Die große Weihnachtskrippe: Geschichte, Praxis und theologische Deutung ihrer Figuren und Symbole

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Einleitung

Wenn in der Adventszeit Holzställe auf Fensterbänken auftauchen, winzige Schafe über Moosflächen wandern und eine kleine Familie um ein Kind in einer Futterkrippe versammelt ist, dann greift ein Brauch Raum, der älter ist, als vielen bewusst ist, und zugleich vielschichtiger, als die schlichte Szene vermuten lässt. Die große Weihnachtskrippe ist nicht nur Dekoration. Sie ist verdichtete Erzählung, kleine Bühne, Volkskunst, Theologie zum Anfassen und ein Erinnerungsort für Familienbiografien. Wer diese Tradition verstehen will, muss daher sowohl nach ihren historischen Wurzeln fragen als auch nach der Weise, wie sie Jahr für Jahr in Kirchen, Wohnungen und auf öffentlichen Plätzen neu inszeniert wird, und nach den Veränderungen, die sie in den letzten Jahrhunderten durchlaufen hat.

Die biblische Grundlage ist schmal, aber markant. Lukas erzählt von einem Kind, das in eine Krippe gelegt wird, weil in der Herberge kein Platz ist; Matthäus berichtet von einem Stern, von Magiern aus dem Osten und vom Kindermord des Herodes. Die meisten Krippen verbinden diese beiden sehr unterschiedlichen Erzählstränge zu einem einzigen Bild: Krippe und Hirten aus Lk 2 treffen auf Stern und „Könige“ aus Mt 2, dazu kommen Tiere, Gebäude, Landschaften und Alltagsfiguren, die in der Bibel so nicht vorkommen, aber der Szene Leben geben. Die Forschung betont inzwischen recht einhellig, dass die Krippe als Brauch nicht direkt aus den Evangelien „herunterfällt“, sondern das Ergebnis einer langen Traditionsgeschichte ist, in der liturgische Spiele, kirchliche Bilderwelten, regionale Kulturen und Frömmigkeitsstile ineinandergreifen.

Zugleich ist die Krippe ein ökumenisch sensibles Thema. In der katholischen Welt ist sie tief in der Volksfrömmigkeit verankert, eng verbunden mit Franz von Assisi und der franziskanischen Spiritualität. In der orthodoxen Welt steht eher die Ikone der Geburt Christi im Zentrum, während plastische Krippen eher eine Nebenrolle spielen. Im evangelischen Bereich reicht das Spektrum von bilderkritischer Distanz bis zu selbstverständlicher Nutzung der Krippe als „Bilderbibel“ im Kinder- und Gemeindegottesdienst.

Der folgende erste Teil zeichnet die Entwicklung der Krippentradition historisch nach, beschreibt, wie die große Krippe heute tatsächlich praktiziert wird, und arbeitet die wichtigsten Veränderungen in der praktischen Ausführung heraus. Erst im zweiten Teil – der hier noch nicht folgt – wird dann der Blick auf die einzelnen Figuren und Elemente gelenkt, die die Krippenszene bevölkern.

Die Tradition der großen Krippe an Weihnachten

Historische Linien

Am Anfang der Krippentradition steht kein geschnitzter Holzstall, sondern ein Wort: das griechische „phatnē“ im Lukasevangelium, das die Futterstelle der Tiere bezeichnet, in der das Kind Jesus abgelegt wird. Die lateinische Übersetzung „praesepium“ bzw. im Vulgärlatein „cripia“ wird später zum Ausgangspunkt für die verschiedenen Bezeichnungen wie Krippe, crèche oder presepe. Schon früh beginnt die christliche Kunst, das Geburtsgeschehen bildlich umzusetzen, zunächst an Wänden und in Mosaiken. Katakombenmalereien, frühchristliche Sarkophage und spätere romanische und gotische Kunst zeigen Maria mit dem Kind, oft mit einem Stern, manchmal mit Hirten oder Magiern, gelegentlich auch mit Tieren, aber noch ohne die dreidimensionale „Landschaft“ mit aufstellbaren Figuren, die heute mit Krippen verbunden wird.

Aus liturgiegeschichtlicher Perspektive gilt das geistliche Schauspiel als Hauptwurzel der heutigen Krippen. Aus Wechselgesängen der Messe entwickeln sich im Mittelalter kleine Spielszenen, die zuerst im Chorraum, später auf eigens errichteten Bühnen die Weihnachtsgeschichte vor Augen führen. Die Darstellung reicht von einfachen Dialogen zwischen Engel und Hirten bis zu umfangreichen Mysterienspielen, die nicht nur die Geburt, sondern auch Passion und Auferstehung umfassen. Diese szenischen Formen, in denen Menschen Rollen übernehmen und in einer Art improvisiertem Theater das Heilsgeschehen nachspielen, bereiten den Boden für die spätere Idee, Figuren im Raum aufzustellen, die dauerhaft das zeigen, was zuvor nur für die Dauer eines Spiels leibhaftig anwesend war.

Eine entscheidende Zäsur markiert das Jahr 1223. In Greccio, einem kleinen Ort im Rietital, feiert Franz von Assisi die Christnacht in einer Felsenhöhle. Zeitgenössische Berichte schildern, wie er eine Futterkrippe mit Heu aufstellen lässt, dazu einen lebendigen Ochsen und einen Esel, und wie die Dorfbewohner sich versammeln, um in dieser Kulisse die Messe zu feiern. Franz hält seine Predigt direkt neben der Krippe, die Szene soll den Menschen die Geburt Jesu „mit Augen sehen“ lassen, als stünden sie selbst in Bethlehem. Moderne Franziskaner und Historiker betonen, dass Greccio eher ein Krippenspiel mit lebenden Figuren als eine dauerhafte Figurengruppe war, aber gerade diese Inszenierung des Wortes als Bild und Handlung hat die Krippenfrömmigkeit nachhaltig geprägt.

Im Spätmittelalter entstehen dann erste statische Krippen, zunächst in Italien. Eine Inventarliste der Kirche San Giovanni a Carbonara in Neapel aus dem Jahr 1478 nennt bereits eine ganze Gruppe geschnitzter Figuren: die heilige Familie, Ochs und Esel, Hirten, Schafe, Hunde, Engel, Propheten und Sibyllen. Gleichzeitig entwickelt sich in Rom die Marienbasilika Santa Maria Maggiore zum Ort einer besonderen Krippenverehrung: Seit dem Frühmittelalter wird dort eine Reliquie des „Krippenholzes“ aufbewahrt, weshalb die Kirche den Beinamen „ad praesepe“ trägt, also „bei der Krippe“.

Die Reformation unterbricht diesen Weg nur teilweise. Während manche evangelische Regionen Bilder und Figuren aus den Kirchen entfernen, bleiben in katholischen Gebieten figürliche Darstellungen weiterhin zentral. Im Zuge der Gegenreformation werden die Möglichkeiten szenischer Darstellung geradezu programmatisch genutzt. Jesuiten, Franziskaner und andere Orden entwickelten umfangreiche Krippen, die das Leben Jesu in mehreren „Tableaus“ zeigen. Ein frühes Beispiel nördlich der Alpen ist die Krippe in der Jesuitenkirche St. Klemens in Prag, die bereits im 16. Jahrhundert mit lebensgroßen Figuren der heiligen Familie in einer aufwendig gestalteten Szenerie Aufmerksamkeit erregt. Das Konzil von Trient stärkt ausdrücklich die Funktion von Bildern als Mittel der Unterweisung und Erbauung, und die Weihnachtskrippe wird zu einer Art „arme-Leute-Bibel“ für das Auge.

In der Frühen Neuzeit verlagert sich das Schwergewicht nach Süditalien und in den Alpenraum. In Neapel entstehen unter königlicher und adeliger Patronage immer aufwändigere presepi. Die besten Bildhauer und Kunsthandwerker modellieren keramische oder hölzerne Figuren, Schneidemeister fertigen Stoffgewänder, Goldschmiede liefern Schmuck und Accessoires. Im 18. Jahrhundert erreicht diese Kunst einen Höhepunkt: Neapolitanische Krippen zeigen nicht nur den Stall, sondern ganze Stadtpanoramen, belebte Märkte, Tavernen, Handwerkerwerkstätten und Szenen des Volkslebens. Der Blick des Betrachters wandert von der heiligen Familie über Hirten und Engel hin zu Fischhändlern, Musikanten, Bettlern, bis eine ganze Welt sichtbar wird, in deren Mitte Christus geboren wird. Museen in Europa und Amerika bewahren bis heute solche Ensembles und bauen sie jedes Jahr neu auf.

Im deutschsprachigen Raum entstehen parallel Heimat- und Bauernkrippen. In Tirol, Südtirol, Oberbayern und Österreich werden geschnitzte Holzfiguren zum Kennzeichen einer regionalen Volkskunst. Krippenlandschaften zeigen alpine Höfe, Bergrücken, Waldstücke, kleine Kapellen und Wege, über die Hirten und Könige zum Stall ziehen. In manchen Wallfahrtsorten entstehen mechanische Krippen mit dutzenden bewegten Figuren, die sägen, mahlen, spinnen oder musizieren und so eine Verbindung von Alltagsleben und Heilsgeschichte herstellen.

Aus dem Umfeld der Kirchen wandert die Krippe zunächst in Adels- und Patrizierhäuser und von dort weiter in bürgerliche Wohnungen. Die Diözese Linz erinnert daran, dass die früheste bekannte Hauskrippe in einem Inventar der Burg der Piccolomini di Aragona aus dem Jahr 1567 erwähnt wird und dass sich der Brauch von dort aus über Palastkapellen in private Räume ausbreitete. In katholischen Regionen des 19. Jahrhunderts sind Hauskrippen zunächst noch selten, verbreiten sich aber im frühen 20. Jahrhundert rasch. Der Paderborner Franziskaner Siegfried Schneider, oft „Krippenpater“ genannt, spielt dabei eine wichtige Rolle. Durch Schriften, Krippenausstellungen und Wettbewerbe weckt er eine breite Krippenbewegung, die einfache Familienkrippen fördert und den Brauch vertieft. Eine Studie zu Westfalen zeigt, dass Volksschullehrer ihre Schüler gezielt anleiteten, Krippen zu bauen, wodurch der Brauch auch in einfachen Haushalten Fuß fasste.

Konfessionell wird die Krippe sehr unterschiedlich aufgenommen. Katholische Regionen integrieren sie selbstverständlich in Liturgie und Hausfrömmigkeit. Evangelische Kirchen, die aus der Reformation eine gewisse Skepsis gegenüber religiösen Bildern geerbt haben, kommen erst im 19. und 20. Jahrhundert breiter dazu, Krippen als Unterrichts- und Verkündigungsmittel zu nutzen. Orthodoxe Kirchen halten am Vorrang der Ikone fest; die plastische Krippe bleibt hier zwar möglich, aber nie so identitätsstiftend wie in vielen katholischen Kulturen.

Wie die Krippe in jedem Weihnachtsjahr praktiziert wird

Im Kirchenjahr gehört die Krippe heute zu den sichtbarsten Zeichen der Weihnachtszeit. In vielen Pfarreien wächst sie bereits im Advent: Zunächst steht der Stall leer, manchmal liegt nur etwas Stroh in der Krippe, Hirten und Tiere rücken schon näher, die Könige bleiben noch „in der Ferne“. In der Christmette oder im Gottesdienst an Heiligabend wird dann das Jesuskind in einer kurzen liturgischen Handlung in die Krippe gelegt, häufig begleitet von einem Liedvers oder einer stillen Gebetszeit. Diese Geste macht deutlich, dass die Krippe nicht bloß Dekoration ist, sondern Teil einer liturgischen Bewegung, in der das „Heute ist euch der Retter geboren“ vergegenwärtigt wird.

Die Verweildauer der Krippe im Kirchenraum variiert. In vielen katholischen Gemeinden bleibt sie bis zum Fest der Taufe des Herrn Mitte Januar, mancherorts bis Mariä Lichtmess am 2. Februar stehen, in Anlehnung an ältere liturgische Traditionen. In dieser Zeit werden einzelne Szenen gelegentlich leicht verändert: Am 6. Januar erreichen die Magier den Stall, in manchen Jahreskrippen kommen später Motive wie die Flucht nach Ägypten oder die Darstellung im Tempel hinzu. In evangelischen Gemeinden, die Krippen nutzen, steht sie meist vom Heiligabend bis zum Sonntag nach Epiphanias, häufig in unmittelbarer Nähe des Weihnachtsbaums als visuelle Zusammenfassung der Predigttexte dieser Zeit.

Neben der liturgischen Funktion hat sich in vielen Kirchen ein halböffentlicher, halb privater Umgang mit der Krippe etabliert. Offene Kirchen in den Tagen um Weihnachten laden Menschen ein, die Krippe zu besuchen, eine Kerze anzuzünden, still zu verweilen oder Gebetsanliegen aufzuschreiben. Ein Konzeptpapier der Evangelischen Kirche von Westfalen empfiehlt ausdrücklich, Krippe und Baum als „meditative Inseln“ zu nutzen, wenn in Pandemiezeiten große Gottesdienste nicht möglich sind: Die Krippe wird dann zum Ankerpunkt für persönliche Besuche, die sich über die Feiertage verteilen.

Im häuslichen Bereich spielt die Krippe eine nicht minder wichtige Rolle. Viele Familien verbinden mit dem Krippenaufbau eigene Rituale. Mancher Stall steht bereits zu Beginn des Advents, andere warten bis zum dritten oder vierten Adventssonntag, wieder andere lassen Krippe und Baum gemeinsam an Heiligabend „erscheinen“. Häufig wird das Jesuskind bis zum Abend bewusst zurückgehalten; Kinder tragen es im Rahmen der Bescherung oder eines kurzen Hausgottesdienstes zur Krippe und legen es hinein. In zahlreichen Familien „wandern“ die Könige: Sie stehen in der Adventszeit auf einem entfernten Regal und rücken Tag für Tag ein Stück näher zum Stall, bis sie an Epiphanie ankommen.

Auch ökumenische Familien binden die Krippe selbstverständlich in ihren Jahresablauf ein. Berichte von konfessionsverbindenden Ehepaaren zeigen, dass die Krippe im Wohnzimmer oft zu einem gemeinsamen Zeichen wird, auch wenn der Adventssonntag in der katholischen Gemeinde und der Heiligabendgottesdienst in der evangelischen Gemeinde gefeiert wird. Das Krippenspiel, meist von Kindern aufgeführt, markiert dann die Schnittstelle: Es übersetzt die biblischen Geschichten in Rollen und Dialoge, in denen sich Kinder wiederfinden.

Krippenspiele gehören in vielen Gemeinden zu den am stärksten besuchten Gottesdiensten des Jahres. Kinder spielen Maria, Josef, Engel, Hirten, manchmal auch Wirt und Könige; ältere Kinder führen Regie oder erzählen als Erzählerstimme. Im Hintergrund steht häufig eine fest installierte oder eigens aufgebaute Krippe, die als Kulisse dient und nach dem Gottesdienst für die Besucher geöffnet bleibt. Pädagogisch werden Krippenspiele genutzt, um Bibelkenntnis zu vertiefen, Rollen zu reflektieren und Kinder auf einfache Weise an Liturgie heranzuführen.

Über den engeren Kirchen- und Familienraum hinaus haben sich im 20. und 21. Jahrhundert vielfältige Formen öffentlicher Krippenpraxis entwickelt. Stadt- und Ortskrippen werden auf Marktplätzen, in Rathaushöfen oder auf Weihnachtsmärkten aufgebaut, mit wechselnden Szenen, manchmal auch mit lebenden Tieren. In manchen Städten führen Krippenwege durch Kirchen, Schaufenster und Höfe, sodass Spaziergänger auf einer Art Parcours verschiedene künstlerische und kulturelle Lesarten des Weihnachtsgeschehens entdecken. Spezialisierte Museen und Sammlungen – von neapolitanischen Krippen über alpenländische mechanische Krippen bis hin zu afrikanischen und lateinamerikanischen Inkulturationskrippen – öffnen in der Adventszeit ihre Schauräume.

Spirituell gedeutet wird die Krippe immer wieder als „Evangelium in Miniatur“ beschrieben. Papst Franziskus hat in seinem Schreiben „Admirabile signum“ ausdrücklich hervorgehoben, dass die Krippe lehre, den Glanz des Wesentlichen von der Fassade des Unwesentlichen zu unterscheiden, weil in einer Szene von Armut und Einfachheit Gott selbst als Kind sichtbar wird. Die Anwesenheit einfacher Leute, von Hirten und Armen, mache deutlich, dass die Nähe Gottes sich zuerst bei denen zeigt, die am meisten auf Liebe angewiesen sind. In vielen Predigten und Andachten wird diese Linie aufgenommen, wenn die Krippe als Spiegel der eigenen Lebenswelt, als Einladung zu Solidarität mit Ausgegrenzten oder als Zeichen der Hoffnung in bedrängter Zeit ausgelegt wird.

Veränderungen in der praktischen Ausführung

Über die Jahrhunderte hat sich nicht nur die Dichte des Brauchs, sondern auch sein Erscheinungsbild deutlich verändert. Eine zentrale Verschiebung betrifft das Verhältnis von Krippe und Liturgie. Ursprünglich im innerkirchlichen Raum verortet, ist die Krippe heute ebenso sehr Hausritual und öffentliches Kulturobjekt. In einem einzigen Advent kann dieselbe Szene in einem katholischen Gottesdienst, im evangelischen Krippenspiel, auf einem säkularen Weihnachtsmarkt und im Wohnzimmer einer kaum religiös gebundenen Familie auftauchen. Die Bedeutung verschiebt sich jeweils: einmal als Andachtsbild, einmal als pädagogische Bühne, einmal als stimmungsvolle Dekoration und einmal als Teil eines Familienbrauchs mit Erinnerungen an Großeltern und Kindheit.

Mit der Ausdehnung des Brauchs haben sich Materialien und Stile vielfältig verändert. Während frühe Krippen vor allem aus Holz, Ton, Wachs und Stein bestehen, dominiert im 19. Jahrhundert Gips und Kreide, im 20. und 21. Jahrhundert kommen Kunstharze, Kunststoffe, Papiermaché, Metall und Glas hinzu. Parallel dazu entsteht ein Markt für Serienfiguren, die ganze Familien zu erschwinglichen Preisen erwerben können, während zugleich hochspezialisierte Werkstätten in Südtirol, im Erzgebirge oder in Neapel handgeschnitzte oder modellierte Figuren für Sammler und Kirchen anbieten.

Der Stil reicht vom üppigen Barock mit reich verzierten Gewändern und dramatischen Gesten über alpenländische Bauernkrippen in Tracht bis zu streng reduzierten modernen Krippen, bei denen Köpfe und Hände nur angedeutet sind oder Figuren aus einfachen Holzleisten bestehen. Minimalistische Krippen betonen durch ihre Reduktion das Geheimnis des Geschehens: Nicht alles wird ausgemalt, sondern eine Konstellation von Körpern im Raum genügt, um Beziehung und Bewegung zu zeigen.

Ein weiterer Wandel liegt in der weltweiten Inkulturation. Krippen aus Afrika, Asien, Lateinamerika oder Ozeanien zeigen die heilige Familie mit dunkler oder brauner Haut, in lokalen Kleidungsformen und mit Tieren und Häusern, die der eigenen Umgebung entstammen. Ein peruanischer Tonberg bildet die Andenlandschaft ab, eine tansanische Ebenholzkrippe zeigt das Geschehen als Lebensbaum, eine philippinische Krippe arbeitet mit Bambus und regionalen Motiven. Krippenforscher wie Adalbert Kuhn haben gezeigt, wie dadurch das biblische Geschehen nicht verfremdet, sondern in neue kulturelle Sprachen übersetzt wird, ohne seinen Kern zu verlieren.

Gleichzeitig sind in jüngerer Zeit politische und sozialethische Krippen entstanden, die die Grenzen traditioneller Darstellung bewusst dehnen. Die Flucht nach Ägypten wird mit heutigen Flüchtlingsbooten verbunden, Herodespaläste erinnern an modernisierte Machtzentren, die heilige Familie erscheint in Zelten, improvisierten Unterkünften oder in der Kleidung Geflüchteter. Besonders in den USA haben einzelne Gemeinden Krippen genutzt, um auf die Situation von Familien an der Grenze hinzuweisen, indem sie Maria, Josef und das Kind in getrennten Metallkäfigen oder hinter einem Grenzzaun zeigen. Solche Inszenierungen lösen innerhalb des Christentums kontroverse Debatten aus. Befürworter sprechen von einer notwendigen Konkretion der biblischen Botschaft in gegenwärtige Unrechtssituationen, Kritiker sehen eine Instrumentalisierung des Heilsgeschehens für tagespolitische Anliegen.

Auch innerhalb der klassischen Krippenwelt gibt es Korrekturbewegungen. Das betrifft besonders die Tierfiguren Ochs und Esel, die in keiner der beiden kanonischen Weihnachtsgeschichten vorkommen, sondern aus Jes 1,3 und dem apokryphen Pseudo-Matthäus-Evangelium in die Szene gelangt sind. Historisch wurden sie teilweise antijudaistisch gedeutet, als Symbol dafür, dass „selbst Tiere den Herrn erkennen, Israel aber nicht“. Moderne Exegese und Krippenpädagogik arbeiten diesen Ballast auf und schlagen alternative Deutungen vor: Ochs und Esel als Vertreter der geschaffenen Welt, als Hinweis auf Juden und Heiden gemeinsam vor Christus oder schlicht als Erinnerung daran, dass Gottes Kommen die ganze Welt umfasst, nicht nur die menschliche.

Schließlich hat sich die konfessionelle Landschaft spürbar verschoben. Evangelische Kirchen, die lange zurückhaltend waren, nutzen heute Krippen breit in Krippenspielen, Kinderbibeltagen und Gottesdiensten, allerdings oft mit dem erklärten Ziel, deutlich zwischen biblischem Text und Tradition zu unterscheiden. Orthodoxe Gemeinden experimentieren vereinzelt mit plastischen Krippen, bleiben aber im liturgischen Zentrum bei der Ikone der Geburt. Katholische Theologie reflektiert die Volksfrömmigkeit intensiver als früher, etwa indem sie antijudaistische und koloniale Darstellungsformen hinterfragt oder rassismuskritische Debatten um die Darstellung der „Heiligen Drei Könige“ aufnimmt.

So zeigt die große Weihnachtskrippe heute ein breites Spektrum: von der ländlichen Hauskrippe einer bäuerlichen Familie, die seit Generationen dieselben Figuren aufstellt, über internationale Kunstkrippen in Museen bis zu provozierenden Installationen, die aktuelle Konflikte ins Bild holen. Die historische Linie vom liturgischen Spiel über Greccio, barocke Kirchenkrippen und bürgerliche Hauskrippen bis zur globalisierten, medial vermittelten Krippenkultur macht deutlich, dass dieser Brauch nicht statisch ist. Er lebt von der Spannung zwischen einer klaren Mitte – der Erzählung von der Geburt Jesu – und einer Fülle von Ausdrucksformen, in denen jedes Jahrhundert und jede Kultur neu zu zeigen versucht, was es heißt, dass „Gott in einer Krippe“ zur Welt kommt.

Die Figuren und Elemente der Krippe

Die große Weihnachtskrippe ist eine Art räumlich aufgefächerte Erzählung. Jede Figur, jeder Gegenstand ist mehr als ein Dekorstück, sondern trägt einen bestimmten Namen, verweist auf einen biblischen Zusammenhang und ist je nach kirchlicher Tradition etwas anders deutbar. Wer eine große Krippe betrachtet, liest gewissermaßen eine „Bilderbibel“, in der die Kindheitsgeschichten der Evangelien, apokryphe Motive, jahrhundertealte Frömmigkeitsformen und aktuelle theologische Debatten nebeneinander sichtbar werden. Eine anschauliche, allgemein verständliche Übersicht über typische Krippenfiguren bieten etwa handwerkliche und katechetische Darstellungen, wie sie von Krippenbauwerkstätten veröffentlicht werden(🔗).

Die heilige Familie: Jesuskind, Maria und Josef

Im Mittelpunkt jeder Krippe steht das Kind in der Futterkrippe. Im religiösen Sprachgebrauch wird von Jesuskind, Christkind oder auch vom göttlichen Kind gesprochen; theologisch anklingen lassen sich außerdem Titel wie Emmanuel, Retter, Christus oder Herr, die in den Weihnachtsperikopen des Neuen Testaments vorkommen. Lukas erzählt, dass Maria ihren erstgeborenen Sohn gebar, ihn in Windeln wickelte und in eine Krippe legte, weil in der Herberge kein Platz war. Matthäus betont dagegen stärker den Namen „Jesus“, der „sein Volk von seinen Sünden retten“ wird, und verbindet dies mit dem Immanuel-Zitat des Propheten Jesaja, das „Gott mit uns“ bedeutet.

Die verschiedenen Konfessionen akzentuieren diese Mitte auf eigene Weise. In der katholischen Tradition hat sich eine ausgeprägte Kind-Jesus-Frömmigkeit entwickelt. Das Jesuskind erscheint nicht nur in der Krippe, sondern auch in eigenständigen Andachtsbildern, etwa als Prager Jesulein, mit Krone, Herz oder Globus in der Hand, wie es kunsthistorische Überblicke zur Weihnachtskrippe detailliert nachzeichnen(🔗). Die Krippe wird hier gern als „erster Altar“ verstanden, an dem Christus sich in Armut schenkt. In der orthodoxen Ikone der Geburt Christi liegt das Kind in einer Krippe, die wie eine kleine, in den Fels eingelassene Höhle wirkt; die Windeln erinnern in Form und Farbe an ein Leichentuch. So verschränkt die Ikone Geburt und Pascha und lässt das Kind von Anfang an als den sichtbar werden, der später gekreuzigt und auferweckt wird(🔗). Evangelische Deutung konzentriert sich stärker auf die Grundbewegung: Gott wird Mensch, ohne sich selbst aufzugeben. Die Krippe steht dann als Bild für die Zuwendung Gottes zu den Geringen und wird in Predigten mit späteren Christusbildern wie dem „Lamm Gottes“ und dem „guten Hirten“ verbunden.

Maria wird in der westlichen Tradition als Gottesmutter, in der orthodoxen als Theotokos, die Gottgebärerin, bezeichnet. Biblisch tritt sie als Adressatin der Verkündigung durch den Engel Gabriel, als Besucherin ihrer Verwandten Elisabet, als Gebärende in Bethlehem und als innerlich hörende und bewahrende Zeugin in Erscheinung. In Krippendarstellungen sitzt oder kniet sie meist am Kind, oft mit dem Blick auf Jesus gerichtet und mit einem Gestus der Fürsorge und Verehrung. Katholische und orthodoxe Kirchen verehren sie liturgisch und in Gebetsformen weit stärker als die meisten evangelischen Kirchen, doch gerade das Magnificat, ihr Lobgesang im Lukasevangelium, wird in allen Traditionen als Schlüsseltext gelesen. In ihm preist sie einen Gott, der Mächtige vom Thron stürzt und Niedrige erhöht; feministische und befreiungstheologische Interpretationen nehmen diese Zeilen auf und sehen in Maria eine prophetische Gestalt, die soziale Umkehr ansagt, während konservativere christliche Lesarten eher die demütige Hingabe und das Vertrauen betonen.

Josef schließlich trägt im religiösen Sprachgebrauch Titel wie heiliger Josef, Nährvater oder Bräutigam der Maria. Matthäus zeichnet ihn als gerechten Mann, der durch Träume Weisung Gottes erhält, Maria nicht zu verstoßen, sondern das Kind anzunehmen und die Familie vor Herodes nach Ägypten in Sicherheit zu bringen. Lukas erwähnt ihn vorrangig als Angehörigen des Hauses Davids, der deshalb nach Bethlehem gehen muss und so die messianische Verheißung an David erfüllt. In der katholischen Tradition ist Josef Patron der Kirche, der Arbeiter und Familienvater, im orthodoxen Bilderkanon steht er meist an der Seite oder etwas abseits, manchmal in der Versuchungsszene, in der ein alter Mann ihn zu Zweifeln an der Jungfrauengeburt anstachelt. Evangelische Theologie hat ihn lange eher am Rand wahrgenommen, entdeckt ihn in jüngerer Zeit aber zunehmend als Identifikationsfigur eines Menschen, der mit inneren Spannungen und gesellschaftlichen Erwartungen ringt und dennoch Gottes ungewöhnlichem Weg vertraut.

Engel als Boten und Chöre

Engel gehören in jeder größeren Krippe zu den auffälligsten Figuren. Im sprachlichen Gebrauch wird zwischen Verkündigungsengel, Gloriaengel und Engelchor unterschieden. Biblisch verbindet sich mit ihnen zum einen die Verkündigung an Maria, zum anderen vor allem die Szene auf dem Feld, in der ein Engel den Hirten die Geburt des Retters ankündigt und ein himmlischer Chor das „Ehre sei Gott in der Höhe“ singt. In Krippen hängt ein Engel oft über dem Stall, mit Spruchband, auf dem dieser Lobvers zu lesen ist, während weitere Engel musizierend, singend oder anbetend um das Kind gruppiert sind.

In katholischer und orthodoxer Frömmigkeit sind Engel reale geistige Wesen, die Gott dienen und Menschen begleiten; es gibt eine ausgearbeitete Engellehre mit Hierarchien, Festtagen und liturgischen Texten. Evangelische Kirchen sind zurückhaltender, was engelbezogene Volksfrömmigkeit angeht, greifen aber die biblischen Engelbilder gerade in der Weihnachtszeit stark auf, weil sie als verständliche Brücke in die Welt des Glaubens dienen. In manchen modernen Krippen werden Engel bewusst entkitscht, etwa als einfache, fast abstrakte Gestalten oder als schlichte Lichtfiguren, um sie von der populären Engelskitsch-Ästhetik abzugrenzen und stärker als Zeichen der göttlichen Zuwendung zu zeigen.

Hirten, Schafe und die Nähe zur Herde

Die Hirten an der Krippe tragen in Krippenspielen oft volkstümliche Namen, in der überwiegenden christlichen Tradition bleiben sie aber namenlos. Lukas schildert sie als Menschen, die draußen auf den Feldern ihre Herden hüten, von der Engelsbotschaft überrascht werden, „eilig“ nach Bethlehem aufbrechen, das Kind in der Krippe finden und anschließend die Botschaft weitertragen. In der Krippe stehen sie mit Hirtenstab und Laterne am Stall, knien oder beugen sich, bringen einfache Gaben oder spielen Instrumente. Ihre Präsenz verbindet die Geburtserzählung mit alttestamentlichen und neutestamentlichen Hirtenmotiven: Der Herr als Hirte im Psalm 23, die Kritik an schlechten Hirten in der Prophetie und das Selbstwort Jesu als „guter Hirte“ im Johannesevangelium.

Konfessionell wird die Hirtenfigur relativ einhellig gedeutet, aber mit unterschiedlichen Schwerpunkten. In katholischer Predigtliteratur werden die Hirten gern als Symbol der Armen und Einfachen beschrieben, die zuerst das Heil erfahren, was an die soziale Dimension des Evangeliums erinnert. Befreiungstheologische Ansätze betonen zusätzlich, dass Gott nicht zuerst bei den politisch Mächtigen, sondern am Rand der Gesellschaft sichtbar wird. Evangelische Auslegung hebt oft hervor, dass den Hirten nichts zu leisten bleibt, sondern sie eine geschenkte Botschaft empfangen, die sie „einfach weitererzählen“; in dieser Linie werden sie zu Bildern für Glaubende, die ohne eigene Verdienste angesprochen und beauftragt werden.

Zu den Hirten gehören untrennbar ihre Tiere. Schafe und Lämmer tummeln sich in den meisten Krippen in großer Zahl, manchmal begleitet von Ziegen und Hirtenhunden. In der Bibel werden diese Tiere in der Weihnachtsgeschichte nur implizit vorausgesetzt, doch ihre Symbolkraft ist groß. Das Lamm steht in weiteren neutestamentlichen Texten für Christus selbst, der „Lamm Gottes“ genannt wird, das die Sünde der Welt trägt. In der Krippe wird dieses Motiv meist nur zart angedeutet, etwa durch ein Lamm, das besonders nah am Kind liegt oder von einem Hirten in armähnlicher Haltung getragen wird, um nicht eine zu schnelle Verbindung von Geburt und Opferdarstellung zu erzwingen. In der orthodoxen Ikone wird das Lamm-Motiv eher in anderen Festikonen und liturgischen Texten entfaltet, während die Geburtsikone die Schafe vor allem als Elemente einer umfassenden Schöpfungsszenerie zeigt, in der Himmel und Erde, Menschen und Tiere auf das Geschehen reagieren.

Ochs und Esel als umkämpftes Motiv

Besonders lehrreich ist der Blick auf Ochs und Esel, die in nahezu jeder westlichen Krippe hinter der Futterkrippe stehen, obwohl sie in den Evangelien nicht erwähnt werden. Ihre Spur führt zu einem Vers beim Propheten Jesaja, in dem es heißt: „Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht.“ Aus dieser Stelle entwickelt die frühe Kirche eine Deutung, in der Ochs und Esel als Allegorie für Israel und die Heiden stehen. Alte Auslegungen geben dem Ochsen als „gespanntes“ Tier häufig das jüdische Gesetz, dem Esel die Last des heidnischen Götzendienstes; beide neigen sich vor Christus, während ein Teil des Volkes ungläubig bleibt.

Apokryphe Kindheitsevangelien, etwa das sogenannte Pseudo-Matthäus-Evangelium, bringen Ochs und Esel dann direkt an die Krippe, indem sie erzählen, wie die beiden Tiere das Kind anblöken, ihm den Atem wärmen oder sich vor ihm verneigen; ausdrücklich wird dabei Jesaja 1,3 als „erfüllt“ bezeichnet. Der Krippenbrauch übernimmt diese Bilder und macht sie zu einem der vertrautesten Motive.

Spätestens seit dem 20. Jahrhundert wird die traditionell antijudaistische Deutung kritisch aufgearbeitet. Theologische Beiträge sprechen von einem „Betriebsunfall Antijudaismus“(🔗), weil das Motiv über Jahrhunderte dazu diente, das Judentum abzuwerten und die eigene Erkenntnis zu überhöhen. In der heutigen Krippenpädagogik und Exegese werden andere Lesarten bevorzugt. Ochs und Esel können schlicht als Tiere gelesen werden, die durch ihr instinktives Verhalten zeigen, dass die ganze Schöpfung in die Ankunft Gottes hineingenommen ist; sie können als Bild für Juden und Heiden verstanden werden, die gemeinsam vor Christus erscheinen; sie können auch als Hinweis darauf dienen, dass Gottes Gegenwart selbst da erkannt wird, wo Menschen versagen. In orthodoxen Ikonen haben Ochs und Esel oft eine tragende Rolle innerhalb einer streng komponierten Geburtslandschaft, werden aber weniger antijudaistisch ausgedeutet, sondern als integrale Bestandteile einer kosmischen Szene verstanden, in der Himmel, Erde und Unterwelt auf die Menschwerdung Gottes reagieren.

Magier, Könige und ihr Gefolge

Die Gestalten, die im Volksmund gewöhnlich „Heilige Drei Könige“ genannt werden, heißen im biblischen Text „Magier“ oder „Weise“ aus dem Osten. Matthäus erzählt, dass sie einem Stern folgen, am Hof des Herodes nach dem „neugeborenen König der Juden“ fragen, in Bethlehem schließlich das Kind mit Maria finden, niederfallen und ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe darbringen. Die Zahl drei ist aus den drei Gaben abgeleitet, Namen wie Kaspar, Melchior und Balthasar tauchen erst in spätantiken und frühmittelalterlichen Quellen auf. Unter dem Einfluss alttestamentlicher Texte, die davon sprechen, dass Könige aus der Ferne Reichtümer gemäß Psalm 72 oder Gold und Weihrauch gemäß Jesaja 60 bringen, werden die Magier in der Westkirche nach und nach selbst zu Königen umgedeutet; das Lexikon katholisch.de fasst diesen Prozess kompakt zusammen(🔗).

Im religiösen Sprachgebrauch koexistieren seither verschiedene Bezeichnungen. Katholische und viele evangelische Gemeinden sprechen selbstverständlich von den „Heiligen Drei Königen“, obwohl exegetisch klar ist, dass Matthäus weder „heilig“ noch „drei“ oder „Könige“ schreibt, sondern von Magiern mit ungenannter Zahl. In der orthodoxen Tradition ist die Sprache etwas näher am biblischen Text, wenngleich die ikonographischen Details – etwa ihre unterschiedlichen Lebensalter und Herkunftsregionen – ebenfalls einer langen nachbiblischen Tradition entstammen. Interessant ist, dass in manchen reformatorischen Kontexten das Wort „Könige“ bewusst gemieden wurde; Martin Luther etwa besteht im Grundtext auf der Bezeichnung „Weise aus dem Morgenland“ und lehnt eine dogmatische Fixierung der Dreizahl ab, auch wenn sich im volkstümlichen Brauch die traditionelle Redeweise weitgehend durchgesetzt hat.

Theologisch werden die Könige oder Magier überwiegend als Vertreter der Heidenvölker gedeutet. Sie kommen von weit her, folgen einem Stern, der mit dem Bileam-Orakel „Ein Stern geht aus Jakob auf“ verknüpft werden kann, und beugen vor dem jüdischen Kind das Knie. Ihre Stadt- und Völkerherkunft ist in der Ikonographie oft so gewählt, dass Europa, Asien und Afrika repräsentiert sind. Damit wird sichtbar gemacht, dass die Geburt Jesu nicht nur innerjüdische, sondern universale Bedeutung hat. In neueren Krippen und Sternsingeraktionen wird diese Symbolik bewusst unterstrichen; etwa wenn ein König mit dunkler Hautfarbe gezeigt wird oder wenn die Dreikönigsaktion der katholischen Kirche ihre weltweite Hilfsarbeit explizit mit der „Epiphanie“ Gottes vor allen Völkern verbindet.

In orthodoxen Geburtsikonen sind die Magier meist in einer eigenen Bildzone dargestellt, die in die Szene integriert ist. Sie reiten auf Pferden oder Kamelen, ein Stern führt sie, und über dem Kind halten sie ihre Gaben. Die Ikone verbindet so biblischen Text und Tradition zu einer Gesamtkomposition, in der die Magier Teil eines kosmisch-geschichtlichen Geschehens sind, nicht bloß exotische Besucher.

Herodes, Kinder und Randfiguren der Gewalt

In vielen Krippen bleibt Herodes unsichtbar, seine Präsenz ist höchstens indirekt spürbar, etwa durch eine separate Szene der Flucht nach Ägypten oder durch kleine Figuren, die im Hintergrund Soldaten oder Flüchtende darstellen. Bibel und Tradition erzählen jedoch von einem König, der die Nachricht von einem neuen „König der Juden“ als Bedrohung wahrnimmt und gewaltsam reagiert. Matthäus schildert, wie Herodes die Schriftgelehrten nach Bethlehem als Geburtsort befragen lässt, die Magier heimlich instruiert und schließlich nach deren Abreise den Befehl gibt, sämtliche Knaben in Bethlehem und Umgebung zu töten, die zwei Jahre und jünger sind. Dieser „Kindermord von Bethlehem“ wird mit dem Klagevers des Propheten Jeremia verknüpft, in dem Rachel um ihre Kinder weint.

Künstlerische Krippenlandschaften, insbesondere barocke Jahreskrippen oder neapolitanische Großanlagen, greifen diese dunklen Motive auf, indem sie etwa einen Palast Herodes andeuten, Soldaten in Rüstung und verzweifelte Mütter darstellen oder die heilige Familie in Fluchtszenen zeigen, die später in die Jahresfolge eingebunden werden. In heutigen Krippen wird die Flucht nach Ägypten vielfach als eigene Figurengruppe gestaltet, in der Maria mit dem Kind auf einem Esel sitzt, Josef führt das Tier, und der Hintergrund nimmt orientalische Motive auf. Krippenhersteller bieten solche Szenen als Ergänzungssets an, die deutlich machen, dass die Geburt nicht das Ende, sondern der Beginn einer gefährdeten Geschichte ist.

Befreiungstheologische Deutungen lesen diese Motive mit Blick auf heutige Gewalt, Kriegsgebiete und Flüchtlingsbewegungen. In ihnen werden Herodes und seine Soldaten zu Typen für moderne Gewaltherrscher, während die Kinder von Bethlehem und die heilige Familie vor einem dramatischen Hintergrund stehen, der sich bis in die Gegenwart zieht. Konservative Auslegungen mahnen hier zur Zurückhaltung, weil die historische Frage um den Kindermord komplex ist und sich leicht ideologisch aufladen lässt. In jedem Fall zeigt schon die Existenz solcher Figuren, dass Krippen nicht nur idyllische Szenen reproduzieren, sondern auch biblische Schattenseiten sichtbar machen können.

Stall, Höhle, Landschaft und Architektur

Der bauliche Rahmen der Krippe wird im Alltag einfach „Stall“ genannt. Biblisch ist nur von einer Krippe und von der Tatsache die Rede, dass für die Familie kein Platz in der Herberge war. Frühe Traditionen, etwa Pilgerberichte und apokryphe Schriften, verlegen den Geburtsort in eine Höhle nahe Bethlehem. In der Ostkirche wird dieses Motiv aufgenommen; die Geburtsikone zeigt eine dunkle Felsenhöhle, in deren Mitte die Krippe mit dem Kind steht. Die Höhle ist mehr als eine geographische Angabe, sie steht für die gefallene, finstere Welt und zugleich vorausdeutend für die Grabeshöhle, aus der Christus am Ostermorgen hervorgeht.

Westliche Krippen orientieren sich eher an der Vorstellung eines Stalls mit Holzbalken, Dach und Futtertrog. Barocke Darstellungen verwandeln diesen Stall in ruinenhafte Architektur, in der antike Säulen und verfallene Bögen im Hintergrund zu sehen sind. Kunsthistorische Deutungen lesen darin das Motiv des Übergangs: Die alte Welt bröckelt, während in der ärmlichen Hütte eine neue Heilsgeschichte beginnt. In alpenländischen Krippen wird der Stall in die vertraute Umgebung verlegt. Holzschindeldächer, breite Balken und kleine Fenster lassen ihn wie einen Bauernhof in Tirol oder Oberbayern erscheinen; Wege, Bäume, Brücken und kleine Wirtschaften fügen sich zu einer Landschaft, in der sich die Dorfgemeinschaft um die Krippe gruppiert.

Mit der weltweiten Ausbreitung des Krippenbrauchs sind unzählige Varianten dazugekommen. In afrikanischen Krippen wird der Stall manchmal durch einen Rundbau oder einen Baum ersetzt, in asiatischen durch Pfahlhäuser oder Bambushütten, in lateinamerikanischen durch adobeähnliche Strukturen mit Innenhöfen. Landschaft, Vegetation, Architektur und Lichtstimmung nehmen die je eigene Welt in den Blick und setzen damit bildlich um, was im Neuen Testament mit der universalen Geltung der Geburtserzählung gemeint ist.

Stern von Bethlehem

Über vielen Krippen hängt ein Stern, oft mit langem Schweif, manchmal stilisiert als geometrische Form. Er erinnert an die Erzählung des Matthäus, in der ein Stern die Magier zuerst nach Jerusalem und dann voran nach Bethlehem führt, wo er über dem Haus stehen bleibt, in dem sie das Kind finden. Christliche Tradition verbindet diesen Stern mit dem Orakel des Sehers Bileam im Buch Numeri, der ankündigt, aus Jakob werde ein Stern hervorgehen. Spätere Auslegung versteht diesen Stern als Symbol für den kommenden Messias.

Naturwissenschaftler und Historiker haben verschiedentlich versucht, astronomische Ereignisse zu identifizieren, die mit diesem Stern übereinstimmen könnten: Kometen, Supernovae oder Planetenkonjunktionen. Exegetische Forschung weist jedoch darauf hin, dass Matthäus weniger einen naturwissenschaftlich präzisen Bericht geben will, sondern den Stern erzählerisch als göttliches Wegzeichen einsetzt. In der orthodoxen Ikone spitzt sich diese Symbolik zu einem klaren Bild zu: Über der Höhle öffnet sich der Himmel, ein Stern strahlt nach unten, oft in drei Strahlen, die auf das Kind zeigen und zugleich an die Trinität erinnern. In westlichen Krippen wird die trinitarische Deutung selten explizit gemacht, aber die Erfahrung, dass ein über dem Stall angebrachter Stern den Blick fokussiert, bleibt ähnlich.

Moderne Zusatzfiguren und Aktualisierungen

In vielen zeitgenössischen Krippen sind Figuren zu sehen, die im klassischen Kanon nicht vorkommen. Geflüchtete Familien, Obdachlose, Menschen mit Behinderung, Einsatzkräfte, Pflegekräfte, Asylsuchende und andere Gestalten der Gegenwart finden ihren Platz am Rand oder in der Nähe der Krippe. Dahinter stehen meist bewusste Bezüge zu biblischen Texten, etwa zu der Flucht nach Ägypten, in der die heilige Familie selbst als Schutzsuchende erscheint, oder zu dem Gleichniswort Jesu, der sagt, dass er im Hungrigen, Fremden und Gefangenen begegnet. Krippen dieser Art werden häufig von kirchlichen Hilfswerken, Gemeinden oder Initiativen entwickelt, um die soziale und politische Dimension der Weihnachtsbotschaft sichtbar zu machen.

Konfessionelle Unterschiede zeigen sich hier weniger in der prinzipiellen Frage, ob diese Themen relevant sind, sondern in der Art der Darstellung und im Grad der Offenheit für provokante Inszenierungen. Römisch-katholische und evangelische Gemeinden experimentieren relativ häufig mit solchen Kontextkrippen, orthodoxe Gemeinden sind vorsichtiger, weil das Gewicht stärker auf der kanonisch festgelegten Ikone liegt. Freikirchen und evangelikale Gemeinschaften sind gespalten: manche übernehmen soziale Motive, andere halten an einer eher traditionell-bibeltreuen Krippengestaltung fest und verlagern sozialethische Themen in Predigt und praktische Gemeindearbeit.

Schluss

Die große Weihnachtskrippe erweist sich, betrachtet man Geschichte und Figuren genauer, als ein dichtes Gewebe aus Bibel, Tradition, Volkskunst und theologischer Deutung. Historisch ist sie aus der Verbindung von biblischer Erzählung, mittelalterlichen Liturgiespielen, barocker Bildpraxis und regionalen Frömmigkeitsformen entstanden. Sie hat den Weg genommen von der Höhle von Greccio über römische und neapolitanische Kirchen, alpenländische Bauernstuben und bürgerliche Wohnzimmer hin zu globalisierten, oft medial vermittelten Szenen, die auf allen Kontinenten verstanden werden.

Inhaltlich ist die Krippe eine Art begehbares Evangelium. Das Jesuskind in der Futterkrippe verweist auf die Menschwerdung Gottes und verbindet Armut und göttliche Würde. Maria und Josef zeigen, wie Vertrauen, Zweifel, Mut und Gehorsam in einer konkreten Lebensgeschichte zusammenkommen. Engel und Hirten holen den Himmel auf die Erde und die Erde vor den Himmel. Magier oder Könige, begleitet von Tieren und Dienern, verkörpern die Völkerwelt, die sich dem jüdischen Messias zuwendet. Herodes, Soldaten und Flüchtlingsszenen zeigen die Schattenseiten von Macht und Gewalt, in deren Nähe dieses Kind geboren wird. Ochs und Esel stehen exemplarisch dafür, wie stark Traditionen werden können, die auf knappen biblischen Andeutungen und späteren Deutungen beruhen – und wie notwendig es ist, sie immer wieder zu prüfen, historisch zu klären und theologisch neu zu deuten.

Konfessionell ist die Krippe ein Ort sowohl der Gemeinsamkeit als auch der Differenz. Katholische, orthodoxe, evangelische und freikirchliche Christen stehen vor ähnlichen Szenen, aber ihre inneren Landkarten sind verschieden. Manche legen größeres Gewicht auf Dogmen wie die Jungfrauengeburt und die Historizität der Kindheitsgeschichten, andere betonen die symbolische und theologische Aussageebene. Einige Traditionen haben eine reiche Marien- und Heiligenverehrung, andere verstehen Figuren wie Maria und Josef eher als exemplarische Glaubende, nicht als Fürsprecher. Orthodoxe Kirchen halten am Vorrang der Ikone fest, während plastische Krippen im Westen selbstverständlich geworden sind. Gleichzeitig entsteht in vielen Kontexten eine ökumenische Lernbewegung: evangelische Gemeinden entdecken den Wert von sinnlich-anschaulichen Darstellungen, katholische und orthodoxe Kirchen reflektieren kritischer antijudaistische und koloniale Bildtraditionen, alle zusammen ringen um Wege, die weihnachtliche Botschaft in einer säkularen und pluralen Gesellschaft verständlich zu halten.

Schließlich zeigt die Entwicklung der Krippenfiguren, wie dynamisch christliche Symbolsprache ist. Neue Figuren kommen hinzu, andere geraten in den Hintergrund, manche werden bewusst umgedeutet. Das alles geschieht nicht im luftleeren Raum, sondern in der Auseinandersetzung mit biblischen Texten, kirchlichen Lehrtraditionen und gesellschaftlichen Herausforderungen. Wer eine Krippe sorgfältig betrachtet, hat daher nicht nur eine hübsche Szene vor sich, sondern ein dichtes, über Jahrhunderte gewachsenes Zeugnis dafür, wie Christinnen und Christen versucht haben, mit Holz, Stoff, Stein und Farbe sichtbar zu machen, was Worte allein nicht sagen können: dass mitten in der Weltgeschichte, mitten in Machtkonflikten, Fluchtbewegungen, Armut und Alltag ein Kind geboren wird, in dem Gott selbst zur Sprache und zur Gestalt kommt.

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