Die Weihnachtskrippe

Die große Weihnachtskrippe: Geschichte, Praxis und theologische Deutung ihrer Figuren und Symbole

Hallo und herzlich willkommen. Jeder von uns kennt doch dieses Bild, oder? Ein kleiner Stall, Maria und Josef, das Jesuskind in der Mitte. Aber ich sag Ihnen was, diese vertraute Weihnachtskrippe ist so viel mehr als nur eine nette Deko. Sie ist eine unglaublich verdichtete Geschichte, eine kleine Bühne für ein riesiges Drama und ein Brauch, der viel viel älter und komplexer ist, als die meisten von uns ahnen. Klar, man stellt sie jedes Jahr auf, gehört halt dazu für die Stimmung, aus Tradition. Aber was wäre, wenn ich Ihnen sage, dass fast jedes Detail in dieser Szene eigene total überraschende Geschichte hat? Eine Geschichte, die oft so gar nicht in der Bibel steht, wie wir denken. Also, was haben wir vor? Wir schauen uns an, warum die Krippe viel mehr als nur Deko ist. Dann machen wir eine kleine Reise durch die Zeit, gucken uns das Ganze als ein lebendiges Ritual an. Wir entschlüsseln die Besetzung, also wer da eigentlich mitspielt, und sehen, wie sich diese Geschichte bis heute immer weiterentwickelt.

Fangen wir doch mal mit der vielleicht größten Überraschung an. Die Krippe, so wie wir sie im Wohnzimmer stehen haben, die kommt so in der Bibel gar nicht vor. Sie ist nämlich das Ergebnis einer ziemlich kreativen Verschmelzung von zwei total unterschiedlichen Erzählungen. Hier sehen wir es ganz deutlich, wie da zwei Welten aufeinander treffen. Auf der einen Seite haben wir das Lukasevangelium. Das liefert uns die Futterkrippe, die Hirten auf dem Feld, die Engel. Und auf der anderen Seite steht das Matthäusevangelium. Von dort kommen der Stern, die Weisen aus dem Morgenland und die ganze dramatische Geschichte mit der Flucht nach Ägypten. Die Krippe, die wir kennen, ist also quasi ein Best-of. Sie nimmt die besten Teile aus beiden Geschichten und fügt sie zu einem einzigen starken Bild zusammen.

Und natürlich hat diese Szene nicht für alle Christen die gleiche Bedeutung. In der katholischen Tradition ist die Krippe ganz tief verwurzelt, ein echter Teil der Volksfrömmigkeit. In der orthodoxen Kirche dagegen spielen die Ikonen eine viel zentralere Rolle, und im Protestantismus, tja, da ist die Haltung gemischt. Das geht von einer gewissen Distanz, weil man Bildern skeptisch gegenüber steht, bis hin zur liebevollen Nutzung als eine Art Bilderbibel, um Kindern die Geschichte zu erzählen. Wie ist das Ganze also überhaupt entstanden? Das ist eine echt faszinierende Reise, und die beginnt nicht mit einer großen geschnitzten Figurengruppe, sondern mit etwas viel viel Einfacherem.

Am Anfang stand wirklich nur ein einziges Wort. Im griechischen Originaltext bei Lukas steht phatne, und das bedeutet nichts anderes als Futtertrog. Ganz unromantisch. Die lateinische Übersetzung praesepium wurde dann später die Wurzel für unsere Wörter wie Krippe. Alles, wirklich alles geht auf diesen simplen Futtertrog zurück. Und aus diesem Wort hat sich dann über die Jahrhunderte diese riesige Tradition entwickelt. Am Anfang waren es nur ganz einfache Bilder an Wänden oder auf Gräbern.

Der große Wendepunkt kam dann 1223 mit Franz von Assisi. Seine Idee war genial. Er hat in Greccio eine lebendige Krippe mit echten Tieren aufgebaut, damit die Leute die Armut von Jesu Geburt mit eigenen Augen sehen. Im 18. Jahrhundert ist das Ganze in Neapel dann richtig eskaliert mit riesigen Krippenlandschaften, die ganze Städte zeigten. Und der letzte große Schritt: Im 19. Jahrhundert zog die Krippe endgültig aus den Kirchen aus und in die Wohnzimmer ein.

Genau, dieser Schritt ins Private war entscheidend. Früher war die Krippe eher was für Kirchen und den Adel, aber dann gab es Leute wie den Franziskaner Siegfrid Schneider, der wurde sogar Krippenpater genannt. Der hat im frühen 20. Jahrhundert richtig dafür gekämpft, dass die Krippe zu den normalen Leuten kommt. Mit Ausstellungen und Wettbewerben hat er dafür gesorgt, dass sie zum festen Bestandteil in ganz normalen Familien wird.

Das Tolle ist ja, die Krippe ist kein verstaubtes Museumsstück. Ganz im Gegenteil, sie ist ein total lebendiges Ritual, das wir jedes Jahr wieder neu aufführen, in Kirchen, auf Plätzen und natürlich auch bei uns zu Hause. Viele Kirchenkrippen sind wie ein Theaterstück in Zeitlupe. Die erzählen die Geschichte über Wochen. Am Anfang vom Advent steht der Stall oft noch komplett leer. Dann, Woche für Woche, rücken die Hirten ein Stückchen näher. Der große Moment ist dann natürlich Heiligabend, wenn das Jesus Kind feierlich in die Krippe gelegt wird. Und die heiligen drei Könige, die lassen sich Zeit, die kommen erst am 6. Januar an.

Und so ähnlich läuft das ja auch oft zu Hause ab, oder? Man baut die Krippe als Familie gemeinsam auf. Das Jesuskind kommt auch hier erst an Heilig Abend dazu. Und ein besonders schöner Brauch, den viele pflegen: Die heiligen drei Könige starten ihre Reise ganz woanders im Zimmer, vielleicht auf dem Bücherregal, und jeden Tag wandern sie ein kleines Stück weiter, bis sie pünktlich am Dreikönigstag an der Krippe ankommen.

Papst Franziskus hat die tiefere Bedeutung dahinter mal wunderbar auf den Punkt gebracht. Er sagt, die Krippe lehrt uns, den Glanz des Wesentlichen von der Fassade des Unwesentlichen zu unterscheiden. Es geht darum, in dieser einfachen armen Szene das wirklich Große zu entdecken.

So, und jetzt wird’s detektivisch. Wir nehmen uns jetzt mal die einzelnen Figuren vor. Wer ist da eigentlich alles dabei und warum? Und ich kann Ihnen versprechen, bei einigen der bekanntesten Darsteller gibt es ein paar echte Überraschungen. Fangen wir doch gleich mal mit dem größten Rätsel an.

Ochse und Esel, die sind immer dabei in jeder Krippe. Aber mal ehrlich, woher kommen die eigentlich? Und hier ist die verblüffende Antwort: Aus der Bibel jedenfalls nicht. Weder Lukas noch Matthäus erwähnen auch nur mit einem einzigen Wort einen Ochsen oder einen Esel im Stall. Die beiden wurden also später dazu erfunden, aber nicht einfach so aus Spaß, sondern mit einer ziemlich cleveren Idee dahinter.

Der Schlüssel liegt nämlich im Alten Testament beim Propheten Jesaja. Dort steht dieser Satz: “Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn, aber Israel kennt es nicht.” Und das haben früher Christen so gedeutet: “Schaut her, selbst die Tiere erkennen, wer hier in der Futterkrippe liegt, nur die Menschen kapieren es nicht.” Und zack, bekamen Ochse und Esel ihren festen Platz im Stall.

Ein ganz ähnlicher Fall sind die heiligen drei Könige. Wenn wir da mal genau hinschauen, der biblische Text spricht von Magoi, also von Magiern oder Weisen, nicht von Königen. Und wie viele es waren, sagt die Bibel nicht. Die Zahl kommt nur von den drei Geschenken, und ihre berühmten Namen Kaspar, Melchior und Baltasar, die sind auch erst viel viel später in der Tradition dazugekommen.

So, zum Abschluss werfen wir noch einen Blick in die Gegenwart, denn die Geschichte der Krippe ist noch lange nicht vorbei. Sie ist eine lebendige Tradition, die sich bis heute verändert und immer wieder neu unsere Welt widerspiegelt. Das Faszinierende ist ja, dass jede Kultur die Weihnachtsgeschichte in ihre eigene Sprache übersetzt. In Peru z.B. spielt die Szene mitten in den Anden mit Lamas statt Schafen. In Tansania werden die Figuren aus Ebenholz geschnitzt und sehen aus wie ein Lebensbaum. Und überall auf der Welt bekommen Maria, Josef und das Jesuskind die Gesichtszüge und die Kleidung der Menschen vor Ort. Die Geschichte wird sozusagen eingebürgert.

In den letzten Jahren wird die Krippe sogar manchmal richtig politisch. Da wird die Herbergsuche der Heiligen Familie plötzlich in einem Flüchtlingszelt dargestellt. Die Flucht nach Ägypten findet auf einem modernen Schlauchboot statt. Solche Darstellungen sorgen natürlich oft für Diskussionen, aber sie zeigen eben auch, wie diese uralte Botschaft immer wieder in die brennenden Fragen unserer Zeit hineinsprechen kann.

Was ist die Krippe also am Ende? Nur eine statische Dekoration oder doch ein lebendiges Gespräch, das über Jahrhunderte geführt wird und immer noch andauert? Ich denke, die Antwort ist, sie ist genau das, was wir aus ihr machen. Eine stille Szene, die uns einlädt, darüber nachzudenken, was wirklich zählt. Und vielleicht ist das eine gute Frage für die kommenden Tage: Welche Geschichte wird eigentlich Ihre Krippe dieses Jahr erzählen?

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