damit reisen wir dann durch vier entscheidende Wendepunkte der Geschichte und finden am Ende heraus, was KI wirklich ist und vor allem, wer die Regeln für unsere Zukunft schreibt.

Also, wir fangen im Hier und Jetzt an. Auf der einen Seite haben wir diese generativen KI Systeme, die auf Knopfdrucktexte und Bilder ausspucken, die total plausibel wirken, und auf der anderen Seite die mächtigen Social Media Plattformen, deren Algorithmen unsere Aufmerksamkeit steuern. Dieses Zusammenspiel, das fühlt sich oft undurchschaubar an, fast schon fremd. Und genau das ist das Phänomen, das wir heute entschlüsseln wollen. Um dieses Rätsel zu lösen, müssen wir aber erstmal einen Schritt zurücktreten. Wir brauchen sozusagen eine analytische Brille, ein Konzept, um zu verstehen, wie Technologie in der Gesellschaft wirklich funktioniert. Und dieses Konzept, das nennen wir die Pragmatik des Überschusses. Was soll das jetzt heißen? Na ja, die Überschusspragmatik ist eine Art Linse, durch die wir erkennen, wie Technologien nicht einfach nur Probleme lösen. Es geht darum, wie sie ganz gezielt verschiedene Arten von gesellschaftlichen Überschuss managen und für sich nutzen. Es geht also immer um ein zu viel, das organisiert werden muss. Und dieser Überschuss, der hat vier Gesichter. Da ist der klassische Mehrwert, also die zusätzliche unbezahlte Arbeit, dann die Überschussinformation. Das sind all die Daten, die wir quasi nebenbei produzieren. Der Mehrgenuss, das ist dieser seltsame, fast süchtig machende Kick. Kennt ihr sicher diese heimliche Befriedigung, wenn man sich über einen provokanten Post aufregt, der einen aber trotzdem am Scrollen hält. Und all das zusammen führt zur Überschussmacht, der Fähigkeit von Systemen, unser Verhalten gezielt aus der Ferne zu lenken.

Unsere Analyse stützt sich dabei auf zwei ganz entscheidende Denker. Einerseits Herbert Marcuse, der uns zeigt, wie technologische Effizienz selbst zu einem Kontrollinstrument werden kann, das alle Alternativen einfach unsichtbar macht. Und andererseits Slavoj Žižek, der erklärt, wie moderne Macht eben nicht durch direkte Befehle funktioniert, sondern indem sie unsere geheimsten Wünsche und Fantasien managed, genau durch diesen Mehrgenuss. Okay, das Werkzeug ist geschärft. Machen wir uns also auf eine schnelle Reise durch die Geschichte. Wir schauen uns jetzt an, wie dieser Webstuhl der Macht an vier entscheidenden Wendepunkten komplett neu justiert wurde. Diese vier Momente, die sind wie Scharniere, an denen sich das Betriebssystem der Macht grundlegend verändert hat. Jeder dieser Momente war ein Schock, ausgelöst durch eine technologische und soziale Verschiebung. Und jeder dieser Momente hat die Regeln, nach denen Überschuss extrahiert wird, komplett neu geschrieben.

Das erste Zeitalter, die industrielle Revolution, der mechanische Webstuhl, die Fabrikuhr, das waren die zentralen Maschinen. Der entscheidende Überschuss hier war der Mehrwert, extrahiert in Form von unbezahlten Arbeitsstunden. Der Kampf um den 8 Stundentag war also viel mehr als nur ein Lohnkampf. Es war ein fundamentaler Konflikt darüber, wer die Zeit und damit die Körper der Arbeiter kontrolliert. So. Dann kam die nächste Stufe, der Aufstieg der großen Bürokratien. Der Webstuhl war jetzt die Tabelliermaschine oder die Telefonvermittlung und hier wurde eine ganz neue Art von Überschuss geboren, die Überschussinformation. Das entscheidende Detail dabei, diese neue Informationsflut wurde von einer neuen überwiegend weiblichen Belegschaft gesteuert. Eine oft unsichtbare, aber absolut systemkritische Arbeit. Und genau hier zeigt sich ein entscheidendes Muster, das in der Technikgeschichte immer wiederkehrt. Zuerst wird eine Fähigkeit, die oft soziale Intelligenz erfordert und als weiblich gilt, also sowas wie Kommunikation oder Koordination, total systemrelevant. Sobald sie zentral ist, wird sie analysiert und in eine Maschine oder Software gegossen. Und im letzten Schritt, da werden die Menschen, die diese Fähigkeit ursprünglich besaßen, als veraltet abgetan und verdrängt.

Gehen wir weiter zum Zeitalter der Massenmedien. Der Webstuhl war jetzt der Fernsehbildschirm und der wichtigste Überschuss war die gebündelte Aufmerksamkeit des Publikums, gemessen in Einschaltquoten. Rebellion und Kritik wie bei den 68er Aufständen wurden nicht einfach nur unterdrückt, nein, sie wurden vom System aufgesaugt und als neue rebellische Konsumstile wieder verkauft. Der Rebell wurde zur Marke und das bringt uns direkt in unsere Gegenwart. Nach dem 11. September 2001 verschmolz die Logik der Sicherheitsüberwachung mit der Logik der aufkommenden sozialen Medien. Die neue Produktivkraft ist die Plattform. Jede unserer Handlungen, jeder Klick, jede Bewegung erzeugt einen ununterbrochenen Datenstrom, also Überschussinformation, der die algorithmischen Systeme füttert, die unser Leben heute organisieren. Dieser Satz fasst den Wandel eigentlich perfekt zusammen. Im Rundfunkzeitalter waren wir passive Konsumenten. Heute sind wir alle unbezahlte, kontinuierliche Produzenten von Daten. Unsere Aufmerksamkeit, unser Verhalten, unsere Emotionen. All das ist der Rohstoff, der die neue Maschine antreibt. Und genau das ist der springende Punkt.

So, mit diesem ganzen historischen Rüstzeug können wir jetzt zur Ausgangsfrage zurückkehren. Was genau ist denn nun generative KI? Wenden wir unsere Erkenntnisse mal direkt darauf an. Hier hilft uns ein fast schon prophetischer Begriff von Karl Marx, der General Intellekt. Er meinte damit das gesamte kollektive Wissen einer Gesellschaft, unsere Sprache, unsere Kultur, unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse, das sozusagen in den Maschinen und Organisationsformen materialisiert ist, und heutige KI-Modelle sind die bisher buchstäblichste Verkörperung dieser Idee. Und hier schließt sich der Kreis. Die generative KI ist der neue spinnende Roboter. Sie saugt unseren gesamten kollektiven General Intellekt auf, alles, was wir je geschrieben, gemalt oder programmiert haben, und nutzt das, um daraus auf Kommando neue Geschichten, Bilder und Wünsche zu weben. Sie remixt quasi unsere gesamte Kultur im großen Stil.

Das führt uns zur letzten und vielleicht wichtigsten Frage überhaupt. Wenn diese Maschine so unglaublich mächtig ist, wer kontrolliert sie dann eigentlich? Wer schreibt die Regeln für diesen neuen Webstuhl? Die eigentliche Macht liegt nämlich nicht mehr nur in der Maschine selbst, sie liegt in der unsichtbaren Arbeit, die ihre Regeln, ihre Sicherheitsfilter und ihre Verhaltensweisen gestaltet. Und diese Regeln, das sind die Protokolle des Begehrens. Sie definieren, was die KI sagen darf, was sie vermeiden muss und wie sie auf uns reagieren soll. Und hier kommt der entscheidende Punkt. Diese Protokolle sind niemals neutral. Sie sind geronnene Ideologie. In ihnen sind die Annahmen ihrer Entwickler und Auftraggeber darüber verankert, was eine Gesellschaft wollen, fürchten und für sagbar halten sollte. Sie formen damit oft im Verborgenen unsere kollektive Realität. Und damit endet unsere Analyse mit einer letzten, ziemlich provokanten Frage. Wenn unsere Wünsche und unsere Realität zunehmend durch diese technologischen Protokolle geformt werden, dann lautet die zentrale politische Frage unseres Zeitalters vielleicht genauso: Wer genau schreibt eigentlich die Regeln, die unser aller Begehren steuern?

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