Kapitel 2
Psychoanalyse und Familialismus:
Die heilige Familie
Der eingeschränkte Ödipus ist die Figur des Dreiecks Papa-Mama-Ich, die Familienkonstellation in Person. Aber wenn die Psychoanalyse daraus ihr Dogma macht, ignoriert sie nicht die Existenz von Beziehungen, die beim Kind als prä-ödipisch, beim Psychotiker als exo-ödipisch, bei anderen Völkern als para-ödipisch bezeichnet werden. Die Funktion des Ödipus als Dogma oder « nuklearer Komplex » ist untrennbar von einer Forcierung, durch die der psychoanalytische Theoretiker sich zur Konzeption eines verallgemeinerten Ödipus erhebt. Einerseits berücksichtigt er für jedes Subjekt des einen oder anderen Geschlechts eine intensive Reihe von Trieben, Affekten und Beziehungen, die die normale und positive Form des Komplexes mit seiner inversen oder negativen Form verbinden: Serien-Ödipus, wie Freud ihn in Das Ich und das Es darstellt, und der es bei Bedarf erlaubt, die prä-ödipischen Phasen an den negativen Komplex anzuschließen. Andererseits berücksichtigt er das Nebeneinander der Subjekte selbst in Extension und ihre vielfältigen Interaktionen: Gruppen-Ödipus, der Seitenverwandte, Nachkommen und Vorfahren vereint (so kann der sichtbare Widerstand des Schizophrenen gegen die Ödipalisierung, das offensichtliche Fehlen der ödipalischen Bindung, in einer großelterlichen Konstellation ertränkt werden, sei es, dass man eine Anhäufung von drei Generationen für notwendig hält, um einen Psychotiker zu machen, sei es, dass man einen noch direkteren Interventionsmechanismus der Großeltern in der Psychose entdeckt, und dass man so Ödipusse des Ödipus, Ödipus im Quadrat, bildet: Die Neurose, das ist Vater-Mutter, aber die Oma, das ist die Psychose). Schließlich erlaubt die Unterscheidung des Imaginären und des Symbolischen, eine ödipalische Struktur als System von Plätzen und Funktionen herauszuarbeiten, die nicht mit der variablen Figur derjenigen zusammenfällt, die sie in einer bestimmten sozialen oder pathologischen Formation besetzen: Struktur-Ödipus (3 + 1), der nicht mit einem Dreieck zusammenfällt, sondern alle möglichen Triangulierungen vollzieht, indem er in einem bestimmten Bereich das Begehren, sein Objekt und das Gesetz verteilt.
Es ist sicher, dass die beiden vorhergehenden Modi der Verallgemeinerung ihre eigentliche Tragweite erst in der strukturalen Interpretation finden. Diese macht aus dem Ödipus eine Art universales katholisches Symbol, jenseits aller imaginären Modalitäten. Sie macht aus dem Ödipus eine Bezugsachse ebenso für die prä-ödipischen Phasen, für die para-ödipischen Varianten, für die exo-ödipischen Phänomene: Der Begriff der « Verwerfung » zum Beispiel scheint auf eine eigentlich strukturelle Lücke hinzuweisen, kraft deren der Schizophrene natürlich wieder auf die ödipalische Achse gestellt, wieder auf die ödipalische Umlaufbahn gebracht wird, etwa in der Perspektive der drei Generationen, wo die Mutter ihr Begehren gegenüber ihrem eigenen Vater nicht hat setzen können, und der Sohn folglich gegenüber der Mutter auch nicht. Ein Lacan-Schüler kann schreiben: Wir werden « die Schräglagen betrachten, durch die die ödipalische Organisation in den Psychosen eine Rolle spielt; danach, welche Formen die psychotische Prägenitalität annimmt und wie sie die ödipalische Referenz aufrechterhalten können ». Unsere vorherige Kritik des Ödipus läuft also Gefahr, als ganz oberflächlich und kleinlich beurteilt zu werden, als ob sie sich nur auf einen imaginären Ödipus bezöge und die Rolle der Elternfiguren beträfe, ohne die Struktur und ihre Ordnung symbolischer Plätze und Funktionen im Geringsten anzutasten. Allerdings ist das Problem für uns, zu wissen, ob wirklich dort die Differenz verläuft. Läuft die wirkliche Differenz nicht vielmehr zwischen dem Ödipus, struktural ebenso wie imaginär, und etwas anderem, das alle Ödipusse niederdrücken und verdrängen: das heißt die begehrende Produktion – die Begehrensmaschinen, die sich weder auf die Struktur noch auf die Personen reduzieren lassen und die das Reale an sich ausmachen, jenseits oder unterhalb des Symbolischen wie des Imaginären? Wir beanspruchen keineswegs, einen Versuch wie den von Malinowski wiederaufzunehmen, der zeigt, dass die Figuren je nach betrachteter Sozialform variieren. Wir glauben sogar dem, was man uns sagt, wenn man den Ödipus als eine Art Invariante präsentiert. Aber die Frage liegt ganz woanders: Gibt es eine Adäquation zwischen den Produktionen des Unbewussten und dieser Invariante (zwischen den begehrenden Maschinen und der ödipalischen Struktur)? Oder drückt die Invariante nur die Geschichte eines langen Irrtums aus, durch all ihre Variationen und Modalitäten hindurch, die Anstrengung einer endlosen Repression? Was wir in Frage stellen, ist die gewaltsame Ödipalisierung, der sich die Psychoanalyse praktisch und theoretisch hingibt, mit den vereinten Ressourcen von Bild und Struktur. Und trotz schöner Bücher, die in jüngster Zeit von bestimmten Lacan-Schülern geschrieben wurden, fragen wir, ob Lacans Denken wirklich in diese Richtung geht. Geht es nur darum, sogar den Schizo zu ödipalisieren? Oder geht es nicht um etwas anderes, ja sogar um das Gegenteil?1 Schizophrenisieren, das Feld des Unbewussten schizophrenisieren, und auch das sozial-historische Feld, so dass der Ödipus-Zwangsrahmen gesprengt wird und man überall die Kraft der begehrenden Produktionen wiederfindet, im Realen selbst die Verbindung der analytischen Maschine, des Begehrens und der Produktion wieder anknüpft? Denn das Unbewusste selbst ist weder strukturaler als personal, es symbolisiert nicht mehr, als es imaginiert oder figuriert: Es maschiniert, es ist maschinisch. Weder imaginär noch symbolisch, ist es das Reale an sich, « das unmögliche Reale » und seine Produktion.
Aber was ist diese lange Geschichte, wenn wir sie nur in der Periode der Psychoanalyse betrachten? Sie geht nicht ohne Zweifel, Umwege und Reue. Laplanche und Pontalis bemerken, dass Freud den Ödipuskomplex 1897 in seiner Selbstanalyse « entdeckt »; dass er ihm aber erst 1923, in Das Ich und das Es, eine erste verallgemeinerte theoretische Formel gibt; und dass Ödipus zwischen beiden eine eher marginale Existenz führt, « etwa auf ein eigenes Kapitel über die Objektwahl in der Pubertät (Drei Abhandlungen) oder über die typischen Träume (Die Traumdeutung) beschränkt ». Denn, sagen sie, ein gewisser Verzicht Freuds auf die Traumatischkeits- und Verführungstheorie öffnet nicht zu einer eindeutigen Bestimmung des Ödipus, sondern ebenso zur Beschreibung einer spontanen infantilen Sexualität endogenen Charakters. Nun scheint alles so zu verlaufen, als ob « Freud es nicht fertigbrächte, Ödipus und infantile Sexualität miteinander zu artikulieren », wobei diese auf eine biologische Realität der Entwicklung verweist, jener auf eine psychische Realität der Phantasie: Ödipus ist das, was beinahe verloren gegangen wäre « zugunsten eines biologischen Realismus ».2
Aber ist es zutreffend, die Dinge so darzustellen? Verlangte der Imperialismus des Ödipus nur den Verzicht auf den biologischen Realismus? Oder wurde nicht etwas anderes, und unendlich Mächtigeres, dem Ödipus geopfert? Denn was Freud und die ersten Analytiker entdecken, ist der Bereich der freien Synthesen, in dem alles möglich ist, die endlosen Verknüpfungen, die Disjunktionen ohne Ausschluss, die Konjunktionen ohne Spezifität, die Partialobjekte und die Flüsse. Die Begehrensmaschinen grollen, dröhnen im Grund des Unbewussten, die Irma-Injektion, das Tick-Tack des Wolfsmanns, Annas Hustenmaschine, und auch all die Erklärungsapparate, die Freud montiert, all diese neurobiologisch-begehrenden Maschinen. Und diese Entdeckung des produktiven Unbewussten hat wie zwei Korrelate: einerseits die direkte Konfrontation zwischen dieser begehrenden Produktion und der gesellschaftlichen Produktion, zwischen den symptomatologischen Formationen und den kollektiven Formationen, zugleich ihre Identität der Natur und ihre Differenz des Regimes; andererseits die Repression, die die soziale Maschine auf die Begehrensmaschinen ausübt, und das Verhältnis der Verdrängung zu dieser Repression. All dies wird verloren gehen, zumindest eigentümlich kompromittiert werden, mit der Einsetzung des souveränen Ödipus. Die freie Assoziation, statt sich auf die polyvoken Verknüpfungen hin zu öffnen, schließt sich in einer Sackgasse der Eindeutigkeit. Alle Ketten des Unbewussten werden biunivok gemacht, linearisiert, an einen despotischen Signifikanten aufgehängt. Die gesamte begehrende Produktion wird niedergewalzt, den Erfordernissen der Repräsentation unterworfen, den tristen Spielen des Repräsentierenden und des Repräsentierten in der Repräsentation. Und das ist das Wesentliche: Die Reproduktion des Begehrens macht in der Kur ebenso wie in der Theorie einer bloßen Repräsentation Platz. Das produktive Unbewusste weicht einem Unbewussten, das nur noch zu « ausdrücken » weiß – auszudrücken im Mythos, in der Tragödie, im Traum. Aber wer sagt uns, dass Traum, Tragödie, Mythos den Formationen des Unbewussten angemessen sind, selbst wenn man die Transformationsarbeit berücksichtigt? Groddeck blieb mehr als Freud einer Selbstproduktion des Unbewussten in der Koextensivität von Mensch und Natur treu. Als ob Freud vor dieser Welt wilder Produktion und explosiven Begehrens zurückgewichen wäre und um jeden Preis ein wenig Ordnung hineinbringen wollte, eine Ordnung, die zur klassischen Ordnung des alten griechischen Theaters geworden ist. Denn was heißt: Freud entdeckt Ödipus in seiner Selbstanalyse? In seiner Selbstanalyse, oder vielmehr in seiner goetheschen klassischen Kultur? In seiner Selbstanalyse entdeckt er etwas, bei dem er sich sagt: Sieh an, das ähnelt Ödipus! Und dieses Etwas betrachtet er zunächst als eine Variante des « Familienromans », einer paranoischen Aufzeichnung, durch die das Begehren gerade die Familienbestimmungen sprengt. Erst nach und nach macht er den Familienroman im Gegenteil zu einer bloßen Abhängigkeit des Ödipus, und er neurotisiert alles im Unbewussten zugleich, wie er ödipalisiert, wie er das Familiendreieck über das ganze Unbewusste schließt. Der Schizo, das ist der Feind. Die begehrende Produktion wird personalisiert oder vielmehr personnologisiert, imaginarisiert, strukturalisiert (wir haben gesehen, dass die wirkliche Differenz oder Grenze nicht zwischen diesen Termen verlief, die vielleicht komplementär sind). Die Produktion ist nur noch Produktion von Phantasie, Produktion von Ausdruck. Das Unbewusste hört auf, das zu sein, was es ist, eine Fabrik, eine Werkstatt, um ein Theater zu werden, Bühne und Inszenierung. Und nicht einmal ein Avantgardetheater, wie es zu Freuds Zeit welche gab (Wedekind), sondern das klassische Theater, die klassische Ordnung der Repräsentation. Der Psychoanalytiker wird zum Regisseur für ein privates Theater – statt Ingenieur oder Mechaniker zu sein, der Produktionseinheiten montiert, der sich mit kollektiven Agenten der Produktion und Anti-Produktion schlägt.
Die Psychoanalyse ist wie die russische Revolution, man weiß nicht, wann es anfängt, schief zu gehen. Man muss immer weiter hinauf zurückgehen. Mit den Amerikanern? mit der Ersten Internationale? mit dem Geheimen Komitee? mit den ersten Brüchen, die ebenso sehr Freuds Verzicht wie den Verrat derer markieren, die mit ihm brechen? mit Freud selbst, schon bei der « Entdeckung » des Ödipus? Ödipus ist die idealistische Wende. Dennoch kann man nicht sagen, dass die Psychoanalyse die begehrende Produktion zu ignorieren begonnen hätte. Die grundlegenden Begriffe der Ökonomie des Begehrens, Arbeit und Investierung, behalten ihre Bedeutung, aber den Formen eines expressiven Unbewussten übergeordnet und nicht mehr den Formationen des produktiven Unbewussten. Die anödipische Natur der Begehrensproduktion bleibt präsent, aber auf die Koordinaten des Ödipus heruntergebogen, die sie in « prä-ödipisch », in « para-ödipisch », in « quasi-ödipisch » usw. übersetzen. Die Begehrensmaschinen sind immer noch da, aber sie funktionieren nur noch hinter der Wand des Behandlungszimmers. Hinter der Wand oder in den Kulissen, das ist der Platz, den die Ursprungsphantasie den Begehrensmaschinen zugesteht, wenn sie alles auf die ödipalische Szene herunterbiegt.3 Dennoch machen sie weiterhin einen Höllenlärm. Der Psychoanalytiker selbst kann das nicht ignorieren. Also ist seine Haltung eher die der Verleugnung: All das ist sehr wahr, aber es ist trotzdem Papa-Mama. Man schreibt über den Türsturz des Behandlungszimmers: Lass deine Begehrensmaschinen vor der Tür, gib deine verwaisten und ledigen Maschinen auf, dein Tonbandgerät und dein kleines Fahrrad, tritt ein und lass dich ödipalisieren. Alles folgt daraus, angefangen beim unerzählbaren Charakter der Kur, ihrem höchst vertraglichen, endlosen Charakter, Fluss von Worten gegen Fluss von Geld. Dann genügt das, was man eine psychotische Episode nennt: ein Blitz Schizophrenie, und eines Tages bringen wir unser Tonbandgerät in das Zimmer des Analytikers, stopp, Eindringen einer Begehrensmaschine, und alles ist umgestürzt, wir haben den Vertrag gebrochen, wir sind dem großen Prinzip des Ausschlusses des Dritten nicht treu geblieben, wir haben den Dritten eingeführt, die Begehrensmaschine in Person.4 Doch jeder Psychoanalytiker sollte wissen, dass er es unter Ödipus, durch Ödipus, hinter Ödipus mit den Begehrensmaschinen zu tun hat. Am Anfang konnten die Psychoanalytiker sich der Forcierung nicht bewusstlos sein, die vollzogen wurde, um Ödipus einzuführen, ihn in das ganze Unbewusste zu injizieren. Dann hat Ödipus sich heruntergebogen, er hat sich die begehrende Produktion angeeignet, als ob alle produktiven Kräfte des Begehrens aus ihm ausgingen. Der Psychoanalytiker ist zum Kleiderständer des Ödipus geworden, zum großen Agenten der Anti-Produktion im Begehren. Die gleiche Geschichte wie die des Kapitals und seiner verzauberten, wundertätigen Welt (auch am Anfang, sagte Marx, konnten die ersten Kapitalisten sich nicht bewusstlos sein…).
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Dass das Problem zuerst praktisch ist, dass es vor allem die Praxis der Kur betrifft, sieht man leicht. Denn der Prozess der gewaltsamen Ödipalisierung zeichnet sich genau in dem Moment ab, in dem Ödipus noch nicht seine volle theoretische Formulierung als « nuklearer Komplex » erhalten hat und eine marginale Existenz führt. Dass die Analyse Schrebers nicht in vivo ist, nimmt ihr nichts von ihrem exemplarischen Wert vom Standpunkt der Praxis. Und gerade in diesem Text (1911) begegnet Freud der furchtbarsten Frage: Wie wagen, einen so reichen, so differenzierten, so « göttlichen » Wahn wie den Wahn des Präsidenten auf das väterliche Thema zu reduzieren – einmal gesagt, dass der Präsident in seinen Memoiren nur sehr kurze Bezüge zur Erinnerung an den Vater einräumt? Mehrfach markiert Freuds Text, wie sehr er die Schwierigkeit empfindet: Zunächst erscheint es schwierig, als Ursache, sei es auch nur gelegentlich, der Krankheit einen « Schub homosexueller Libido » auf die Person des Arztes Flechsig anzusetzen; aber wenn wir den Arzt durch den Vater ersetzen und den Vater dafür verantwortlich machen, den Gott des Wahns zu erklären, haben wir selbst Mühe, dieser Erhebung zu folgen, wir nehmen uns Rechte, die nur durch ihre Vorteile vom Gesichtspunkt unseres Verständnisses des Wahns aus gerechtfertigt werden können (296, 298). Doch je mehr Freud solche Skrupel äußert, desto mehr stößt er sie zurück, desto mehr fegt er sie in einer sicheren Antwort hinweg. Und diese Antwort ist doppelt: Es ist nicht meine Schuld, wenn die Psychoanalyse von großer Monotonie zeugt und den Vater überall wiederfindet, in Flechsig, in Gott, in der Sonne; es ist die Schuld der Sexualität und ihres hartnäckigen Symbolismus (301). Andererseits ist es nicht erstaunlich, dass der Vater in den aktuellen Wahnbildungen ständig in den unkenntlichsten und verborgensten Formen wiederkehrt, da er doch überall und auf sichtbarere Weise in den antiken Mythen und den Religionen wiederkehrt, die Kräfte oder Mechanismen ausdrücken, die ewig im Unbewussten wirken (298, 323). Man muss feststellen, dass der Präsident Schreber nicht nur das Schicksal kannte, zu Lebzeiten von den Strahlen des Himmels sodomisiert zu werden, sondern das, posthum, von Freud ödipalisiert zu werden. Vom enormen politischen, sozialen und historischen Inhalt von Schrebers Wahn wird kein Wort behalten, als ob die Libido sich mit solchen Dingen nicht beschäftigte. Nur werden ein sexuelles Argument angerufen, das darin besteht, die Verschweißung von Sexualität und Familienkomplex zu vollziehen, und ein mythologisches Argument, das darin besteht, die Adäquation der produktiven Macht des Unbewussten und der « erbauenden Kräfte der Mythen und Religionen » zu setzen.
Dieses letzte Argument ist sehr wichtig, und nicht zufällig erklärt Freud hier sein Einverständnis mit Jung. In gewisser Weise besteht dieses Einverständnis nach ihrem Bruch fort. Denn wenn man davon ausgeht, dass das Unbewusste sich in Mythen und Religionen angemessen ausdrückt (selbstverständlich immer, unter Berücksichtigung der Transformationsarbeit), gibt es zwei Weisen, diese Adäquation zu lesen, aber diese beiden Weisen haben das Postulat gemeinsam, das das Unbewusste am Mythos misst und das von Anfang an an die Stelle produktiver Formationen bloße expressive Formen gesetzt hat. Die grundlegende Frage: warum zum Mythos zurückkehren? warum ihn zum Modell nehmen? wird ignoriert, zurückgewiesen. Dann kann die vorausgesetzte Adäquation in sogenannt anagogischer Weise nach « oben » hin interpretiert werden. Oder umgekehrt in analytischer Weise nach « unten » hin, indem man den Mythos auf die Triebe bezieht – aber da die Triebe vom Mythos abgepaust sind, vom Mythos abgezogen unter Berücksichtigung der Transformationen… Wir wollen sagen, dass Jung von demselben Postulat aus dazu geführt wird, die diffuseste, am stärksten spiritualisierte Religiosität wiederherzustellen, und dass Freud sich in seinem strengsten Atheismus bestätigt findet. Freud braucht nicht weniger, die Existenz Gottes zu leugnen, als Jung das Wesen des Göttlichen zu bejahen, um die gemeinhin postulierte Adäquation zu interpretieren. Aber die Religion unbewusst machen oder das Unbewusste religiös machen heißt immer, Religiöses in das Unbewusste zu injizieren (und was wäre die freudsche Analyse ohne die berühmten Schuldgefühle, die man dem Unbewussten zuschreibt?). Und was ist in der Geschichte der Psychoanalyse geschehen? Freud hielt an seinem Atheismus fest, auf die Art eines Helden. Aber um ihn herum ließ man ihn immer mehr respektvoll reden, man ließ den Alten reden, während man hinter seinem Rücken die Versöhnung der Kirchen und der Psychoanalyse vorbereitete, den Moment, in dem die Kirche ihre eigenen Psychoanalytiker ausbilden würde, und in dem man in der Geschichte der Bewegung schreiben könnte: worin auch wir noch fromm sind! Erinnern wir uns an die große Erklärung von Marx: Wer Gott leugnet, tut nur eine « Nebensache », denn er leugnet Gott, um die Existenz des Menschen zu setzen, um den Menschen an die Stelle Gottes zu setzen (unter Berücksichtigung der Transformation).5 Aber wer weiß, dass der Platz des Menschen ganz woanders ist, in der Koextensivität von Mensch und Natur, der lässt nicht einmal die Möglichkeit einer Frage bestehen, die « über ein fremdes Wesen, ein Wesen über der Natur und dem Menschen » handelt: Er braucht diese Vermittlung nicht mehr, den Mythos, er braucht nicht mehr durch diese Vermittlung zu gehen, die Negation der Existenz Gottes, denn er hat jene Regionen einer Selbstproduktion des Unbewussten erreicht, wo das Unbewusste nicht weniger atheistisch als verwaist ist, unmittelbar verwaist, unmittelbar atheistisch. Und zweifellos würde die Untersuchung des ersten Arguments uns zu einer ähnlichen Schlussfolgerung führen. Denn indem Freud die Sexualität an den Familienkomplex schweißt, indem er aus dem Ödipus das Kriterium der Sexualität in der Analyse macht, die Orthodoxieprüfung par excellence, hat er selbst das Ensemble der sozialen und metaphysischen Beziehungen als ein Nachher oder ein Darüberhinaus gesetzt, das das Begehren nicht unmittelbar zu besetzen vermochte. Dann wird es ziemlich gleichgültig, ob dieses Darüberhinaus aus dem Familienkomplex durch analytische Transformation des Begehrens abgeleitet wird oder von ihm in einer anagogischen Symbolisierung bezeichnet wird.
Betrachten wir einen anderen, späteren Text Freuds, in dem Ödipus bereits als « nuklearer Komplex » bezeichnet wird: Ein Kind wird geschlagen (1919). Der Leser kann sich eines Eindrucks unheimlicher Fremdheit nicht erwehren. Niemals war das väterliche Thema weniger sichtbar, und doch wurde es niemals mit so viel Leidenschaft, so viel Entschlossenheit behauptet: Der Imperialismus des Ödipus gründet sich hier auf Abwesenheit. Denn schließlich ist von den drei Zeiten der bei dem Mädchen angenommenen Phantasie die erste so, dass der Vater darin noch nicht erscheint, die dritte so, dass der Vater darin nicht mehr erscheint: Es bleibt also die zweite, in der der Vater in vollem Glanz erstrahlt, « klar ohne Zweideutigkeit » – aber gerade « diese zweite Phase hat niemals reale Existenz; unbewusst geblieben, kann sie deshalb niemals durch Erinnerung hervorgerufen werden und ist nur eine analytische Rekonstruktion, aber eine notwendige Rekonstruktion ». Worum handelt es sich tatsächlich in dieser Phantasie? Jungen werden von jemandem geschlagen, dem Lehrer zum Beispiel, vor den Augen der kleinen Mädchen. Von Anfang an wird man Zeuge einer doppelten freudschen Reduktion, die keineswegs durch die Phantasie aufgezwungen ist, sondern von Freud wie eine Voraussetzung verlangt wird. Einerseits will Freud den Gruppencharakter der Phantasie absichtlich auf eine rein individuelle Dimension reduzieren: Die geschlagenen Kinder müssen in gewisser Weise das Ich sein (« Stellvertreter des Subjekts selbst »), und der Schläger muss der Vater sein (« Stellvertreter des Vaters »). Andererseits müssen die Variationen der Phantasie sich in Disjunktionen organisieren, deren Gebrauch strikt exklusiv sein muss: So wird es eine Mädchen-Serie und eine Jungen-Serie geben, aber asymmetrisch, wobei die weibliche Phantasie drei Zeiten hat, deren letzte « Jungen werden vom Lehrer geschlagen » ist, während die männliche Phantasie nur zwei Zeiten hat, deren letzte « meine Mutter schlägt mich » ist. Die einzige gemeinsame Zeit (die zweite der Mädchen und die erste der Jungen) bekräftigt ohne Zweideutigkeit die Prävalenz des Vaters in beiden Fällen, aber es ist die berühmte nicht existierende Zeit. Und so ist es bei Freud immer. Es muss etwas Gemeinsames für beide Geschlechter geben, aber so, dass es dem einen wie dem anderen fehlt, um den Mangel auf zwei nicht symmetrische Serien zu verteilen und den exklusiven Gebrauch der Disjunktionen zu begründen: Du bist Mädchen oder Junge! So ist es mit Ödipus und seiner « Lösung », die beim Jungen und beim Mädchen verschieden ist. So ist es mit der Kastration und ihrem Verhältnis zu Ödipus in beiden Fällen. Die Kastration ist zugleich das gemeinsame Los, das heißt der prävalente und transzendente Phallus, und die exklusive Verteilung, die sich bei den Mädchen als Peniswunsch, bei den Jungen als Angst, ihn zu verlieren, oder als Verweigerung einer passiven Haltung darstellt. Dieses Gemeinsame muss den exklusiven Gebrauch der Disjunktionen des Unbewussten begründen – und uns die Resignation lehren: Resignation gegenüber Ödipus, Resignation gegenüber der Kastration, Verzicht der Mädchen auf den Peniswunsch, Verzicht der Jungen auf den männlichen Protest, kurz: « Übernahme des Geschlechts ».6 Dieses Gemeinsame, der große Phallus, der Mangel mit zwei nicht zur Deckung zu bringenden Seiten, ist rein mythisch: Er ist wie das Eine der negativen Theologie, er führt den Mangel in das Begehren ein und lässt die exklusiven Serien hervorgehen, denen er ein Ziel, einen Ursprung und einen resignierten Verlauf festlegt.
Man müsste das Gegenteil sagen: Zugleich gibt es nichts Gemeinsames zwischen den beiden Geschlechtern, und sie hören nicht auf, miteinander zu kommunizieren, in einem transversalen Modus, in dem jedes Subjekt beide besitzt, aber voneinander abgetrennt, und mit dem einen oder dem anderen eines anderen Subjekts kommuniziert. Das ist das Gesetz der Partialobjekte. Nichts fehlt, nichts kann als ein Mangel definiert werden; und die Disjunktionen im Unbewussten sind niemals exklusiv, sondern sind Gegenstand eines eigentlich inklusiven Gebrauchs, den wir zu analysieren haben werden. Und um dieses Gegenteil zu sagen, verfügte Freud über einen Begriff, den der Bisexualität; aber es ist kein Zufall, dass er diesem Begriff niemals die analytische Position und Ausdehnung hat geben können oder wollen, die er verlangte. Ohne überhaupt so weit zu gehen, entstand eine lebhafte Kontroverse, als einige Analytiker, im Anschluss an Melanie Klein, versuchten, die unbewussten Kräfte des weiblichen Geschlechtsorgans durch positive Merkmale in Funktion der Partialobjekte und der Flüsse zu bestimmen: Diese leichte Verschiebung, die die mythische Kastration nicht abschaffte, sie aber sekundär vom Organ abhängig machte, statt dass das Organ von ihr abhängig sein sollte, stieß bei Freud auf großen Widerstand.7 Freud hielt daran fest, dass das Organ vom Standpunkt des Unbewussten nur von einem ersten Mangel oder einer ersten Entbehrung aus verstanden werden könne, und nicht umgekehrt. Darin liegt ein eigentlich analytischer Paralogismus (den man in hohem Grade in der Theorie des Signifikanten wiederfinden wird), der darin besteht, vom ablösbaren Partialobjekt zur Setzung eines vollständigen Objekts als abgelöst (Phallus) überzugehen. Dieser Übergang impliziert ein Subjekt, das als fixes Ich unter diesem oder jenem Geschlecht bestimmt ist und seine Unterordnung unter das tyrannische vollständige Objekt notwendig als Mangel erlebt. Vielleicht ist es nicht mehr so, wenn das Partialobjekt für sich selbst auf dem Körper ohne Organe gesetzt wird, mit als einzigem Subjekt nicht einem « Ich », sondern dem Trieb, der mit ihm die Begehrensmaschine bildet und in Verhältnisse der Verbindung, der Disjunktion, der Konjunktion mit anderen Partialobjekten eintritt, innerhalb der entsprechenden Vielheit, deren jedes Element nur positiv bestimmt werden kann. Man muss von « Kastration » im selben Sinne sprechen wie von Ödipalisierung, und sie ist deren Krönung: Sie bezeichnet die Operation, durch die die Psychoanalyse das Unbewusste kastriert, die Kastration in das Unbewusste injiziert. Die Kastration als praktische Operation am Unbewussten wird erreicht, wenn die tausend Schnitt-Flüsse der Begehrensmaschinen, alle positiv, alle produktiv, auf einen einzigen mythischen Ort projiziert werden, den Einheitszug des Signifikanten. Wir sind noch nicht fertig damit, die Litanei der Unkenntnisse des Unbewussten zu singen; es kennt die Kastration nicht weniger als Ödipus, wie es die Eltern, die Götter, das Gesetz, den Mangel nicht kennt… Die Frauenbefreiungsbewegungen haben recht zu sagen: Wir sind nicht kastriert, ihr könnt uns mal.8 Und weit davon entfernt, dass man sich mit dem erbärmlichen Kunstgriff herausreden könnte, dass die Männer antworten würden, das sei gerade der Beweis, dass sie es sind – oder sie gar trösten würden, indem sie sagen, die Männer seien es auch, während sie sich zugleich darüber freuen, dass sie es unter der anderen Seite sind, derjenigen, die nicht zur Deckung zu bringen ist –, muss man anerkennen, dass die Bewegungen der weiblichen Befreiung in einem mehr oder weniger ambigen Zustand hervorbringen, was zu jeder Forderung nach Befreiung gehört: die Kraft des Unbewussten selbst, die Besetzung des sozialen Feldes durch das Begehren, die Entbesetzung der repressiven Strukturen. Und man wird auch nicht sagen, dass es nicht darum gehe zu wissen, ob die Frauen kastriert sind oder nicht, sondern nur darum, ob das Unbewusste selbst « daran glaubt », denn die ganze Ambiguität liegt da: Was bedeutet Glaube, auf das Unbewusste angewandt, was ist ein Unbewusstes, das nur noch « glaubt », statt zu produzieren, welche Operationen, welche Kunstgriffe injizieren dem Unbewussten « Glaubenssätze » – nicht einmal irrationale, sondern im Gegenteil allzu vernünftige und der bestehenden Ordnung konforme?
Kehren wir zur Phantasie « man schlägt ein Kind, Kinder werden geschlagen » zurück: Sie ist typischerweise eine Gruppenphantasie, in der das Begehren das soziale Feld und sogar dessen repressive Formen investiert. Wenn es eine Inszenierung gibt, dann ist es die Inszenierung einer sozial-begehrenden Maschine, deren Produkte wir nicht abstrakt betrachten dürfen, indem wir den Fall des Mädchens und den des Jungen trennen, als ob jeder ein kleines Ich wäre, das seine eigene Angelegenheit mit seinem Papa und seiner Mama führt. Wir müssen im Gegenteil das Ganze und die Komplementarität Mädchen-Junge, Eltern-Agenten der Produktion und der Anti-Produktion, zugleich in jedem Individuum und im Sozius betrachten, der der Organisation der Gruppenphantasie vorsteht. Gleichzeitig lassen die Jungen sich vom Lehrer auf der erotischen Bühne des kleinen Mädchens schlagen-initiieren (Sehmaschine) und lassen sich masochistisch an der Mama genießen (Analmachine). So dass sie nur sehen können, indem sie zu kleinen Mädchen werden, und dass die Mädchen das Lustgefühl der Bestrafung nur empfinden können, indem sie zu Jungen werden. Es ist ein ganzer Chor, eine Montage: Zurück im Dorf nach einer Expedition nach Vietnam, in Anwesenheit der weinenden Schwestern, lassen die Dreckskerle von Marines sich vom Ausbilder schlagen, auf dessen Knien die Mama sitzt, und lassen sich daran genießen, so böse gewesen zu sein, so gut gefoltert zu haben. Wie schlimm, aber wie gut! Man erinnert sich vielleicht an eine Sequenz des Films Siebzehnter Breitengrad: Man sieht dort Colonel Patton, den Sohn des Generals, erklären, dass seine Jungs großartig sind, dass sie ihren Vater, ihre Mutter und ihr Vaterland lieben, dass sie im Gottesdienst um ihre gefallenen Kameraden weinen, brave Jungs – dann verändert sich das Gesicht des Colonels, verzieht sich zur Grimasse, enthüllt einen großen Paranoiker in Uniform, der schließlich schreit: und dabei sind das echte Killer… Es ist offensichtlich, dass, wenn die traditionelle Psychoanalyse erklärt, der Ausbilder, das sei der Vater, und der Colonel auch, das sei der Vater, und die Mutter selbst auch, das sei noch immer der Vater, sie das ganze Begehren auf eine familiäre Bestimmung herunterbiegt, die mit dem von der Libido real investierten sozialen Feld nichts mehr zu tun hat. Natürlich gibt es immer etwas vom Vater oder von der Mutter, das in der signifikanten Kette aufgegriffen wird, der Schnurrbart des Vaters, der erhobene Arm der Mutter, aber an diesem oder jenem heimlichen Platz unter den kollektiven Agenten. Die Terme des Ödipus bilden kein Dreieck, sondern existieren zersprengt an allen Ecken des sozialen Feldes, die Mutter auf den Knien des Ausbilders, der Vater neben dem Colonel. Die Gruppenphantasie ist angeschlossen, maschiniert auf den Sozius. Vom Sozius in den Arsch gefickt werden, begehren, vom Sozius in den Arsch gefickt zu werden, leitet sich nicht vom Vater und von der Mutter her, obwohl Vater und Mutter darin ihre Rolle als untergeordnete Agenten der Übermittlung oder Ausführung haben.
Als der Begriff der Gruppenphantasie in der Perspektive der institutionellen Analyse ausgearbeitet wurde (in den Arbeiten des Teams von La Borde, um Jean Oury), bestand die erste Aufgabe darin, ihren Unterschied der Natur zur individuellen Phantasie zu markieren. Es zeigte sich, dass die Gruppenphantasie untrennbar ist von den « symbolischen » Artikulationen, die ein soziales Feld als reales definieren, während die individuelle Phantasie das Ganze dieses Feldes auf « imaginäre » Daten herunterbiegt. Wenn man diese erste Unterscheidung fortsetzt, sieht man, dass die individuelle Phantasie selbst auf das bestehende soziale Feld aufgeschaltet ist, es aber unter imaginären Qualitäten erfasst, die ihm eine Art Transzendenz oder Unsterblichkeit verleihen, in deren Schutz das Individuum, das Ich, sein Pseudogeschick spielt: Was macht es, wenn ich sterbe, sagt der General, da doch die Armee unsterblich ist. Die imaginäre Dimension der individuellen Phantasie hat eine entscheidende Bedeutung für den Todestrieb, insofern die dem bestehenden sozialen Ordnung verliehene Unsterblichkeit in das Ich alle Repressionsinvestitionen, die Identifikationsphänomene, die « Über-Ich-isierung » und die Kastration hineinzieht, alle Resignations-Begehren (General werden, kleiner, mittlerer oder großer Kader werden), einschließlich der Resignation, im Dienst dieser Ordnung zu sterben, während der Trieb selbst nach außen projiziert und gegen die anderen gewendet wird (Tod dem Ausländer, denen, die nicht von hier sind!). Der revolutionäre Pol der Gruppenphantasie erscheint im Gegenteil in der Macht, die Institutionen selbst als sterblich zu leben, sie zu zerstören oder zu verändern gemäß den Artikulationen des Begehrens und des sozialen Feldes, indem man aus dem Todestrieb eine wirkliche institutionelle Kreativität macht. Denn das ist mindestens das formale Kriterium zwischen der revolutionären Institution und der enormen Trägheit, die das Gesetz den Institutionen in einer bestehenden Ordnung mitteilt. Wie Nietzsche sagt: Kirchen, Armeen, Staaten, welcher von all diesen Hunden will sterben? Daraus ergibt sich ein dritter Unterschied zwischen der Gruppenphantasie und der sogenannten individuellen Phantasie: dass diese als Subjekt das Ich hat, insofern es durch die legalen und legalisierten Institutionen bestimmt ist, in denen es « sich einbildet », so sehr, dass das Ich selbst in seinen Perversionen dem exklusiven Gebrauch der vom Gesetz auferlegten Disjunktionen entspricht (ödipale Homosexualität zum Beispiel). Aber die Gruppenphantasie hat als Subjekt nur noch die Triebe selbst und die Begehrensmaschinen, die sie mit der revolutionären Institution bilden. Die Gruppenphantasie schließt die Disjunktionen ein, in dem Sinne, dass jeder, seines persönlichen Identitätskerns entsetzt, aber nicht seiner Singularitäten, in Verhältnis zum anderen tritt gemäß der den Partialobjekten eigenen Kommunikation: Jeder geht in den Körper des anderen über, auf dem Körper ohne Organe. Klossowski hat in dieser Hinsicht das umgekehrte Verhältnis gut gezeigt, das die Phantasie in zwei Richtungen zerreißt, je nachdem, ob das ökonomische Gesetz die Perversion in den « psychischen Austauschverhältnissen » etabliert, oder ob die psychischen Austauschverhältnisse im Gegenteil eine Subversion des Gesetzes fördern: « Anachronisch, relativ zum institutionellen Niveau der Gregarität, kann der singuläre Zustand je nach seiner mehr oder weniger starken Intensität eine Entaktualisierung der Institution selbst bewirken und sie seinerseits als anachronisch denunzieren ».9 Die beiden Phantasietypen, oder vielmehr die beiden Regime, unterscheiden sich also danach, ob die soziale Produktion der « Güter » dem Begehren ihre Regel auferlegt, vermittels eines Ich, dessen fiktive Einheit durch die Güter selbst garantiert ist, oder danach, ob die begehrende Produktion der Affekte ihre Regel Institutionen auferlegt, deren Elemente nur noch Triebe sind. Wenn man in diesem letzten Sinne noch von Utopie sprechen muss, bei Fourier, dann gewiss nicht als ideales Modell, sondern als revolutionäre Aktion und Passion. Und in seinen jüngsten Werken weist uns Klossowski das einzige Mittel, den sterilen Parallelismus zu überschreiten, in dem wir uns zwischen Freud und Marx abmühen: indem er die Weise entdeckt, wie die soziale Produktion und die Produktionsverhältnisse eine Institution des Begehrens sind, und wie die Affekte oder Triebe selbst Teil der Infrastruktur sind. Denn sie sind Teil davon, sie sind dort auf alle Weisen präsent, indem sie in den ökonomischen Formen sowohl ihre eigene Repression wie auch die Mittel schaffen, diese Repression zu brechen.
Die Ausarbeitung der Unterscheidungen zwischen Gruppenphantasie und individueller Phantasie zeigt schließlich deutlich genug, dass es keine individuelle Phantasie gibt. Es gibt vielmehr zwei Arten von Gruppen, Subjekt-Gruppen und unterworfene Gruppen – wobei Ödipus und Kastration die imaginäre Struktur bilden, unter der die Mitglieder der unterworfenen Gruppe dazu bestimmt sind, ihre Zugehörigkeit zur Gruppe individuell oder pseudo-individuell zu leben oder zu phantasieren. Man muss noch sagen, dass die beiden Gruppenarten in dauernder Verschiebung sind, eine Subjekt-Gruppe stets von Unterwerfung bedroht, eine unterworfene Gruppe in bestimmten Fällen dazu gezwungen, eine revolutionäre Rolle zu übernehmen. Umso beunruhigender ist es zu sehen, wie sehr die freudsche Analyse aus der Phantasie nur ihre Linien exklusiver Disjunktion beibehält und sie auf ihre individuellen oder pseudo-individuellen Dimensionen niederdrückt, die sie ihrer Natur nach auf unterworfene Gruppen beziehen, statt die umgekehrte Operation zu machen und in der Phantasie das zugrundeliegende Element eines revolutionären Gruppenpotentials freizulegen. Wenn man erfährt, dass der Ausbilder, der Lehrer, der Papa ist, und der Colonel auch, und die Mutter auch, wenn man so alle Agenten der sozialen Produktion und Anti-Produktion auf die Figuren der familialen Reproduktion herunterbiegt, versteht man, dass die in Panik geratene Libido es nicht mehr wagt, aus Ödipus herauszugehen, und ihn verinnerlicht. Sie verinnerlicht ihn in der Form einer kastrierenden Dualität zwischen Subjekt der Aussage und Subjekt der Äußerung, charakteristisch für die pseudo-individuelle Phantasie (« Ich, als Mann, verstehe Sie, aber als Richter, als Chef, als Colonel oder General, das heißt als Vater, verurteile ich Sie. ») Aber diese Dualität ist künstlich, abgeleitet, und setzt ein direktes Verhältnis der Aussage zu kollektiven Agenten der Äußerung in der Gruppenphantasie voraus.
Zwischen dem repressiven Asyl, dem legalistischen Krankenhaus einerseits und andererseits der vertraglichen Psychoanalyse versucht die institutionelle Analyse ihren schwierigen Weg zu ziehen. Von Anfang an hat sich die psychoanalytische Beziehung auf die Vertragsbeziehung der traditionellsten bürgerlichen Medizin abgeformt: der vorgetäuschte Ausschluss des Dritten, die heuchlerische Rolle des Geldes, dem die Psychoanalyse neue possenhafte Rechtfertigungen beibrachte, die angebliche zeitliche Begrenzung, die sich selbst widerlegt, indem sie eine Schuld ins Unendliche reproduziert, eine unerschöpfliche Übertragung speist, immer neue « Konflikte » nährt. Man wundert sich, wenn man sagen hört, eine beendete Analyse sei damit zugleich eine misslungene Analyse, selbst wenn dieser Satz von einem feinen Lächeln des Analytikers begleitet wird. Man wundert sich, wenn man einen gewarnten Analytiker beiläufig erwähnen hört, einer seiner « Kranken » träume noch immer davon, bei ihm zum Imbiss oder zum Aperitif eingeladen zu werden, nach mehreren Jahren Analyse, als ob darin nicht das winzige Zeichen einer erbärmlichen Abhängigkeit läge, auf die die Analyse die Patienten reduziert. Wie soll man in der Kur dieses erbärmliche Begehren, geliebt zu werden, bannen, das hysterische und weinerliche Begehren, das uns in die Knie zwingt, uns auf die Couch legt und uns dort liegen lässt? Betrachten wir einen dritten und letzten Text Freuds, Beendete und unendliche Analyse (1937). Wir dürfen nicht einem jüngsten Vorschlag folgen, wonach es besser wäre, « Endliche Analyse, unendliche Analyse » zu übersetzen. Denn endlich-unendlich, das ist fast Mathematik oder Logik, für ein eigentümlich praktisches und konkretes Problem: Hat diese Geschichte ein Ende, kann man mit einer Analyse fertig werden, kann der Prozess der Kur sich beenden, ja oder nein, kann er sich vollenden oder ist er zu einer Fortsetzung ins Unendliche verurteilt? Wie Freud sagt: Kann man einen aktuell gegebenen « Konflikt » erschöpfen, kann man den Kranken gegen spätere Konflikte wappnen, kann man sogar neue Konflikte zu präventivem Zweck wecken? Eine große Schönheit belebt diesen Text Freuds: etwas Verzweifeltes, Entzaubertes, Ermüdetes, und zugleich eine Gelassenheit, eine Gewissheit des vollbrachten Werks. Es ist Freuds Testament. Er wird sterben, und er weiß es. Er weiß, dass in der Psychoanalyse etwas nicht stimmt: Die Kur neigt immer mehr dazu, unendlich zu sein! Er weiß, dass er bald nicht mehr da sein wird, um zu sehen, wie das ausgeht. Also macht er die Bestandsaufnahme der Hindernisse der Kur, mit der Gelassenheit dessen, der spürt, worin der Schatz seines Werks besteht, aber schon die Gifte, die sich hineingeschlichen haben. Alles ginge gut, wenn das ökonomische Problem des Begehrens nur quantitativ wäre; es ginge darum, das Ich gegen die Triebe zu stärken. Das berühmte starke und gereifte Ich, der « Vertrag », der « Pakt » zwischen einem trotz allem normalen Ich und dem Analytiker… Nur gibt es qualitative Faktoren in der begehrenden Ökonomie, die der Kur gerade im Wege stehen und denen Freud sich vorwirft, nicht genug Rechnung getragen zu haben.
Der erste dieser Faktoren ist der « Fels » der Kastration, der Fels mit zwei nicht symmetrischen Flanken, der in uns eine unheilbare Vertiefung einführt und an dem die Analyse anstößt. Der zweite ist eine qualitative Eignung zum Konflikt, die bewirkt, dass die Libidoquantität sich nicht in zwei variable Kräfte aufteilt, die der Heterosexualität und der Homosexualität entsprechen, sondern bei den meisten Menschen irreduzible Gegensätze zwischen den beiden Kräften hervorbringt. Der dritte schließlich, von einer ökonomischen Bedeutung, die die dynamischen und topischen Betrachtungen in den Hintergrund drängt, betrifft eine Art nicht lokalisierbarer Widerstände: Man würde sagen, dass gewisse Subjekte eine Libido haben, die so zähflüssig ist, oder im Gegenteil so flüssig, dass nichts an ihnen « haftet ». Man hätte Unrecht, in dieser Bemerkung Freuds nur eine Detailbeobachtung, eine Anekdote zu sehen. Es handelt sich in Wahrheit um das Wesentlichste am Phänomen des Begehrens, nämlich um die qualitativen Flüsse der Libido. André Green hat die Frage in schönen Seiten kürzlich wieder aufgenommen, indem er das Tableau von drei Typen von « Sitzungen » erstellt hat, von denen die ersten beiden eine Kontraindikation enthalten, während allein der dritte die ideale Sitzung in der Analyse darstellt.10 Nach Typ I (Zähigkeit, Widerstand hysterischer Form) « wird die Sitzung von einem drückenden, schweren, sumpfigen Klima beherrscht. Die Schweigen sind aus Blei, die Rede wird von der Aktualität beherrscht, … ist gleichförmig, sie ist eine beschreibende Erzählung, in der kein Verweis auf die Vergangenheit auszumachen ist, sie verläuft an einem kontinuierlichen Faden, der sich keinen Bruch erlauben kann… Die Träume werden erzählt, … das Rätsel, das der Traum ist, wird in die sekundäre Bearbeitung hineingenommen, die den Traum als Erzählung und als Ereignis gegenüber dem Traum als Arbeit an Gedanken dominieren lässt… Verklumpte Übertragung… ». Nach Typ II (Flüssigkeit, Widerstand zwanghafter Form) « wird die Sitzung hier von einer extremen Beweglichkeit von Vorstellungen aller Art beherrscht, … die Zunge ist gelöst, schnell, beinahe reißend, … alles geht hindurch, … der Patient könnte ebenso gut das Gegenteil von allem sagen, was er vorbringt, ohne dass sich dadurch etwas Grundlegendes an der analytischen Situation änderte… All dies ist folgenlos, denn die Analyse gleitet über die Couch wie Wasser über die Federn einer Ente. Es gibt kein Einhaken durch das Unbewusste, kein Festmachen in der Übertragung. Die Übertragung ist hier flüchtig… ». Es bleibt dann nur der dritte Typ, dessen Merkmale eine gute Analyse definieren: Der Patient « spricht, um den Prozess einer Kette von Signifikanten zu konstituieren. Die Bedeutung ist nicht an das Signifikat gebunden, auf das jeder der geäußerten Signifikanten verweist, sondern wird durch den Prozess, die Naht, die Verkettung der gereihten Elemente konstituiert… Jede von (dem Patienten) gelieferte Interpretation kann sich als ein bereits-Bedeutetes geben, das auf seine Bedeutung wartet. In diesem Sinne ist die Interpretation immer retrospektiv, wie die wahrgenommene Bedeutung. Also war es das, was dies sagen wollte… ».
Was schwer wiegt, ist, dass Freud den Prozess der Kur niemals in Frage stellt. Gewiss ist es für ihn zu spät, aber später…? Diese Dinge interpretiert er als Hindernisse der Kur und nicht als Unzulänglichkeiten der Kur selbst oder als Wirkungen, Gegenwirkungen ihres Verfahrens. Denn die Kastration als analysierbarer Zustand (oder unanalysierbarer, letzter Fels) ist eher die Wirkung der Kastration als psychoanalytischer Akt. Und die ödipale Homosexualität (die qualitative Eignung zum Konflikt) ist eher die Wirkung der Ödipalisierung, die die Kur gewiss nicht erfindet, die sie aber unter den künstlichen Bedingungen ihrer Ausübung (Übertragung) beschleunigt und akzentuiert. Und umgekehrt, wenn Flüsse der Libido der Praxis der Kur widerstehen, dann ist es, eher als ein Widerstand des Ich, der ungeheure Aufschrei der ganzen begehrenden Produktion. Wir wussten schon, dass der Perverse sich schlecht ödipalisieren lässt: Warum sollte er es zulassen, da er sich andere Territorialitäten erfunden hat, noch künstlichere und mondhaftere als die des Ödipus? Wir wussten, dass der Schizo nicht ödipalisierbar ist, weil er außerhalb der Territorialität ist, weil er seine Flüsse bis in die Wüste getragen hat. Aber was bleibt, wenn wir erfahren, dass « Widerstände » hysterischer oder zwanghafter Form von der anödipischen Qualität der Begehrensflüsse auf dem Boden selbst des Ödipus zeugen? Genau das zeigt die qualitative Ökonomie: Flüsse sickern, gehen durch das Dreieck hindurch, spalten dessen Spitzen auseinander. Der ödipale Stempel haftet nicht an diesen Flüssen, weder in der Konfitüre noch auf Wasser. Gegen die Wände des Dreiecks, nach außen hin, üben sie den unwiderstehlichen Druck der Lava oder das unbesiegbare Sickervermögen des Wassers aus. Was sind die guten Bedingungen der Kur, sagt man? Ein Fluss, der sich von Ödipus stempeln lässt; Partialobjekte, die sich unter einem vollständigen, auch wenn abwesenden Objekt subsumieren lassen, Phallus der Kastration; Schnitt-Flüsse, die sich auf einen mythischen Ort projizieren lassen; polyvoke Ketten, die sich biunivok machen, linearisieren, an einen Signifikanten aufhängen lassen; ein Unbewusstes, das sich ausdrücken lässt; konnektive Synthesen, die sich in einen globalen und spezifischen Gebrauch nehmen lassen; disjunktive Synthesen, die sich in einen exklusiven, limitativen Gebrauch nehmen lassen; konjunktive Synthesen, die sich in einen persönlichen und segregativen Gebrauch nehmen lassen… Denn was bedeutet « also war es das, was dies sagen wollte »? Niederdrücken des « also » auf Ödipus und Kastration. Seufzer der Erleichterung: Siehst du, der Colonel, der Ausbilder, der Lehrer, der Chef, all dies wollte das bedeuten, Ödipus und Kastration, « die ganze Geschichte in einer neuen Version »… Wir sagen nicht, dass Ödipus und Kastration nichts seien: Man ödipalisiert uns, man kastriert uns, und es ist nicht die Psychoanalyse, die diese Operationen erfunden hat, denen sie nur die neuen Ressourcen und Verfahren ihres Genies leiht. Aber reicht das aus, um diesen Aufschrei der begehrenden Produktion zum Schweigen zu bringen: Wir sind alle Schizos! wir sind alle Perverse! wir sind alle Libidos, zu zähflüssig oder zu flüssig… und nicht aus Geschmack, sondern dort, wohin uns die deterritorialisierten Flüsse getragen haben… Welcher etwas ernste Neurotiker stützt sich nicht auf den Fels der Schizophrenie, Fels diesmal beweglich, Aerolith? Wer durchstreift nicht die perversen Territorialitäten, jenseits der Kindergärten des Ödipus? Wer spürt nicht in den Flüssen seines Begehrens sowohl die Lava als auch das Wasser? Und vor allem: Woran sind wir krank? An der Schizophrenie selbst als Prozess? Oder an der gewaltsamen Neurotisierung, der man uns ausliefert und für die die Psychoanalyse neue Mittel erfunden hat, Ödipus und Kastration? Sind wir krank an der Schizophrenie als Prozess – oder an der Fortsetzung des Prozesses ins Unendliche, im Leeren, schreckliche Zuspitzung (die Produktion des Schizophrenen-Entität), oder an der Verwechslung des Prozesses mit einem Ziel (die Produktion des Perversen-Kunststück), oder an der vorzeitigen Unterbrechung des Prozesses (die Produktion des Neurotikers-Analyse)? Man konfrontiert uns mit Gewalt mit Ödipus und Kastration, man biegt uns auf sie herunter: sei es, um uns an diesem Kreuz zu messen, sei es, um festzustellen, dass wir daran nicht messbar sind. Aber so oder so ist das Übel getan, die Kur hat den Weg der Ödipalisierung gewählt, ganz übersät mit Abfällen, gegen die Schizophrenisierung, die uns von der Kur heilen muss.
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Gegeben die Synthesen des Unbewussten, ist das praktische Problem das ihres Gebrauchs, legitim oder nicht, und der Bedingungen, die einen Synthesegebrauch als legitim oder illegitim definieren. Nehmen wir das Beispiel der Homosexualität (aber es ist gut mehr als ein Beispiel). Wir bemerkten, wie bei Proust die berühmten Seiten von Sodom und Gomorrha zwei offen widersprüchliche Themen verflochten, das eine über die grundlegende Schuld der « verfluchten Rassen », das andere über die radikale Unschuld der Blumen. Man ist schnell dabei, bei Proust die Diagnose einer ödipalen Homosexualität anzuwenden, durch Fixierung an die Mutter, mit depressiver Dominante und sadomasochistischer Schuld. Allgemeiner ist man in den Lesephänomenen zu schnell dabei, Widersprüche zu entdecken, sei es, um sie für irreduzibel zu erklären, sei es, um sie zu lösen oder zu zeigen, dass sie nur scheinbar sind, je nach Geschmack. In Wahrheit gibt es niemals Widersprüche, scheinbare oder reale, sondern nur Grade von Humor. Und da das Lesen selbst seine Grade von Humor hat, vom Schwarz zum Weiß, mit denen es die koexistierenden Grade dessen bewertet, was es liest, ist das einzige Problem immer das einer Verteilung auf einer Intensitätsskala, die den Platz und den Gebrauch jeder Sache, jedes Wesens oder jeder Szene zuweist: Es gibt dies und dann das, und wir müssen damit zurechtkommen, Pech, wenn es uns nicht gefällt. In dieser Hinsicht mag die schurkische Warnung von Charlus prophetisch sein: « Auf seine alte Großmutter pfeifen wir doch, nicht wahr, du kleine Schurkin! » Denn was geschieht in der Recherche, eine einzige und dieselbe unendlich variierte Geschichte? Es ist klar, dass der Erzähler nichts sieht, nichts hört, ein Körper ohne Organe ist, oder vielmehr wie eine eingekrümmte Spinne, erstarrt auf ihrem Netz; die nichts beobachtet, aber auf die geringsten Zeichen, auf die geringste Vibration antwortet, indem sie auf ihre Beute springt. Alles beginnt mit Nebeln, statistischen Ensembles mit verschwommenen Konturen, molaren oder kollektiven Formationen, die Singularitäten enthalten, die zufällig verteilt sind (ein Salon, eine Gruppe junger Mädchen, eine Landschaft…). Dann zeichnen sich in diesen Nebeln oder diesen Kollektiven « Seiten » ab, Serien organisieren sich, Personen figurieren sich in diesen Serien, unter seltsamen Gesetzen des Mangels, der Abwesenheit, der Asymmetrie, des Ausschlusses, der Nicht-Kommunikation, des Lasters und der Schuld. Dann wieder verwischt sich alles erneut, löst sich auf, aber diesmal in einer reinen und molekularen Vielheit, wo die Partialobjekte, die « Kästchen », die « Vasen » alle gleichermaßen ihre positiven Bestimmungen haben und in aberrante Kommunikation eintreten gemäß einer Transversale, die das ganze Werk durchläuft, ein immenser Fluss, den jedes Partialobjekt produziert und überschneidet, reproduziert und zugleich schneidet. Mehr als das Laster, sagt Proust, beunruhigen der Wahnsinn und seine Unschuld. Wenn die Schizophrenie das Universelle ist, ist der große Künstler eben derjenige, der die schizophrene Mauer überschreitet und das unbekannte Vaterland erreicht, dort, wo er keiner Zeit, keinem Milieu, keiner Schule mehr angehört.
So ist es bei einer exemplarischen Passage, dem ersten Kuss an Albertine. Albertines Gesicht ist zunächst eine Nebelgestalt, kaum aus dem Kollektiv der jungen Mädchen herausgelöst. Dann tritt die Person Albertine hervor, durch eine Reihe von Ebenen, die wie ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten sind, wobei Albertines Gesicht von einer Ebene zur anderen springt, je mehr die Lippen des Erzählers sich der Wange nähern. Schließlich löst sich in der übertriebenen Nähe alles auf wie eine Vision auf Sand, Albertines Gesicht zerfällt in molekulare Partialobjekte, während die des Gesichts des Erzählers sich dem Körper ohne Organe anschließen, Augen geschlossen, Nase zugeklemmt, Mund gefüllt. Aber mehr noch erzählt die Liebe insgesamt dieselbe Geschichte. Aus der statistischen Nebelgestalt, aus dem molaren Ensemble der Lieben Mann-Frau, lösen sich die beiden verfluchten und schuldigen Serien heraus, die von einer und derselben Kastration unter zwei nicht zur Deckung zu bringenden Seiten zeugen, die Serie von Sodom und die Serie von Gomorrha, jede die andere ausschließend. Doch das ist nicht das letzte Wort, denn das vegetabile Thema, die Unschuld der Blumen, bringt uns noch eine andere Botschaft und einen anderen Code: Jeder ist bisexuell, jeder hat die beiden Geschlechter, aber voneinander abgetrennt, nicht kommunizierend; der Mann ist nur derjenige, bei dem der männliche Teil statistisch dominiert, die Frau diejenige, bei der der weibliche Teil statistisch dominiert. So dass man auf der Ebene elementarer Kombinationen mindestens zwei Männer und zwei Frauen einführen muss, um die Vielheit zu konstituieren, in der sich transversale Kommunikationen herstellen, Verbindungen von Partialobjekten und Flüssen: Der männliche Teil eines Mannes kann mit dem weiblichen Teil einer Frau kommunizieren, aber auch mit dem männlichen Teil einer Frau oder mit dem weiblichen Teil eines anderen Mannes oder auch mit dem männlichen Teil des anderen Mannes usw. Dort endet jede Schuld, denn sie kann sich an diese Blumen nicht anheften. Der Alternative der Ausschlüsse « entweder… oder », stellt sich das « sei » der Kombinationen und Permutationen entgegen, in denen die Unterschiede aufs Gleiche hinauslaufen, ohne aufzuhören, Unterschiede zu sein.
Wir sind statistisch oder molar heterosexuell, aber persönlich homosexuell, ohne es zu wissen oder es zu wissen, und schließlich elementar, molekular trans-sexuiert. Deshalb ist Proust, der als Erster jede ödipalisierende Interpretation seiner eigenen Interpretationen dementiert, dabei, zwei Typen von Homosexualität entgegenzustellen, oder vielmehr zwei Regionen, von denen nur die eine ödipisch, exklusiv und depressiv ist, die andere aber schizoide anödipisch, eingeschlossen und inklusiv: « Für die einen, diejenigen, die wohl die schüchternste Kindheit gehabt haben, kümmern sie sich wenig um die materielle Art der Lust, die sie empfangen, sofern sie sie auf ein männliches Gesicht beziehen können. Während andere, die wohl heftigere Sinne haben, ihrer materiellen Lust gebieterische Lokalisierungen geben. Diese würden vielleicht durch ihre Geständnisse den Durchschnitt der Welt schockieren. Sie leben vielleicht weniger ausschließlich unter dem Satelliten des Saturn, denn für sie sind die Frauen nicht völlig ausgeschlossen wie für die ersten… Die zweiten suchen diejenigen, die Frauen lieben; sie können ihnen einen jungen Mann verschaffen, die Lust vergrößern, die sie daran haben, mit ihm zusammen zu sein; mehr noch können sie auf dieselbe Weise mit ihnen dieselbe Lust nehmen wie mit einem Mann… Denn in den Beziehungen, die sie mit ihnen haben, spielen sie für die Frau, die Frauen liebt, die Rolle einer anderen Frau, und die Frau bietet ihnen zugleich ungefähr das, was sie beim Mann finden… ».11
Was sich hier entgegenstellt, sind zwei Gebrauchsweisen der konnektiven Synthese; ein globaler und spezifischer Gebrauch, ein partieller und nicht spezifischer Gebrauch. Im ersten Gebrauch erhält das Begehren zugleich ein fixes Subjekt, ein Ich, unter diesem oder jenem Geschlecht spezifiziert, und vollständige Objekte, die als globale Personen bestimmt sind. Die Komplexität und die Grundlagen einer solchen Operation treten besser hervor, wenn man die wechselseitigen Reaktionen zwischen den verschiedenen Synthesen des Unbewussten gemäß diesem oder jenem Gebrauch betrachtet. In der Tat ist es zuerst die Registrierungssynthese, die auf ihrer Einschreibungsfläche unter den Bedingungen des Ödipus ein Ich setzt, das im Verhältnis zu Elternbildern, die als Koordinaten dienen (Mutter, Vater), bestimmbar oder differenzierbar ist. Es gibt hier eine Triangulation, die in ihrem Wesen ein konstituierendes Verbot einschließt und die Differenzierung der Personen bedingt: Verbot, Inzest mit der Mutter zu begehen, und die Stelle des Vaters einzunehmen. Aber durch ein seltsames Räsonnement schließt man, dass, weil es verboten ist, gerade dies begehrt gewesen sei. In Wahrheit präexistieren die globalen Personen, die Form der Personen selbst, weder den Verboten, die auf ihnen lasten und die sie konstituieren, noch der Triangulation, in die sie eintreten: Zugleich erhält das Begehren seine ersten vollständigen Objekte und sieht sie sich verboten. Es ist also tatsächlich dieselbe ödipale Operation, die die Möglichkeit ihrer eigenen « Lösung » begründet, über den Weg der Differenzierung der Personen gemäß dem Verbot, und die Möglichkeit ihres Scheiterns oder ihres Stillstands, durch Sturz in das Undifferenzierte als Kehrseite der Differenzierungen, die das Verbot erzeugt (Inzest durch Identifikation mit dem Vater, Homosexualität durch Identifikation mit der Mutter…). Nicht mehr als die Form der Personen präexistiert die persönliche Materie der Übertretung dem Verbot. Man sieht also die Eigenschaft, die das Verbot hat, sich selbst zu verschieben, da es von Anfang an das Begehren verschiebt. Es verschiebt sich selbst in dem Sinne, dass die ödipale Einschreibung sich in der Registrierungssynthese nicht durchsetzt, ohne auf die Produktionssynthese zurückzuwirken und die Verbindungen dieser Synthese tiefgreifend zu verwandeln, indem sie neue globale Personen einführt. Diese neuen Personenbilder sind die Schwester und die Ehefrau, nach Vater und Mutter. Man hat in der Tat oft bemerkt, dass das Verbot in zwei Formen existierte, die eine negativ, die vor allem die Mutter betrifft und die Differenzierung auferlegt, die andere positiv, die die Schwester betrifft und den Austausch befiehlt (Verpflichtung, eine andere als meine Schwester zur Frau zu nehmen, Verpflichtung, meine Schwester für jemand anderen zu reservieren; meine Schwester einem Schwager überlassen, meine Frau von einem Schwiegervater erhalten).12 Und obwohl auf dieser Ebene neue Stasen oder Stürze eintreten, wie neue Figuren von Inzest und Homosexualität, ist es sicher, dass das ödipale Dreieck kein Mittel hätte, sich zu übertragen und sich zu reproduzieren ohne diesen zweiten Grad: Der erste Grad arbeitet die Form des Dreiecks aus, aber allein der zweite sorgt für die Übertragung dieser Form. Ich nehme eine andere Frau als meine Schwester, um die differenzierte Basis eines neuen Dreiecks zu bilden, dessen Spitze, kopfüber, mein Kind sein wird – was man aus Ödipus herausgehen nennt, aber ebenso gut ihn reproduzieren, ihn übertragen, statt ganz allein zu krepieren, inzestuös, homosexuell und Zombie.
So verlängert sich der elterliche oder familiale Gebrauch der Registrierungssynthese in einen ehelichen oder Bündnis-Gebrauch der konnektiven Produktionssynthesen: Ein Regime der Konjugation der Personen tritt an die Stelle der Verbindung der Partialobjekte. Im Ganzen machen die Verbindungen von Maschinen-Organen, die der begehrenden Produktion eigen sind, einer Konjugation von Personen unter den Regeln der familialen Reproduktion Platz. Die Partialobjekte scheinen nun von Personen entnommen, statt von unpersönlichen Flüssen, die von den einen zu den anderen gehen. Das liegt daran, dass die Personen von abstrakten Quantitäten hergeleitet sind, an die Stelle der Flüsse. Die Partialobjekte werden, statt einer konnektiven Aneignung, zum Besitz einer Person und, bei Bedarf, zum Eigentum einer anderen. Kant zieht ebenso, wie er die Schlussfolgerung aus Jahrhunderten scholastischer Meditation zieht, indem er Gott als Prinzip des disjunktiven Syllogismus definiert, die Schlussfolgerung aus Jahrhunderten römisch-juristischer Meditation, wenn er die Ehe als das Band definiert, aufgrund dessen eine Person Eigentümer der Geschlechtsorgane einer anderen Person wird.13 Es genügt, ein religiöses Handbuch sexueller Kasuistik zu konsultieren, um zu sehen, mit welchen Einschränkungen die Verbindungen begehrender Organ-Maschinen im Regime der Konjugation der Personen noch geduldet bleiben, das ihre Entnahme aus dem Körper der Ehefrau legal festlegt. Aber noch besser tritt der Regimeunterschied hervor, jedes Mal wenn eine Gesellschaft einen kindlichen Zustand sexueller Promiskuität fortbestehen lässt, in dem alles erlaubt ist bis zu dem Alter, in dem der junge Mann seinerseits unter das Konjugationsprinzip tritt, das die gesellschaftliche Produktion von Kindern regelt. Zweifelsohne gehorchten die Verbindungen der begehrenden Produktion einer binären Regel; und wir haben sogar gesehen, dass ein dritter Term in diese Binarität eingriff, der Körper ohne Organe, der Produzieren in das Produkt reinjiziert, die Verbindungen der Maschinen verlängert und als Registrierungsfläche dient. Aber gerade findet hier keine biunivoke Operation statt, die die Produktion auf Repräsentanten herunterbiegt; keine Triangulation tritt auf dieser Ebene hervor, die die Objekte des Begehrens auf globale Personen bezieht, noch das Begehren auf ein spezifisches Subjekt. Das einzige Subjekt ist das Begehren selbst auf dem Körper ohne Organe, insofern es Partialobjekte und Flüsse maschiniert, die einen durch die anderen entnimmt und schneidet, von einem Körper zum anderen übergeht, gemäß Verbindungen und Aneignungen, die jedes Mal die faktische Einheit eines besitzenden oder eigentümenden Ich zerstören (anödipische Sexualität).
Das Dreieck bildet sich im elterlichen Gebrauch und reproduziert sich im ehelichen Gebrauch. Wir wissen noch nicht, welche Kräfte diese Triangulation bestimmen, die sich in die Registrierung des Begehrens einschleicht, um alle seine produktiven Verknüpfungen zu verwandeln. Aber wir können zumindest, summarisch, die Art verfolgen, wie diese Kräfte verfahren. Man sagt uns, dass die Partialobjekte in eine frühe Intuition der Totalität genommen werden, ebenso wie das Ich in eine Intuition der Einheit, die seiner Vollendung vorausgeht. (Sogar bei Melanie Klein wird das schizoide Partialobjekt auf ein Ganzes bezogen, das das Eintreten des vollständigen Objekts in der depressiven Phase vorbereitet). Es ist klar, dass eine solche Totalität-Einheit nur in einem bestimmten Modus der Abwesenheit gesetzt wird, als das, dessen die Partialobjekte und die Subjekte des Begehrens « entbehren ». Von da an ist alles entschieden: Man findet überall die analytische Operation wieder, die darin besteht, ein Etwas Transzendentes und Gemeinsames zu extrapolieren, das aber nur ein gemeinsames Universales ist, um den Mangel in das Begehren einzuführen, Personen und ein Ich unter dieser oder jener Seite seiner Abwesenheit festzulegen und zu spezifizieren und der Disjunktion der Geschlechter einen exklusiven Sinn aufzuzwingen. So bei Freud: für Ödipus, für die Kastration, für die zweite Zeit der Phantasie Ein Kind wird geschlagen, oder auch für die berühmte Latenzperiode, in der die analytische Mystifikation kulminiert. Dieses Gemeinsame, Transzendente und Abwesende wird man Phallus oder Gesetz nennen, um « den » Signifikanten zu bezeichnen, der in der ganzen Kette die Bedeutungseffekte verteilt und dort die Ausschlüsse einführt (daher die ödipalisierenden Interpretationen des Lacanismus). Nun ist es dieser, der als formale Ursache der Triangulation wirkt, das heißt, der sowohl die Form des Dreiecks als auch seine Reproduktion möglich macht: So hat denn Ödipus die Formel 3 + 1, das Eins des transzendenten Phallus, ohne das die betrachteten Terme kein Dreieck bilden würden.14 Alles geschieht, als ob die sogenannte signifikante Kette, aus Elementen bestehend, die selbst nicht signifikant sind, aus einer polyvoken Schrift und ablösbaren Fragmenten, einer Sonderbehandlung, einer Niederpressung unterzogen würde, die daraus ein abgelöstes Objekt extrahierte, einen despotischen Signifikanten, an dessen Gesetz die ganze Kette von da an zu hängen scheint, jedes Glied trianguliert. Darin liegt ein kurioser Paralogismus, der einen transzendenten Gebrauch der Synthesen des Unbewussten impliziert: Man geht von den ablösbaren Partialobjekten zum abgelösten vollständigen Objekt über, woraus die globalen Personen durch Zuweisung von Mangel hergeleitet werden. Zum Beispiel wird im kapitalistischen Code und seiner trinitarischen Formel das Geld als ablösbare Kette in Kapital als abgelöstes Objekt umgewandelt, das nur unter dem fetischistischen Aspekt des Vorrats und des Mangels existiert. Ebenso verhält es sich mit dem ödipalen Code: die Libido als Energie der Entnahme und Ablösung wird in den Phallus als abgelöstes Objekt umgewandelt, wobei dieser nur unter der transzendenten Form von Vorrat und Mangel existiert (etwas Gemeinsames und Abwesendes, das den Männern nicht weniger fehlt als den Frauen). Es ist diese Umwandlung, die die ganze Sexualität in den ödipalen Rahmen kippen lässt: diese Projektion aller Schnitt-Flüsse auf einen einzigen mythischen Ort, aller nicht signifikanten Zeichen in einen einzigen majoren Signifikanten. « Die effektive Triangulation erlaubt die Spezifikation der Sexualität auf das Geschlecht. Die Partialobjekte haben nichts von ihrer Virulenz und ihrer Wirksamkeit verloren. Dennoch gibt die Referenz auf den Penis der Kastration ihren vollen Sinn. Durch sie werden nachträglich alle externen Erfahrungen bezeichnet, die mit Entbehrung, Frustration, dem Mangel an Partialobjekten verbunden sind. Die ganze frühere Geschichte wird in einer neuen Version im Licht der Kastration neu gegossen ».15
Genau das beunruhigt uns, diese Neugießung der Geschichte und dieser « Mangel », der den Partialobjekten zugeschrieben wird. Und wie hätten die Partialobjekte nicht ihre Virulenz und ihre Wirksamkeit verloren, sobald sie in einen Synthesegebrauch eingeführt werden, der ihnen gegenüber grundlegend illegitim bleibt? Wir leugnen nicht, dass es eine ödipale Sexualität gibt, eine ödipale Heterosexualität und eine ödipale Homosexualität, eine ödipale Kastration – vollständige Objekte, globale Bilder und spezifische Ichs. Wir leugnen, dass dies Produktionen des Unbewussten sind. Mehr noch: Kastration und Ödipalisierung erzeugen eine grundlegende Illusion, die uns glauben macht, dass die reale begehrende Produktion höheren Formationen unterworfen sei, die sie integrieren, sie transzendenten Gesetzen unterstellen und sie einer höheren sozialen und kulturellen Produktion dienstbar machen: Es erscheint dann eine Art « Ablösung » des sozialen Feldes gegenüber der Produktion des Begehrens, in deren Namen alle Resignationen im Voraus gerechtfertigt sind. Nun stützt die Psychoanalyse auf der konkretesten Ebene der Kur diese scheinbare Bewegung mit all ihren Kräften. Sie selbst sichert diese Umwandlung des Unbewussten. In dem, was sie prä-ödipisch nennt, sieht sie ein Stadium, das im Sinne einer evolutiven Integration zu überschreiten ist (hin zur depressiven Position unter der Herrschaft des vollständigen Objekts), oder im Sinne einer strukturalen Integration zu organisieren ist (hin zur Position eines despotischen Signifikanten unter der Herrschaft des Phallus). Die von Freud erwähnte Eignung zum Konflikt, der qualitative Gegensatz zwischen Homosexualität und Heterosexualität, ist in Wahrheit eine Konsequenz des Ödipus: weit davon entfernt, ein von außen an die Kur herangetragenes Hindernis zu sein, ist sie ein Produkt der Ödipalisierung und ein Gegen-Effekt der Kur, die sie verstärkt. Das Problem betrifft in Wahrheit keineswegs prä-ödipische Stadien, die noch immer Ödipus als Achse hätten, sondern die Existenz und die Natur einer anödipischen Sexualität, einer anödipischen Heterosexualität und einer anödipischen Homosexualität, einer anödipischen Kastration: Die Schnitt-Flüsse der begehrenden Produktion lassen sich nicht auf einen mythischen Ort projizieren, die Zeichen des Begehrens lassen sich nicht in einen Signifikanten extrapolieren, die Trans-Sexualität lässt keinen qualitativen Gegensatz zwischen einer lokalen und nicht spezifischen Heterosexualität und einer lokalen und nicht spezifischen Homosexualität entstehen. Überall, in dieser Umkehrung, die Unschuld der Blumen, statt der Schuld der Umwandlung. Aber statt die Umkehrung des ganzen Unbewussten auf die anödipische Form und in den anödipischen Inhalt der begehrenden Produktion zu sichern, oder dazu zu tendieren, sie zu sichern, fördern Theorie und Praxis der Analyse unablässig die Umwandlung des Unbewussten zu Ödipus, Form und Inhalt (wir werden in der Tat sehen, was die Psychoanalyse « Ödipus lösen » nennt). Diese Umwandlung fördert sie also zunächst, indem sie aus den konnektiven Synthesen einen globalen und spezifischen Gebrauch macht. Dieser Gebrauch kann als transzendent definiert werden und impliziert einen ersten Paralogismus in der psychoanalytischen Operation. Wenn wir noch einmal kantische Termini verwenden, dann aus einem einfachen Grund. Kant hatte sich in dem, was er kritische Revolution nannte, vorgenommen, der Erkenntnis immanente Kriterien zu entdecken, um den legitimen Gebrauch und den illegitimen Gebrauch der Synthesen des Bewusstseins zu unterscheiden. Im Namen einer transzendentalen Philosophie (Immanenz der Kriterien) denunzierte er daher den transzendenten Gebrauch der Synthesen, wie er in der Metaphysik erschien. Wir müssen ebenso sagen, dass die Psychoanalyse ihre Metaphysik hat, nämlich Ödipus. Und dass eine Revolution, diesmal materialistisch, nur durch die Kritik des Ödipus gehen kann, indem sie den illegitimen Gebrauch der Synthesen des Unbewussten denunziert, wie er in der ödipalen Psychoanalyse erscheint, um ein transzendentales Unbewusstes wiederzufinden, definiert durch die Immanenz seiner Kriterien, und eine entsprechende Praxis als Schizo-Analyse.
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Wenn Ödipus sich in die disjunktiven Synthesen der begehrenden Registrierung einschiebt, zwingt er ihnen das Ideal eines bestimmten Gebrauchs auf, limitativ oder exklusiv, der mit der Form der Triangulation zusammenfällt – Papa sein, Mama sein oder Kind sein. Es ist die Herrschaft des Entweder in der differenzierenden Funktion des Inzestverbots: dort beginnt Mama, dort Papa, und dort bist du. Bleib an deinem Platz. Das Unglück des Ödipus besteht gerade darin, nicht mehr zu wissen, wo wer beginnt, noch wer wer ist. Und « Elternteil oder Kind sein » geht auch mit zwei weiteren Differenzierungen an den Seiten des Dreiecks einher, « Mann oder Frau sein », « tot oder lebendig sein ». Ödipus darf nicht mehr wissen, ob er lebendig oder tot ist, Mann oder Frau, ebenso wenig wie Elternteil oder Kind. Inzest, du wirst Zombie und Hermaphrodit sein. In diesem Sinne scheinen die drei großen sogenannten familiären Neurosen ödipalen Ausfällen der differenzierenden Funktion oder der disjunktiven Synthese zu entsprechen: Der Phobiker kann nicht mehr wissen, ob er Elternteil oder Kind ist, der Zwangsneurotiker, ob er tot oder lebendig ist, der Hysteriker, ob er Mann oder Frau ist.16 Kurz: Die familiale Triangulation stellt das Minimum an Bedingungen dar, unter denen ein « Ich » die Koordinaten erhält, die es zugleich hinsichtlich der Generation, hinsichtlich des Geschlechts und hinsichtlich des Zustands differenzieren. Und die religiöse Triangulation bestätigt dieses Resultat auf eine andere Weise: So zeigt in der Trinität das Auslöschen des weiblichen Bildes zugunsten eines phallischen Symbols, wie das Dreieck zu seiner eigenen Ursache hin verrückt und versucht, sie zu integrieren. Es handelt sich diesmal um das Maximum der Bedingungen, unter denen die Personen sich differenzieren. Deshalb war uns die kantische Definition wichtig, die Gott als a priori Prinzip des disjunktiven Syllogismus setzt, insofern alles daraus durch Limitierung einer größeren Realität (omnitudo realitatis) hervorgeht: Kants Humor, der Gott zum Meister eines Syllogismus macht.
Das Eigentümliche der ödipalen Registrierung ist, einen exklusiven, limitativen, negativen Gebrauch der disjunktiven Synthese einzuführen. Wir sind so sehr durch Ödipus geformt, dass wir Mühe haben, uns einen anderen Gebrauch vorzustellen; und selbst die drei familiären Neurosen kommen nicht daraus heraus, obwohl sie darunter leiden, ihn nicht mehr anwenden zu können. Wir haben bei Freud überall in der Psychoanalyse diesen Geschmack für exklusive Disjunktionen am Werk gesehen. Es zeigt sich jedoch, dass uns die Schizophrenie eine eigentümliche extra-ödipale Lektion gibt und uns eine unbekannte Kraft der disjunktiven Synthese offenbart, einen immanenten Gebrauch, der nicht mehr exklusiv noch limitativ wäre, sondern voll affirmativ, illimitativ, inklusiv. Eine Disjunktion, die disjunktiv bleibt und doch die disjunkten Terme bejaht, sie durch ihre ganze Distanz hindurch bejaht, ohne den einen durch den anderen zu limitieren oder den anderen aus dem einen auszuschließen, ist vielleicht das höchste Paradox. « Sei… sei », statt « entweder ». Der Schizophrene ist nicht Mann und Frau. Er ist Mann oder Frau, aber gerade ist er auf beiden Seiten, Mann auf der Seite der Männer, Frau auf der Seite der Frauen. Der liebenswürdige Jayet (Albert Désiré, Matrikel 54161001) litanisiert die parallelen Serien des Männlichen und des Weiblichen und stellt sich auf die eine wie auf die andere Seite: « Mat Albert 5416 ricu-le sultan Roman vesin », « Mat Désiré 1001 ricu-la sultane romaine vesine ».17 Der Schizophrene ist tot oder lebendig, nicht beides zugleich, sondern jedes der beiden am Ende einer Distanz, die er gleitend überfliegt. Er ist Kind oder Elternteil, nicht das eine und das andere, sondern das eine am Ende des anderen wie die beiden Enden eines Stocks in einem unzerlegbaren Raum. Das ist der Sinn der Disjunktionen, in die Beckett seine Figuren und die Ereignisse, die ihnen widerfahren, einschreibt: Alles teilt sich, aber in sich selbst. Sogar die Distanzen sind positiv, zugleich mit den eingeschlossenen Disjunktionen. Es würde diese Denkordnung vollständig verkennen, wenn man täte, als ersetze der Schizophrene die Disjunktionen durch vage Synthesen der Identifikation von Widersprüchen, wie der letzte der hegelianischen Philosophen. Er ersetzt nicht Synthesen der Widersprüche an die Stelle disjunktiver Synthesen, sondern er ersetzt dem exklusiven und limitativen Gebrauch der disjunktiven Synthese einen affirmativen Gebrauch. Er ist und bleibt in der Disjunktion: Er hebt die Disjunktion nicht auf, indem er die Widersprüche durch Vertiefung identifiziert, er bejaht sie im Gegenteil durch Überflug einer unteilbaren Distanz. Er ist nicht einfach bisexuell, weder zwischen beiden noch intersexuell, sondern trans-sexuiert. Er ist trans-lebtot, trans-elternkind. Er identifiziert nicht zwei Gegensätze mit dem Selben, sondern bejaht ihre Distanz als das, was sie aufeinander bezieht, insofern sie verschieden sind. Er verschließt sich nicht auf Widersprüche, er öffnet sich im Gegenteil und entlässt sie, wie ein Sack, aufgebläht mit Sporen, als lauter Singularitäten, die er unrechtmäßig eingeschlossen hatte, von denen er behauptete, die einen auszuschließen, die anderen zurückzuhalten, die aber jetzt zu Punkt-Zeichen werden, alle bejaht durch ihre neue Distanz. Inklusiv schließt die Disjunktion sich nicht auf ihre Terme, sie ist im Gegenteil illimitativ. « Da war ich nicht mehr diese geschlossene Kiste, der ich verdankte, mich so gut erhalten zu haben, sondern eine Trennwand fiel », die einen Raum freisetzt, in dem Molloy und Moran nicht mehr Personen bezeichnen, sondern von überall herbeigelaufene Singularitäten, flüchtige Agenten der Produktion. Es ist die freie Disjunktion; die differentiellen Positionen bleiben vollkommen bestehen, sie nehmen sogar einen freien Wert an, aber sie werden alle von einem gesichtslosen und trans-positionellen Subjekt besetzt. Schreber ist Mann und Frau, Elternteil und Kind, tot und lebendig: das heißt, er ist überall dort, wo es eine Singularität gibt, in allen Serien und in allen Verzweigungen, die von einem singulären Punkt markiert sind, weil er selbst diese Distanz ist, die ihn in eine Frau verwandelt, an deren Ende er bereits Mutter einer neuen Menschheit ist und endlich sterben kann.
Darum hat der schizophrene Gott so wenig mit dem Gott der Religion zu tun, obwohl sie sich mit demselben Syllogismus beschäftigen. In Der Baphomet stellte Klossowski dem Gott als dem Meister der Ausschlüsse und Limitierungen in der daraus abgeleiteten Realität einen Antichristen gegenüber, den Fürsten der Modifikationen, der im Gegenteil den Durchgang eines Subjekts durch alle möglichen Prädikate bestimmt. Ich bin Gott ich bin nicht Gott, ich bin Gott ich bin Mensch: Es handelt sich nicht um eine Synthese, die in einer ursprünglichen Realität des Mensch-Gottes die negativen Disjunktionen der abgeleiteten Realität aufhöbe; es handelt sich um eine inklusive Disjunktion, die selbst die Synthese vollzieht, indem sie von einem Term zum anderen driftet, entlang der Distanz. Es gibt nichts Ursprüngliches. Es ist wie das berühmte: « Es ist Mitternacht. Der Regen peitscht die Scheiben. Es war nicht Mitternacht. Es regnete nicht. » Nijinsky schrieb: Ich bin Gott ich war nicht Gott ich bin der Clown Gottes; « Ich bin Apis, ich bin ein Ägypter, ein Indianer Rothaut, ein Neger, ein Chinese, ein Japaner, ein Fremder, ein Unbekannter, ich bin der Seevogel und der, der das Festland überfliegt, ich bin Tolstois Baum mit seinen Wurzeln. » « Ich bin der Ehemann und die Ehefrau, ich liebe meine Frau, ich liebe meinen Mann… »18 Was zählt, sind nicht die elterlichen Benennungen, noch die rassischen Benennungen oder die göttlichen Benennungen. Es ist nur der Gebrauch, den man von ihnen macht. Kein Problem des Sinns, sondern nur des Gebrauchs. Kein Ursprüngliches und kein Abgeleitetes, sondern ein verallgemeinertes Driften. Man würde sagen, dass der Schizo eine rohe genealogische Materie befreit, illimitativ, in die er sich stellen, sich einschreiben und sich in allen Verzweigungen zugleich verorten kann, von allen Seiten. Er sprengt die ödipale Genealogie. Unter den Beziehungen von nah zu nah vollzieht er absolute Überflüge unteilbarer Distanzen. Der Genealoge-Verrückte gittert den Körper ohne Organe mit einem disjunktiven Netz aus. So kann Gott, der nichts anderes als die Registrierungsenergie bezeichnet, der größte Feind in der paranoiden Einschreibung sein, aber auch der größte Freund in der wunderwirkenden Einschreibung. Jedenfalls stellt sich die Frage eines der Natur und dem Menschen übergeordneten Wesens überhaupt nicht. Alles ist auf dem Körper ohne Organe, sowohl das, was eingeschrieben ist, als auch die Energie, die einschreibt. Auf dem ungezeugten Körper werden die unzerlegbaren Distanzen notwendig überflogen, zugleich mit den disjunkten Termen, alle bejaht. Ich bin der Buchstabe und die Feder und das Papier (in diesem Modus führte Nijinsky sein Tagebuch) – ja, ich war mein Vater und ich war mein Sohn.
Die disjunktive Synthese der Registrierung führt uns also zum selben Ergebnis wie die konnektive Synthese: Auch sie ist zu zwei Gebrauchsweisen fähig, einer immanenten, einer transzendenten. Und warum stützt die Psychoanalyse auch hier den transzendenten Gebrauch, der überall die Ausschlüsse, die Limitierungen in das disjunktive Netz einführt und das Unbewusste in Ödipus kippen lässt? Und warum ist es gerade das, die Ödipalisierung? Weil das exklusive Verhältnis, das Ödipus einführt, nicht nur zwischen den verschiedenen Disjunktionen spielt, die als Differenzierungen begriffen werden, sondern zwischen dem Ensemble dieser Differenzierungen, die er auferlegt, und einem Undifferenzierten, das er voraussetzt. Ödipus sagt uns: Wenn du nicht den Differenzierungslinien folgst, Papa-Mama-Ich, und den Exklusiven, die sie markieren, wirst du in die schwarze Nacht des Undifferenzierten fallen. Verstehen wir, dass die exklusiven Disjunktionen keineswegs dieselben sind wie die inklusiven: Gott hat darin nicht denselben Gebrauch, und auch nicht die elterlichen Benennungen. Diese bezeichnen nicht mehr intensive Zustände, durch die das Subjekt auf dem Körper ohne Organe und in dem Unbewussten, das verwaist bleibt, hindurchgeht (ja, ich war…), sondern bezeichnen globale Personen, die den Verboten nicht vorausgehen, die sie begründen, und die sie untereinander und in Beziehung zum Ich differenzieren. So dass die Übertretung des Verbots korrelativ zu einer Verwechslung der Personen wird, zu einer Identifikation des Ich mit den Personen, im Verlust der differenzierenden Regeln oder der differentiellen Funktionen. Aber wir müssen von Ödipus sagen, dass er beides erzeugt, die Differenzierungen, die er anordnet, und das Undifferenzierte, mit dem er uns droht. In derselben Bewegung führt der Ödipuskomplex das Begehren in die Triangulation ein und verbietet dem Begehren, sich mit den Termen der Triangulation zu befriedigen. Er zwingt das Begehren, die differenzierten Elternpersonen zum Objekt zu nehmen, und verbietet dem korrelativen Ich, sein Begehren an diesen Personen zu befriedigen, im Namen derselben Differenzierungsanforderungen, wobei er dann die Drohungen des Undifferenzierten erhebt. Aber dieses Undifferenzierte, das ist er selbst, der es als Kehrseite der Differenzierungen erzeugt, die er erzeugt. Ödipus sagt uns: Entweder wirst du die differentiellen Funktionen verinnerlichen, die die exklusiven Disjunktionen kommandieren, und so wirst du Ödipus « lösen » – oder du wirst in die neurotische Nacht imaginärer Identifikationen fallen. Entweder wirst du den Linien des Dreiecks folgen, die die drei Terme strukturieren und differenzieren – oder du wirst immer einen Term so spielen lassen, als sei er gegenüber den beiden anderen zu viel, und du wirst in alle Richtungen die dualen Identifikationsverhältnisse im Undifferenzierten reproduzieren. Aber sowohl auf der einen wie auf der anderen Seite ist es Ödipus. Und jeder weiß, was die Psychoanalyse Ödipus lösen nennt: ihn verinnerlichen, um ihn draußen in der sozialen Autorität besser wiederzufinden, und ihn dadurch auszusäen, ihn an die Kleinen weiterzugeben. « Das Kind wird erst ein Mann, indem es den Ödipuskomplex löst, welche Lösung es in die Gesellschaft einführt, wo es in der Figur der Autorität die Verpflichtung findet, ihn wiederzuleben, diesmal bei allen Ausgängen versperrt. Zwischen der unmöglichen Rückkehr zu dem, was dem Kulturzustand vorausgeht, und dem wachsenden Unbehagen, das dieser hervorruft, ist es auch nicht sicher, dass ein Gleichgewichtspunkt gefunden werden kann. »19 Ödipus ist wie das Labyrinth, man kommt nur heraus, indem man hineingeht (oder indem man jemand anderen hineingehen lässt). Ödipus als Problem oder als Lösung, das sind die beiden Enden einer Ligatur, die die ganze begehrende Produktion anhält. Man zieht die Schrauben an, nichts kann mehr von der Produktion hindurch, außer einem Gemurmel. Man hat das Unbewusste zerdrückt, trianguliert, man hat es in eine Wahl gestellt, die nicht die seine war. Alle Ausgänge verstopft: Es gibt keinen möglichen Gebrauch der inklusiven, illimitativen Disjunktionen mehr. Man hat dem Unbewussten Eltern gemacht!
Bateson nennt double bind die gleichzeitige Aussendung zweier Arten von Botschaften, von denen die eine der anderen widerspricht (zum Beispiel der Vater, der zu seinem Sohn sagt: nur zu, kritisiere mich, der aber deutlich unterstellt, dass jede tatsächliche Kritik, zumindest eine bestimmte Art von Kritik, unangebracht wäre). Bateson sieht darin eine besonders schizophrenisierende Situation, die er als « Unsinn » vom Standpunkt der Russellschen Typentheorie interpretiert.20 Uns scheint eher, dass double bind, die doppelte Sackgasse, eine gewöhnliche, im eminenten Sinne ödipalisierende Situation ist. Und sofern man sie formalisieren will, verweist sie auf die andere Art Russellschen Unsinns: Eine Alternative, eine exklusive Disjunktion wird in Bezug auf ein Prinzip bestimmt, das doch ihre beiden Terme oder ihre beiden Teilmengen konstituiert und das selbst in die Alternative eintritt (ein ganz anderer Fall als der, der sich ergibt, wenn die Disjunktion inklusiv ist). Das ist der zweite Paralogismus der Psychoanalyse. Kurz, der « double bind » ist nichts anderes als das Ganze des Ödipus. In diesem Sinn muss Ödipus als Reihe präsentiert werden oder zwischen zwei Polen oszillieren: der neurotischen Identifikation und der sogenannten normativen Verinnerlichung. Auf der einen wie auf der anderen Seite ist es Ödipus, die doppelte Sackgasse. Und wenn hier ein Schizo als Entität produziert wird, dann nur als einziges Mittel, dieser Doppelbahn zu entkommen, in der die Normativität nicht weniger ausweglos ist als die Neurose, die Lösung nicht weniger verstopft als das Problem: Dann zieht man sich auf den Körper ohne Organe zurück.
Es scheint, dass Freud selbst ein lebhaftes Bewusstsein davon hatte, dass Ödipus von einer doppelten Sackgasse, in die er das Unbewusste stürzt, untrennbar war. So in dem Brief von 1936 an Romain Rolland: « Alles geht so vor sich, als ob das Wesentliche im Erfolg darin bestünde, weiter zu gehen als der Vater, und als ob es immer verboten wäre, dass der Vater überboten wird. » Man sieht es noch besser, wenn Freud die ganze historisch-mythische Reihe darlegt: an dem einen Ende ist Ödipus durch die mörderische Identifikation verknotet, am anderen Ende wird er durch die Wiederherstellung und Verinnerlichung der väterlichen Autorität wieder angeknüpft (« Wiederherstellung der alten Ordnung auf einer neuen Ebene »).21 Dazwischen die Latenz, die berühmte Latenz, zweifellos die größte psychoanalytische Mystifikation: diese Gesellschaft der « Brüder », die sich die Früchte des Verbrechens verbieten und die ganze nötige Zeit damit verbringen, zu verinnerlichen. Aber man warnt uns: die Gesellschaft der Brüder ist sehr unerquicklich, instabil und gefährlich, sie muss die Wiederauffindung eines Äquivalents elterlicher Autorität vorbereiten, sie muss uns zum anderen Pol hinüberführen. Gemäß einer Anregung Freuds wird uns die amerikanische Gesellschaft, die Industriegesellschaft mit Anonymität der Verwaltung und Verschwinden der persönlichen Macht usw., als ein Wiederauftauchen der « vaterlosen Gesellschaft » präsentiert. Mit der Auflage für sie, selbstverständlich, originelle Weisen für die Wiederherstellung des Äquivalents zu finden (zum Beispiel die erstaunliche Entdeckung Mitscherlichs, dass die englische Königsfamilie, alles in allem, keine schlechte Sache ist…).22 Es steht also fest, dass man nur einen Pol des Ödipus verlässt, um zum anderen überzugehen. Keine Rede davon, herauszukommen, Neurose oder Normalität. Die Gesellschaft der Brüder findet nichts von der Produktion und den Begehrensmaschinen wieder; sie breitet im Gegenteil den Schleier der Latenz aus. Was diejenigen angeht, die sich nicht ödipalisieren lassen, in der einen oder in der anderen Form, am einen Ende oder am anderen Ende, so ist der Psychoanalytiker da, um das Asyl oder die Polizei zu Hilfe zu rufen. Die Polizei mit uns! Niemals hat die Psychoanalyse besser ihren Geschmack gezeigt, die Bewegung der sozialen Repression zu stützen und mit all ihren Kräften daran teilzunehmen. Man glaube nicht, wir spielten auf folkloristische Aspekte der Psychoanalyse an. Es ist nicht, weil man auf der Seite Lacans eine andere Konzeption der Psychoanalyse hat, dass man für nebensächlich halten müsste, was der herrschende Ton in den anerkanntesten Vereinigungen ist: Seht Dr Mendel, die Drs Stéphane, den Zustand der Wut, in den sie geraten, und ihre buchstäblich polizeiliche Anrufung, bei der Vorstellung, jemand könne sich der Mausefalle Ödipus entziehen wollen. Ödipus ist wie jene Dinge, die umso gefährlicher werden, je weniger man an sie glaubt; dann sind die Bullen da, um die Großpriester zu ersetzen. Das erste tiefgehende Beispiel einer Analyse des double bind in diesem Sinn fände man in der Judenfrage von Marx: zwischen Familie und Staat – der Ödipus der familiären Autorität und der Ödipus der sozialen Autorität.
Ödipus dient strenggenommen zu nichts, außer dazu, das Unbewusste von beiden Seiten zu ligieren. Wir werden sehen, in welchem Sinn Ödipus strenggenommen « unentscheidbar » ist, gemäß der Sprache der Mathematiker. Wir sind zutiefst müde dieser Geschichten, in denen man durch Ödipus gesund ist, durch Ödipus krank, und von verschiedenen Krankheiten unter Ödipus. Es kommt vor, dass ein Analytiker dieses Mythos, der die Krippe und den Bau der Psychoanalyse bildet, überdrüssig wird und zu den Quellen zurückkehrt: « Freud ist schließlich nicht aus der Welt des Vaters herausgekommen, noch aus der Schuld… Aber er ist der Erste, der, indem er die Möglichkeit gibt, eine Logik der Beziehung zum Vater zu konstruieren, den Weg zur Befreiung aus dieser Umklammerung des Vaters über den Menschen öffnet. Die Möglichkeit, jenseits des Gesetzes des Vaters, jenseits jedes Gesetzes zu leben, ist vielleicht die wesentlichste Möglichkeit, die die freudsche Psychoanalyse bringt. Aber paradoxerweise, und vielleicht wegen Freud in Person, gibt alles zu denken, dass diese Befreiung, die die Psychoanalyse ermöglicht, sich außerhalb ihrer vollziehen wird, sich bereits außerhalb ihrer vollzieht. »23 Wir können jedoch weder diesen Pessimismus noch diesen Optimismus teilen. Denn es steckt viel Optimismus in der Vorstellung, die Psychoanalyse mache eine wirkliche Lösung des Ödipus möglich: Ödipus ist wie Gott; der Vater ist wie Gott; das Problem ist erst gelöst, wenn man sowohl das Problem als auch die Lösung beseitigt. Die Schizoanalyse nimmt sich nicht vor, Ödipus zu lösen, sie beansprucht nicht, ihn besser zu lösen, als es in der ödipalen Psychoanalyse geschieht. Sie nimmt sich vor, das Unbewusste zu entödipalisieren, um zu den wirklichen Problemen zu gelangen. Sie nimmt sich vor, jene Regionen des verwaisten Unbewussten zu erreichen, genau « jenseits jedes Gesetzes », wo das Problem nicht einmal mehr gestellt werden kann. Daher teilen wir auch nicht den Pessimismus, der darin besteht zu glauben, diese Veränderung, diese Befreiung könne sich nur außerhalb der Psychoanalyse vollziehen. Wir glauben im Gegenteil an die Möglichkeit einer internen Umkehrung, die aus der analytischen Maschine ein unentbehrliches Stück des revolutionären Apparats macht. Mehr noch, die objektiven Bedingungen dafür scheinen derzeit gegeben.
Alles geschieht also, als ob Ödipus von sich aus zwei Pole hätte: einen Pol imaginärer Identifikationsfiguren, einen Pol symbolischer differenzierender Funktionen. Aber wie auch immer, man ist ödipalisiert: wenn man Ödipus nicht als Krise hat, hat man ihn als Struktur. Dann überträgt man die Krise auf andere, und es beginnt von neuem. Das ist die ödipale Disjunktion, die Pendelbewegung, die exklusive inverse Vernunft. Darum sehen wir, wenn man uns einlädt, eine simplistische Auffassung des Ödipus, die auf Elternbildern beruht, zu überschreiten, um symbolische Funktionen in einer Struktur zu bestimmen, nicht recht, was man gewinnt, selbst wenn man den traditionellen Papa-Mama durch eine Mutter-Funktion, eine Vater-Funktion ersetzt, außer die Universalität des Ödipus jenseits der Variabilität der Bilder zu begründen, das Begehren noch fester an Gesetz und Verbot zu schweißen und den Prozess der Ödipalisierung des Unbewussten bis zum Ende zu treiben. Ödipus findet hier seine beiden Extreme, sein Minimum und sein Maximum, je nachdem, ob man ihn als gegen einen undifferenzierten Wert seiner variablen Bilder tendierend betrachtet oder als gegen die Differenzierungsmacht seiner symbolischen Funktionen. « Wenn man sich der materiellen Einbildungskraft nähert, nimmt die differentielle Funktion ab, man tendiert zu Äquivalenzen; wenn man sich den formenden Elementen nähert, nimmt die differentielle Funktion zu, man tendiert zu unterscheidenden Valenzen. »24 Man wird kaum erstaunt sein zu erfahren, dass Ödipus als Struktur die christliche Trinität ist, während Ödipus als Krise eine familiale Trinität ist, die durch den Glauben unzureichend strukturiert ist: stets die beiden Pole in umgekehrtem Verhältnis, Ödipus for ever!25 Wie viele Interpretationen des Lacanismus, offen oder heimlich fromm, haben so einen strukturalen Ödipus angerufen, um die doppelte Sackgasse zu bilden und zu schließen, uns zur Vaterfrage zurückzuführen, sogar den Schizo zu ödipalisieren und zu zeigen, dass ein Loch im Symbolischen uns auf das Imaginäre zurückverwies, und umgekehrt Schmierstellen oder imaginäre Verwechslungen uns auf die Struktur zurückverwiesen. Wie ein berühmter Vorgänger zu seinen Tieren sagte, ihr habt schon eine Litanei daraus gemacht… Darum konnten wir unsererseits keinen Unterschied der Natur, keine Grenze, keine Schranke zwischen dem Imaginären und dem Symbolischen verlaufen lassen, ebenso wenig wie zwischen Ödipus-Krise und Ödipus-Struktur oder zwischen Problem und Lösung. Es handelt sich nur um eine korrelative doppelte Sackgasse, um eine Pendelbewegung, die dazu bestimmt ist, das ganze Unbewusste zu fegen, und die unaufhörlich von einem Pol zum anderen zurückverweist. Eine doppelte Zange, die das Unbewusste in seiner exklusiven Disjunktion zerquetscht.
Die wirkliche Differenz der Natur liegt nicht zwischen dem Symbolischen und dem Imaginären, sondern zwischen dem realen Element des Maschinischen, das die begehrende Produktion konstituiert, und dem strukturalen Ensemble des Imaginären und des Symbolischen, das nur einen Mythos und seine Varianten bildet. Die Differenz liegt nicht zwischen zwei Gebrauchsweisen des Ödipus, sondern zwischen dem anödipischen Gebrauch der inklusiven, illimitativen Disjunktionen und dem ödipalen Gebrauch der exklusiven Disjunktionen, wobei dieser letztere Gebrauch die Wege des Imaginären oder die Werte des Symbolischen nimmt. So musste man die Warnungen Lacans über den freudschen Mythos des Ödipus hören, der « nicht unendlich lange das Plakat halten kann in Gesellschaftsformen, in denen der Sinn der Tragödie sich immer mehr verliert…: ein Mythos begnügt sich nicht damit, keinen Ritus zu tragen, und die Psychoanalyse ist nicht der Ritus des Ödipus ». Und selbst wenn man von den Bildern zur Struktur hinaufsteigt, von den imaginären Figuren zu den symbolischen Funktionen, vom Vater zum Gesetz, von der Mutter zum großen Anderen, in Wahrheit wird die Frage nur zurückgeschoben.26 Und wenn man die für dieses Zurückschieben aufgewandte Zeit in Betracht zieht, sagt Lacan noch: der einzige Grund der Gesellschaft der Brüder, der Brüderlichkeit, ist die « Segregation » (was will er damit sagen?). Jedenfalls schickte es sich nicht, die Schrauben anzuziehen, dort, wo Lacan sie gerade gelockert hatte; den Schizo zu ödipalisieren, dort, wo er im Gegenteil sogar die Neurose zu schizophrenisieren begonnen hatte, indem er einen schizophrenen Fluss durchgehen ließ, der das Feld der Psychoanalyse zu subvertieren vermochte. Das Objekt ist in das strukturelle Gleichgewicht eingebrochen wie eine infernale Maschine, die Begehrensmaschine. Es tritt eine zweite Generation von Lacan-Schülern auf, immer weniger empfindlich für das falsche Problem des Ödipus. Aber die ersten, wenn sie versucht waren, das Joch des Ödipus wieder zu schließen, war das nicht insofern, als Lacan eine Art Projektion der signifikanten Ketten auf einen despotischen Signifikanten aufrechtzuerhalten schien und alles an einen fehlenden Term zu hängen schien, der sich selbst fehlt und den Mangel in die Serien des Begehrens wiedereinführt, denen er einen exklusiven Gebrauch auferlegte? War es möglich, Ödipus als Mythos zu denunzieren und doch daran festzuhalten, dass der Kastrationskomplex seinerseits kein Mythos sei, sondern im Gegenteil etwas Reales? (War das nicht, den Schrei des Aristoteles wiederaufzunehmen: « man muss wohl anhalten », diese freudsche Anankè, diesen Fels?)
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Wir haben gesehen, wie in der dritten Synthese, der konjunktiven Synthese des Konsums, der Körper ohne Organe wahrhaft ein Ei war, von Achsen durchzogen, von Zonen umgürtet, durch Areale oder Felder lokalisiert, durch Gradienten gemessen, von Potentialen durchlaufen, von Schwellen markiert. Wir glauben in diesem Sinn an die Möglichkeit einer Biochemie der Schizophrenie (in Verbindung mit der Biochemie der Drogen), die immer mehr in der Lage sein wird, die Natur dieses Eis und die Verteilung Feld – Gradient – Schwelle zu bestimmen. Es handelt sich um Intensitätsverhältnisse, durch die das Subjekt auf dem Körper ohne Organe hindurchgeht und Werden, Abstürze und Steigerungen, Wanderungen und Verschiebungen vollzieht. Laing hat völlig recht, den schizoiden Prozess als eine Initiationsreise, eine transzendentale Erfahrung des Verlusts des Ego zu definieren, die ein Subjekt sagen lässt: « Ich war gewissermaßen aus der primitivsten Form des Lebens heraus in der Gegenwart angekommen » (der Körper ohne Organe), « ich schaute, nein, ich fühlte vielmehr vor mir eine erschreckende Reise ».27 Da ist es nicht mehr Metapher, von einer Reise zu sprechen, als vorhin von dem Ei zu sprechen und von dem, was in ihm und auf ihm geschieht, morphogenetische Bewegungen, Verschiebungen von Zellgruppen, Dehnungen, Faltungen, Wanderungen, lokale Variationen von Potentialen. Man darf eine innere Reise nicht einmal den äußeren Reisen entgegenstellen: der Spaziergang von Lenz, der Spaziergang von Nijinsky, die Spaziergänge der Kreaturen Becketts sind wirkliche Realitäten, aber solche, in denen das Reale der Materie jede Ausdehnung verlassen hat, wie die innere Reise jede Form und Qualität verlassen hat, um drinnen wie draußen nur noch reine, gekoppelte, beinahe unerträgliche Intensitäten leuchten zu lassen, durch die ein nomadisches Subjekt hindurchgeht. Es ist weder eine halluzinatorische Erfahrung noch ein delirierender Gedanke, sondern ein Gefühl, eine Reihe von Emotionen und Gefühlen als Konsum intensiver Quantitäten, die das Material der nachfolgenden Halluzinationen und Delirien bilden. Die intensive Emotion, der Affekt, ist zugleich gemeinsame Wurzel und Differenzierungsprinzip der Delirien und Halluzinationen. So könnte man glauben, dass sich in diesen intensiven Werden, Durchgängen und Wanderungen alles vermischt, dieses ganze Driften, das die Zeit hinauf- und hinabsteigt – Länder, Rassen, Familien, elterliche Benennungen, göttliche Benennungen, historische, geographische Benennungen und sogar Vermischtes aus der Tageschronik. (Ich fühle, dass) ich Gott werde, ich Frau werde, ich war Jeanne d’Arc und ich bin Heliogabal, und der Große Mongole, ein Chinese, ein Rothaut, ein Templer, ich war mein Vater und ich war mein Sohn. Und alle Verbrecher, die ganze Liste der Verbrecher, die ehrlichen und die unehrlichen Verbrecher: Szondi eher als Freud und sein Ödipus. « Vielleicht werde ich, indem ich Worm sein will, endlich Mahood sein! Dann werde ich nur noch Worm sein müssen. Wozu ich zweifellos gelangen werde, indem ich mich bemühe, Tartempion zu sein. Dann werde ich nur noch Tartempion sein müssen. » Wenn sich aber alles so vermischt, dann in Intensität, es gibt keine Verwechslung der Räume und Formen, da diese gerade aufgelöst sind zugunsten einer neuen Ordnung, der intensiven Ordnung, der intensiven.
Was ist diese Ordnung? Was sich zunächst auf dem Körper ohne Organe verteilt, das sind die Rassen, die Kulturen und ihre Götter. Man hat nicht genug bemerkt, in welchem Maß der Schizo Geschichte machte, die Universalgeschichte halluzinierte und delirierte und die Rassen aussäte. Jedes Delirium ist rassisch, und das heißt nicht notwendig rassistisch. Nicht als ob die Regionen des Körpers ohne Organe Rassen und Kulturen « repräsentierten ». Der volle Körper repräsentiert überhaupt nichts. Im Gegenteil sind es die Rassen und Kulturen, die Regionen auf diesem Körper bezeichnen, das heißt Zonen von Intensitäten, Felder von Potentialen. Innerhalb dieser Felder entstehen Phänomene der Individualisierung, der Sexualisierung. Von einem Feld zum anderen geht man über, indem man Schwellen überschreitet: man wandert unaufhörlich, man wechselt das Individuum wie das Geschlecht, und aufbrechen wird so einfach wie geboren werden und sterben. Es kommt vor, dass man gegen andere Rassen kämpft, dass man Zivilisationen zerstört, nach Art der großen Migranten, hinter denen, wenn sie vorübergehen, nichts mehr wächst – obwohl diese Zerstörungen, wie wir sehen werden, auf zwei sehr verschiedene Weisen geschehen können. Wie sollte das Überschreiten einer Schwelle nicht anderswo Verwüstungen implizieren? Der Körper ohne Organe schließt sich über den verlassenen Stellen. Das Theater der Grausamkeit können wir nicht trennen vom Kampf gegen unsere Kultur und von der Konfrontation der « Rassen » und von Artauds großer Migration nach Mexiko, seinen Mächten und seinen Religionen: Individualisierungen entstehen nur in Kraftfeldern, die ausdrücklich durch intensive Vibrationen bestimmt sind, und die grausame Figuren nur als induzierte Organe, als Teile von Begehrensmaschinen beleben (die Mannequins)28. Eine Saison in der Hölle, wie soll man sie trennen von der Denunziation der Familien Europas, vom Ruf nach Zerstörungen, die nicht schnell genug kommen, von der Bewunderung für den Sträfling, vom intensiven Überschreiten der Schwellen der Geschichte, von dieser ungeheuren Migration, diesem Werden-Frau, diesem Werden-Skandinavier und Mongole, diesem « Verschieben von Rassen und Kontinenten », diesem Gefühl roher Intensität, das dem Delirium wie der Halluzination vorsteht, und vor allem diesem absichtlichen, hartnäckigen, materiellen Willen, « von aller Ewigkeit her einer unteren Rasse » anzugehören: « Ich habe jeden Sohn aus guter Familie gekannt, … ich bin niemals von diesem Volk gewesen, ich bin niemals Christ gewesen, … ja, ich habe die Augen geschlossen vor eurem Licht. Ich bin ein Tier, ein Neger… »
Und Zarathustra, kann man ihn trennen von der « großen Politik » und von der Belebung der Rassen, die Nietzsche sagen lässt: ich bin kein Deutscher, ich bin Pole. Auch hier machen sich die Individualisierungen nur in Kraftkomplexen, die die Personen als ebenso viele intensive Zustände bestimmen, verkörpert in einem « Verbrecher », unaufhörlich eine Schwelle überschreitend, indem er die faktische Einheit einer Familie und eines Ich zerstört: « Ich bin Prado, ich bin der Vater von Prado, ich wage zu sagen, dass ich Lesseps bin: Ich wollte meinen Parisern, die ich liebe, einen neuen Begriff geben, den eines ehrlichen Verbrechers. Ich bin Chambige, ein anderer ehrlicher Verbrecher… Was unerquicklich ist und meine Bescheidenheit stört, ist, dass im Grunde jeder Name der Geschichte ich bin. »29 Niemals handelt es sich dabei jedoch darum, sich mit Personen zu identifizieren, wie man fälschlich von einem Verrückten sagt, der « sich für … hält ». Es handelt sich um etwas ganz anderes: die Rassen, die Kulturen und die Götter mit Intensitätsfeldern auf dem Körper ohne Organe identifizieren, die Personen mit Zuständen identifizieren, die diese Felder füllen, mit Effekten, die aufblitzen und diese Felder durchqueren. Daher die Rolle der Namen in ihrer eigenen Magie: Es gibt kein Ich, das sich auf einer Bühne der Repräsentation mit Rassen, Völkern, Personen identifiziert, sondern Eigennamen, die Rassen, Völker und Personen mit Regionen, Schwellen oder Effekten in einer Produktion intensiver Quantitäten identifizieren. Die Theorie der Eigennamen darf nicht in Begriffen der Repräsentation gedacht werden, sondern verweist auf die Klasse der « Effekte »: Diese sind keine bloße Abhängigkeit von Ursachen, sondern die Ausfüllung eines Bereichs, die Aktualisierung eines Zeichensystems. Man sieht es gut in der Physik, wo Eigennamen solche Effekte in Potentialfeldern bezeichnen (Joule-Effekt, Seebeck-Effekt, Kelvin-Effekt). So ist es in der Geschichte wie in der Physik: ein Jeanne-d’Arc-Effekt, ein Heliogabal-Effekt – alle Namen der Geschichte und nicht der Name des Vaters…
Über die geringe Realität, den Realitätsverlust, den Mangel an Kontakt mit dem Leben, den Autismus und die Athymie ist alles gesagt worden, die Schizophrenen selbst haben alles gesagt – bereit, sich in die erwartete klinische Form zu gießen. Schwarze Welt, wachsender Wüstensand: eine einsame Maschine brummt am Strand, eine atomare Fabrik im Wüstensand errichtet. Aber wenn der Körper ohne Organe tatsächlich diese Wüste ist, dann als eine unteilbare, unzerlegbare Distanz, die der Schizo überfliegt, um überall zu sein, wo Reales produziert wird, überall, wo Reales gewesen ist und sein wird. Es stimmt, dass die Realität aufgehört hat, ein Prinzip zu sein. Nach einem solchen Prinzip war die Realität des Realen als teilbare abstrakte Quantität gesetzt, während das Reale in qualifizierte Einheiten, in unterschiedliche qualitative Formen verteilt war. Jetzt aber ist das Reale ein Produkt, das die Distanzen in intensiven Quantitäten einhüllt. Das Unteilbare ist eingehüllt, und bedeutet, dass das, was es einhüllt, sich nicht teilt, ohne die Natur oder die Form zu ändern. Der Schizo ist ohne Prinzipien: er ist nur etwas, indem er etwas anderes ist. Er ist Mahood nur, indem er Worm ist, und Worm, indem er Tartempion ist. Er ist ein junges Mädchen nur, indem er ein Greis ist, der das junge Mädchen mimt oder simuliert. Oder vielmehr, indem er jemand ist, der einen Greis simuliert, der dabei ist, ein junges Mädchen zu simulieren. Oder vielmehr indem er jemanden simuliert…, usw. Das war schon die ganz orientalische Kunst der römischen Kaiser, die zwölf Paranoiker Suetons. In einem wunderbaren Buch von Jacques Besse findet man, noch einmal, den doppelten Spaziergang des Schizo, die äußere geographische Reise entlang unzerlegbarer Distanzen, die innere historische Reise entlang einhüllender Intensitäten: Christoph Kolumbus beruhigt seine meuternde Mannschaft und wird wieder Admiral nur, indem er einen (falschen) Admiral simuliert, der eine Hure simuliert, die tanzt.30 Aber die Simulation muss man verstehen wie vorhin die Identifikation. Sie drückt diese unzerlegbaren Distanzen aus, die immer in den Intensitäten eingehüllt bleiben, die sich ineinander teilen, indem sie die Form ändern. Wenn die Identifikation eine Benennung, eine Bezeichnung ist, so ist die Simulation die entsprechende Schrift, eine merkwürdig polyvoke Schrift mitten im Realen. Sie führt das Reale aus seinem Prinzip hinaus bis zu dem Punkt, an dem es effektiv durch die Begehrensmaschine produziert wird. Dieser Punkt, an dem die Kopie aufhört, eine Kopie zu sein, um das Reale und sein Kunststück zu werden. Ein intensives Reales ergreifen, wie es in der Koextensivität von Natur und Geschichte produziert wird, das römische Imperium, die mexikanischen Städte, die griechischen Götter und die entdeckten Kontinente durchwühlen, um daraus dieses immer-mehr an Realität zu extrahieren, und den Schatz der paranoischen Folterungen und der zölibatären Glorien zu bilden – alle Pogrome der Geschichte, das bin ich, und alle Triumphe auch, als ob sich einige einfache univoke Ereignisse aus dieser extremen Polyvokität herauslösten: Das ist der « Histrionismus » des Schizophrenen, nach der Formel von Klossowski, das wahre Programm eines Theaters der Grausamkeit, die Inszenierung einer Maschine zur Produktion des Realen. Weit davon entfernt, irgendeinen Kontakt mit dem Leben verloren zu haben, ist der Schizophrene dem schlagenden Herzen der Realität am nächsten, an einem intensiven Punkt, der mit der Produktion des Realen zusammenfällt und Reich sagen lässt: « Was die Schizophrenie kennzeichnet, ist die Erfahrung dieses vitalen Elements, … was ihr Lebensgefühl betrifft, sind der Neurotiker und der Perverse zum Schizophrenen, was der schäbige Krämer zum großen Abenteurer ist. »31 Dann kehrt die Frage zurück: Was reduziert den Schizophrenen auf seine autistische, hospitalisierte Figur, abgeschnitten von der Realität? Ist es der Prozess oder im Gegenteil die Unterbrechung des Prozesses, seine Zuspitzung, seine Fortsetzung im Leeren? Was zwingt den Schizophrenen, sich auf einen Körper ohne Organe zurückzuziehen, der wieder taub, blind und stumm geworden ist?
Man sagt: Er hält sich für Louis XVII. Keineswegs. In der Sache Louis XVII, oder vielmehr im schönsten Fall, dem des Prätendenten Richemont, gibt es im Zentrum eine Begehrensmaschine oder zölibatäre Maschine: das Pferd mit kurzen, gegliederten Beinen, in das der Dauphin gesetzt worden sein soll, um ihn fliehen zu lassen. Und dann, ringsum, gibt es Agenten der Produktion und der Anti-Produktion, die Organisatoren der Flucht, die Komplizen, die verbündeten Souveräne, die revolutionären Feinde, die feindseligen und eifersüchtigen Onkel, die keine Personen sind, sondern ebenso viele Zustände von Steigerung und Absturz, durch die der Prätendent hindurchgeht. Mehr noch: der Geniestreich des Prätendenten Richemont besteht nicht einfach darin, Louis XVII « Rechenschaft zu geben », noch den anderen Prätendenten Rechenschaft zu geben, indem er sie als falsch denunziert. Er besteht darin, den anderen Prätendenten Rechenschaft zu geben, indem er sie übernimmt, indem er sie authentifiziert, das heißt indem er aus ihnen ebenfalls Zustände macht, durch die er hindurchgegangen ist: Ich bin Louis XVII, aber ich bin auch Hervagault und Mathurin Bruneau, die sagten, sie seien Louis XVII.32 Richemont identifiziert sich nicht mit Louis XVII, er beansprucht die Prämie, die demjenigen zufällt, der durch alle Singularitäten der Serie geht, die um die Maschine zur Entführung Louis XVII konvergiert. Es gibt kein Ich im Zentrum, ebenso wenig wie es Personen gibt, die am Rand verteilt wären. Nichts als eine Serie von Singularitäten im disjunktiven Netz oder intensive Zustände im konjunktiven Gewebe und ein transpositionelles Subjekt über den ganzen Kreis, das durch alle Zustände geht, über die einen triumphiert wie über seine Feinde, die anderen genießt wie seine Verbündeten, überall die betrügerische Prämie seiner Avatare einsammelt. Partialobjekt: eine lokale, zudem unsichere Narbe ist ein besserer Beweis als alle Kindheitserinnerungen, die dem Prätendenten fehlen. Die konjunktive Synthese kann sich dann ausdrücken: Also bin ich es, der König! also steht mir das Königreich zu! Aber dieses Ich ist nur das Residualsubjekt, das den Kreis durchläuft und sich aus seinen Oszillationen schließt.
Jedes Delirium hat einen historisch-weltlichen, politischen, rassischen Inhalt; es zieht Rassen, Kulturen, Kontinente, Königreiche mit sich und wälzt sie um: man fragt, ob dieses lange Driften nur ein Abgeleitetes des Ödipus bilde. Die Familienordnung zerbricht, die Familien werden verworfen, Sohn, Vater, Mutter, Schwester – « Ich höre Familien wie die meine, die alles der Erklärung der Menschenrechte verdanken! », « Wenn ich mein tiefstes Gegenteil suche, finde ich immer meine Mutter und meine Schwester; mich mit solchem deutschen Gesindel verwandt zu sehen, war eine Lästerung gegen die Göttlichkeit, … der tiefste Einwand gegen meinen Gedanken der ewigen Wiederkehr! » Es geht darum zu wissen, ob das historisch-politische, rassische und kulturelle nur zu einem manifesten Inhalt gehört und formal von einer Ausarbeitungsarbeit abhängt oder ob es im Gegenteil als Faden des Latenten verfolgt werden muss, den uns die Ordnung der Familien verbirgt. Muss der Bruch mit den Familien als eine Art « Familienroman » gelten, der uns gerade wieder zu den Familien zurückführte, uns auf ein Ereignis oder eine strukturelle Bestimmung zurückverwiese, die dem Inneren der Familie selbst angehört? Oder ist er das Zeichen, dass das Problem ganz anders zu stellen ist, weil es sich für den Schizo selbst anderswo stellt, außerhalb der Familie? Sind « die Namen der Geschichte » Abkömmlinge des Namens des Vaters, und sind die Rassen, die Kulturen, die Kontinente Stellvertreter von Papa-Mama, Abhängigkeiten der ödipalen Genealogie? Hat die Geschichte als Signifikanten den toten Vater? Betrachten wir noch einmal das Delirium des Präsidenten Schreber. Gewiss vollzieht sich der Gebrauch der Rassen, die Mobilisierung oder der Begriff der Geschichte dort auf ganz andere Weise als bei den Autoren, die wir zuvor anriefen. Es bleibt, dass Schrebers Memoiren von einer Theorie der von Gott erwählten Völker erfüllt sind und von den Gefahren, die das gegenwärtig erwählte Volk, die Deutschen, laufen, bedroht von den Juden, den Katholiken, den Slawen. In seinen Metamorphosen und intensiven Durchgängen wird Schreber Schüler bei den Jesuiten, Bürgermeister einer Stadt, in der die Deutschen gegen die Slawen kämpfen, junges Mädchen, das das Elsass gegen die Franzosen verteidigt; schließlich überschreitet er den arischen Gradienten oder die arische Schwelle, um mongolischer Prinz zu werden. Was bedeutet dieses Werden-Schüler, Bürgermeister, junges Mädchen, Mongole? Es gibt kein paranoisches Delirium, das nicht solche historischen, geographischen und rassischen Massen in Bewegung setzte. Der Fehler wäre, daraus zum Beispiel zu schließen, dass die Faschisten einfache Paranoiker seien; es wäre ein Fehler, gerade weil man damit im gegenwärtigen Zustand der Dinge den historischen und politischen Inhalt des Deliriums noch einmal auf eine interne familiale Bestimmung zurückführte. Und was wir noch beunruhigender finden, ist, dass dieser ganze enorme Inhalt in der Analyse, die Freud gemacht hat, vollständig verschwindet: keine Spur davon bleibt, alles ist zerdrückt, zermahlen, trianguliert in Ödipus, alles ist auf den Vater zurückgebogen, so dass die Unzulänglichkeit einer ödipalen Psychoanalyse am krassesten hervortreten muss.
Betrachten wir noch ein paranoisches Delirium mit besonders reichem politischem Charakter, wie Maud Mannoni es berichtet. Das Beispiel scheint uns umso eindrücklicher, als wir eine große Bewunderung für das Werk von Maud Mannoni und die Art haben, wie sie institutionelle und antipsychiatrische Probleme zu stellen weiß. Da ist also ein Martiniquer, der sich in seinem Delirium in Bezug auf die Araber und den Algerienkrieg, auf die Weißen und die Ereignisse des Mai usw. situiert: « Ich bin durch das Algerienproblem krank geworden. Ich hatte denselben Unsinn gemacht wie sie (sexuelle Lust). Sie haben mich als Rassebruder adoptiert. Ich habe mongolisches Blut. Die Algerier haben mich in allen Realisierungen angefeindet. Ich hatte rassistische Ideen… Ich stamme aus der Dynastie der Gallier. In diesem Titel habe ich einen Adelswert… Man bestimme meinen Namen, man bestimme ihn wissenschaftlich, und ich werde dann einen Harem errichten können. » Nun will Maud Mannoni, während sie den Charakter der « Revolte » und der « Wahrheit für alle », der in der Psychose liegt, anerkennt, dass das Zerbrechen der familialen Beziehungen zugunsten von Themen, die das Subjekt selbst als rassistisch, politisch und metaphysisch bezeichnet, seinen Ursprung innerhalb der Familienstruktur als Matrix habe. Dieser Ursprung wird daher im symbolischen Vakuum oder « in der anfänglichen Verwerfung des Signifikanten des Vaters » gefunden. Der wissenschaftlich zu bestimmende Name, der die Geschichte heimsucht, ist nur noch der väterliche Name. In diesem Fall wie in anderen tendiert die Verwendung des lacanschen Begriffs der Verwerfung zur gewaltsamen Ödipalisierung des Rebellen: das Fehlen des Ödipus interpretiert man als einen Mangel auf der Seite des Vaters, als ein Loch in der Struktur; dann verweist man uns im Namen dieses Mangels auf den anderen ödipalen Pol, den der imaginären Identifikationen im mütterlichen Undifferenzierten. Das Gesetz des double bind funktioniert unerbittlich, das uns von einem Pol zum anderen zurückstößt, in dem Sinn, dass das, was im Symbolischen verworfen ist, im Realen in halluzinatorischer Form wiedererscheinen muss. Aber so wird das ganze historisch-politische Thema als Ensemble imaginärer Identifikationen unter der Abhängigkeit des Ödipus interpretiert oder dessen, was dem Subjekt « fehlt », um sich ödipalisieren zu lassen.33 Und gewiss geht es nicht darum zu wissen, ob familiale Bestimmungen oder Unbestimmtheiten eine Rolle spielen. Offensichtlich tun sie das. Aber ist es eine ursprüngliche Rolle eines symbolischen Organisators (oder Desorganisators), woraus die schwebenden Inhalte des historischen Deliriums als lauter Splitter eines imaginären Spiegels abgeleitet würden? Die Leere des Vaters und die krebsartige Entwicklung der Mutter und der Schwester, ist das die trinitarische Formel des Schizo, die ihn zu Ödipus zurückführt, gezwungen und erzwungen? Und doch haben wir gesehen: wenn es ein Problem gibt, das sich in der Schizophrenie nicht stellt, dann ist es das der Identifikationen… Und wenn Heilen heißt, ödipalisieren, versteht man die Zuckungen des Kranken, der « nicht geheilt werden will » und den Analytiker wie einen Verbündeten der Familie und dann der Polizei behandelt. Ist der Schizophrene krank und von der Realität abgeschnitten, weil ihm Ödipus fehlt, weil ihm in Ödipus « etwas fehlt » – oder ist er im Gegenteil krank kraft der Ödipalisierung, die er nicht ertragen kann und die alles dazu beiträgt, dass er sie erleidet (die soziale Repression vor der Psychoanalyse)?
Das schizophrene Ei ist wie das biologische Ei: sie haben eine ähnliche Geschichte, und ihre Kenntnis ist auf dieselben Schwierigkeiten, dieselben Illusionen gestoßen. Man glaubte zunächst in der Entwicklung und Differenzierung des Eis, dass wirkliche « Organisatoren » das Schicksal der Teile bestimmten. Aber man stellte einerseits fest, dass alle möglichen variablen Substanzen dieselbe Wirkung hatten wie der ins Auge gefasste Stimulus, andererseits, dass die Teile selbst Kompetenzen oder spezifische Potentialitäten hatten, die dem Stimulus entgingen (Transplantationsversuche). Daher die Idee, dass die Stimuli keine Organisatoren sind, sondern einfache Induktoren: im Grenzfall Induktoren von beliebiger Natur. Alle möglichen Substanzen, alle möglichen Materialien, getötet, gekocht, zermahlen, haben denselben Effekt. Was die Illusion ermöglicht hatte, waren die Anfänge der Entwicklung: die Einfachheit des Anfangs, etwa bestehend aus Zellteilungen, konnte an eine Art Adäquation zwischen dem Induzierten und dem Induktor glauben lassen. Aber wir wissen sehr wohl, dass eine Sache immer schlecht nach ihren Anfängen beurteilt wird, weil sie gezwungen ist, um zu erscheinen, strukturelle Zustände zu mimen, sich in Kraftzustände zu gießen, die ihr als Masken dienen. Mehr noch: schon am Anfang kann man erkennen, dass sie einen ganz anderen Gebrauch davon macht und dass sie bereits unter der Maske, durch die Maske hindurch, die terminalen Formen und die spezifischen höheren Zustände investiert, die sie später für sich selbst setzen wird. Das ist die Geschichte des Ödipus: Die Elternfiguren sind keineswegs Organisatoren, sondern Induktoren oder Stimuli von beliebigem Wert, die Prozesse ganz anderer Natur auslösen, begabt mit einer Art Gleichgültigkeit gegenüber dem Stimulus. Und zweifellos kann man glauben, dass am Anfang (?) der Stimulus, der ödipale Induktor, ein wirklicher Organisator ist. Aber Glauben ist eine Operation des Bewusstseins oder des Vorbewussten, eine extrinsische Wahrnehmung und keine Operation des Unbewussten auf sich selbst. Und schon seit dem Beginn des Lebens des Kindes handelt es sich um ein ganz anderes Unternehmen, das durch die Maske des Ödipus hindurchbricht, um einen anderen Fluss, der durch alle seine Ritzen läuft, um ein anderes Abenteuer, das der begehrenden Produktion. Nun kann man nicht sagen, dass die Psychoanalyse das nicht in gewisser Weise anerkannt hätte. In seiner Theorie der Ursprungsphantasie, der Spuren einer archaischen Vererbung und der endogenen Quellen des Über-Ich behauptet Freud beständig, dass die aktiven Faktoren nicht die realen Eltern sind, ja nicht einmal die Eltern, wie das Kind sie sich vorstellt. Ebenso und erst recht die Lacan-Schüler, wenn sie die Unterscheidung des Imaginären und des Symbolischen wieder aufnehmen, wenn sie den Namen-des-Vaters der Imago gegenüberstellen und die Verwerfung, die den Signifikanten betrifft, einer realen Abwesenheit oder einem realen Mangel der Vaterfigur entgegensetzen. Man kann nicht besser anerkennen, dass die Elternfiguren beliebige Induktoren sind und dass der wahre Organisator anderswo liegt, auf der Seite des Induzierten und nicht auf der Seite des Induktors. Aber genau da beginnt die Frage, dieselbe wie beim biologischen Ei. Denn unter diesen Bedingungen gibt es da keinen anderen Ausweg, als die Idee eines « Bodens » wiederherzustellen, sei es in der Form einer phylogenetischen Angeborenheit der Präformation, sei es in der Form eines kulturellen symbolischen Apriori, das mit der Prä-Maturation verbunden ist? Schlimmer noch: es ist offensichtlich, dass man, wenn man ein solches Apriori anruft, keineswegs aus dem Familialismus im engsten Sinn herauskommt, der die ganze Psychoanalyse belastet; man verstrickt sich im Gegenteil tiefer darin und verallgemeinert ihn. Man hat die Eltern an ihren wahren Platz im Unbewussten gestellt, der der beliebigen Induktoren ist, aber man vertraut die Rolle des Organisators weiterhin symbolischen oder strukturalen Elementen an, die noch immer die der Familie und ihrer ödipalen Matrix sind. Einmal mehr kommt man nicht heraus: man hat nur das Mittel gefunden, die Familie transzendent zu machen.
Das ist der unheilbare Familialismus der Psychoanalyse, der das Unbewusste in Ödipus einrahmt, es auf beiden Seiten ligiert, die begehrende Produktion zerdrückt, den Patienten darauf konditioniert, Papa-Mama zu antworten, immer Papa-Mama zu konsumieren. Foucault hatte also völlig recht, als er sagte, die Psychoanalyse vollende in gewisser Weise, vollstrecke, was die Asylpsychiatrie des 19. Jahrhunderts sich mit Pinel und Tuke vorgenommen hatte: den Wahnsinn an einen Elternkomplex zu schweißen, ihn « an die halb-reale, halb-imaginäre Dialektik der Familie » zu binden – einen Mikrokosmos zu konstituieren, in dem « die großen massiven Strukturen der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Werte » symbolisiert werden, Familie-Kinder, Schuld-Strafe, Wahnsinn-Unordnung – die Desalienation denselben Weg nehmen zu lassen wie die Alienation, Ödipus an beiden Enden, so die moralische Autorität des Arztes als Vater und Richter zu begründen, Familie und Gesetz – und schließlich in das folgende Paradox zu münden: « Während der Geisteskranke in der realen Person seines Arztes völlig entfremdet ist, zerstreut der Arzt die Realität der Geisteskrankheit im kritischen Begriff des Wahnsinns. »34 Lichtvolle Seiten. Fügen wir hinzu, dass die freudsche Psychoanalyse, indem sie die Krankheit in einen dem Patienten inneren Familienkomplex einhüllte und dann den Familienkomplex selbst in die Übertragung oder das Verhältnis Patient-Arzt einhüllte, von der Familie einen bestimmten intensiven Gebrauch machte. Gewiss entstellte dieser Gebrauch die Natur der intensiven Quantitäten im Unbewussten. Aber er respektierte noch teilweise das allgemeine Prinzip einer Produktion dieser Quantitäten. Im Gegenteil, als man sich wieder mit der Psychose konfrontieren musste, wurde zugleich die Familie in Extension wieder ausgebreitet und für sich selbst als Gradimeter der Kräfte der Entfremdung und der Desalienation betrachtet. So hat die Untersuchung der Familien von Schizophrenen Ödipus wieder in Gang gebracht, indem sie ihn in der extensiven Ordnung einer ausgebreiteten Familie herrschen ließ, wo nicht nur jeder mehr oder weniger gut sein Dreieck mit dem der anderen kombinierte, sondern wo das Ganze der erweiterten Familie zwischen den beiden Polen einer « gesunden » Triangulation, strukturierend und differenzierend, und Formen pervertierter Dreiecke oszillierte, die ihre Fusion im Undifferenzierten vollzogen.
Jacques Hochman analysiert interessante Varianten psychotischer Familien unter einem selben « fusionellen Postulat »: die eigentlich fusionelle Familie, wo die Differenzierung nur noch zwischen innen und außen existiert (denen, die nicht zur Familie gehören); die spaltende Familie, die in sich Blöcke, Klans oder Koalitionen einrichtet; die tubuläre Familie, wo das Dreieck sich ins Unendliche vervielfacht, jedes Mitglied das seine hat, das sich mit anderen verschachtelt, ohne dass man die Grenzen einer Kernfamilie erkennen könnte; die verwerfende Familie, wo die Differenzierung zugleich wie eingeschlossen und beschworen in einem ihrer ausgeschiedenen, annullierten, verworfenen Mitglieder liegt.35 Man versteht, dass ein Begriff wie der der Verwerfung in diesem extensiven Rahmen einer Familie funktioniert, wo mehrere Generationen, mindestens drei, die Bedingung der Herstellung eines Psychotikers bilden: zum Beispiel bewirken die Störungen der Mutter gegenüber ihrem eigenen Vater, dass der Sohn seinerseits gegenüber der Mutter nicht einmal « sein Begehren setzen » kann. Daraus die seltsame Idee, dass, wenn der Psychotiker Ödipus entgeht, es nur ist, weil er im Quadrat darin ist, in einem Extensionsfeld, das die Großeltern umfasst. Das Problem der Kur wird ziemlich nahe an eine Operation der Differentialrechnung herangerückt, wo man durch Depotentialisierung verfährt, um die ersten Funktionen wiederzufinden und das charakteristische oder nukleare Dreieck wiederherzustellen – immer eine heilige Trinität, der Zugang zu einer Dreiersituation… Es ist offensichtlich, dass dieser Familialismus in Extension, in dem die Familie die der Entfremdung und der Desalienation eigenen Mächte erhält, ein Aufgeben der Grundpositionen der Psychoanalyse bezüglich der Sexualität nach sich zieht, trotz der formalen Bewahrung eines analytischen Vokabulars. Wirkliche Regression zugunsten einer Taxonomie der Familien. Man sieht es gut in den Versuchen der Gemeindepsychiatrie oder der sogenannten Familientherapie, die die asylartige Existenz tatsächlich brechen, aber dennoch alle Voraussetzungen beibehalten und grundlegend an die Psychiatrie des 19. Jahrhunderts anknüpfen, gemäß dem von Hochmann vorgeschlagenen Slogan: « von der Familie zur Krankenhaushospital-Institution, von der Krankenhaushospital-Institution zur Familieninstitution, … therapeutische Rückkehr zur Familie »!
Aber selbst in den progressiven oder revolutionären Sektoren der institutionalisierten Analyse einerseits, der Anti-Psychiatrie andererseits, bleibt die Gefahr dieses Familialismus in Extension bestehen, gemäß der doppelten Sackgasse eines erweiterten Ödipus, sowohl in der Diagnose von Familien, die an sich pathogen sein sollen, als auch in der Konstitution quasi-therapeutischer Familien. Wenn einmal gesagt ist, dass es nicht mehr darum geht, Rahmen der Anpassung oder der familiären und sozialen Integration neu zu formen, sondern originelle Formen aktiver Gruppen zu instituieren, stellt sich die Frage, bis zu welchem Punkt diese Basisgruppen künstlichen Familien ähneln, bis zu welchem Punkt sie sich noch der Ödipalisierung anbieten. Diese Fragen sind von Jean Oury tiefgehend analysiert worden. Sie zeigen, dass die revolutionäre Psychiatrie, so sehr sie auch mit den Idealen der gemeinschaftlichen Anpassung bricht, mit allem, was Maud Mannoni die Anpassungspolizei nennt, doch jederzeit Gefahr läuft, in den Rahmen eines strukturalen Ödipus zurückgebogen zu werden, dessen Lücke man diagnostiziert und dessen Integrität man wiederherstellt, eine heilige Trinität, die die begehrende Produktion weiterhin würgt und ihre Probleme erstickt. Der politische und kulturelle, historisch-weltliche und rassische Inhalt bleibt in der ödipalen Mühle zerdrückt. Das liegt daran, dass man fortfährt, die Familie als Matrix zu behandeln, oder besser als Mikrokosmos, als ein expressives Milieu, das für sich selbst gilt und das, so fähig es auch sein mag, die Wirkung der entfremdenden Kräfte auszudrücken, sie gerade dadurch « mediatisiert », dass es die wirklichen Kategorien der Produktion in den Maschinen des Begehrens abschafft. Uns scheint, dass ein solcher Standpunkt selbst bei Cooper präsent bleibt (Laing löst sich in dieser Hinsicht dank der Ressourcen eines aus dem Osten kommenden Flusses besser vom Familialismus). « Die Familien, schreibt Cooper, vermitteln zwischen der sozialen Realität und ihren Kindern. Wenn die betreffende soziale Realität reich an entfremdeten sozialen Formen ist, dann wird diese Entfremdung für das Kind vermittelt und von ihm als Fremdheit in den familiären Beziehungen erfahren… Eine Person kann zum Beispiel sagen, dass ihr Geist von einer elektrischen Maschine oder von Männern eines anderen Planeten kontrolliert wird. Diese Konstruktionen sind jedoch in hohem Maße Verkörperungen des familiären Prozesses, der den Anschein substantieller Realität hat, aber nichts anderes ist als die entfremdete Form des Handelns oder der Praxis der Familienmitglieder, eine Praxis, die den Geist des psychotischen Mitglieds buchstäblich beherrscht. Diese metaphorischen Männer des Kosmos sind buchstäblich die Mutter, der Vater und die Brüder, die am Frühstückstisch Platz nehmen in Gesellschaft des angeblich Psychotischen. »36 Selbst die wesentliche These der Anti-Psychiatrie, die im Grenzfall eine Identität der Natur zwischen sozialer Entfremdung und geistiger Entfremdung setzt, muss im Hinblick auf einen beibehaltenen Familialismus verstanden werden und nicht auf seine Widerlegung. Denn insofern die Familie-Mikrokosmos, die Familie-Gradimeter, die soziale Entfremdung ausdrückt, soll sie die geistige Entfremdung im Geist ihrer Mitglieder oder ihres psychotischen Mitglieds « organisieren » (und unter allen ihren Mitgliedern, « welches ist das gute »?).
In der allgemeinen Konzeption der Beziehungen Mikrokosmos-Makrokosmos führte Bergson eine diskrete Revolution ein, zu der man zurückkehren muss. Die Assimilation des Lebendigen an einen Mikrokosmos ist ein antiker Gemeinplatz. Aber wenn das Lebendige der Welt ähnlich war, so sagte man, weil es ein isoliertes System war oder dazu tendierte, natürlich geschlossen: Der Vergleich von Mikrokosmos und Makrokosmos war also der Vergleich zweier geschlossener Figuren, von denen die eine die andere ausdrückte und sich in die andere einschrieb. Zu Beginn der Schöpferischen Entwicklung verändert Bergson die Tragweite des Vergleichs vollständig, indem er beide Ganzen öffnet. Wenn das Lebendige der Welt ähnelt, dann im Gegenteil insofern, als es sich auf die Öffnung der Welt hin öffnet; wenn es ein Ganzes ist, dann insofern, als das Ganze, das der Welt wie das des Lebendigen, immer dabei ist, sich zu machen, sich zu produzieren oder fortzuschreiten, sich in eine irreduzible und nicht geschlossene zeitliche Dimension einzuschreiben. Wir glauben, dass es sich ebenso mit dem Verhältnis Familie-Gesellschaft verhält. Es gibt kein ödipales Dreieck: Ödipus ist immer offen in einem offenen sozialen Feld. Ödipus offen für alle Winde, an allen vier Ecken des sozialen Feldes (nicht einmal 3 + 1, sondern 4 + n). Schlecht geschlossenes Dreieck, poröses oder sickerndes Dreieck, gesprengtes Dreieck, aus dem die Flüsse des Begehrens zu anderen Orten entweichen. Es ist merkwürdig, dass man auf die Träume der Kolonisierten warten musste, um zu bemerken, dass an den Spitzen des Pseudo-Dreiecks die Mama mit dem Missionar tanzte, der Papa vom Steuereintreiber gefickt wurde, das Ich von einem Weißen geschlagen wurde. Es ist gerade diese Kopplung der Elternfiguren mit Agenten anderer Natur, ihr Umklammern wie Ringkämpfer, die verhindert, dass das Dreieck sich schließt, für sich selbst gilt und beansprucht, jene andere Natur der Agenten auszudrücken oder zu repräsentieren, um die es im Unbewussten selbst geht. Wenn Fanon einen Fall von Verfolgungspsychose begegnet, der mit dem Tod der Mutter verbunden ist, fragt er sich zunächst, ob er « einem unbewussten Schuldkomplex gegenübersteht, wie Freud ihn in Trauer und Melancholie beschrieben hat »; aber er erfährt schnell, dass die Mutter von einem französischen Soldaten getötet wurde und dass das Subjekt selbst die Frau eines Kolonisten ermordet hat, deren aufgeschlitzter Geist unaufhörlich kommt, um die Erinnerung an die Mutter zu packen, zu zerfetzen.37 Man kann immer sagen, dass diese Grenzsituationen des Kriegstraumas, des Kolonisationszustands, äußerster sozialer Misere usw. wenig geeignet sind, die Konstruktion des Ödipus hervorzubringen – und dass sie gerade dadurch eine psychotische Entwicklung oder Explosion begünstigen –, wir spüren gut, dass das Problem anderswo liegt. Denn abgesehen davon, dass man zugibt, dass es eines gewissen Komforts der bürgerlichen Familie bedarf, um ödipalisierte Subjekte zu liefern, schiebt man die Frage immer weiter hinaus, was in den komfortablen Bedingungen eines als normal oder normativ angenommenen Ödipus tatsächlich investiert wird.
Der Revolutionär ist der Erste, der rechtlich sagen kann: Ödipus, kenn ich nicht – weil die disjunkten Stücke an allen Ecken des historischen sozialen Feldes kleben bleiben, als Schlachtfeld und nicht als Bühne des bürgerlichen Theaters. Umso schlimmer, wenn die Psychoanalytiker brüllen. Aber Fanon bemerkte, dass unruhige Perioden nicht nur unbewusste Wirkungen auf aktive Militante haben, sondern auch auf die Neutralen und auf diejenigen, die vorgeben, außerhalb der Sache zu bleiben, sich nicht in Politik einzumischen. Ebenso wird man es von scheinbar friedlichen Perioden sagen: grotesker Irrtum zu glauben, das kindliche Unbewusste kenne nur Papa-Mama und wisse nicht « auf seine Weise », dass der Vater einen Chef hat, der kein Vater des Vaters ist, oder dass er selbst ein Chef ist, der kein Vater ist… So dass wir für alle Fälle die folgende Regel setzen: Der Vater und die Mutter existieren nur in Stücken und organisieren sich nie zu einer Figur oder zu einer Struktur, die zugleich das Unbewusste repräsentieren und in ihm die verschiedenen Agenten der Kollektivität repräsentieren könnte, sondern sie zerfallen immer in Fragmente, die neben diesen Agenten stehen, sich mit ihnen messen, sich ihnen entgegenstellen oder sich mit ihnen versöhnen wie in einem Nahkampf. Vater, Mutter und Ich sind verstrickt und stehen in direkter Berührung mit den Elementen der historischen und politischen Situation, dem Soldaten, dem Bullen, dem Besatzer, dem Kollaborateur, dem Protestierenden oder dem Widerständler, dem Chef, der Frau des Chefs, die in jedem Augenblick jede Triangulation sprengen und verhindern, dass die Gesamtheit der Situation auf den Familienkomplex zurückgebogen und in ihn verinnerlicht wird. Kurz, niemals ist die Familie ein Mikrokosmos im Sinn einer autonomen Figur, selbst wenn sie in einen größeren Kreis eingeschrieben wäre, den sie vermitteln und ausdrücken würde. Die Familie ist von Natur aus exzentrisch, dezentriert. Man spricht von fusioneller, spaltender, tubulärer, verwerfender Familie. Aber woher kommen die Schnitte und ihre Verteilung, die gerade verhindern, dass die Familie ein « Inneres » ist? Es gibt immer einen Onkel aus Amerika, einen Bruder, der schief geraten ist, eine Tante, die mit einem Militär abgehauen ist, einen arbeitslosen Cousin, einen Bankrotteur oder einen, der den Krach erlitten hat, einen anarchistischen Großvater, eine Großmutter im Krankenhaus, verrückt oder senil. Die Familie erzeugt ihre Schnitte nicht. Die Familien sind durch Schnitte geschnitten, die nicht familiär sind: die Kommune, die Dreyfus-Affäre, Religion und Atheismus, der Spanische Krieg, der Aufstieg des Faschismus, der Stalinismus, der Vietnamkrieg, Mai 68… all das bildet die Komplexe des Unbewussten, wirksamer als der ewige Ödipus. Und es handelt sich sehr wohl um das Unbewusste. Wenn es Strukturen gibt, dann existieren sie nicht im Geist, im Schatten eines fantastischen Phallus, der ihre Lücken, Durchgänge und Artikulationen verteilte. Sie existieren im unmittelbaren unmöglichen Realen. Wie Gombrowicz sagt, die Strukturalisten « suchen ihre Strukturen in der Kultur, ich in der unmittelbaren Realität. Meine Sichtweise stand in direktem Zusammenhang mit den damaligen Ereignissen: Hitlerismus, Stalinismus, Faschismus… Ich war fasziniert von den grotesken und schrecklichen Formen, die in der Sphäre des Zwischenmenschlichen aufstiegen, indem sie alles zerstörten, was bis dahin ehrwürdig gewesen war ».38
Die Hellenisten haben recht, daran zu erinnern, dass es selbst im ehrwürdigen Ödipus bereits um « Politik » ging. Sie haben nur unrecht, daraus zu schließen, dass die Libido folglich nichts damit zu tun habe. Es ist das genaue Gegenteil: Was die Libido durch die disjunkten Elemente des Ödipus hindurch investiert und gerade insofern, als diese Elemente niemals eine autonome expressive mentale Struktur bilden, sind diese extra-familiären, sub-familiären Schnitte, diese Formen der sozialen Produktion in Beziehung zur begehrenden Produktion. Die Schizo-Analyse verbirgt also nicht, eine politische und soziale Psychoanalyse zu sein, eine militante Analyse: nicht weil sie Ödipus in der Kultur verallgemeinerte unter den lächerlichen Bedingungen, die bis jetzt gegolten haben. Sondern im Gegenteil, weil sie sich vornimmt, die Existenz einer unbewussten libidinösen Investition der historischen sozialen Produktion zu zeigen, unterschieden von den bewussten Investitionen, die mit ihr koexistieren. Proust hat nicht unrecht zu sagen, dass er, weit davon entfernt, ein intimistisches Werk zu machen, weiter geht als die Vertreter einer populistischen oder proletarischen Kunst, die sich damit begnügen, das Soziale und Politische in « freiwillig » expressiven Werken zu beschreiben. Ihn interessiert, wie die Dreyfus-Affäre, dann der Krieg von 14 die Familien kreuzen, dort neue Schnitte und neue Verknüpfungen einführen, die eine Umgestaltung der heterosexuellen und homosexuellen Libido nach sich ziehen (zum Beispiel im zersetzten Milieu der Guermantes). Es ist Sache der Libido, das soziale Feld in unbewussten Formen zu investieren und dadurch die ganze Geschichte zu halluzinieren, die Zivilisationen, die Kontinente und die Rassen zu delirieren und intensiv ein weltweites Werden zu « fühlen ». Keine signifikante Kette ohne einen Chinesen, einen Araber, einen Schwarzen, die den Kopf hineinstecken und kommen, um die Nacht eines weißen Paranoikers zu stören. Die Schizo-Analyse nimmt sich vor, das ödipale expressive Unbewusste, immer künstlich, repressiv und reprimiert, durch die Familie vermittelt, zu zerlegen, um zum unmittelbaren produktiven Unbewussten zu gelangen. Ja, die Familie ist ein Stimulus – aber ein Stimulus von beliebigem Wert, ein Induktor, der weder Organisator noch Desorganisator ist. Die Antwort hingegen kommt immer von anderswo. Wenn es Sprache gibt, dann auf der Seite der Antwort und nicht auf der des Stimulus. Selbst die ödipale Psychoanalyse hat die Indifferenz der effektiven Elternbilder, die Irreduzibilität der Antwort gegenüber der Stimulation, die sie ausüben, sehr wohl anerkannt. Aber sie hat sich darauf beschränkt, die Antwort aus einem noch immer familiären expressiven Symbolismus zu verstehen, statt sie in einem unbewussten System der Produktion als solcher zu interpretieren (analytische Ökonomie).
Das große Argument des Familialismus lautet: « zumindest am Anfang… » Dieses Argument kann ausdrücklich formuliert werden, aber es hat auch eine implizite Persistenz in Theorien, die den Standpunkt der Genese doch zurückweisen. Zumindest am Anfang würde das Unbewusste sich in einem Zustand familiärer Beziehungen und Konstellationen ausdrücken, in denen das Reale, das Imaginäre und das Symbolische vermischt wären. Die sozialen und metaphysischen Beziehungen würden danach auftreten, als ein Jenseits. Und da der Anfang immer zu zweit geht (das ist sogar die Bedingung, um nicht daraus herauszukommen), ruft man einen ersten prä-ödipalen Anfang an, « die primitive Undifferenziertheit der frühesten Stufen der Persönlichkeit » in der Beziehung zur Mutter, dann einen zweiten Anfang, Ödipus selbst mit dem Gesetz des Vaters und den exklusiven Differenzierungen, die es innerhalb der Familie vorschreibt – schließlich die Latenz, die berühmte Latenz, nach der das Jenseits beginnt. Aber da dieses Jenseits darin besteht, andere denselben Weg gehen zu lassen (die kommenden Kinder), und da auch der erste Anfang nur « prä-ödipal » genannt wird, um bereits seine Zugehörigkeit zu Ödipus als Referenzachse zu markieren, ist es ganz offensichtlich, dass man lediglich die beiden Enden des Ödipus geschlossen hat und dass das Jenseits oder das Danach immer in Funktion des Ödipus interpretiert werden wird, in Bezug auf Ödipus, im Rahmen des Ödipus. Alles wird auf ihn zurückgebogen werden, wie die Diskussionen über die vergleichbare Rolle der infantilen Faktoren und der aktuellen Faktoren in der Neurose bezeugen: wie könnte es anders sein, solange der « aktuelle » Faktor unter dieser Form des Danach gedacht wird? Aber in Wahrheit wissen wir, dass die aktuellen Faktoren seit der Kindheit da sind und die libidinösen Investitionen in Funktion der Schnitte und Verknüpfungen bestimmen, die sie in die Familie einführen. Über die Köpfe der Familienleute hinweg oder darunter erproben die begehrende Produktion und die soziale Produktion in der kindlichen Erfahrung ihre Identität der Natur und ihren Unterschied des Regimes. Man betrachte drei große Kindheitsbücher: L’Enfant von Jules Vallès, Bas les cœurs von Darien, Mort à crédit von Céline. Man wird darin sehen, wie Brot, Geld, Wohnen, sozialer Aufstieg, bürgerliche und revolutionäre Werte, Reichtum und Armut, Unterdrückung und Revolte, soziale Klassen, politische Ereignisse, metaphysische und kollektive Probleme, was heißt atmen? warum arm sein? warum Reiche? Gegenstand von Investitionen sind, in denen die Eltern nur die Rolle besonderer Agenten der Produktion oder der Anti-Produktion spielen, immer mit anderen Agenten zusammen aufgenommen, die sie umso weniger ausdrücken, als sie mit ihnen ringen, im Himmel und in der Hölle des Kindes. Und das Kind sagt: warum? Der Rattenmann wartet nicht, ein Mann zu sein, um die reiche Frau und die arme Frau zu investieren, die den aktuellen Faktor seiner Obsession bilden. Aus unaussprechlichen Gründen leugnet man die Existenz einer infantilen Sexualität, aber aus ebenso wenig eingestandenen Gründen reduziert man diese Sexualität darauf, Mama zu begehren und den Platz des Vaters zu wollen. Die freudsche Erpressung besteht darin: Entweder erkennt ihr den ödipalen Charakter der infantilen Sexualität an, oder ihr gebt jede Position von Sexualität auf. Doch es ist nicht einmal im Schatten eines transzendenten Phallus, dass sich unbewusste Wirkungen von « Bezeichnetem » auf die Gesamtheit der Bestimmungen eines sozialen Feldes setzen; im Gegenteil ist es die libidinöse Investition dieser Bestimmungen, die ihren besonderen Gebrauch in der begehrenden Produktion festlegt und das vergleichbare Regime dieser Produktion mit der sozialen Produktion, woraus der Zustand des Begehrens und seiner Repression, die Verteilung der Agenten und der Grad der Ödipalisierung der Sexualität hervorgehen. Lacan sagt sehr wohl, dass es in Funktion der Krisen und Schnitte der Wissenschaft ein Drama des Wissenschaftlers gibt, das bisweilen bis zum Wahnsinn geht, und dass dieser sich « hier nicht selbst in den Ödipus einschließen kann, ohne ihn in Frage zu stellen », folgerichtig.39 Jedes Kind ist in diesem Sinn ein kleiner Wissenschaftler, ein kleiner Cantor. Und so sehr man auch den Lauf der Altersstufen hinaufgeht, niemals findet man ein Kind in einer autonomen, expressiven oder signifikanten Familienordnung gefangen. In seinen Spielen wie in seinen Nahrungen, seinen Ketten und seinen Meditationen ist selbst der Säugling schon in eine aktuelle begehrende Produktion verstrickt, in der die Eltern die Rolle von Partialobjekten, Zeugen, Berichterstattern und Agenten spielen, im Strom eines Prozesses, der sie von allen Seiten übersteigt und das Begehren in unmittelbare Beziehung zu einer historischen und sozialen Realität setzt. Es ist wahr, dass nichts prä-ödipal ist und dass man Ödipus in das erste Alter zurückschieben muss, aber in der Ordnung einer Repression des Unbewussten. Es ist nicht weniger wahr, dass alles anödipal ist in der Ordnung der Produktion; dass es Nicht-Ödipisches, Anödipisches gibt, das so früh beginnt wie Ödipus und sich ebenso spät fortsetzt, in einem anderen Rhythmus, unter einem anderen Regime, in einer anderen Dimension, mit anderen Synthesegebrauchsweisen, die die Auto-Produktion des Unbewussten nähren, das verwaiste Unbewusste, das spielende Unbewusste, das meditative und soziale Unbewusste.
Die Operation des Ödipus besteht darin, ein Ensemble biunivoker Beziehungen herzustellen zwischen den Agenten der sozialen Produktion, Reproduktion und Anti-Produktion einerseits und andererseits den Agenten der sogenannten natürlichen familiären Reproduktion. Diese Operation nennt man eine Applikation. Alles geschieht, als ob man eine Tischdecke faltete und ihre 4 (+ n) Ecken auf 3 zurückschlüge (3 + 1, um den transzendenten Faktor zu bezeichnen, der das Falten bewirkt). Von da an ist es erzwungen, dass die kollektiven Agenten als Abkömmlinge oder Stellvertreter elterlicher Figuren interpretiert werden, in einem Äquivalenzsystem, das überall den Vater, die Mutter und das Ich wiederfindet. (Und man schiebt die Schwierigkeit nur zurück, wenn man das ganze System betrachtet, indem man es dann vom transzendenten Term, dem Phallus, abhängig macht.) Darin liegt ein fehlerhafter Gebrauch der konjunktiven Synthese, der sagen lässt: « das war also dein Vater, das war also deine Mutter… » Und dass man erst danach entdeckt, dass das alles Vater und Mutter waren, hat nichts Erstaunliches, da man voraussetzt, dass es das von Anfang an ist, dass es dann aber vergessen-verdrängt wird, um es nachher wiederzufinden, in Bezug auf das Nachher. Daher die magische Formel, die die Biunivozierung gut markiert, das heißt die Niederpressung des polyvoken Realen zugunsten einer symbolischen Beziehung zwischen zwei Artikulationen: das war also das, was dies bedeuten wollte. Man lässt alles von Ödipus ausgehen, durch Erklärung, mit umso größerer Gewissheit, als man alles durch Applikation auf ihn zurückgebracht hat. Nur scheinbar ist Ödipus ein Anfang, sei es als historische oder prähistorische Herkunft, sei es als strukturelle Fundierung. Er ist ein durch und durch ideologischer Anfang, für die Ideologie. In Wahrheit ist Ödipus immer und nur ein Ankunftsensemble für ein Ausgangsensemble, das von einer sozialen Formation gebildet wird. Alles wird auf ihn appliziert, in dem Sinn, dass die Agenten und Verhältnisse der sozialen Produktion und die ihnen entsprechenden libidinösen Investitionen auf die Figuren der familiären Reproduktion zurückgebogen werden. Im Ausgangsensemble gibt es die soziale Formation oder vielmehr die sozialen Formationen; die Rassen, die Klassen, die Kontinente, die Völker, die Königreiche, die Souveränitäten; Jeanne d’Arc und den Großen Mongolen, Luther und die aztekische Schlange. Im Ankunftsensemble gibt es nur noch Papa, Mama und mich. Von Ödipus wie von der begehrenden Produktion muss man also sagen: er ist am Ende, nicht am Anfang. Aber keineswegs auf dieselbe Weise. Wir haben gesehen, dass die begehrende Produktion die Grenze der sozialen Produktion war, immer vereitelt in der kapitalistischen Formation: der Körper ohne Organe an der Grenze des deterritorialisierten Sozius, die Wüste an den Toren der Stadt… Aber gerade ist es dringend, wesentlich, dass die Grenze verschoben wird, dass sie unschädlich gemacht wird und innerhalb der sozialen Formation selbst hindurchzugehen scheint. Die Schizophrenie oder die begehrende Produktion ist die Grenze zwischen der molaren Organisation und der molekularen Vielheit des Begehrens; diese Deterritorialisierungsgrenze muss jetzt in die molare Organisation hinein verlegt werden, sie muss auf eine künstliche, unterworfene Territorialität appliziert werden. Man ahnt dann, was Ödipus bedeutet: er verschiebt die Grenze, er verinnerlicht sie. Lieber ein Volk von Neurotikern als ein einziger gelungener Schizophrener, nicht autistisiert. Unvergleichliches Instrument der Vergesellschaftung, ist Ödipus die letzte unterworfene und private Territorialität des europäischen Menschen. (Mehr noch: die verschobene, beschworene Grenze geht in das Innere des Ödipus, zwischen seine beiden Pole.)
Ein Wort über die Scham der Psychoanalyse in Geschichte und Politik. Das Verfahren ist wohlbekannt: Man stellt den Großen Mann und die Menge einander gegenüber. Man behauptet, mit diesen zwei Entitäten, diesen zwei Hampelmännern, Geschichte zu machen, dem großen Krebstier und der verrückten Wirbellosen. Man setzt Ödipus an den Anfang. Auf der einen Seite hat man den großen Mann, ödipal definiert: Er hat also den Vater getötet, in diesem Mord, der nicht enden will, sei es um ihn zu vernichten und sich mit der Mutter zu identifizieren, sei es um ihn zu verinnerlichen, an seine Stelle zu treten oder sich zu versöhnen (und im Einzelnen so viele Varianten, die den neurotischen, psychotischen, perversen oder « normalen », das heißt sublimatorischen Lösungen entsprechen…). Auf jeden Fall ist der große Mann schon groß, weil er im Guten oder im Schlechten eine gewisse originelle Lösung des ödipalen Konflikts gefunden hat. Hitler vernichtet den Vater und entfesselt in sich die Kräfte der bösen Mutter, Luther verinnerlicht den Vater und schließt einen Kompromiss mit dem Über-Ich. Auf der anderen Seite hat man die Menge, ebenfalls ödipal definiert, durch elterliche Bilder zweiter Ordnung, kollektive; die Begegnung kann also stattfinden, Luther und die Christen des 16. Jahrhunderts, Hitler und das deutsche Volk, in Entsprechungen, die nicht notwendig Identität implizieren (Hitler spielt die Rolle des Vaters durch « homosexuelle Transfusion » und in Bezug auf die weibliche Menge; Luther spielt die Rolle der Frau in Bezug auf den Gott der Christen). Natürlich präzisiert der Psychoanalytiker, um sich gegen den gerechten Zorn des Historikers abzusichern, dass er sich nur mit einer bestimmten Ordnung von Ursachen befasst, dass man die « anderen » Ursachen berücksichtigen müsse, aber dass er, er, nicht alles machen könne. Im Übrigen befasst er sich gerade genug mit den anderen Ursachen, um uns einen Vorgeschmack zu geben: Er berücksichtigt die Institutionen einer Epoche (von der römischen Kirche im 16. Jahrhundert bis zur kapitalistischen Macht im 20.) wenigstens, um darin zu sehen… elterliche Bilder einer noch neuen Ordnung, die Vater und Mutter verbinden und die in der Handlung des großen Mannes und der Menge auseinander genommen und anders gruppiert werden. Es ist völlig gleichgültig, ob der Ton dieser Bücher orthodox freudianisch, kulturalistisch, archetypisch ist. Solche Bücher machen Übelkeit. Man darf sie nicht mit der Begründung zurückweisen, sie gehörten der fernen Vergangenheit der Psychoanalyse an: es werden auch heute noch welche geschrieben, und viele. Man darf nicht sagen, es handele sich um einen unvorsichtigen Gebrauch des Ödipus: welchen anderen Gebrauch wollen Sie daraus machen? Es handelt sich auch nicht um eine ambivalente Dimension einer « angewandten Psychoanalyse »; denn es ist der ganze Ödipus, Ödipus an sich, der bereits eine Anwendung ist, im strengen Sinn des Wortes. Und wenn die besten Psychoanalytiker sich historisch-politische Anwendungen untersagen, kann man nicht sagen, dass die Dinge sehr viel besser gehen, denn sie ziehen sich auf den Fels der Kastration zurück, der als Ort einer « unerträglichen Wahrheit » irreduzibel dargestellt wird: Sie schließen sich in einen Phallozentrismus ein, der sie dazu bestimmt, die analytische Tätigkeit als stets in einem familialen Mikrokosmos verlaufend zu betrachten, und sie behandeln die direkten Investitionen des sozialen Feldes durch die Libido weiterhin als bloße imaginäre Abhängigkeiten des Ödipus, wo man « einen Fusions-Traum », « eine Phantasie der Rückkehr zur Einheit » anzuprangern hätte. Die Kastration, sagen sie, das ist es, was uns vom Politischen trennt, das ist es, was unsere Originalität ausmacht, uns Analytikern, die nicht vergessen, dass die Gesellschaft auch triangulär und symbolisch ist!
Wenn es wahr ist, dass Ödipus durch Zurückbiegung oder Anwendung gewonnen wird, setzt er selbst einen bestimmten Typus libidinöser Investition des sozialen Feldes voraus, der Produktion und der Formation dieses Feldes. Es gibt weder einen individuellen Ödipus noch eine individuelle Phantasie. Ödipus ist ein Mittel der Integration in die Gruppe, sowohl in der adaptiven Form seiner eigenen Reproduktion, die ihn von einer Generation zur anderen übergehen lässt, als auch in seinen unangepassten neurotischen Stasen, die das Begehren auf eingerichteten Sackgassen blockieren. Daher blüht Ödipus in den unterworfenen Gruppen, dort, wo eine etablierte Ordnung in ihren repressiven Formen selbst investiert wird. Und nicht die Formen der unterworfenen Gruppe hängen von ödipalen Projektionen und Identifikationen ab, sondern genau umgekehrt: Die ödipalen Anwendungen hängen von den Bestimmungen der unterworfenen Gruppe als Ausgangsensemble ab und von deren libidinöser Investition (seit dreizehn Jahren habe ich gearbeitet, auf der sozialen Leiter aufsteigen, die Beförderung, zu den Ausbeutern gehören…). Es gibt also einen segregativen Gebrauch der konjunktiven Synthesen im Unbewussten, der nicht mit den Klassenaufteilungen zusammenfällt, obwohl er eine unvergleichliche Waffe im Dienst einer herrschenden Klasse ist: Er ist es, der das Gefühl konstituiert, « wirklich von hier zu sein », zu einer höheren Rasse zu gehören, die von den Feinden draußen bedroht ist. So der kleine Weiße, Sohn von Pionieren, der protestantische Ire, der den Sieg seiner Vorfahren begeht, der Faschist der Herrenrasse. Ödipus hängt von einem solchen nationalistischen, religiösen, rassistischen Gefühl ab, und nicht umgekehrt: Nicht der Vater projiziert sich in den Chef, sondern der Chef wird auf den Vater appliziert, sei es um uns zu sagen « du wirst deinen Vater nicht übertreffen », sei es um uns zu sagen « du wirst ihn übertreffen, indem du unsere Ahnen wiederfindest ». Lacan hat die Verbindung des Ödipus mit der Segregation tief gezeigt. Nicht jedoch in dem Sinn, dass die Segregation eine Folge des Ödipus wäre, unterliegend der Brüderlichkeit der Brüder, sobald der Vater tot ist. Im Gegenteil ist der segregative Gebrauch eine Bedingung des Ödipus, insofern das soziale Feld sich nur dann auf die Familienbindung zurückbiegt, wenn es einen enormen Archaismus voraussetzt, eine Inkarnation der Rasse in Person oder im Geist – ja, ich bin von den Euren…
Es ist keine Frage der Ideologie. Es gibt eine unbewusste libidinöse Investition des sozialen Feldes, die koexistiert, aber nicht notwendigerweise mit den vorbewussten Investitionen zusammenfällt oder mit dem, was die vorbewussten Investitionen « sein sollten ». Deshalb reicht es, wenn Subjekte, Individuen oder Gruppen, offenbar gegen ihre Klasseninteressen handeln, wenn sie den Interessen und Idealen einer Klasse anhängen, die ihre eigene objektive Situation sie eigentlich zu bekämpfen bestimmen müsste, nicht aus zu sagen: sie sind getäuscht worden, die Massen sind getäuscht worden. Das ist kein ideologisches Problem, der Verkennung und Illusion, es ist ein Problem des Begehrens, und das Begehren gehört zur Infrastruktur. Die vorbewussten Investitionen erfolgen oder sollten erfolgen nach den Interessen gegensätzlicher Klassen. Aber die unbewussten Investitionen erfolgen nach Begehrenspositionen und Synthesegebrauchsweisen, die sehr verschieden sind von den Interessen des begehrenden Subjekts, ob individuell oder kollektiv. Sie können die allgemeine Unterwerfung unter eine herrschende Klasse sichern, indem sie Schnitte und Segregationen in ein soziales Feld einziehen, insofern dieses gerade durch das Begehren investiert ist und nicht mehr durch die Interessen. Eine Form sozialer Produktion und Reproduktion mit ihren ökonomischen und finanziellen Mechanismen, ihren politischen Formationen usw. kann als solche begehrt werden, ganz oder teilweise, unabhängig vom Interesse des begehrenden Subjekts. Nicht durch Metapher, selbst nicht durch väterliche Metapher, machte Hitler die Faschisten steif. Nicht durch Metapher machen eine Bank- oder Börsenoperation, ein Titel, ein Coupon, ein Kredit Menschen steif, die nicht nur Bankiers sind. Und das sprossende Geld, das Geld, das Geld produziert? Es gibt ökonomisch-soziale « Komplexe », die zugleich wirkliche Komplexe des Unbewussten sind, und die eine Wollust von oben bis unten durch ihre Hierarchie hindurch mitteilen (der militärisch-industrielle Komplex). Und Ideologie, Ödipus und der Phallus haben hier nichts zu tun, weil sie davon abhängen, statt am Ursprung zu stehen. Denn es handelt sich um Flüsse, Bestände, Schnitte und Fluktuationen von Flüssen; das Begehren ist überall dort, wo etwas fließt und strömt, interessierte Subjekte mitreißend, aber auch berauschte oder schlafende Subjekte zu tödlichen Mündungen hin.
Das ist also das Ziel der Schizo-Analyse: die spezifische Natur der libidinösen Investitionen des Ökonomischen und des Politischen zu analysieren; und dadurch zu zeigen, wie das Begehren dazu bestimmt werden kann, seine eigene Repression im begehrenden Subjekt zu begehren (daher die Rolle des Todestriebs in der Verschaltung von Begehren und Sozialem). All das geschieht nicht in der Ideologie, sondern weit darunter. Eine unbewusste Investition vom faschistischen oder reaktionären Typ kann mit einer bewussten revolutionären Investition koexistieren. Umgekehrt kann es vorkommen (selten), dass eine revolutionäre Investition auf der Ebene des Begehrens mit einer reaktionären Investition koexistiert, die einem bewussten Interesse entspricht. In jedem Fall sind die bewussten und unbewussten Investitionen nicht vom selben Typ, selbst wenn sie zusammenfallen und sich überlagern. Wir definierten die unbewusste reaktionäre Investition als konform mit dem Interesse der herrschenden Klasse, aber für sich operierend, in Begriffen des Begehrens, durch den segregativen Gebrauch der konjunktiven Synthesen, aus dem Ödipus hervorgeht: ich bin von der höheren Rasse. Die unbewusste revolutionäre Investition ist so, dass das Begehren, noch in seiner eigenen Weise, das Interesse der beherrschten, ausgebeuteten Klassen kreuzt und Flüsse fließen lässt, die fähig sind, zugleich alle Segregationen und ihre ödipalen Anwendungen zu brechen, fähig, die Geschichte zu halluzinieren, die Rassen zu delirieren und die Kontinente zu entflammen. Nein, ich bin nicht von den Euren, ich bin das Draußen und das Deterritorialisierte, « ich bin von niederer Rasse in aller Ewigkeit, … ich bin ein Tier, ein Neger ». Auch hier handelt es sich um eine intensive Macht zu investieren und gegen zu investieren im Unbewussten. Ödipus springt, weil seine Bedingungen selbst gesprungen sind. Der nomadische und polyvoke Gebrauch der konjunktiven Synthesen steht dem segregativen und bi-univoken Gebrauch entgegen. Das Delirium hat wie zwei Pole, rassistisch und rassisch, paranoid-segregativ und schizo-nomadisch. Und zwischen beiden so viele subtile, unsichere Verschiebungen, in denen das Unbewusste selbst zwischen seinen reaktionären Ladungen und seinen revolutionären Potentialitäten oszilliert. Selbst Schreber findet sich als Großer Mongole wieder, indem er die arische Segregation überschreitet. Daher die Ambiguität der Texte bei großen Autoren, wenn sie das Thema der Rassen handhaben, so fruchtbar an Zweideutigkeit wie das Schicksal. Die Schizo-Analyse muss hier den Faden entwirren. Denn einen Text zu lesen ist niemals eine gelehrte Übung auf der Suche nach den Signifikaten, noch weniger eine hochtextuelle Übung auf der Suche nach einem Signifikanten, sondern ein produktiver Gebrauch der literarischen Maschine, eine Montage von Begehrensmaschinen, eine schizoide Übung, die aus dem Text seine revolutionäre Kraft freilegt. Das « Also! » oder die Meditation von Igitur über die Rasse, in wesentlicher Beziehung zum Wahnsinn.
Inexhaustibel und stets aktuell, die Ödipus-Sammlung von Dummheiten. Man sagt uns, die Väter seien « im Laufe von Tausenden von Jahren » gestorben (sieh an, sieh an) und die entsprechende « Verinnerlichung » des Vaterbildes habe sich im Paläolithikum bis zum Beginn des Neolithikums vollzogen, « vor ungefähr 8 000 Jahren ».40 Entweder man macht Geschichte oder man macht sie nicht. Aber wirklich, was den Tod des Vaters betrifft, geht die Nachricht nicht schnell. Man hätte unrecht, Nietzsche in diese Geschichte hineinzuziehen. Denn Nietzsche ist nicht derjenige, der den Tod des Vaters wiederkäut und sein ganzes Paläolithikum damit verbringt, ihn zu verinnerlichen. Im Gegenteil: Nietzsche ist zutiefst müde von all diesen Geschichten, die um den Tod des Vaters, um den Tod Gottes gemacht werden, und will den endlosen Reden darüber ein Ende setzen, Reden, die schon in seiner hegelschen Zeit Mode waren. Leider irrte er sich, die Reden gingen weiter. Aber Nietzsche wollte, dass man endlich zu den ernsten Dingen übergeht. Vom Tod Gottes gibt er zwölf oder dreizehn Versionen, der guten Ordnung halber und damit man nicht mehr darüber spricht, um das Ereignis komisch zu machen. Und er erklärt, dass dieses Ereignis streng genommen keine Bedeutung hat, dass es wirklich nur den letzten Papst interessiert: Gott tot oder nicht tot, der Vater tot oder nicht tot, das kommt aufs Gleiche hinaus, da dieselbe Repression und dieselbe Verdrängung weitergehen, hier im Namen Gottes oder eines lebenden Vaters, dort im Namen des Menschen oder des verinnerlichten toten Vaters. Nietzsche sagt, das Wichtige sei nicht die Nachricht, dass Gott tot ist, sondern die Zeit, die sie braucht, um ihre Früchte zu tragen. Hier spitzt der Psychoanalytiker die Ohren, er glaubt, sich wiederzufinden: Es ist wohlbekannt, dass das Unbewusste Zeit braucht, eine Nachricht zu verdauen, man kann sogar einige Texte Freuds über das Unbewusste zitieren, das die Zeit ignoriert und seine Objekte wie ein ägyptisches Grab bewahrt. Nur meint Nietzsche überhaupt nicht das: Er meint nicht, dass der Tod Gottes lange braucht, um im Unbewussten voranzuschreiten. Er meint, dass es so lange dauert, bis das Bewusstsein die Nachricht erreicht, dass der Tod Gottes für das Unbewusste keinerlei Bedeutung hat. Die Früchte der Nachricht sind nicht die Folgen des Todes Gottes, sondern diese andere Nachricht, dass der Tod Gottes keine Folgen hat. Mit anderen Worten: dass Gott, dass der Vater niemals existiert haben (oder dann, vor so langer Zeit, vielleicht im Paläolithikum…). Man hat von jeher nur einen Toten getötet. Die Früchte der Nachricht vom Tod Gottes beseitigen die Blüte des Todes ebenso wie die Knospe des Lebens. Denn lebendig oder tot, es ist nur eine Frage des Glaubens, man kommt nicht aus dem Element des Glaubens heraus. Die Ankündigung des toten Vaters konstituiert einen letzten Glauben, « den Glauben an die Tugend des Unglaubens », von dem Nietzsche sagt: « Diese Gewalt zeigt immer das Bedürfnis nach einem Glauben, nach einer Stütze, nach einer Struktur… » Ödipus-Struktur.
Engels würdigte das Genie Bachofens dafür, in dem Mythos die Figuren des Mutterrechts und des Vaterrechts erkannt zu haben, ihre Kämpfe und ihre Beziehungen. Aber er lässt einen Vorwurf fallen, der alles verändert: Man würde wirklich sagen, Bachofen glaube daran, er glaube an die Mythen, an die Erinnyen, an Apollon und Athene.41 Derselbe Vorwurf richtet sich noch stärker an die Psychoanalytiker: Man würde sagen, sie glaubten daran, an den Mythos, an Ödipus, an die Kastration. Sie antworten: Die Frage sei nicht, ob wir daran glauben, sondern ob das Unbewusste selbst daran glaube. Aber was ist das, dieses Unbewusste, auf den Zustand des Glaubens reduziert? Wer injiziert ihm Glauben? Die Psychoanalyse kann nur dann eine strenge Disziplin werden, wenn sie eine Einklammerung des Glaubens vornimmt, das heißt eine materialistische Reduktion des Ödipus als ideologischer Form. Es geht nicht darum zu sagen, dass Ödipus ein falscher Glaube ist, sondern dass der Glaube notwendig etwas Falsches ist, das die effektive Produktion ablenkt und erstickt. Darum sind die Seher die am wenigsten Gläubigen. Wenn wir das Begehren auf Ödipus beziehen, verurteilen wir uns dazu, den produzierenden Charakter des Begehrens zu ignorieren, wir verurteilen es zu vagen Träumen oder Einbildungen, die nur bewusste Ausdrücke davon sind, wir beziehen es auf unabhängige Existenzen, den Vater, die Mutter, die Erzeuger, die ihre Elemente noch nicht als innere Elemente des Begehrens begreifen. Die Frage des Vaters ist wie die Gottesfrage: aus der Abstraktion geboren, setzt sie die Verbindung des Menschen und der Natur, die Verbindung des Menschen und der Welt als gebrochen voraus, so dass der Mensch als Mensch durch etwas außerhalb der Natur und außerhalb des Menschen produziert werden muss. Nietzsche macht dazu eine Bemerkung, die ganz ähnlich ist wie die von Marx oder Engels: « Wir platzen vor Lachen, wenn wir nur sehen, wie Mensch und Welt nebeneinander stehen, getrennt durch den erhabenen Anspruch des kleinen Wortes und. »42 Ganz anders ist die Koextensivität, die Koextension von Mensch und Natur; die kreisförmige Bewegung, durch die das Unbewusste, stets Subjekt bleibend, sich selbst produziert und sich reproduziert. Das Unbewusste folgt nicht den Wegen einer Generation, die (fortschreitend oder rückschreitend) von einem Körper zum anderen voranschreitet, dein Vater, der Vater deines Vaters usw. Der organisierte Körper ist das Objekt der Reproduktion durch die Generation; er ist nicht ihr Subjekt. Das einzige Subjekt der Reproduktion ist das Unbewusste selbst, das in der kreisförmigen Form der Produktion steht. Nicht die Sexualität ist ein Mittel im Dienst der Generation, sondern die Generation der Körper steht im Dienst der Sexualität als Auto-Produktion des Unbewussten. Nicht die Sexualität stellt eine Prämie für das Ego dar, als Gegenleistung für seine Unterordnung unter den Prozess der Generation, sondern umgekehrt ist die Generation der Trost des Ego, seine Verlängerung, der Übergang von einem Körper zum anderen, durch den das Unbewusste sich nur selbst in sich selbst reproduziert. In diesem Sinn muss man sagen: das Unbewusste war von jeher verwaist, das heißt es erzeugte sich selbst in der Identität von Natur und Mensch, von Welt und Mensch. Es ist die Frage des Vaters, es ist die Frage Gottes, die unmöglich geworden ist, gleichgültig, da es auf dasselbe hinausläuft, ein solches Wesen zu bejahen oder zu verneinen, es zu leben oder es zu töten: ein und derselbe Unsinn über die Natur des Unbewussten.
Aber die Psychoanalytiker halten daran fest, den Menschen abstrakt zu produzieren, das heißt ideologisch, für die Kultur. Ödipus ist es, der den Menschen so produziert und der dem falschen Bewegungsablauf des unendlichen Fortschreitens oder Rückschreitens eine Struktur gibt: dein Vater und der Vater deines Vaters, Schneeball Ödipus bis zum Vater der Horde, Gott und das Paläolithikum. Ödipus macht uns zum Menschen, zum Besten und zum Schlimmsten, sagt die Dummheitensammlung. Darauf kann der Ton variieren, aber der Grund bleibt derselbe: Du entkommst dem Ödipus nicht, du hast nur die Wahl zwischen dem « neurotischen Ausgang » und dem « nicht neurotischen Ausgang ». Der Ton kann der des wütenden Psychoanalytikers sein, des Psychoanalytikers-Bullen: Diejenigen, die den Imperialismus des Ödipus nicht anerkennen, sind gefährliche Abweichler, Linke, die der sozialen und polizeilichen Repression auszuliefern sind, sie reden zu viel und es fehlt ihnen an Analität (Dr Mendel, Drs Stéphane). Durch welches beunruhigende Wortspiel wird der Analytiker zum Promotor der Analität? Oder der Psychoanalytiker-Priester, der fromme Psychoanalytiker, der die unheilbare Insuffizienz des Seins besingt: Seht ihr nicht, dass Ödipus uns vor Ödipus rettet, er ist unser Elend, aber auch unsere Größe, je nachdem, ob man ihn neurotisch lebt oder ob man seine Struktur lebt, Mutter des heiligen Glaubens (J.-M. Pohier). Oder der Techno-Psychoanalytiker, der reformistische Besessene des Dreiecks, der die splendiden Gaben der Zivilisation in Ödipus einhüllt, Identität, depressiv-maniakale Stimmung und Freiheit unter einem unendlichen Fortschreiten: « Im Ödipus lernt das Individuum, die trianguläre Situation zu leben, Pfand seiner Identität, und entdeckt zugleich, bald im depressiven Modus, bald in dem der Erhebung, die grundlegende Entfremdung, seine unheilbare Einsamkeit, den Preis seiner Freiheit. Die grundlegende Struktur des Ödipus darf nicht nur in der Zeit auf alle triangulären Erfahrungen des Kindes mit seinen Eltern verallgemeinert werden, sie muss im Raum auf die triangulären Beziehungen verallgemeinert werden, die andere sind als die Beziehungen Eltern-Kinder. »43
Das Unbewusste stellt keinerlei Sinnproblem, sondern ausschließlich Gebrauchsprobleme. Die Frage des Begehrens ist nicht « was bedeutet das? », sondern wie es funktioniert. Wie funktionieren sie, die Begehrensmaschinen, deine, meine, mit welchen Störungen, die zu ihrem Gebrauch gehören, wie gehen sie von einem Körper zum anderen über, wie haken sie sich am Körper ohne Organe ein, wie konfrontieren sie ihr Regime mit den sozialen Maschinen? Ein gefügiges Getriebe wird geschmiert, oder im Gegenteil bereitet sich eine infernalische Maschine vor. Welche Verknüpfungen, welche Disjunktionen, welche Konjunktionen, welcher ist der Gebrauch der Synthesen? Das repräsentiert nichts, aber es produziert, das bedeutet nichts, aber es funktioniert. Im allgemeinen Einsturz der Frage « was bedeutet das? » tritt das Begehren auf. Das Problem der Sprache hat man nur insofern zu stellen gewusst, als Linguisten und Logiker den Sinn hinausgeworfen haben; und die höchste Macht der Sprache hat man entdeckt, als man das Werk als eine Maschine betrachtete, die bestimmte Effekte produziert, einem bestimmten Gebrauch unterstellt. Malcolm Lowry sagt über sein Werk: es ist alles, was ihr wollt, solange es funktioniert, « und es funktioniert, seid dessen sicher, denn ich habe es erfahren » – eine Maschinerie.44 Nur wird der Satz, dass Sinn nichts anderes sei als Gebrauch, erst dann zu einem festen Prinzip, wenn wir über immanente Kriterien verfügen, die die legitimen Gebrauchsweisen bestimmen können, im Gegensatz zu den illegitimen Gebrauchsweisen, die den Gebrauch im Gegenteil auf einen vorausgesetzten Sinn zurückführen und eine Art Transzendenz wiederherstellen. Die sogenannte transzendentale Analyse ist gerade die Bestimmung dieser Kriterien, immanent im Feld des Unbewussten, insofern sie den transzendenten Übungen eines « was bedeutet das? » entgegengesetzt sind. Die Schizo-Analyse ist zugleich eine transzendentale und materialistische Analyse. Sie ist kritisch, insofern sie die Kritik des Ödipus betreibt oder den Ödipus bis zu dem Punkt seiner eigenen Selbstkritik führt. Sie setzt sich vor, ein transzendentales Unbewusstes zu erkunden, statt ein metaphysisches; ein materielles, statt ein ideologisches; ein schizophrenes, statt ein ödipales; ein nicht-figuratives, statt ein imaginäres; ein reales, statt ein symbolisches; ein maschinisches, statt ein strukturelles; ein molekulares, mikropsychisches und mikrologisches, statt ein molares oder herdenhaftes; ein produktives, statt ein expressives. Und es handelt sich hier um praktische Prinzipien als Richtungen der « Kur ».
Wir haben also zuvor gesehen, wie die immanenten Kriterien der begehrenden Produktion erlaubten, legitime Synthesegebrauchsweisen zu definieren, ganz verschieden von den ödipalen Gebrauchsweisen. Und im Verhältnis zu dieser begehrenden Produktion schienen uns die illegitimen ödipalen Gebrauchsweisen vielgestaltig, aber immer um denselben Irrtum zu kreisen und theoretische wie praktische Paralogismen zu umfassen. Erstens stand ein partieller und nicht-spezifischer Gebrauch der konnektiven Synthesen dem ödipalen, globalen und spezifischen Gebrauch entgegen. Dieser global-spezifische Gebrauch hatte zwei Aspekte, den elterlichen und den ehelichen, denen die dreieckige Form des Ödipus und die Reproduktion dieser Form entsprachen. Er beruhte auf einem Paralogismus der Extrapolation, der schließlich die formale Ursache des Ödipus konstituierte und dessen Illegitimität auf der ganzen Operation lastete: aus der signifikanten Kette ein transzendentes vollständiges Objekt herauszulösen, als despotischer Signifikant, von dem die ganze Kette dann abzuhängen schien, jeder Begehrensposition einen Mangel zuzuweisen, das Begehren an ein Gesetz zu schweißen, die Illusion einer Abhebung zu erzeugen. Zweitens steht ein inklusiver oder illimitativer Gebrauch der disjunktiven Synthesen ihrem ödipalen, exklusiven, limitativen Gebrauch entgegen. Dieser limitative Gebrauch hat seinerseits zwei Pole, einen imaginären und einen symbolischen, da er keine Wahl lässt als zwischen den exklusiven symbolischen Differenzierungen und dem imaginären Undifferenzierten, die korrelativ durch Ödipus bestimmt sind. Er zeigt diesmal, wie Ödipus verfährt, welches das Verfahren des Ödipus ist: Paralogismus des double bind, der doppelten Sackgasse (oder sollte man besser, einem Vorschlag von Henri Gobard folgend, « doppelter Griff » übersetzen, wie bei einem doppelten Schlüssel im Catch, um besser die Behandlung zu zeigen, der man das Unbewusste unterwirft, wenn man es an beiden Enden fesselt, ihm keine andere Chance lässt, als Ödipus zu antworten, Ödipus herzusagen, in der Krankheit wie in der Gesundheit, in seinen Krisen wie in seiner Entwirrung, in seiner Lösung wie in seinem Problem; denn jedenfalls ist der double bind nicht der schizophrene Prozess, sondern im Gegenteil Ödipus, insofern er den Prozess anhält oder ihn im Leeren rotieren lässt). Drittens steht ein nomadischer und polyvoker Gebrauch der konjunktiven Synthesen dem segregativen und bi-univoken Gebrauch entgegen. Auch hier hat dieser bi-univoke Gebrauch, illegitim vom Standpunkt des Unbewussten selbst, so etwas wie zwei Momente: ein rassistisches, nationalistisches, religiöses usw. Moment, das durch Segregation ein Ausgangsensemble konstituiert, das von Ödipus immer vorausgesetzt wird, selbst ganz implizit; dann ein familiäres Moment, das das Ankunftsensemble durch Anwendung konstituiert. Daher der dritte Paralogismus, der der Anwendung, der die Bedingung des Ödipus fixiert, indem er ein Ensemble bi-univoker Beziehungen zwischen den Bestimmungen des sozialen Feldes und den familiären Bestimmungen einsetzt und so die Zurückbiegung der libidinösen Investitionen auf das ewige Papa-Mama möglich und unvermeidlich macht. Und dennoch haben wir nicht alle Paralogismen erschöpft, die die Kur praktisch im Sinn einer forcierten Ödipalisierung orientieren, Verrat am Begehren, Versetzung des Unbewussten in die Kinderstube, narzisstische Maschine für kleine, geschwätzige und arrogante Ichs, fortwährende Absorption kapitalistischen Mehrwerts, Wortflüsse gegen Geldflüsse, die endlose Geschichte, die Psychoanalyse.
Die drei Irrtümer über das Begehren heißen der Mangel, das Gesetz und der Signifikant. Es ist ein und derselbe Irrtum, Idealismus, der eine fromme Auffassung des Unbewussten bildet. Und man mag diese Begriffe noch so sehr in den Termen einer Kombinatorik interpretieren, die aus dem Mangel einen leeren Platz macht und nicht mehr eine Entbehrung, aus dem Gesetz eine Spielregel und nicht mehr ein Gebot, aus dem Signifikanten einen Verteiler und nicht mehr einen Sinn, man kann sie nicht daran hindern, hinter sich ihren theologischen Zug her zu schleppen, Seinsinsuffizienz, Schuld, Bedeutung. Die strukturelle Interpretation weist jeden Glauben zurück, erhebt sich über die Bilder, behält von Vater und Mutter nur Funktionen, definiert Verbot und Übertretung als Struktur-Operatoren: aber welches Wasser wird diese Konzepte von ihrem Hintergrund, von ihren Hinterwelten reinigen – der Religiosität? Die wissenschaftliche Erkenntnis als Unglaube ist wirklich die letzte Zuflucht des Glaubens, und, wie Nietzsche sagt, es gab niemals als eine einzige Psychologie, die des Priesters. Sobald man den Mangel wieder in das Begehren einführt, zerdrückt man jede begehrende Produktion, reduziert sie darauf, nur noch Phantasieproduktion zu sein; aber das Zeichen produziert keine Phantasmen, es ist Produktion des Realen und Setzung des Begehrens in der Realität. Sobald man das Begehren wieder an das Gesetz anschweißt, sagt man es besser, als man glaubt, wenn man daran erinnert, dass es eine seit jeher bekannte Sache sei, dass es kein Begehren ohne Gesetz gebe: man beginnt in der Tat die ewige Operation der ewigen Repression von neuem, die den Kreis des Verbots und der Übertretung über dem Unbewussten schließt, weiße Messe und schwarze Messe; aber das Zeichen des Begehrens ist niemals Zeichen des Gesetzes, es ist Zeichen der Macht – und wer würde es wagen, Gesetz zu nennen, dass das Begehren seine Macht setzt und entfaltet und dass, überall wo es ist, es Flüsse fließen lässt und Substanzen schneidet (« Ich hüte mich, von chemischen Gesetzen zu sprechen, das Wort hat einen moralischen Nachgeschmack. »)? Sobald man das Begehren vom Signifikanten abhängig macht, bringt man das Begehren wieder unter das Joch eines Despotismus, dessen Effekt die Kastration ist, dort, wo man den Strich des Signifikanten selbst erkennt; aber das Zeichen des Begehrens ist niemals signifikant, es liegt in den tausend produktiven Schnitt-Flüssen, die sich nicht im unären Strich der Kastration signifizieren lassen, immer ein Punkt-Zeichen in mehreren Dimensionen, Polyvokheit als Basis einer punktuellen Semiology.
Das Unbewusste ist schwarz, sagt man. Man wirft Reich und Marcuse oft ihren « Rousseauismus », ihren Naturalismus vor: eine gewisse allzu idyllische Auffassung des Unbewussten. Aber schreibt man dem Unbewussten nicht Schrecken zu, die nur die der Bewusstheit sein können, und eines allzu selbstsicheren Glaubens? Ist es übertrieben zu sagen, dass es im Unbewussten notwendig weniger Grausamkeit und Terror gibt, und von einem anderen Typ, als im Bewusstsein eines Erben, eines Militärs oder eines Staatschefs? Das Unbewusste hat seine Schrecken, aber sie sind nicht anthropomorph. Nicht der Schlaf der Vernunft erzeugt die Ungeheuer, sondern eher die wache und schlaflose Rationalität. Das Unbewusste ist rousseauistisch, als Mensch-Natur. Und wie viel Malice und List bei Rousseau. Übertretung, Schuld, Kastration: sind das Bestimmungen des Unbewussten, oder ist es die Art, wie ein Priester die Dinge sieht? Und ohne Zweifel gibt es noch viele andere Kräfte als die Psychoanalyse, um das Unbewusste zu ödipalisieren, zu verschulden, zu kastrieren. Aber die Psychoanalyse stützt die Bewegung, sie erfindet einen letzten Priester. Die ödipale Analyse legt allen Synthesen des Unbewussten einen transzendenten Gebrauch auf, der ihre Konversion sicherstellt. Daher ist das praktische Problem der Schizo-Analyse die entgegengesetzte Reversion: die Synthesen des Unbewussten auf ihren immanenten Gebrauch zurückzuführen. Entödipalisieren, das Spinnennetz des Vater-Mutter auflösen, die Glaubensformen auflösen, um zur Produktion der Begehrensmaschinen zu gelangen und zu den ökonomischen und sozialen Investitionen, in denen sich die militante Analyse abspielt. Nichts ist getan, solange man die Maschinen nicht berührt. Das impliziert in Wahrheit sehr konkrete Interventionen: der pseudo-neutralen wohlwollenden Haltung des ödipalen Analytikers, der nur Vater und Mutter will und hört, eine böswillige Aktivität entgegensetzen, offen böswillig – du gehst mir mit Ödipus auf die Nerven, wenn du so weitermachst, brechen wir die Analyse ab, oder sonst ein Elektroschock, hör auf, Papa-Mama zu sagen – natürlich, « Hamlet lebt in dir wie Werther in dir lebt », und Ödipus auch, und alles, was ihr wollt, aber « ihr lasst uterine Arme und Beine wachsen, uterine Lippen, einen uterinen Schnurrbart; indem ihr die reminiszente Toten wiedererlebt, wird euer Ich zu einer Art mineralischem Theorem, das beständig die Eitelkeit des Lebens beweist… Bist du als Hamlet geboren? Hast du nicht vielmehr Hamlet in dir geboren? Warum zum Mythos zurückkehren? ».45 Indem man auf den Mythos verzichtet, geht es darum, wieder ein wenig Freude, ein wenig Entdeckung in die Psychoanalyse zu bringen. Denn es ist sehr unerquicklich, sehr traurig, sehr unerquicklich endlos geworden, alles im Voraus gemacht. Wird man sagen, der Schizo sei ebenfalls nicht fröhlich? Aber kommt seine Traurigkeit nicht daher, dass er die Kräfte der Ödipalisierung, der Hamletisierung, die ihn von allen Seiten einschnüren, nicht mehr ertragen kann? Lieber fliehen, auf den Körper ohne Organe, und sich in ihm einschließen, ihn auf sich selbst zurückschließen. Die kleine Freude ist die Schizophrenisierung als Prozess, nicht der Schizo als klinische Entität. « Aus dem Prozess habt ihr ein Ziel gemacht… » Wenn man einen Psychoanalytiker zwänge, in die Bereiche des produktiven Unbewussten einzutreten, würde er sich dort mit seinem Theater so deplatziert fühlen wie eine Schauspielerin der Comédie-Française in einer Fabrik, ein Priester des Mittelalters in einer Werkstattkette. Produktionseinheiten montieren, Begehrensmaschinen verschalten: was in dieser Fabrik vor sich geht, was dieser Prozess ist, seine Qualen und seine Ruhme, seine Schmerzen und seine Freuden, bleiben noch unbekannt.
Wir haben versucht, die Form, die Reproduktion, die Ursache (formale), das Verfahren, die Bedingung des ödipalen Dreiecks zu analysieren. Aber wir haben die Analyse der realen Kräfte, der realen Ursachen, von denen die Triangulation abhängt, zurückgestellt. Die allgemeine Linie der Antwort ist einfach, von Reich gezogen worden: es ist die soziale Repression, die Kräfte der sozialen Repression. Doch lässt diese Antwort zwei Probleme bestehen und macht sie sogar dringlicher: einerseits das spezifische Verhältnis der Verdrängung zur Repression; andererseits die besondere Lage des Ödipus im System Repression-Verdrängung. Beide Probleme sind offensichtlich verbunden, denn wenn die Verdrängung auf inzestuöse Begierden gerichtet wäre, würde sie dadurch selbst eine Unabhängigkeit und einen Vorrang erwerben, als Bedingung der Konstitution des Austauschs oder jeder Gesellschaft, gegenüber der Repression, die dann nur noch Rückkehrendes des Verdrängten in einer konstituierten Gesellschaft beträfe. Wir müssen also zunächst die zweite Frage betrachten: richtet sich die Verdrängung auf den Ödipuskomplex als adäquaten Ausdruck des Unbewussten? Muss man sogar mit Freud sagen, dass der Ödipuskomplex, nach seinen zwei Polen, entweder verdrängt wird (nicht ohne Spuren und Rückkehrendes zu hinterlassen, die an die Verbote stoßen), oder aber aufgehoben wird (doch nicht ohne zu den Kindern überzugehen, bei denen dieselbe Geschichte wieder beginnt)?46 Man fragt, ob Ödipus das Begehren tatsächlich ausdrückt; wenn er begehrt wird, ist es auf ihn, dass die Verdrängung gerichtet ist. Nun hat Freuds Argument etwas, das einen nachdenklich macht: Freud greift eine Bemerkung Frazers auf, wonach « das Gesetz nur das verbietet, was Menschen unter dem Druck bestimmter ihrer Triebe zu tun fähig wären; so müssen wir aus dem gesetzlichen Inzestverbot schließen, dass es einen natürlichen Trieb gibt, der uns zum Inzest drängt ».47 Mit anderen Worten sagt man uns: wenn es verboten ist, dann ist es begehrt (man müsste nicht verbieten, was man nicht begehrt…). Wieder ist es dieses Vertrauen in das Gesetz, das uns nachdenklich macht, diese Unkenntnis der Listen und Verfahren des Gesetzes.
Der unsterbliche Vater von Tod auf Kredit ruft: du willst mich also sterben machen, das ist es, was du willst, he, sag? Wir wollten nichts dergleichen, dennoch. Wir wollten nicht, dass der Zug Papa und der Bahnhof Mama sei. Wir wollten nur Unschuld und Frieden, und dass man uns unsere kleinen Maschinen maschinieren lasse, o begehrende Produktion. Gewiss sind Stücke von Mutter- und Vaterkörpern in den Verknüpfungen erfasst, elterliche Benennungen tauchen in den Disjunktionen der Kette auf, die Eltern sind da als irgendwelche Reize, die das Werden von Abenteuern, Rassen und Kontinenten auslösen. Aber welche seltsame freudsche Manie, auf Ödipus zu beziehen, was ihn von allen Seiten übersteigt, angefangen bei der Halluzination der Bücher und dem Delirium der Lehrjahre (der Lehrer als Vaterersatz und das Buch als Familienroman…). Freud ertrug nicht einen einfachen Scherz von Jung, der sagte, Ödipus dürfe keine sehr reale Existenz haben, da selbst der Wilde eine junge und hübsche Frau seiner Mutter oder Großmutter vorziehe. Wenn Jung alles verraten hat, dann doch nicht durch diesen Scherz, der nur nahelegen kann, dass die Mutter als hübsches Mädchen ebenso funktioniert wie das hübsche Mädchen als Mutter, das Wesentliche für den Wilden oder für das Kind ist, seine Begehrensmaschinen zu bilden und laufen zu lassen, seine Flüsse durchgehen zu lassen, seine Schnitte zu vollziehen. Das Gesetz sagt uns: Du wirst deine Mutter nicht heiraten und du wirst deinen Vater nicht töten. Und wir, gefügige Subjekte, sagen uns: das ist es also, was ich wollte! Wird uns der Verdacht kommen, dass das Gesetz entehrt, dass es ein Interesse daran hat, zu entehrten und zu entstellen, wen es für schuldig hält, wen es schuldig haben will, wen es will, dass er sich selbst schuldig fühlt? Man tut so, als könne man direkt von der Verdrängung auf die Natur des Verdrängten schließen, und ebenso vom Verbot auf die Natur dessen, was verboten ist. Das ist typisch ein Paralogismus, noch einer, ein vierter Paralogismus, den man Verschiebung nennen müsste. Denn es kommt vor, dass das Gesetz etwas vollkommen Fiktives in der Ordnung des Begehrens oder der « Triebe » verbietet, um seine Subjekte zu überzeugen, dass sie die dieser Fiktion entsprechende Absicht gehabt hätten. Es ist sogar die einzige Weise, wie das Gesetz an der Absicht zupackt und das Unbewusste verschuldet. Kurz, wir stehen nicht vor einem Zwei-Term-System, in dem man vom formalen Verbot auf das wirklich Verbotene schließen könnte. Wir befinden uns in einem Drei-Term-System, in dem dieser Schluss völlig illegitim wird. Wir müssen unterscheiden: die verdrängende Repräsentation, die die Verdrängung vollzieht; den verdrängten Repräsentanten, auf den die Verdrängung tatsächlich zielt; das verschobene Repräsentierte, das vom Verdrängten ein manipuliertes, verfälschtes scheinbares Bild liefert, in das das Begehren verstrickt werden soll. Das ist Ödipus, das verfälschte Bild. Nicht in ihm wirkt die Verdrängung, und nicht auf ihn zielt die Verdrängung. Er ist nicht einmal eine Rückkehr des Verdrängten. Er ist ein künstliches Produkt der Verdrängung. Er ist nur das Repräsentierte, insofern es durch die Verdrängung induziert wird. Diese kann nicht handeln, ohne das Begehren zu verschieben, ohne ein Folgebegehren aufkommen zu lassen, schon bereit für die Strafe, noch warm für die Strafe, und es an die Stelle des vorausgehenden Begehrens zu setzen, auf das sie dem Prinzip nach oder in Wirklichkeit zielt (« ah, das war es also! »). Lawrence, der keinen Kampf gegen Freud im Namen der Rechte des Ideals führt, sondern kraft der Sexualitätsflüsse, der Intensitäten des Unbewussten spricht, und der sich grämt und erschrickt über das, was Freud gerade macht, wenn er die Sexualität in der ödipalen Kinderstube einschließt, ahnt diese Verschiebungsoperation und protestiert mit aller Kraft: nein, Ödipus ist kein Zustand des Begehrens und der Triebe, es ist eine Idee, nichts als eine Idee, die uns die Verdrängung über das Begehren eingibt, nicht einmal ein Kompromiss, sondern eine Idee im Dienst der Verdrängung, ihrer Propaganda oder ihrer Verbreitung. « Das inzestuöse Motiv ist eine logische Deduktion der menschlichen Vernunft, die zu diesem letzten Ausweg greift, um sich selbst zu retten… Es ist zuerst und vor allem eine logische Deduktion der Vernunft, selbst wenn sie unbewusst vollzogen wird, und die dann in die Sphäre des Leidenschaftlichen eingeführt wird, wo sie zum Handlungsprinzip wird… Dies hat nichts mit dem aktiven Unbewussten zu tun, das funkelt, vibriert, reist… Wir verstehen, dass das Unbewusste nichts Ideelles enthält, nichts, was auch nur im Geringsten einem Begriff ähnelt, und folglich nichts Persönliches, da die Form der Personen, ebenso wie das Ego, dem bewussten Ich oder dem mental subjektiven Ich angehört. So dass die ersten Analysen so unpersönlich sind oder sein sollten, dass die sogenannten menschlichen Beziehungen nicht im Spiel sind. Der erste Kontakt ist weder persönlich noch biologisch, eine Tatsache, die die Psychoanalyse nicht hat verstehen können ».48
Die ödipalen Begierden sind keineswegs verdrängt und müssen es auch nicht sein. Sie stehen dennoch in einem innigen Verhältnis zur Verdrängung, aber auf eine andere Weise. Sie sind der Köder oder das entstellte Bild, durch das die Verdrängung das Begehren in die Falle lockt. Wenn das Begehren verdrängt ist, dann nicht, weil es Begehren nach der Mutter und nach dem Tod des Vaters ist; im Gegenteil wird es das erst, weil es verdrängt ist, es nimmt diese Maske nur unter der Verdrängung an, die sie ihm formt und aufdrückt. Man kann übrigens bezweifeln, dass der Inzest ein wirklicher Hemmschuh für die Einsetzung der Gesellschaft ist, wie es die Anhänger einer austauschistischen Auffassung sagen. Man hat schon anderes gesehen… Die wirkliche Gefahr liegt anderswo. Wenn das Begehren verdrängt ist, dann weil jede Begehrensposition, so klein sie auch sei, geeignet ist, die etablierte Ordnung einer Gesellschaft in Frage zu stellen: nicht weil das Begehren a-sozial wäre, im Gegenteil. Aber es ist umstürzlerisch; keine Begehrensmaschine kann gesetzt werden, ohne ganze soziale Sektoren in die Luft zu jagen. Was auch immer gewisse Revolutionäre denken mögen, das Begehren ist in seinem Wesen revolutionär – das Begehren, nicht das Fest – und keine Gesellschaft kann eine Position echten Begehrens ertragen, ohne dass ihre Ausbeutungs-, Unterwerfungs- und Hierarchiestrukturen kompromittiert würden. Wenn eine Gesellschaft mit diesen Strukturen zusammenfällt (amüsante Hypothese), dann ja, bedroht sie das Begehren wesentlich. Es ist daher von vitaler Bedeutung für eine Gesellschaft, das Begehren zu unterdrücken und sogar etwas Besseres als Unterdrückung zu finden, damit Unterdrückung, Hierarchie, Ausbeutung, Unterwerfung selbst begehrt werden. Es ist ausgesprochen unerquicklich, solche rudimentären Dinge sagen zu müssen: das Begehren bedroht eine Gesellschaft nicht, weil es Begehren ist, mit der Mutter zu schlafen, sondern weil es revolutionär ist. Und das heißt nicht, dass das Begehren etwas anderes als Sexualität wäre, sondern dass Sexualität und Liebe nicht im Schlafzimmer des Ödipus leben, sie träumen eher von einem großen offenen Raum und lassen seltsame Flüsse durchgehen, die sich nicht in einer etablierten Ordnung speichern lassen. Das Begehren « will » nicht die Revolution, es ist von selbst revolutionär und gleichsam unwillentlich, indem es will, was es will. Seit Beginn dieser Untersuchung halten wir zugleich daran fest, dass soziale Produktion und begehrende Produktion eins sind, dass sie aber im Regime differieren, so dass eine soziale Produktionsform eine wesentliche Repression auf die begehrende Produktion ausübt, und ebenso dass die begehrende Produktion, ein « wahres » Begehren, potentiell geeignet ist, die soziale Form zu sprengen. Aber was ist ein « wahres » Begehren, da auch die Repression begehrt wird? Wie sie unterscheiden – wir beanspruchen die Rechte einer sehr langsamen Analyse. Denn täuschen wir uns nicht: selbst in ihren entgegengesetzten Gebrauchsweisen sind es dieselben Synthesen.
Man sieht gut, was die Psychoanalyse von einer vermeintlichen Verknüpfung erwartet, in der Ödipus das Objekt der Verdrängung wäre, ja sogar ihr Subjekt über das Über-Ich. Sie erwartet davon eine kulturelle Rechtfertigung der Verdrängung, die diese in den Vordergrund rückt und das Problem der Repression vom Standpunkt des Unbewussten nur noch als sekundär betrachtet. Deshalb konnten Kritiker eine konservative oder reaktionäre Wendung Freuds ansetzen, ab dem Moment, da er der Verdrängung einen autonomen Wert als Bedingung der Kultur zusprach, die sich gegen inzestuöse Triebe richtet: Reich sagt sogar, die große Wende des Freudismus, die Aufgabe der Sexualität, sei der Zeitpunkt, an dem Freud die Idee einer первären Angst akzeptiert, die die Verdrängung endogen auslösen würde. Man betrachte den Artikel von 1908 über die ‘zivilisierte Sexualmoral’: Ödipus ist dort noch nicht genannt, die Verdrängung wird dort in Funktion der Repression betrachtet, die eine Verschiebung hervorruft und die sich gegen die Partialtriebe richtet, insofern sie auf ihre Weise eine Art begehrende Produktion darstellen, bevor sie sich gegen inzestuöse oder andere Triebe richtet, die die legitime Ehe bedrohen. Später ist jedoch evident, dass, je mehr das Problem des Ödipus und des Inzests die Vorderbühne besetzt, desto mehr die Verdrängung und ihre Korrelate, die Unterdrückung und die Sublimierung, in vermeintlich transzendenten Erfordernissen der Zivilisation begründet werden, während die Psychoanalyse sich zugleich tiefer in eine familialistische und ideologische Sicht verstrickt. Wir müssen die Erzählung der reaktionären Kompromisse des Freudismus und sogar seiner ‘theoretischen Kapitulation’ nicht neu beginnen: diese Arbeit ist mehrfach geleistet worden, tiefgehend, rigoros und nuanciert.49 Wir sehen keinerlei besonderes Problem in der Koexistenz, innerhalb ein und derselben theoretischen und praktischen Doktrin, von revolutionären, reformistischen und reaktionären Elementen. Wir verweigern den Schlag ‘friss oder stirb’, unter dem Vorwand, die Theorie rechtfertige die Praxis, da sie aus ihr hervorgegangen sei, oder man könne den Prozess der ‘Kur’ nur aus Elementen bestreiten, die aus eben dieser Kur gezogen seien. Als ob nicht jede große Doktrin eine kombinierte Formation wäre, aus Teilen und Stücken gemacht, aus verschiedenen ineinander verschlungenen Codes und Flüssen, aus Teilhaftem und Abgeleitetem, die ihr Leben selbst oder ihr Werden ausmachen. Als ob man jemandem vorwerfen könnte, ein ambivalentes Verhältnis zur Psychoanalyse zu haben, ohne zuerst zu erwähnen, dass die Psychoanalyse selbst aus einem ambivalenten Verhältnis besteht, theoretisch wie praktisch, zu dem, was sie entdeckt, und zu den Kräften, die sie handhabt. Wenn die kritische Studie der freudschen Ideologie gemacht ist, und gut gemacht, ist hingegen die Geschichte der Bewegung nicht einmal skizziert: die Struktur der psychoanalytischen Gruppe, ihre Politik, ihre Tendenzen und ihre Brennpunkte, ihre Selbst-Anwendungen, ihre Selbstmorde und ihre Verrücktheiten, das enorme Gruppen-Über-Ich, alles, was auf dem vollen Körper des Meisters geschehen ist. Was man gewohnt ist, das monumentale Werk von Jones zu nennen, durchbricht die Zensur nicht, es kodifiziert sie. Und wie koexistierten drei Elemente: das erkundende und pionierhafte, revolutionäre Element, das die begehrende Produktion entdeckte; das klassische kulturelle Element, das alles auf eine ödipale theatralische Repräsentationsbühne zurückbiegt (die Rückkehr zum Mythos!); und schließlich das dritte Element, das beunruhigendste, eine Art nach Respektabilität dürstendes Racket, das nicht aufhören wird, anerkannt und institutionalisiert zu werden, ein gewaltiges Unternehmen der Absorption von Mehrwert, mit seiner Kodifizierung der endlosen Kur, seiner zynischen Rechtfertigung der Rolle des Geldes und all den Bürgschaften, die es der bestehenden Ordnung bietet. Bei Freud gab es all dies, fantastischer Christoph Kolumbus, genialer bürgerlicher Leser von Goethe, von Shakespeare, von Sophokles, maskierter Al Capone.
Die Stärke Reichs besteht darin, gezeigt zu haben, wie die Verdrängung von der Repression abhängt. Das impliziert keinerlei Verwechslung der beiden Begriffe, da die Repression gerade der Verdrängung bedarf, um gefügige Subjekte zu formen und die Reproduktion der sozialen Formation zu sichern, einschließlich in ihren repressiven Strukturen. Doch weit davon entfernt, dass die soziale Repression aus einer familialen Verdrängung zu verstehen wäre, die koextensiv mit der Zivilisation wäre, muss diese vielmehr im Verhältnis zu einer einer gegebenen Form sozialer Produktion inhärenten Repression verstanden werden. Die Repression greift auf das Begehren, und nicht nur auf Bedürfnisse oder Interessen, nur durch die sexuelle Verdrängung. Die Familie ist sehr wohl das delegierte Agens dieser Verdrängung, insofern sie « eine psychologische Massenreproduktion des ökonomischen Systems einer Gesellschaft » sicherstellt. Daraus wird man gewiss nicht schließen, dass das Begehren ödipisch sei. Im Gegenteil sind es die Repression des Begehrens oder die sexuelle Verdrängung, das heißt die Stase der libidinösen Energie, die Ödipus aktualisieren und das Begehren in diese gewollte Sackgasse treiben, die von der repressiven Gesellschaft organisiert wird. Reich war der Erste, der das Problem des Verhältnisses des Begehrens zum sozialen Feld stellte (er ging weiter als Marcuse, der es leichtfertig behandelt). Er ist der wahre Begründer einer materialistischen Psychiatrie. Indem er das Problem in Termen des Begehrens stellte, war er der Erste, der die Erklärungen eines summarischen Marxismus zurückwies, der zu schnell sagt, die Massen seien getäuscht, mystifiziert worden… Doch weil er den Begriff einer begehrenden Produktion nicht genügend ausgebildet hatte, gelang es ihm nicht, die Einfügung des Begehrens in die ökonomische Infrastruktur selbst zu bestimmen, die Einfügung der Triebe in die soziale Produktion. Daher erschien ihm die revolutionäre Investierung so, dass das Begehren darin einfach mit einer ökonomischen Rationalität zusammenfiel; die reaktionären Masseninvestierungen hingegen schienen ihm noch auf die Ideologie zu verweisen, so dass die Psychoanalyse nur die Rolle hätte, das Subjektive, das Negative und das Gehemmte zu erklären, ohne als solche direkt an der Positivität der revolutionären Bewegung oder an der begehrenden Kreativität teilzunehmen (war das nicht auf gewisse Weise, den Irrtum oder die Illusion wieder einzuführen?). Es bleibt, dass Reich im Namen des Begehrens ein Lebenslied in die Psychoanalyse trug. In der finalen Resignation des Freudismus denunzierte er eine Angst vor dem Leben, ein Wiederauftauchen des asketischen Ideals, eine Nährbouillon des schlechten Gewissens. Lieber, sagte er, auf die Suche nach dem Orgone gehen, dem vitalen und kosmischen Element des Begehrens, als unter solchen Bedingungen weiterhin Psychoanalytiker zu sein. Niemand verzieh ihm, während Freud die große Vergebung erhielt. Er hatte als Erster versucht, die analytische Maschine und die revolutionäre Maschine zusammen funktionieren zu lassen. Und am Ende hatte er nur noch seine eigenen Begehrensmaschinen, seine paranoiden Kästen, wunderwirkenden, zölibatären, mit metallischen Wänden, die mit Wolle und Baumwolle ausgekleidet waren.
Dass sich die Verdrängung von der Repression durch den unbewussten Charakter der Operation und ihres Resultats unterscheidet (« selbst die Hemmung des Aufstands ist unbewusst geworden »), diese Unterscheidung bringt die Differenz der Natur gut zum Ausdruck. Doch kann man daraus keinerlei reale Unabhängigkeit folgern. Die Verdrängung ist so beschaffen, dass die Repression begehrt wird und aufhört, bewusst zu sein; und sie induziert ein Folgebegehren, ein verfälschtes Bild dessen, worauf sie zielt, das ihr einen Anschein von Unabhängigkeit gibt. Die eigentliche Verdrängung ist ein Mittel im Dienst der Repression. Das, worauf sie zielt, ist auch Gegenstand der Repression: die begehrende Produktion. Gerade jedoch impliziert sie eine doppelte originäre Operation, die eine, durch die die repressive soziale Formation ihre Macht an eine verdrängende Instanz delegiert, die andere, durch die korrelativ das reprimierte Begehren gleichsam von dem verschobenen und verfälschten Bild überdeckt wird, das die Verdrängung davon hervorruft. Es gibt zugleich eine Delegation der Verdrängung durch die soziale Formation und eine Entstellung, eine Verschiebung der begehrenden Formation durch die Verdrängung. Das delegierte Agens der Verdrängung, oder vielmehr zum Verdrängen delegiert, ist die Familie; das entstellte Bild des Verdrängten sind die inzestuösen Triebe. Der Ödipuskomplex, die Ödipalisierung, ist also die Frucht der doppelten Operation. In ein und derselben Bewegung lässt sich die repressive soziale Produktion durch die verdrängende Familie ersetzen, und diese gibt von der begehrenden Produktion ein verschobenes Bild, das das Verdrängte als familiäre inzestuöse Triebe repräsentiert. An die Stelle des Verhältnisses der beiden Produktionen tritt so das Verhältnis Familie–Triebe, in einer Ablenkung, in der sich die ganze Psychoanalyse verirrt. Und man sieht gut das Interesse einer solchen Operation vom Standpunkt der sozialen Produktion, die sonst die Macht des Aufstands und der Revolution des Begehrens nicht bannen könnte. Indem man ihm den verzerrenden Spiegel des Inzests vorhält (he, das war es, was du wolltest?), beschämt man das Begehren, man stupst es in Betäubung, man bringt es in eine ausweglose Lage, man überredet es leicht, « sich selbst » im Namen der höheren Interessen der Zivilisation zu entsagen (und wenn es alle so machten, wenn alle ihre Mutter heirateten oder ihre Schwester für sich behielten? es gäbe keine Differenzierung und keinen Austausch mehr…). Man muss schnell und früh handeln. Ein wenig tiefer Bach, der Inzest, verleumdet.
Aber wenn man das Interesse der Operation vom Standpunkt der sozialen Produktion sieht, sieht man weniger gut, was sie vom Standpunkt der begehrenden Produktion selbst möglich macht. Wir haben jedoch die Elemente einer Antwort. Es müsste sein, dass die soziale Produktion auf der Registrierungsfläche des Sozius über eine Instanz verfügt, die auch zupacken kann, die sich auch auf der Registrierungsfläche des Begehrens einschreiben kann. Eine solche Instanz existiert, die Familie. Sie gehört wesentlich zur Registrierung der sozialen Produktion, als System der Reproduktion der Produzenten. Und gewiss geschieht am anderen Pol die Registrierung der begehrenden Produktion auf dem Körper ohne Organe durch ein genealogisches Netzwerk, das nicht familiär ist: die Eltern treten dort nur als Partialobjekte, Flüsse, Zeichen und Agenten eines Prozesses ein, der sie von allen Seiten überragt. Höchstens « berichtet » das Kind den Eltern unschuldig etwas von der erstaunlichen produktiven Erfahrung, die es mit seinem Begehren führt; doch diese Erfahrung bezieht sich nicht als solche auf sie. Genau dort aber taucht die Operation auf. Unter der frühen Wirkung der sozialen Repression schiebt sich die Familie in das Netzwerk der begehrenden Genealogie hinein, sie entfremdet die ganze Genealogie auf ihre Rechnung, sie konfisziert das Numen (aber sieh doch, Gott, das ist Papa…). Man tut, als ob die begehrende Erfahrung sich auf die Eltern « bezöge », und als ob die Familie ihr oberstes Gesetz wäre. Man unterwirft die Partialobjekte dem berühmten Gesetz von Totalität–Einheit, das als « fehlend » wirkt. Man unterwirft die Disjunktionen der Alternative des Undifferenzierten oder der Exklusion. Die Familie führt sich also in die Produktion des Begehrens ein und wird von frühester Kindheit an eine Verschiebung, eine unerhörte Verdrängung vollziehen. Sie ist von der sozialen Produktion zur Verdrängung delegiert. Und wenn sie sich so in die Registrierung des Begehrens einschieben kann, dann weil der Körper ohne Organe, auf dem diese Registrierung geschieht, seinerseits, wie wir gesehen haben, bereits eine originäre Verdrängung auf die begehrende Produktion ausübt. Es liegt an der Familie, das auszunutzen und darüber die eigentliche sekundäre Verdrängung zu legen, die ihr delegiert ist oder zu der sie delegiert ist (die Psychoanalyse hat den Unterschied zwischen diesen beiden Verdrängungen wohl gezeigt, nicht aber die Tragweite dieses Unterschieds oder die Unterscheidung ihres Regimes). Deshalb begnügt sich die eigentliche Verdrängung nicht damit, die reale begehrende Produktion zu verdrängen, sondern gibt vom Verdrängten ein verschobenes scheinbares Bild, indem sie eine familiäre Registrierung an die Stelle der Registrierung des Begehrens setzt. Die gesamte begehrende Produktion nimmt die bekannte ödipale Figur nur in der familiären Übersetzung ihrer Registrierung an, Übersetzung–Verrat.
Wir sagen bald, Ödipus sei nichts, fast nichts (in der Ordnung der begehrenden Produktion, selbst beim Kind), bald, er sei überall (im Unternehmen, das Unbewusste zu domestizieren, das Begehren und das Unbewusste zu repräsentieren). Und gewiss haben wir nie daran gedacht zu sagen, die Psychoanalyse erfinde Ödipus. Alles zeigt das Gegenteil: die Subjekte der Psychoanalyse kommen ganz ödipalisiert an, sie verlangen danach, sie verlangen wieder danach… Zeitungsausschnitt: Strawinsky erklärt vor seinem Tod: « Mein Unglück, dessen bin ich sicher, kam von der Entfernung meines Vaters und von der geringen Zuneigung, die mir meine Mutter gab. Ich beschloss damals, dass ich ihnen eines Tages zeigen würde… » Wenn sogar die Künstler damit anfangen, hätte man Unrecht, sich zu genieren und die gewöhnlichen Skrupel eines angewandten Psychoanalytikers zu haben. Wenn ein Musiker uns sagt, dass die Musik nicht von aktiven und erobernden Kräften zeuge, sondern von reaktiven Kräften, von Reaktionen auf Vater–Mutter, bleibt nur, ein Nietzsche lieb gewordenes Paradox wiederaufzunehmen, es kaum zu verändern – Freud-Musiker. Nein, die Psychoanalytiker erfinden nichts, obwohl sie auf andere Weise viel erfunden haben, viel gesetzgeberisch festgelegt, viel verstärkt, viel injiziert. Was die Psychoanalytiker tun, ist nur, die Bewegung zu stützen, dem Verschieben des gesamten Unbewussten einen letzten Stoß zu geben. Was sie tun, ist nur, das Unbewusste gemäß den transzendenten Synthesegebrauchsweisen sprechen zu lassen, die ihm von anderen Kräften auferlegt sind – Globale Personen, Vollständiges Objekt, großer Phallus, schreckliches Undifferenziertes des Imaginären, symbolische Differenzierungen, Segregation… Was die Psychoanalytiker erfinden, ist nur die Übertragung, ein Übertragungs-Ödipus, ein Ödipus des Ödipus im Sprechzimmer, besonders schädlich und virulent, aber in dem das Subjekt endlich bekommt, was es will, und seinen Ödipus am vollen Körper des Analytikers nuckelt. Und das ist schon zu viel. Doch Ödipus entsteht in der Familie, nicht im Sprechzimmer des Analytikers, der nur als letzte Territorialität wirkt. Und Ödipus wird nicht von der Familie gemacht. Die ödipalen Synthesegebrauchsweisen, die Ödipalisierung, die Triangulation, die Kastration, all das verweist auf Kräfte, die etwas mächtiger, etwas unterirdischer sind als Psychoanalyse, als Familie, als Ideologie, selbst zusammengenommen. Da sind alle Kräfte der sozialen Produktion, Reproduktion und Repression. Denn es braucht in Wahrheit sehr mächtige Kräfte, um die des Begehrens zu besiegen, sie zur Resignation zu bringen und überall Reaktionen vom Typ Papa–Mama an die Stelle dessen zu setzen, was im Unbewussten selbst wesentlich aktiv, aggressiv, künstlerisch, produktiv und erobernd war. In diesem Sinn, wie wir gesehen haben, ist Ödipus eine Anwendung und die Familie ein delegiertes Agens. Und selbst als Anwendung ist es für ein Kind hart, es ist schwierig, sich als einen Winkel zu erleben,
Dieses Kind,
es ist nicht da,
es ist nur ein Winkel,
ein Winkel, der kommen wird,
und es gibt keinen Winkel…
und diese Vater-Mutter-Welt ist eben das, was verschwinden muss,
diese verdoppelte-doppelte Welt,
im Zustand ständiger Unvereinigung,
in ständigem Einheitswillen auch…
um die sich das ganze System dieser Welt dreht
bösartig gestützt von der dunkelsten Organisation.50
Freud schlug 1924 ein einfaches Unterscheidungskriterium zwischen Neurose und Psychose vor: In der Neurose gehorcht das Ich den Erfordernissen der Realität, notfalls indem es die Triebe des Es verdrängt, während es in der Psychose unter der Herrschaft des Es steht, notfalls indem es mit der Realität bricht. Freuds Ideen brauchten oft eine gewisse Zeit, um nach Frankreich zu gelangen. Doch nicht diese; im selben Jahr stellten Capgras und Carrette einen Fall von Schizophrenie mit Doppelgängerwahn vor, in dem die Patientin einen lebhaften Hass gegen die Mutter und ein inzestuöses Begehren für den Vater zeigte, aber unter Bedingungen des Realitätsverlustes, in denen die Eltern als falsche Eltern, als « Doppelgänger », erlebt wurden. Daraus zogen sie die Illustration des inversen Verhältnisses: In der Neurose bleibt die objektale Funktion der Realität erhalten, aber unter der Bedingung, dass der kausale Komplex verdrängt ist; in der Psychose überflutet der Komplex das Bewusstsein und wird zu dessen Objekt, um den Preis einer « Verdrängung », die sich nun auf die Realität selbst oder die Funktion des Realen richtet. Freilich betonte Freud den schematischen Charakter der Unterscheidung; denn der Bruch findet sich auch in der Neurose mit der Rückkehr des Verdrängten (die hysterische Amnesie, die zwanghafte Aufhebung), und in der Psychose erscheint ein Wiedergewinn von Realität mit der wahnhaften Rekonstruktion. Es bleibt, dass Freud diese einfache Unterscheidung niemals aufgab.51 Und es scheint wichtig, dass er auf einem originellen Weg eine der traditionellen Psychiatrie liebe Idee wiederfindet: die Idee, dass der Wahnsinn grundlegend mit einem Verlust der Realität verbunden sei. Konvergenz mit der psychiatrischen Ausarbeitung der Begriffe der Dissoziation, des Autismus. Vielleicht deshalb kennt die freudsche Darstellung eine so rasche Verbreitung.
Was uns interessiert, ist nun die genaue Rolle des Ödipuskomplexes in dieser Konvergenz. Denn wenn es wahr ist, dass familiäre Themen oft in das psychotische Bewusstsein einbrechen, wird man sich umso mehr, Lacans Bemerkung folgend, darüber wundern, dass Ödipus in der Neurose « entdeckt » worden ist, wo er latent sein soll, statt in der Psychose, wo er im Gegenteil manifest wäre.52 Liegt es nicht daran, dass in der Psychose der familiäre Komplex gerade als Stimulus beliebigen Wertes erscheint, als einfacher Induktor ohne Organisatorrolle, während die intensiven Realitätsinvestierungen auf ganz anderes zielen (das soziale, historische und kulturelle Feld)? In demselben Moment, in dem Ödipus das Bewusstsein überflutet, löst er sich in sich selbst auf und bezeugt seine Unfähigkeit, ein « Organisator » zu sein. Es genügt dann, dass man die Psychose an diesem verfälschten Maß misst, sie auf dieses falsche Kriterium, Ödipus, zurückführt, damit man den Effekt des Realitätsverlustes erhält. Das ist keine abstrakte Operation: Man zwingt dem Psychotiker eine ödipale « Organisation » auf, sei es auch nur, um ihr Fehlen in ihm, bei ihm, festzustellen. Das ist eine Übung am lebendigen Fleisch, an der lebendigen Seele. Er reagiert mit Autismus und Realitätsverlust. Ist es möglich, dass der Realitätsverlust nicht die Wirkung des schizophrenen Prozesses ist, sondern die Wirkung seiner erzwungenen Ödipalisierung, das heißt seiner Unterbrechung? Muss man korrigieren, was wir vorhin sagten, und annehmen, dass manche die Ödipalisierung weniger gut ertragen als andere? Der Schizo wäre nicht in Ödipus krank, an einem Ödipus, der umso mehr in seinem halluzinierten Bewusstsein auftauchte, je mehr er in der symbolischen Organisation « seines » Unbewussten fehlte. Im Gegenteil wäre er krank an der Ödipalisierung, der man ihn unterwirft (die dunkelste Organisation) und die er nicht mehr erträgt, aufgebrochen zu einer fernen Reise, als brächte man ständig nach Bécon zurück, wer Kontinente und Kulturen treiben lässt. Er leidet nicht an einem gespaltenen Ich, an einem zersprengten Ödipus, sondern im Gegenteil daran, auf all das zurückgeführt zu werden, was er verlassen hat. Intensitätsabfall bis zum Körper ohne Organe = O, Autismus: Er hat kein anderes Mittel, auf die Abriegelung all seiner Realitätsinvestierungen zu reagieren, eine Abriegelung, die ihm das ödipale System Repression–Verdrängung entgegensetzt. Wie Laing sagt, man unterbricht sie in der Reise. Sie haben die Realität verloren. Aber wann haben sie sie verloren? in der Reise oder in der Unterbrechung der Reise?
Also eine andere mögliche Formulierung eines inversen Verhältnisses: Es gäbe so etwas wie zwei Gruppen, die Psychotiker und die Neurotiker, diejenigen, die die Ödipalisierung nicht ertragen, und diejenigen, die sie ertragen und sich sogar mit ihr begnügen, sich in ihr entwickelnd. Diejenigen, bei denen der ödipale Abdruck nicht haftet, und diejenigen, bei denen er haftet. « Ich glaube, meine Freunde sind am Anfang des Neuen Zeitalters als Gruppe losgegangen, mit Kräften praktischer Explosion, die sie in eine paternalistische Abweichung geworfen haben, die ich für verderblich halte… Eine zweite Gruppe von Vereinzelten, zu der ich gehöre, ohne Zweifel gebildet aus Schlüsselbein-Zentren, ist jeder Möglichkeit individuellen Gelingens entzogen worden in dem Moment, als sie schwere Studien in scientia infusa auf sich nahmen. Was mich betrifft, hat mich meine Rebellion gegen den Paternalismus der ersten Gruppe seit dem zweiten Jahr in eine immer erstickendere soziale Schwierigkeit gebracht. Äh, glauben Sie, dass diese zwei Gruppen fähig zur Verbindung sind? Ich nehme es diesen Schweinen des virilen Paternalismus nicht allzu übel, ich bin nicht nachtragend… Jedenfalls, wenn ich gewonnen habe, wird es keinen Kampf des Vaters und des Sohnes mehr geben!… Ich spreche natürlich von den Personen Gottes, und nicht von den Nächsten, die sich für… halten. »53 Was sich durch die beiden Gruppen hindurch gegenübersteht, ist die Registrierung des Begehrens auf dem ungezeugten Körper ohne Organe und die familiäre Registrierung auf dem Sozius. Die scientia infusa in der Psychose und die experimentellen neurosischen Wissenschaften. Es ist der schizoide exzentrische Kreis und das Neurose-Dreieck. Es sind allgemeiner die zwei Arten von Synthesegebrauch. Es sind die Begehrensmaschinen einerseits und andererseits die ödipisch-narzisstische Maschine. Um die Details dieses Kampfes zu verstehen, muss man berücksichtigen, dass die Familie in die begehrende Produktion einschneidet, nicht aufhört, in sie einzuschneiden. Indem sie sich in die Registrierung des Begehrens einschreibt und dort ihren Griff einschiebt, vollzieht sie eine große Einverleibung der produktiven Kräfte, sie verschiebt und reorganisiert auf ihre Weise die Gesamtheit der Schnitte, die die Begehrensmaschinen charakterisierten. All diese Schnitte lässt sie in den Ort der universellen Kastration fallen, die sie selbst bedingt (« ein Hintern einer toten Ratte », sagt Artaud, « an die Decke des Himmels gehängt »), aber sie verteilt sie auch nach ihren eigenen Gesetzen und nach den Erfordernissen der sozialen Produktion neu. Die Familie schneidet entlang ihres Dreiecks, indem sie unterscheidet, was zur Familie gehört und was nicht zu ihr gehört. Sie schneidet auch innen, entlang der Differenzierungslinien, die die globalen Personen bilden: dort ist Papa, dort ist Mama, dort bist du, und dann deine Schwester. Schneide hier den Milchfluss ab, jetzt ist dein Bruder dran, mach hier nicht Kacke, schneide dort den Fluss der Scheiße ab. Die erste Funktion der Familie ist die Retention: Es geht darum zu wissen, was sie aus der begehrenden Produktion ausstoßen wird, was sie davon zurückhalten wird, was sie auf die ausweglosen Wege schalten wird, die zu ihrem eigenen Undifferenzierten (Kloake) führen, was sie im Gegenteil auf die Wege einer ausstreubaren und reproduzierbaren Differenzierung führen wird. Denn die Familie schafft zugleich ihre Schanden und ihre Glorien, die Undifferenzierung ihrer Neurose und die Differenzierung ihres Ideals, die sich nur dem Anschein nach unterscheiden. Und währenddessen, was macht die begehrende Produktion? Die zurückgehaltenen Elemente treten nicht in den neuen Synthesegebrauch ein, der ihnen eine so tiefe Transformation auferlegt, ohne das ganze Dreieck zum Klingen zu bringen. Die Begehrensmaschinen stehen vor der Tür, sie lassen alles vibrieren, wenn sie eintreten. Mehr noch: Was nicht eintritt, lässt vielleicht noch stärker vibrieren. Sie führen ihre aberranten Schnitte wieder ein oder versuchen, sie wieder einzuführen. Das Kind spürt die Aufgabe, zu der man es einlädt. Aber was in das Dreieck setzen, wie auswählen? Die Nase des Vaters und das Ohr der Mutter, würde das genügen, kann das zurückgehalten werden, ergäbe das einen guten ödipalen Schnitt? Und die Fahrradhupe? Was gehört zur Familie? Es gehört zum Dreieck zu vibrieren, zu resonieren, unter dem Druck dessen, was es zurückhält, wie dessen, was es zurückstößt. Die Resonanz (auch sie wieder erstickt oder öffentlich, beschämend oder glorreich) ist die zweite Funktion der Familie. Die Familie ist zugleich ein Anus, der zurückhält, eine Stimme, die resoniert, und auch ein Mund, der konsumiert: ihre drei Synthesen, da es darum geht, das Begehren an die fertiggemachten Objekte der sozialen Produktion anzuschließen. Kauft Madeleines von Combray, um Resonanzen zu haben.
Aber damit kann man sich nicht bei der einfachen Opposition zweier Gruppen aufhalten, die es erlauben würde, die Neurose als eine intra-ödipale Störung und die Psychose als eine extra-ödipale Flucht zu definieren. Es genügt nicht einmal festzustellen, dass die zwei Gruppen « fähig zur Verbindung » sind. Vielmehr ist es die Möglichkeit, sie direkt zu unterscheiden, die problematisch ist. Wie die Pression unterscheiden, die die familiale Reproduktion auf die begehrende Produktion ausübt, und jene, die die begehrende Produktion auf die familiale Reproduktion ausübt? Das ödipale Dreieck vibriert und zittert; aber geschieht das in Funktion des Griffs, den es sich gerade auf die Begehrensmaschinen zu sichern im Begriff ist, oder in Funktion dieser Maschinen, die sich seinem Abdruck entziehen und es den Griff verlieren lassen? Wo ist die Resonanzgrenze? Ein Familienroman drückt eine Anstrengung aus, die ödipale Genealogie zu retten, aber auch einen freien Schub einer nicht-ödipalen Genealogie. Phantasmen sind niemals prägnante Formen, es sind Rand- oder Grenzphänomene, bereit, auf die eine oder die andere Seite überzulaufen. Kurz, Ödipus ist streng unentscheidbar. Man kann ihn umso mehr überall wiederfinden, als er unentscheidbar ist; in diesem Sinn ist es richtig zu sagen, dass er streng genommen zu nichts dient. Kehren wir zur schönen Geschichte Nervals zurück: Er will, dass Aurélie, die geliebte Frau, dieselbe sei wie Adrienne, das kleine Mädchen seiner Kindheit; er « nimmt sie wahr » als identisch. Und Aurélie und Adrienne, beide in einer, das ist die Mutter. Wird man sagen, dass die Identifizierung als « Identität der Wahrnehmung » hier ein Zeichen der Psychose ist? Man findet dann das Realitätskriterium wieder: Der Komplex überflutet das psychotische Bewusstsein nur um den Preis eines Bruchs mit dem Realen, während in der Neurose die Identität die von unbewussten Repräsentationen bleibt und die Wahrnehmung nicht kompromittiert. Aber was hat man gewonnen, alles in Ödipus einzuschreiben, selbst die Psychose? Ein Schritt weiter, und Aurélie, Adrienne und die Mutter, das ist die Jungfrau. Nerval sucht die Vibrationsgrenze des Dreiecks. « Sie suchen ein Drama », sagt Aurélie. Man schreibt nicht alles in Ödipus ein, ohne dass alles, an der Grenze, aus Ödipus hinausflieht. Die Identifizierungen waren keine Identifizierungen von Personen vom Standpunkt der Wahrnehmung, sondern Identifizierungen von Namen mit Intensitätsregionen, die den Aufbruch in andere, noch intensivere Regionen geben, Stimuli beliebigen Werts, die eine ganz andere Reise auslösen, Stasen, die andere Durchbrüche, andere Bewegungen vorbereiten, in denen man nicht mehr der Mutter begegnet, sondern der Jungfrau und Gott: und ich habe dreimal siegreich den Acheron durchquert. So wird der Schizo akzeptieren, dass man alles auf die Mutter reduziert, weil das keinerlei Bedeutung hat: Er ist sicher, alles wieder aus der Mutter herauszuholen und für seinen geheimen Gebrauch all die Jungfrauen daraus zu ziehen, die man hineingelegt hatte.
Alles konvertiert sich zur Neurose, oder alles ergießt sich in die Psychose: So also darf die Frage nicht gestellt werden. Es wäre ungenau, für die Neurosen eine ödipale Interpretation beizubehalten und für die Psychosen eine extra-ödipale Erklärung zu reservieren. Es gibt nicht zwei Gruppen, es gibt keinen Unterschied der Natur zwischen Neurosen und Psychosen. Denn in jedem Fall ist es die begehrende Produktion, die Ursache ist, letzte Ursache sei es der psychotischen Subversionen, die Ödipus sprengen oder überfluten, sei es der neurotischen Resonanzen, die ihn konstituieren. Ein solches Prinzip erhält seinen ganzen Sinn, wenn man es auf das Problem der « aktuellen Faktoren » bezieht. Einer der wichtigsten Punkte der Psychoanalyse war die Bewertung der Rolle dieser aktuellen Faktoren, selbst in der Neurose, insofern sie sich von den kindlichen familialen Faktoren unterscheiden; alle großen Dissense waren mit dieser Bewertung verbunden. Und die Schwierigkeiten betrafen mehrere Aspekte. Zunächst die Natur dieser Faktoren (somatisch, sozial, metaphysisch? die berühmten « Probleme des Lebens », durch die ein sehr reiner, entsexualisierter Idealismus wieder in die Psychoanalyse eingeführt wurde?). Zweitens die Modalität dieser Faktoren: wirkten sie negativ, privativ, durch bloße Frustration? Schließlich ihr Moment, ihre Zeit: verstand es sich nicht von selbst, dass der aktuelle Faktor nachträglich auftauchte und « jüngst » bedeutete, im Gegensatz zum Infantilen oder Älteren, das sich durch den familialen Komplex ausreichend erklärte? Selbst ein Autor wie Reich, der so darum bemüht ist, das Begehren mit den Formen sozialer Produktion in Beziehung zu setzen und dadurch zu zeigen, dass es keine Psychoneurose gibt, die nicht auch aktuelle Neurose wäre, präsentiert die aktuellen Faktoren weiterhin als durch repressive Entbehrung wirkend (die « sexuelle Stase ») und als nachträglich auftauchend. Was ihn dazu bringt, eine Art diffusen Ödipianismus beizubehalten, da die Stase oder der aktuelle privative Faktor nur die Energie der Neurose definiert, nicht aber den Inhalt, der seinerseits auf den kindlichen ödipalen Konflikt verweist; dieser alte Konflikt wird durch die aktuelle Stase reaktiviert.54 Doch sagen die Ödipianisten nichts anderes, wenn sie bemerken, dass eine aktuelle Entbehrung oder Frustration nur innerhalb eines älteren inneren qualitativen Konflikts erlebt werden kann, der nicht nur die von der Realität verbotenen Wege verstopft, sondern ebenso jene, die sie offen lässt und die das Ich sich seinerseits verbietet (Formel der doppelten Sackgasse): « fände man Beispiele », die das Schema der aktuellen Neurosen « beim Gefangenen oder KZ-Häftling oder beim von Arbeit erschöpften Arbeiter » illustrieren? Es ist nicht sicher, dass sie ein zahlreiches Kontingent liefern würden… Unsere systematische Tendenz ist, die offenkundigen Ungerechtigkeiten der Realität nicht ohne Inventar zu akzeptieren, ohne zu versuchen aufzudecken, inwiefern die Unordnung der Welt der subjektiven Unordnung zugehört, selbst wenn sie mit der Zeit in mehr oder weniger irreversible Strukturen eingeschrieben ist ».55 Wir verstehen diesen Satz und können uns doch nicht verhindern, ihm einen beunruhigenden Klang zu finden. Man zwingt uns die folgende Wahl auf: Entweder wird der aktuelle Faktor ganz privativ und äußerlich konzipiert (was unmöglich ist), oder er taucht in einen qualitativen inneren Konflikt ein, der notwendig in Beziehung zu Ödipus steht… (Ödipus, Quelle, in der der Psychoanalytiker seine Hände von den Ungerechtigkeiten der Welt wäscht).
Auf einem ganz anderen Weg, wenn wir die idealistischen Abweichungen der Psychoanalyse betrachten, sehen wir darin einen interessanten Versuch, den aktuellen Faktoren einen anderen Status als einen privativen und nachträglichen zu geben. Denn zwei Sorgen verbanden sich in einem scheinbaren Paradox, etwa bei Jung: die Sorge, die endlose Kur zu verkürzen, indem man das Gegenwärtige oder die Aktualität der Störung angreift, und die Sorge, weiter zu gehen als Ödipus, weiter sogar als das Prä-Ödipale, sehr viel höher hinaufzusteigen – als ob das Aktuellste auch das Ursprünglichste wäre und das Kürzeste das Fernste.56 Die Archetypen werden von Jung zugleich als aktuelle Faktoren dargestellt, die gerade im Transfer die familialen Bilder überschreiten, und als archaische Faktoren, unendlich viel älter und von einer anderen Altertümlichkeit als die kindlichen Faktoren selbst. Doch hat man damit nichts gewonnen, da der aktuelle Faktor nur dann aufhört, privativ zu sein, wenn er die Rechte des Ideals genießt, und nur dann aufhört, ein Nachher zu sein, wenn er zu einem Darüber-hinaus wird, das anagogisch durch Ödipus bezeichnet werden muss, statt von ihm analytisch abzuhängen. So dass das Nachher sich notwendig in der Differenz der Temporalität wieder einführt, wie die erstaunliche Einteilung zeigt, die Jung vorschlägt: für die Jungen, deren Probleme Familie und Liebe sind, die Methode Freuds! für die weniger Jungen, deren Probleme soziale Anpassung sind, Adler! und Jung, für die Erwachsenen und Alten, deren Probleme die des Ideals sind…57 Und wir haben gesehen, was Freud und Jung gemeinsam bleibt, stets das Unbewusste an den Mythen gemessen (und nicht an Produktionseinheiten), auch wenn die Messung in zwei entgegengesetzten Richtungen erfolgt. Aber was macht es letztlich aus, ob die Moral oder die Religion in Ödipus einen analytischen und regressiven Sinn findet, oder Ödipus einen anagogischen und prospektiven Sinn in der Moral oder der Religion?
Wir sagen, dass die Ursache der Störung, Neurose oder Psychose, stets in der begehrenden Produktion liegt, in ihrem Verhältnis zur sozialen Produktion, ihrer Differenz oder ihrem Regimekonflikt mit dieser, und den Investierungsweisen, die sie davon vornimmt. Die begehrende Produktion, insofern sie in dieses Verhältnis, diesen Konflikt und diese Modalitäten verstrickt ist, das ist der aktuelle Faktor. Daher ist dieser Faktor weder privativ noch nachträglich. Als konstitutiv des vollen Lebens des Begehrens ist er zeitgleich mit der zartesten Kindheit und begleitet sie auf Schritt und Tritt. Er tritt nicht nach Ödipus auf, er setzt keinerlei ödipale Organisation voraus, noch eine prä-Organisation prä-ödipaler Art. Im Gegenteil hängt Ödipus von ihm ab, sei es als Stimulus beliebigen Werts, als einfacher Induktor, durch den sich von Kindheit an die anödipale Organisation der begehrenden Produktion vollzieht, sei es als Effekt der Verdrängung–Repression, die die soziale Reproduktion der begehrenden Produktion durch die Familie auferlegt. Aktuell heißt er also nicht, weil jüngst, und weil er sich dem Alten oder Infantilen entgegenstellen würde, sondern im Unterschied zu « virtuell ». Und was virtuell ist, das ist der Ödipuskomplex, sei es insofern er in einer neurotischen Formation als abgeleiteter Effekt des aktuellen Faktors aktualisiert werden muss, sei es insofern er in einer psychotischen Formation als direkter Effekt eben dieses Faktors zerlegt und aufgelöst wird. In diesem Sinn schien uns die Idee des Nachher ein letzter Paralogismus in der psychoanalytischen Theorie und Praxis zu sein; die aktive begehrende Produktion investiert im eigenen Prozess von Anfang an ein Ensemble somatischer, sozialer und metaphysischer Beziehungen, die nicht auf psychologische ödipale Beziehungen folgen, sondern sich im Gegenteil auf die ödipale Teilmenge anwenden werden, die durch Reaktion definiert ist, oder sie aus dem Investierungsfeld ihrer Aktivität ausschließen werden. Unentscheidbar, virtuell, reaktiv oder reaktionell, so ist Ödipus. Er ist nur eine reaktionelle Formation. Reaktionelle Formation auf die begehrende Produktion: Man hat großes Unrecht, diese Formation für sich selbst zu betrachten, abstrakt, unabhängig vom aktuellen Faktor, der mit ihr koexistiert und auf den sie reagiert.
Das ist es jedoch, was die Psychoanalyse tut, indem sie sich in Ödipus einschließt und Progressionen und Regressionen in Funktion von Ödipus bestimmt oder sogar in Bezug auf ihn: so die Idee einer prä-ödipalen Regression, durch die man manchmal die Psychose zu charakterisieren versucht. Es ist wie ein Kartesischer Taucher; Regressionen und Progressionen vollziehen sich nur innerhalb des künstlich geschlossenen Gefäßes Ödipus und hängen in Wahrheit von einem wechselnden, aber stets aktuellen und zeitgenössischen Kraftzustand in der anödipalen begehrenden Produktion ab. Die begehrende Produktion hat keine andere Existenz als die aktuelle; Progressionen und Regressionen sind nur die Vollzüge einer Virtualität, die immer so vollkommen erfüllt ist, wie sie es kraft der Begehrenszustände sein kann. Unter den wenigen Psychiatern und Psychoanalytikern, die es verstanden haben, mit Schizophrenen, Erwachsenen oder Kindern, ein direktes, wirklich inspiriertes Verhältnis zu stiften, bahnen Gisela Pankow und Bruno Bettelheim neue Wege durch ihre theoretische Kraft und ihre therapeutische Wirksamkeit. Es ist kein Zufall, dass beide den Begriff der Regression in Frage stellen. Am Beispiel der Körperpflege, die einem Schizophrenen gegeben wird, Massagen, Bäder, Einwicklungen, fragt Gisela Pankow, ob es darum gehe, den Kranken am Punkt seiner Regression zu erreichen, um ihm indirekte symbolische Befriedigungen zu geben, die es ihm erlaubten, wieder an eine Progression anzuknüpfen, einen progressiven Gang wieder aufzunehmen. Doch ist es, sagt sie, nicht die Rede davon, « Pflege zu geben, die der Schizophrene nicht erhalten hat, als er ein Baby war. Sondern es geht darum, dem Kranken taktile und andere Körperempfindungen zu geben, die ihn zu einer Anerkennung der Grenzen seines Körpers bringen… Es geht um die Anerkennung eines unbewussten Begehrens und nicht um die Befriedigung desselben ».58 Das Begehren anerkennen heißt gerade, die begehrende Produktion auf dem Körper ohne Organe wieder in Gang zu setzen, dort, wo der Schizo sich zurückgezogen hatte, um sie zum Schweigen zu bringen und zu ersticken. Diese Anerkennung des Begehrens, diese Begehrensposition, dieses Zeichen, verweist auf eine Ordnung realer und aktueller Produktivität, die sich nicht mit einer indirekten oder symbolischen Befriedigung deckt und die, in ihren Stillständen wie in ihren Ingangsetzungen, ebenso verschieden ist von einer prä-ödipalen Regression wie von einer progressiven Wiederherstellung Ödipus’.
Zwischen Neurose und Psychose gibt es keinen Unterschied der Natur, der Art, noch der Gruppe. Nicht mehr als die Psychose kann man die Neurose ödipisch erklären. Es ist eher umgekehrt, es ist die Neurose, die Ödipus erklärt. Wie also das Verhältnis Psychose–Neurose denken? Und hängt es nicht von anderen Verhältnissen ab? Alles ändert sich, je nachdem wir Psychose den Prozess selbst nennen oder im Gegenteil eine Unterbrechung des Prozesses (und welche Art von Unterbrechung?). Die Schizophrenie als Prozess ist die begehrende Produktion, aber so, dass sie am Ende ist, als Grenze der sozialen Produktion, bestimmt unter den Bedingungen des Kapitalismus. Das ist unsere « Krankheit » als moderne Menschen. Ende der Geschichte hat keinen anderen Sinn. In ihr treffen sich die beiden Sinne des Prozesses, als Bewegung der sozialen Produktion, die bis zum Ende ihrer Deterritorialisierung geht, und als Bewegung der metaphysischen Produktion, die das Begehren fortreißt und auf einer neuen Erde reproduziert. « Die Wüste wächst… das Zeichen ist nahe… » Der Schizo trägt die dekodierten Flüsse fort, lässt sie die Wüste des Körpers ohne Organe durchqueren, wo er seine Begehrensmaschinen installiert und ein fortwährendes Abfließen wirksamer Kräfte produziert. Er hat die Grenze überschritten, die Schize, die die Begehrensproduktion stets am Rand der sozialen Produktion hielt, tangential und immer zurückgewiesen. Der Schizo weiß aufzubrechen: Er hat aus dem Aufbruch etwas ebenso Einfaches gemacht wie Geborenwerden und Sterben. Aber zugleich ist seine Reise merkwürdig ortsfest. Er spricht nicht von einer anderen Welt, er ist nicht aus einer anderen Welt: selbst wenn er sich im Raum bewegt, ist es eine Reise in Intensität, um die Begehrensmaschine herum, die sich aufrichtet und hier bleibt. Denn hier ist die Wüste, die von unserer Welt ausgebreitet wird, und auch die neue Erde, und die Maschine, die dröhnt, um die die Schizos kreisen, Planeten für eine neue Sonne. Diese Menschen des Begehrens (oder existieren sie noch nicht) sind wie Zarathustra. Sie kennen unglaubliche Leiden, Schwindel und Krankheiten. Sie haben ihre Gespenster. Sie müssen jede Geste neu erfinden. Doch ein solcher Mensch produziert sich als freier, unverantwortlicher, einsamer und heiterer Mensch, endlich fähig, in seinem eigenen Namen etwas Einfaches zu sagen und zu tun, ohne um Erlaubnis zu bitten, ein Begehren, dem nichts fehlt, ein Fluss, der die Sperren und die Codes überschreitet, ein Name, der kein Ich mehr bezeichnet. Er hat einfach aufgehört, Angst zu haben, verrückt zu werden. Er erlebt sich als die erhabene Krankheit, die ihn nicht mehr treffen wird. Was gilt hier, was gälte hier ein Psychiater? In der ganzen Psychiatrie haben nur Jaspers, dann Laing die Idee gehabt, was Prozess bedeutet und was seine Vollendung bedeutet (darum haben sie sich aus dem Familialismus befreien können, der das gewöhnliche Bett der Psychoanalyse und der Psychiatrie macht). « Wenn die menschliche Gattung überlebt, werden die Menschen der Zukunft unsere aufgeklärte Epoche, stelle ich mir vor, als ein wahres Jahrhundert der Verdunkelung betrachten. Sie werden vermutlich fähig sein, die Ironie dieser Situation mit mehr Vergnügen als wir zu genießen. Es ist über uns, dass sie lachen werden. Sie werden wissen, dass das, was wir Schizophrenie nannten, eine der Formen war, unter denen – oft durch das Vermitteln ganz gewöhnlicher Leute – das Licht begonnen hat, sich durch die Risse unserer geschlossenen Geister Bahn zu brechen… Der Wahnsinn ist nicht notwendigerweise ein Zusammenbruch (breakdown); er kann auch ein Durchbruch (breakthrough) sein… Das Individuum, das die transzendentale Erfahrung des Verlusts des Ego macht, kann das Gleichgewicht verlieren oder nicht, auf verschiedene Weisen. Es kann dann als verrückt angesehen werden. Aber verrückt zu sein heißt nicht notwendigerweise krank zu sein, selbst wenn in unserer Welt die beiden Begriffe komplementär geworden sind… Von dem Ausgangspunkt unserer Pseudo-Geistesgesundheit aus ist alles zweideutig. Diese Gesundheit ist keine wirkliche Gesundheit. Der Wahnsinn der anderen ist kein wirklicher Wahnsinn. Der Wahnsinn unserer Patienten ist ein Produkt der Zerstörung, die wir ihnen auferlegen und die sie sich selbst auferlegen. Niemand bilde sich ein, dass wir dem wirklichen Wahnsinn begegnen, nicht mehr als wir wirklich bei klarem Verstand sind. Der Wahnsinn, mit dem wir es bei unseren Kranken zu tun haben, ist eine grobe Verkleidung, ein falscher Schein, eine groteske Karikatur dessen, was die natürliche Heilung dieser seltsamen Integration sein könnte. Die wirkliche Geistesgesundheit impliziert auf die eine oder andere Weise die Auflösung des normalen Ego… »59
Der Besuch in London, das ist unser Besuch bei der Pythia. Dort drüben ist Turner. Wenn man seine Bilder betrachtet, versteht man, was es heißt, die Mauer zu überschreiten und doch zu bleiben, Flüsse passieren zu lassen, von denen man nicht mehr weiß, ob sie uns anderswohin mitreißen oder ob sie schon auf uns zurückkommen. Die Bilder gliedern sich in drei Perioden. Hätte der Psychiater etwas zu sagen, könnte er über die ersten beiden sprechen, obwohl sie in Wahrheit die vernünftigsten sind. Die ersten Leinwände sind Weltuntergangskatastrophen, Lawine und Sturm. Damit beginnt Turner. Die zweiten sind wie die wahnhafte Rekonstruktion, in der der Wahn sich verbirgt, oder vielmehr mit einer hohen, von Poussin, von Lorrain oder aus holländischer Tradition ererbten Technik einhergeht: Die Welt ist rekonstruiert, durch Archaismen hindurch, die eine moderne Funktion haben. Aber auf der Ebene der dritten Bilder, der Reihe jener, die Turner nicht zeigt, die er geheim hält, geschieht etwas Unvergleichliches. Man kann nicht einmal sagen, dass er seiner Zeit sehr voraus ist: etwas, das keinem Zeitalter angehört und uns aus einer ewigen Zukunft kommt oder zu ihr hin flieht. Die Leinwand sinkt in sich selbst ein, sie wird von einem Loch, einem See, einer Flamme, einem Wirbelsturm, einer Explosion durchbohrt. Die Themen der vorhergehenden Bilder können hier wiederkehren, ihr Sinn hat sich verändert. Die Leinwand ist wirklich gebrochen, gespalten durch das, was sie durchstößt. Es schwimmt nur noch ein Grund aus Nebel und Gold obenauf, intensiv, intensional, in der Tiefe durchzogen von dem, was sie in ihrer Breite spaltet: die Schize. Alles verschwimmt, und dort geschieht der Durchbruch (nicht der Zusammenbruch).
Seltsame anglo-amerikanische Literatur: von Thomas Hardy, von Lawrence bis Lowry, von Miller bis Ginsberg und Kerouac, Männer wissen aufzubrechen, die Codes zu verwischen, Flüsse passieren zu lassen, die Wüste des Körpers ohne Organe zu durchqueren. Sie überschreiten eine Grenze, sie durchlöchern eine Mauer, die kapitalistische Barriere. Und gewiss verfehlen sie mitunter die Vollendung des Prozesses, sie verfehlen sie unablässig. Die neurotische Sackgasse schließt sich wieder – das Papa-Mama der Ödipianisierung, Amerika, die Rückkehr ins Heimatland – oder die Perversion exotischer Territorialitäten, und dann die Droge, der Alkohol – oder schlimmer noch, ein alter faschistischer Traum. Nie hat der Wahn besser von einem seiner Pole zum anderen oszilliert. Doch durch die Sackgassen und die Dreiecke hindurch fließt ein schizophrenischer Strom, unwiderstehlich, Sperma, Fluss, Abwasserkanal, Tripper oder Wortschwall, der sich nicht codieren lässt, Libido zu flüssig und zu schleimig: eine Gewalt gegen die Syntax, eine konzertierte Zerstörung des Signifikanten, Unsinn als Fluss aufgerichtet, Polyvoquität, die alle Verhältnisse wieder heimsucht. Wie schlecht ist das Problem der Literatur gestellt, ausgehend von der Ideologie, die sie trägt, oder von der Wiederaneignung, die eine soziale Ordnung an ihr vollzieht. Man eignet sich Menschen wieder an, nicht die Werke, die immer einen neuen schlafenden jungen Mann aufwecken werden und nicht aufhören, ihr Feuer weiterzutragen. Was die Ideologie betrifft, so ist sie der verworrenste Begriff, weil sie uns daran hindert, das Verhältnis der literarischen Maschine zu einem Produktionsfeld zu erfassen, und den Moment, in dem das ausgesandte Zeichen diese « Form des Inhalts » durchstößt, die es in der Ordnung des Signifikanten zu halten versuchte. Doch hat Engels längst gezeigt, schon an Balzac, wie ein Autor groß ist, weil er nicht anders kann, als Flüsse zu zeichnen und fließen zu lassen, die den katholischen und despotischen Signifikanten seines Werks sprengen und notwendig eine revolutionäre Maschine am Horizont speisen. Das ist der Stil, oder vielmehr das Fehlen von Stil, die Asyntaxie, die Agrammatikalität: der Moment, in dem Sprache sich nicht mehr durch das definiert, was sie sagt, noch weniger durch das, was sie signifikant macht, sondern durch das, was sie fließen, strömen und explodieren lässt – das Begehren. Denn die Literatur ist ganz wie die Schizophrenie: ein Prozess und nicht ein Ziel, eine Produktion und nicht eine Expression.
Auch hier ist die Ödipianisierung einer der wichtigsten Faktoren bei der Reduktion der Literatur auf ein Konsumobjekt, konform zur etablierten Ordnung und unfähig, irgendwem zu schaden. Es geht nicht um die persönliche Ödipianisierung des Autors und seiner Leser, sondern um die ödipale Form, der man das Werk selbst zu unterwerfen versucht, um daraus jene expressive Nebenaktivität zu machen, die Ideologie nach den dominanten sozialen Codes absondert. So soll sich das Kunstwerk zwischen den beiden Polen des Ödipus einschreiben, Problem und Lösung, Neurose und Sublimation, Begehren und Wahrheit – der eine regressiv, unter dem es die ungelösten Konflikte der Kindheit durchmischt und neu verteilt, der andere prospektiv, durch den es die Wege einer neuen Lösung erfindet, die die Zukunft des Menschen betrifft. Das sei eine innere Konversion im Werk, die es, so sagt man, als « Kulturobjekt » konstituiere. Von diesem Standpunkt aus gibt es nicht einmal mehr Anlass, die Psychoanalyse auf das Kunstwerk anzuwenden, da das Kunstwerk selbst eine gelungene Psychoanalyse konstituiere, einen erhabenen « Transfer » mit exemplarischen kollektiven Virtualitäten. Da hallt die heuchlerische Warnung: ein wenig Neurose, das ist gut fürs Kunstwerk, ein gutes Material, aber nicht die Psychose, vor allem nicht die Psychose; wir unterscheiden den eventuell schöpferischen neurotischen Aspekt und den psychotischen Aspekt, entfremdend und destruktiv… Als ob die großen Stimmen, die es verstanden, einen Durchbruch der Grammatik und der Syntax zu vollziehen und aus der ganzen Sprache ein Begehren zu machen, nicht aus dem Grund der Psychose sprächen und uns nicht einen eminent psychotischen revolutionären Fluchtpunkt zeigten. Es ist richtig, die etablierte Literatur mit einer ödipischen Psychoanalyse zu konfrontieren: denn sie entfaltet eine Form von Über-Ich, die ihr eigen ist, noch schädlicher als das ungeschriebene Über-Ich. Ödipus ist nämlich literarisch, bevor er psychoanalytisch ist. Es wird immer einen Breton gegen Artaud geben, einen Goethe gegen Lenz, einen Schiller gegen Hölderlin, um die Literatur zu über-ich-isieren und uns zu sagen: Achtung, nicht weiter! keine « Taktfehler »! Werther ja, Lenz nein! Die ödipale Form der Literatur ist ihre Warenform. Es steht uns frei zu meinen, dass es schließlich sogar weniger Unredlichkeit in einer Psychoanalyse gibt als in dieser Literatur, denn der reine Neurotiker macht ein einsames, unverantwortliches, unlesbares und unverkäufliches Werk, das im Gegenteil bezahlen muss, um nicht nur gelesen, sondern übersetzt und reduziert zu werden. Er begeht wenigstens einen ökonomischen Fehler, einen Fehler gegen den Takt, und verbreitet seine Werte nicht. Artaud sagte es gut: alles Schreiben ist Schweinerei – das heißt jede Literatur, die sich für Zweck nimmt oder sich Zwecke setzt, statt ein Prozess zu sein, der « die Scheiße des Seins und seiner Sprache ausgräbt », Debile, Aphasische, Analphabeten mit sich führt. Verschont uns wenigstens mit der Sublimation. Jeder Schriftsteller ist ein Verräter. Die einzige Literatur ist die, die ihr Paket fängt, falsches Geld fabriziert, das Über-Ich ihrer Ausdrucksform sprengt und den Warenwert ihrer Inhaltsform. Aber die einen antworten: Artaud ist keine Literatur, er ist außerhalb, weil er schizophren ist. Die anderen: Er ist nicht schizophren, da er zur Literatur gehört, und zur größten, zur textuellen. Die einen wie die anderen haben zumindest gemeinsam, dass sie sich von der Schizophrenie dieselbe kindische und reaktionäre Vorstellung machen und von der Literatur dieselbe neurotische Warenvorstellung. Ein schlauer Kritiker schreibt: Man müsse vom Signifikanten nichts verstehen, « um apodiktisch zu erklären, Artauds Sprache sei die eines Schizophrenen; der Psychotiker produziert eine unwillentliche, behinderte, unterworfene Rede: also das genaue Gegenteil der textuellen Schrift ». Aber was ist dieser enorme textuelle Archaismus, der Signifikant, der die Literatur der Marke der Kastration unterwirft und die beiden Aspekte ihrer ödipalen Form heiligt? Und wer sagt diesem Schlauen, dass die Rede des Psychotikers « unwillentlich, behindert, unterworfen » ist? Nicht mehr als dass sie das Gegenteil wäre, Gott sei Dank. Aber diese Gegenüberstellungen selbst sind merkwürdig wenig pertinent. Artaud ist die Zerlegung der Psychiatrie, gerade weil er schizophren ist und nicht weil er es nicht ist. Artaud ist die Vollendung der Literatur, gerade weil er schizophren ist und nicht weil er es nicht ist. Er hat längst die Mauer des Signifikanten durchstoßen: Artaud der Schizo. Aus dem Grund seines Leidens und seines Ruhms heraus hat er das Recht, anzuprangern, was die Gesellschaft aus dem Psychotiker macht, der die Flüsse des Begehrens dekodiert (« Van Gogh, der Selbstmörder der Gesellschaft »), aber auch was sie aus der Literatur macht, wenn sie sie der Psychose gegenüberstellt im Namen einer neurotischen oder perversen Rekodierung (Lewis Carroll oder der Feigling der schönen Literatur).
Diese Mauer oder diese schizophrene Grenze, sehr wenige vollziehen das, was Laing den Durchbruch nennt: « ganz gewöhnliche Leute » doch… Aber die meisten nähern sich der Mauer und weichen entsetzt zurück. Lieber wieder unter das Gesetz des Signifikanten fallen, von der Kastration gezeichnet, im Ödipus trianguliert. Sie verschieben also die Grenze, sie lassen sie ins Innere der sozialen Formation treten, zwischen die soziale Produktion und Reproduktion, die sie investieren, und die familiale Reproduktion, auf die sie alles herunterklappen, auf die sie alle Investitionen anwenden. Sie lassen die Grenze ins Innere des durch Ödipus so beschriebenen Bereichs treten, zwischen die beiden Pole des Ödipus. Sie hören nicht auf, zwischen diesen beiden Polen zu involvieren und zu evolvieren. Ödipus als letzter Fels, und die Kastration als Alveole: letzte Territorialität, sei sie auch auf die Couch des Analytikers reduziert, lieber als die dekodierten Flüsse des Begehrens, die fliehen, abfließen und uns wohin mitreißen? Das ist die Neurose, Verschiebung der Grenze, um sich ein kleines koloniales Land für sich zu machen. Andere aber wollen jungfräuliche Länder, realer exotische, künstlichere Familien, geheimere Gesellschaften, die sie entlang der Mauer zeichnen und stiften, in den Orten der Perversion. Wieder andere, angeekelt von der Ustensilität des Ödipus, aber auch vom Tand und Ästhetizismus des Perversen, erreichen die Mauer und prallen an ihr ab, manchmal mit äußerster Gewalt. Dann erstarren sie, verstummen, ziehen sich auf den Körper ohne Organe zurück, noch eine Territorialität, diesmal jedoch ganz wüstenhaft, auf der jede begehrende Produktion anhält oder, erstarrt, so tut, als halte sie an: Psychose. Diese katatonischen Körper sind wie Bleigewichte in den Fluss gefallen, riesige fixe Flusspferde, die nicht mehr an die Oberfläche zurückkehren werden. Mit aller Kraft haben sie sich der ursprünglichen Verdrängung anvertraut, um dem Repressions-Verdrängungs-System zu entkommen, das die Neurotiker fabriziert. Aber eine nacktere Repression stürzt sich auf sie, die sie mit dem Hospitalschizo identifiziert, dem großen Autisten, der klinischen Entität, der « Ödipus fehlt ». Warum dasselbe Wort, Schizo, um zugleich den Prozess zu bezeichnen, insofern er die Grenze überschreitet, und das Ergebnis des Prozesses, insofern er an der Grenze anstößt und für immer daran stößt? Um zugleich den möglichen Durchbruch und den möglichen Zusammenbruch zu bezeichnen, und alle Übergänge, die Verflechtungen vom einen zum anderen? Weil von den drei vorhergehenden Abenteuern das der Psychose im intimsten Verhältnis zum Prozess steht: in dem Sinn, in dem Jaspers zeigt, dass das « Dämonische », gewöhnlich repressiert-verdrängt, zugunsten eines solchen Zustands einbricht oder solche Zustände hervorruft, die es unablässig riskieren lassen, in Zusammenbruch und Desaggregation umzuschlagen. Man weiß nicht mehr, ob man wirklich den Prozess Wahnsinn nennen muss, die Krankheit aber nur seine Verkleidung oder Karikatur wäre, oder ob die Krankheit der einzige Wahnsinn ist, von dem der Prozess uns heilen sollte. Doch zeigt sich die Intimität des Verhältnisses jedenfalls direkt im inversen Verhältnis: Die Schizo-Entität tritt umso mehr als spezifisches Produkt hervor, je mehr der Produktionsprozess von seinem Lauf abgelenkt, brutal unterbrochen wird. Deshalb konnten wir dagegen keinen direkten Zusammenhang zwischen Neurose und Psychose herstellen. Neurose, Psychose und auch Perversion, ihre Verhältnisse hängen von der Situation jeder einzelnen gegenüber dem Prozess ab und von der Weise, in der jede einen Modus der Unterbrechung darstellt, ein residuales Land, an das man sich noch klammert, um nicht von den deterritorialisierten Flüssen des Begehrens mitgerissen zu werden. Neurotische Territorialität des Ödipus, perverse Territorialitäten des Kunstgriffs, psychotische Territorialität des Körpers ohne Organe: bald wird der Prozess gefangen und dreht sich im Dreieck, bald nimmt er sich selbst zum Ziel, bald setzt er sich im Leeren fort und substituiert seiner Vollendung eine grauenhafte Exazerbation. Jede dieser Formen hat die Schizophrenie zum Grund; die Schizophrenie als Prozess ist das einzige Universale. Die Schizophrenie ist zugleich die Mauer, der Durchbruch der Mauer und die Fehlschläge dieses Durchbruchs: « Wie soll man diese Mauer durchqueren, denn es nützt nichts, stark dagegen zu schlagen, man muss diese Mauer unterminieren und sie mit der Feile durchqueren, langsam und mit Geduld, wie ich meine. »60 Und der Einsatz ist nicht nur die Kunst oder die Literatur. Denn entweder werden die künstlerische Maschine, die analytische Maschine und die revolutionäre Maschine in den extrinsischen Verhältnissen bleiben, die sie im gedämpften Rahmen des Repressions-Verdrängungs-Systems funktionieren lassen, oder sie werden zu Stücken und Getrieben voneinander im Fluss, der eine einzige und dieselbe Begehrensmaschine speist, lauter lokale Feuer, die geduldig angezündet werden für eine generalisierte Explosion – die Schize und nicht der Signifikant.
- « Es ist doch nicht etwa, weil ich zur Rückkehr zu Freud predige, dass ich nicht sagen kann, Totem und Tabu, das ist verdreht. Gerade deshalb muss man zu Freud zurückkehren. Niemand hat mir geholfen, damit man wisse, was das ist: die Bildungen des Unbewussten… Ich bin nicht dabei zu sagen, dass Ödipus zu nichts taugt, noch dass das keinen Bezug zu dem hätte, was wir tun. Es taugt den Psychoanalytikern zu nichts, das ist wahr! Aber da die Psychoanalytiker nicht sicher Psychoanalytiker sind, beweist das nichts… Das sind Dinge, die ich seinerzeit dargelegt habe; es war eine Zeit, in der ich zu Leuten sprach, die man schonen musste, das waren: Psychoanalytiker. Ich habe auf dieser Ebene von der väterlichen Metapher gesprochen, ich habe nie vom Ödipuskomplex gesprochen… » (Lacan, Seminar 1970).
- J. Laplanche und J.-B. Pontalis, « Ursprungsphantasma, Phantasmen der Ursprünge und Ursprung des Phantasmas », Temps modernes, Nr. 215, April 1964, S. 1844-1846.
- Zur Existenz einer kleinen Maschine im « Ursprungsphantasma », aber Existenz stets hinter den Kulissen, vgl. Freud, Ein Fall von Paranoia, der der psychoanalytischen Theorie dieser Affektion widersprach, 1915.
- « Jean-Jacques Abrahams, Der Mann mit dem Tonbandgerät, psychoanalytischer Dialog », Temps modernes, Nr. 274, April 1969: « A: Du siehst, das ist wirklich nicht so schlimm; ich bin nicht dein Vater, und ich kann noch schreien, aber nein! So, das genügt. – Dr. X: Sie imitieren im Moment Ihren Vater? – A: Aber nein, mein Lieber, Ihren! Den, den ich in Ihren Augen sehe. – Dr. X: Sie versuchen, die Rolle zu übernehmen… – A: … Sie können die Leute nicht heilen, Sie können ihnen nur Ihre Vaterprobleme unterschieben, aus denen Sie nicht herauskommen; und von Sitzung zu Sitzung schleppen Sie so Opfer mit dem Vaterproblem… Ich war der Kranke, Sie waren der Arzt; Sie hatten endlich Ihr Kindheitsproblem umgedreht, das Kind gegenüber dem Vater zu sein… – Dr. X: Ich rief beim 609 an, um Sie wegschaffen zu lassen, beim 609, bei der Polizei, um Sie hinauswerfen zu lassen. – A: Bei der Polizei? Der Papa, ist das! Ihr Papa ist Polizeibeamter! und Sie wollten Ihren Papa anrufen, damit er kommt und mich holt… Was für eine verrückte Geschichte! Sie haben sich nur aufgeregt, erregt, weil man ein kleines Gerät herausnimmt, das uns erlauben wird zu verstehen, was hier vor sich geht. »
- Marx, Ökonomie und Philosophie, Pléiade, II, S. 98. Und der ausgezeichnete Kommentar von François Châtelet dazu, « Die Frage nach dem Atheismus bei Marx », in Études philosophiques, Juli 1966.
- Freud, « Analyse beendet und Analyse unendlich », 1937 (frz. Übers. Revue française de psychanalyse, 1938-1939, Nr. 1): « Die beiden korrespondierenden Themen sind, für die Frau, der Penisneid, das positive Streben, ein männliches Geschlechtsorgan zu besitzen; für den Mann, die Revolte gegen seine eigene passive oder weibliche Haltung gegenüber einem anderen Mann… Nie hat man so sehr den Eindruck, in der Wüste zu predigen, wie wenn man die Frauen dazu bewegen will, ihren, weil unrealisierbar, Peniswunsch aufzugeben, oder wenn man die Männer zu überzeugen sucht, dass ihre passive Haltung gegenüber einem anderen Mann nicht der Kastration gleichkommt und in vielen menschlichen Beziehungen unvermeidlich ist. Einer der stärksten Übertragungswiderstände geht von der hartnäckigen Überkompensation des Mannes aus. Er will sich nicht vor einem Ersatz seines Vaters beugen, weigert sich, sein Verpflichteter zu sein, und dadurch, vom Arzt geheilt zu werden… »
- Zur Bedeutung dieser Kontroverse vgl. André Green, « Über die phallische Mutter », Revue française de psychanalyse, Januar 1968, S. 8-9.
- Vgl. etwa den (gemäßigten) Protest von Betty Friedan gegen die freudsche und psychoanalytische Auffassung der « Frauenprobleme », sowohl der sexuellen wie der sozialen: Die mystifizierte Frau, 1963, frz. Übers. Gonthier, Bd. I, S. 114 ff.
- Pierre Klossowski, Nietzsche und der Teufelskreis, S. 122. Klossowskis Meditation über das Verhältnis von Trieben und Institutionen, über die Präsenz der Triebe in der ökonomischen Infrastruktur selbst, entfaltet sich in seinem Artikel über « Sade und Fourier » (Topique, Nr. 4-5) und vor allem in La Monnaie vivante (Losfeld, 1970).
- André Green, Der Affekt, P.U.F., 1970, S. 154-168.
- Proust, Sodom und Gomorrha, Pléiade, II, S. 622 (Hervorhebung von uns).
- Luc de Heusch, Versuch über die Symbolik des königlichen Inzests in Afrika, Brüssel, 1959, S. 13-16.
- Kant, Metaphysik der Sitten, I, 1797.
- M.-C. und E. Ortigues, Afrikanischer Ödipus, Plon, 1966, S. 83: « Damit die notwendigen Bedingungen für die Existenz einer Struktur in der familiären Institution oder im Ödipuskomplex erfüllt sind, braucht es mindestens vier Terme, das heißt einen Term mehr als das, was natürlich notwendig ist. »
- André Green, Der Affekt, S. 167.
- Zur « Frage » der Hysterischen (bin ich Mann oder Frau?) und zur « Frage » des Zwangsneurotikers (bin ich tot oder lebendig?), vgl. Serge Leclaire, « Der Tod im Leben des Zwangsneurotikers », in La Psychanalyse, Nr. 2, S. 129-130.
- Art brut, Nr. 3, S. 139. (In seiner Darstellung nennt Jean Oury Jayet « den Nicht-Abgegrenzten », « im permanenten Überflug ».)
- Nijinsky, Tagebuch, frz. Übers. Gallimard.
- A. Besançon, « Zu einer psychoanalytischen Geschichte », Annales, Mai 1969.
- G. Bateson u. Mitarb., « Towards a Theory of Schizophrenia », Behavioral Science, 1956, I (vgl. die Kommentare von Pierre Fédida, « Psychose und Verwandtschaft », Critique, Okt. 1968).
- Freud, Massenpsychologie und Ich-Analyse, Kap. 12, B.
- A. Mitscherlich, Auf dem Weg zur vaterlosen Gesellschaft, 1963, frz. Übers. Gallimard, S. 327-330.
- Marie-Claire Boons, « Der Mord am Vater bei Freud », L’Inconscient, Nr. 5, Januar 1968, S. 129.
- Edmond Ortigues, Der Diskurs und das Symbol, Aubier, 1962, S. 197.
- Vgl. J.-M. Pohier, « Die Vaterschaft Gottes », L’Inconscient, Nr. 5 (man findet in diesem Artikel eine perfekte Formulierung von Ödipus als double bind: « Das psychische Leben des Menschen vollzieht sich in einer Art dialektischer Spannung zwischen zwei Weisen, den Ödipuskomplex zu leben: der einen, die darin besteht, ihn zu leben, und der anderen, die darin besteht, nach Strukturen zu leben, die man ödipisch nennen könnte. Ebenso zeigt die Erfahrung, dass diese Strukturen der kritischsten Phase dieses Komplexes nicht fremd sind. Für Freud ist der Mensch endgültig von diesem Komplex geprägt: er macht ebenso sehr seine Größe wie sein Elend aus », usw., S. 57-58.)
- Lacan, Écrits, S. 813.
- Ronald Laing, Die Politik der Erfahrung, 1967, frz. Übers. Stock, S. 106.
- Zum Spiel der Rassen und der Intensitäten im Theater der Grausamkeit vgl. Artaud, Œuvres complètes, Bd. IV und V (zum Beispiel das Projekt der « Eroberung Mexikos », IV, S. 151; und die Rolle intensiver Vibrationen und Rotationen in « Les Censi », V, S. 46 ff.).
- Nietzsche, Brief an Burckhardt vom 5. Januar 1889.
- Jacques Besse, « Der Tänzer », in La Grande Pâque, Éd. Belfond, 1969 (der ganze erste Teil dieses Buches beschreibt den Spaziergang des Schizo in der Stadt; der zweite Teil, « Verrückte Legenden », geht zur Halluzination oder zum Wahn historischer Episoden über).
- Reich, Die Funktion des Orgasmus, 1942, frz. Übers. L’Arche, S. 62. Zur Kritik des Autismus vgl. die Seiten von Roger Gentis, Die Mauern des Asyls, Maspero, 1970, S. 41 ff.
- Maurice Garçon, Louis XVII oder das falsche Rätsel, Hachette, 1968, S. 177.
- Maud Mannoni, Der Psychiater, sein Verrückter und die Psychoanalyse, Éd. du Seuil, 1970, S. 104-107: « Die ödipalen Personen sind an ihrem Platz, aber im Spiel der Permutationen, das sich vollzieht, gibt es so etwas wie einen leeren Platz… Was als verworfen erscheint, ist alles, was den Phallus und den Vater betrifft… Jedes Mal, wenn Georges versucht, sich als begehrend zu fassen, wird er auf eine Form der Auflösung von Identitäten zurückverwiesen. Er ist ein Anderer, gefesselt durch ein mütterliches Bild… Er bleibt gefangen in einer imaginären Position, in der er durch die mütterliche Imago gefesselt ist; von diesem Ort aus situiert er sich im ödipalen Dreieck, was einen unmöglichen Identifikationsprozess impliziert, der immer im Modus einer reinen imaginären Dialektik die Zerstörung des einen oder des anderen Partners einschließt. »
- Michel Foucault, Geschichte des Wahnsinns, Plon, 1961, S. 607 ff.: « In diesem Maß konvergiert die gesamte Psychiatrie des 19. Jahrhunderts tatsächlich auf Freud, den ersten, der im Ernst die Realität des Arzt-Kranker-Paares akzeptiert hat… Gegen den Arzt hin hat Freud alle Strukturen gleiten lassen, die Pinel und Tuke in der Internierung eingerichtet hatten. Er hat den Kranken zwar von jener Asylexistenz befreit, in der ihn seine ‘Befreier’ entfremdet hatten; aber er hat ihn nicht von dem befreit, was in dieser Existenz wesentlich war; er hat ihre Mächte neu gruppiert, sie bis zum Maximum gespannt, indem er sie in den Händen des Arztes verknotete; er hat die psychoanalytische Situation geschaffen, in der durch einen genialen Kurzschluss die Entfremdung zur Desentfremdung wird, weil sie im Arzt zum Subjekt wird. Der Arzt, insofern er die entfremdende Figur ist, bleibt der Schlüssel der Psychoanalyse. Vielleicht ist es, weil sie diese letzte Struktur nicht aufgehoben hat und alle anderen auf sie zurückgeführt hat, dass die Psychoanalyse die Stimmen der Unvernunft nicht hören kann, nicht hören können wird, noch die Zeichen des Unsinnigen für sich selbst entziffern kann. Die Psychoanalyse kann einige der Formen des Wahnsinns entknoten; sie bleibt der souveränen Arbeit der Unvernunft fremd. »
- Jacques Hochmann, Für eine Gemeindepsychiatrie, Éd. du Seuil, 1971, Kap. IV. (Und « Das fusionelle Postulat », Information psychiatrique, Sept. 1969.)
- David Cooper, Psychiatrie und Anti-Psychiatrie, 1967, frz. Übers. Éd. du Seuil, S. 64.
- Frantz Fanon, Die Verdammten dieser Erde, Maspero, 1961, S. 199.
- Witold Gombrowicz, L’Herne, Nr. 14, S. 230.
- Lacan, Écrits, S. 870. (Zur spezifischen Rolle der reichen Frau und der armen Frau beim « Rattenmann » vgl. die Analysen Lacans in « Der individuelle Mythos des Neurotikers », C.D.U., nicht in die Écrits aufgenommen.)
- Gérard Mendel, Die Revolte gegen den Vater, Payot, 1968; S. 422.
- Engels, Der Ursprung der Familie, Éd. Sociales, S. 19, Vorwort.
- Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, V, § 346 (und Marx, Ökonomie und Philosophie, Pléiade, II, S. 88-90).
- Jacques Hochmann, Für eine Gemeindepsychiatrie, S. 38.
- Malcolm Lowry, Briefauswahl, frz. Übers. Denoël, S. 86-87.
- Henry Miller, Hamlet, frz. Übers. Corrêa, S. 156.
- Freud, « Das Verschwinden des Ödipuskomplexes », 1923, frz. Übers. in Das Sexualleben, P.U.F., S. 120.
- Freud, Totem und Tabu, 1912, frz. Übers. Payot, S. 143.
- D. H. Lawrence, « Psychoanalyse und Unbewusstes », 1920, frz. Übers. (modifiziert), in Homme d’abord, Bibliothek 10-18, S. 219-256.
- Vgl. die beiden klassischen Darstellungen von Reich (Die Funktion des Orgasmus, S. 165-181) und von Marcuse (Eros und Zivilisation, frz. Übers. Éd. de Minuit, die ersten Kapitel). Die Frage ist jüngst wieder aufgenommen worden in ausgezeichneten Artikeln von Partisans, Nr. 46, Februar 1969: François Gantheret, « Freud und die sozial-politische Frage »; Jean-Marie Brohm, « Psychoanalyse und Revolution » (S. 85, S. 97).
- Antonin Artaud, « Also denn die Frage… », in Tel Quel, 1967, Nr. 30.
- Die beiden Artikel von 1924 sind « Neurose und Psychose » und « Der Realitätsverlust in Neurose und Psychose ». Vgl. auch Capgras und Carrette, « Doppelgängerillusion und Ödipuskomplex », Annales médico-psychologiques, Mai 1924. Freuds Artikel über « Der Fetischismus » (1927) kommt auf die Unterscheidung nicht zurück, wie man bisweilen sagt, sondern bestätigt sie (in Das Sexualleben, P.U.F., S. 137: « Ich kann so meine Vermutung aufrechterhalten… »).
- Lacan, « Die Familie », Encyclopédie française, VIII, 1938.
- Jacques Besse, La Grande Pâque, S. 27, S. 61.
- Reich, Die Funktion des Orgasmus, S. 94: « Alle neurotischen Phantasien haben ihre Wurzeln in der infantilen sexuellen Bindung an die Eltern. Aber der Konflikt Kind-Eltern kann keine dauerhafte Störung des psychischen Gleichgewichts hervorbringen, wenn er nicht fortwährend durch die aktuelle Stase genährt würde, die dieser Konflikt selbst ursprünglich erzeugt hat… »
- Jean Laplanche, Die Realität in der Neurose und der Psychose (Vortrag vor der Société française de psychanalyse, 1961). Vgl. auch Laplanche und Pontalis, Vokabular der Psychoanalyse, die Artikel « Frustration » und « Aktuelle Neurose ».
- Dieselbe Bemerkung gilt für Rank: das Geburtstrauma impliziert nicht nur ein Zurückgehen über Ödipus und das Prä-Ödipale hinaus, sondern soll auch ein Mittel sein, die Kur zu verkürzen. Freud vermerkt dies bitter in Analyse beendet, Analyse unendlich: « Rank hoffte, alle Neurosen zu heilen, indem er später durch eine Analyse dieses primitive Trauma liquidierte; so würde ein kleines Stück Analyse den ganzen Rest der analytischen Arbeit ersparen… »
- Jung, Psychologische Heilung, Georg, 1953, Kap. 1-4.
- Gisela Pankow, Der Mensch und seine Psychose, Aubier, 1969, S. 24-26 (man beziehe sich auf die sehr schöne Zeichentheorie, die Gisela Pankow in Structuration dynamique dans la schizophrénie, Huber, 1956, entwickelt). Zur Kritik der Regression bei Bruno Bettelheim vgl. Die leere Festung, S. 369-374.
- Ronald Laing, Die Politik der Erfahrung, S. 89, 93, 96, 100. In einem verwandten Sinn kündigte Michel Foucault an: « Vielleicht wird man eines Tages nicht mehr recht wissen, was der Wahnsinn gewesen sein konnte… Artaud wird zum Boden unserer Sprache gehören und nicht zu ihrem Bruch… Alles, was wir heute im Modus der Grenze, oder der Fremdheit, oder des Unerträglichen erfahren, wird die Gelassenheit des Positiven erreicht haben. Und das, was für uns heute dieses Außen bezeichnet, wird uns eines Tages sehr wohl uns bezeichnen… Der Wahnsinn löst seine Verwandtschaft mit der Geisteskrankheit, … Wahnsinn und Geisteskrankheit lösen ihre Zugehörigkeit zu derselben anthropologischen Einheit auf » (« Der Wahnsinn, das Fehlen des Werks », La Table ronde, Mai 1964).
- Van Gogh, Brief vom 8. Sept. 1888.