Kapitel 4
Einführung in die Schizoanalyse
Was ist zuerst, das Huhn oder das Ei, aber auch Vater und Mutter oder das Kind? Die Psychoanalyse tut so, als sei es das Kind (der Vater ist nur krank an seiner eigenen Kindheit), aber sie ist zugleich gezwungen, eine elterliche Präexistenz zu postulieren (das Kind ist es nur im Verhältnis zu einem Vater und einer Mutter). Man sieht es gut an der ursprünglichen Position eines Vaters der Horde. Der Ödipus selbst wäre nichts ohne die Identifikationen der Eltern mit den Kindern; und man kann nicht verbergen, dass alles im Kopf des Vaters beginnt: Ist es das, was du willst, mich töten, mit deiner Mutter schlafen?… Es ist zunächst eine Idee des Vaters: so Laios. Es ist der Vater, der einen Höllenlärm macht und das Gesetz schwingt (die Mutter ist eher nachgiebig: man soll kein Drama daraus machen, es ist ein Traum, eine Territorialität…). Lévi-Strauss sagt sehr gut: « Das anfängliche Motiv des Referenzmythos besteht in einem Inzest mit der Mutter, dessen sich der Held schuldig macht. Doch diese Schuld scheint vor allem im Geist des Vaters zu existieren, der den Tod seines Sohnes wünscht und sich bemüht, ihn herbeizuführen… Letzten Endes erscheint der Vater allein als der Schuldige: schuldig, sich rächen gewollt zu haben. Und er ist es, der getötet werden wird. Diese merkwürdige Distanz gegenüber dem Inzest erscheint in anderen Mythen. »1 Ödipus ist zunächst eine Idee eines erwachsenen Paranoikers, bevor er ein infantiles Gefühl eines Neurotikers ist. So kommt die Psychoanalyse schlecht aus einer unendlichen Regression heraus: Der Vater muss Kind gewesen sein, konnte es aber nur im Verhältnis zu einem Vater sein, der selbst Kind war, im Verhältnis zu einem anderen Vater.
Wie beginnt ein Wahn? Es kann sein, dass das Kino geeignet ist, die Bewegung des Wahnsinns zu erfassen, gerade weil es nicht analytisch und regressiv ist, sondern ein globales Feld des Koexistierens erkundet. Ein Film von Nicholas Ray, der die Entstehung eines Cortisonwahns darstellen soll: ein überarbeiteter Vater, Lehrer an einer Mittelschule, der Überstunden in einer Funk-Taxi-Zentrale macht, wegen Herzbeschwerden behandelt. Er beginnt, über das Bildungssystem im Allgemeinen zu delirieren, über die Notwendigkeit, eine reine Rasse wiederherzustellen, über die Rettung der moralischen und sozialen Ordnung, geht dann zur Religion über, zur Angemessenheit einer Rückkehr zur Bibel, Abraham… Aber was hat er getan, Abraham? Sieh an, gerade er hat seinen Sohn getötet oder töten wollen, und vielleicht bestand Gottes einziges Unrecht darin, seinen Arm aufzuhalten. Aber er, der Held des Films, hat er nicht selbst einen Sohn? Sieh an, sieh an… Was der Film so gut zeigt, zur Schande der Psychiater, ist, dass jeder Wahn zunächst die Besetzung eines sozialen, ökonomischen, politischen, kulturellen, rassischen und rassistischen, pädagogischen, religiösen Feldes ist: Der Delirierende wendet auf seine Familie und auf seinen Sohn einen Wahn an, der sie von allen Seiten übersteigt. Joseph Gabel, der einen paranoiden Wahn mit starkem politisch-erotischem Gehalt und hoher sozialer Reform präsentiert, glaubt sagen zu können, ein solcher Fall bleibe selten und außerdem seien seine Ursprünge nicht rekonstruierbar.2 Doch es ist offensichtlich, dass es nicht einen einzigen Wahn gibt, der nicht in eminentem Maße diesen Charakter besitzt und der nicht ursprünglich ökonomisch, politisch usw. ist, bevor er in der psychiatrischen und psychoanalytischen Mühle zerdrückt wird. Schreber wird das nicht bestreiten (noch sein Vater, Erfinder des Pangymnasticon und eines allgemeinen pädagogischen Systems). Also ändert sich alles: Die unendliche Regression zwang uns, einen Primat des Vaters zu postulieren, aber einen stets relativen und hypothetischen Primat, der uns ins Unendliche gehen ließ, es sei denn, wir sprängen in die Position eines absolut ersten Vaters; doch es ist klar, dass der Standpunkt der Regression eine Frucht der Abstraktion ist. Wenn wir sagen: Der Vater ist dem Kind gegenüber zuerst, dann heißt dieser an sich sinnlose Satz konkret: Die sozialen Besetzungen sind zuerst gegenüber den familiären Besetzungen, die nur aus der Anwendung oder dem Zurückklappen jener entstehen. Zu sagen, der Vater sei dem Kind gegenüber zuerst, heißt in Wahrheit zu sagen, dass die Begehreninvestition zunächst die eines sozialen Feldes ist, in das Vater und Kind eintauchen, gleichzeitig eintauchen. Nehmen wir das Beispiel der Marquesaner wieder, analysiert von Kardiner: Er unterscheidet eine erwachsene Nahrungsangst, verbunden mit einer endemischen Knappheit, und eine infantile Nahrungsangst, verbunden mit dem Mangel an mütterlicher Fürsorge.3 Nicht nur kann man die erste nicht aus der zweiten ableiten, man kann auch nicht einmal, wie Kardiner es tut, die der ersten entsprechende soziale Besetzung als nach der infantilen familiären Besetzung der zweiten kommend betrachten. Denn was in der zweiten besetzt wird, ist bereits eine Bestimmung des sozialen Feldes, nämlich die Seltenheit der Frauen, die erklärt, dass die Erwachsenen nicht weniger als die Kinder « ihnen misstrauen ». Kurz, was das Kind durch die infantile Erfahrung, die Mutterbrust und die Familienstruktur besetzt, ist bereits ein Zustand der Schnitte und der Flüsse des sozialen Feldes im Ganzen, Flüsse von Frauen und Nahrungsmitteln, Registrierungen und Verteilungen. Nie ist der Erwachsene ein Nachher des Kindes, sondern beide in der Familie zielen auf die Bestimmungen des Feldes, in dem sie und sie gleichzeitig baden.
Daher die Notwendigkeit, drei Schlussfolgerungen aufrechtzuerhalten. 1o) Vom Standpunkt der Regression, der nur hypothetisch Sinn hat, ist es der Vater, der dem Kind gegenüber zuerst ist. Es ist der paranoide Vater, der den Sohn ödipalisiert. Die Schuld ist eine vom Vater projizierte Idee, bevor sie ein inneres, vom Sohn empfundenes Gefühl ist. Der erste Fehler der Psychoanalyse besteht darin, so zu tun, als begännen die Dinge mit dem Kind. Was die Psychoanalyse dazu bringt, eine absurde Theorie der Phantasie zu entwickeln, wonach der Vater, die Mutter, ihre realen Handlungen und Leidenschaften, zuerst als « Phantasien » des Kindes verstanden werden müssen (Freuds Aufgabe des Verführungsthemas). – 2o) Wenn die absolut genommene Regression sich als unzureichend erweist, dann weil sie uns in die bloße Reproduktion oder Generation einschließt. Und selbst dann erreicht sie mit den organischen Körpern und den organisierten Personen nur das Objekt der Reproduktion. Nur der Standpunkt des Zyklus ist kategorisch und absolut, weil er die Produktion als Subjekt der Reproduktion erreicht, das heißt den Prozess der Selbstproduktion des Unbewussten (Einheit von Geschichte und Natur, des Homo natura und des Homo historia). Gewiss steht nicht die Sexualität im Dienst der Generation, vielmehr steht die progressive oder regressive Generation im Dienst der Sexualität als zyklische Bewegung, durch die das Unbewusste, stets « Subjekt » bleibend, sich selbst reproduziert. Es gibt dann keinen Anlass mehr zu fragen, wer zuerst ist, Vater oder Kind, weil eine solche Frage nur im Rahmen des Familialismus gestellt wird. Was zuerst ist, ist der Vater dem Kind gegenüber, aber nur weil, was zuerst ist, die soziale Besetzung der familiären Besetzung gegenüber ist, die Besetzung des sozialen Feldes, in das Vater, Kind, Familie als Teilmenge, zugleich eintauchen. Der Primat des sozialen Feldes als Term der Begehreninvestition definiert den Zyklus und die Zustände, die ein Subjekt durchläuft. Der zweite Fehler der Psychoanalyse, in dem Moment, in dem sie die Trennung der Sexualität von der Reproduktion vollendete, besteht darin, in einem unbußfertigen Familialismus gefangen geblieben zu sein, der sie dazu verurteilte, sich nur in der Bewegung der Regression oder der Progression zu entwickeln (selbst die psychoanalytische Auffassung der Wiederholung bleibt in einer solchen Bewegung gefangen). – 3o) Schließlich der Standpunkt der Gemeinschaft, der disjunktiv ist oder die Disjunktionen im Zyklus erklärt. Es ist nicht nur die Generation, die dem Zyklus gegenüber sekundär ist, es ist die Übertragung, die gegenüber einer Information oder Kommunikation sekundär ist. Die genetische Revolution vollzog sich, als man entdeckte, dass es keine Übertragung von Flüssen im eigentlichen Sinn gibt, sondern die Kommunikation eines Codes oder einer Axiomatik, einer Kombinatorik, die die Flüsse informiert. Dasselbe gilt für das soziale Feld: Seine Kodierung oder seine Axiomatik definieren in ihm zuerst eine Kommunikation der Unbewussten. Dieses Phänomen der Kommunikation, dem Freud auf marginale Weise begegnet ist, in seinen Bemerkungen zum Okkultismus, bildet in Wahrheit die Norm und rückt die Probleme der erblichen Übertragung, die die Freud-Jung-Polemik bewegten, in den Hintergrund.4 Es zeigt sich, dass im gemeinsamen sozialen Feld das Erste, was der Sohn verdrängt, oder verdrängen muss, oder zu verdrängen versucht, das Unbewusste des Vaters und der Mutter ist. Das Scheitern gerade dieser Verdrängung, das ist die Basis der Neurosen. Aber diese Kommunikation der Unbewussten hat keineswegs die Familie zum Prinzip, sie hat zum Prinzip die Gemeinschaft des sozialen Feldes als Objekt der Begehreninvestition. In jeder Hinsicht ist die Familie nie bestimmend, sondern nur bestimmt, zuerst als Ausgangsstimulus, dann als Ankunftsmenge, schließlich als Vermittlung oder Abfangung der Kommunikation.
Wenn die familiäre Besetzung nur eine Abhängigkeit oder eine Anwendung der unbewussten Besetzungen des sozialen Feldes ist – und wenn das für das Kind nicht weniger als für den Erwachsenen gilt; wenn es wahr ist, dass das Kind, durch die Territorialität-Mama und das Gesetz-Papa, bereits die kodierten oder axiomatisierten Schizen und Flüsse des sozialen Feldes anvisiert –, müssen wir den wesentlichen Unterschied innerhalb dieses Bereichs verlagern. Der Wahn ist die Matrix im Allgemeinen jeder unbewussten sozialen Besetzung. Jede unbewusste Besetzung mobilisiert ein wahnhafteres Spiel von Entbesetzungen, Gegenbesetzungen, Überbesetzungen. Aber wir haben in diesem Sinn gesehen, dass es zwei große Typen sozialer Besetzung gibt, segregativ und nomadisch, als zwei Pole des Wahns: ein paranoider, faschisierender Typ oder Pol, der die Bildung der zentralen Souveränität besetzt, sie überbesetzt, indem er sie zur ewigen Finalursache aller anderen sozialen Formen der Geschichte macht, die Enklaven oder die Peripherie gegenbesetzt, jede freie Figur des Begehrens entbesetzt – ja, ich gehöre zu euch, und zur überlegenen Klasse und Rasse. Und ein schizo-revolutionärer Typ oder Pol, der den Fluchtlinien des Begehrens folgt, die Mauer überschreitet und die Flüsse hindurchgehen lässt, seine Maschinen und seine Gruppen in Fusion in den Enklaven oder an der Peripherie aufbaut, im Gegenteil zum vorhergehenden verfahrend: ich gehöre nicht zu euch, ich gehöre ewig zur minderwertigen Rasse, ich bin ein Tier, ein Neger. Die anständigen Leute sagen, man dürfe nicht fliehen, das sei nicht gut, das sei ineffektiv, und man müsse für Reformen arbeiten. Aber der Revolutionär weiß, dass die Flucht revolutionär ist, withdrawal, freaks, sofern sie die Schicht mitreißt oder ein Stück des Systems fliehen lässt. Die Mauer überschreiten, selbst wenn man sich zum Neger machen müsste nach Art von John Brown. George Jackson: « Es kann sein, dass ich fliehe, aber die ganze Zeit meiner Flucht suche ich eine Waffe! » Ohne Zweifel gibt es erstaunliche Oszillationen des Unbewussten, von einem zum anderen Pol des Wahns: die Weise, wie eine unerwartete revolutionäre Macht sich freisetzt, manchmal sogar im Innern der schlimmsten Archaismen; umgekehrt die Weise, wie es sich dreht oder sich faschistisch schließt, wie es in Archaismus zurückfällt. Um bei literarischen Beispielen zu bleiben: der Fall Céline, der große Delirierende, der sich entwickelt, indem er immer mehr mit der Paranoia des Vaters kommuniziert. Der Fall Kerouac, der Künstler mit den nüchternsten Mitteln, der eine revolutionäre « Flucht » machte und sich im vollen Traum vom großen Amerika wiederfindet und dann auf der Suche nach seinen bretonischen Vorfahren der überlegenen Rasse. Ist es nicht das Schicksal der amerikanischen Literatur, Grenzen und Grenzlinien zu überschreiten, die deterritorialisierten Flüsse des Begehrens hindurchgehen zu lassen, aber ihnen auch immer faschisierende, moralisierende, puritanische und familialistische Territorialitäten mitschleppen zu lassen? Diese Oszillationen des Unbewussten, diese unterirdischen Übergänge von einem Typ zum anderen in der libidinösen Besetzung, oft das Koexistieren beider, bilden eines der Hauptobjekte der Schizoanalyse. Die beiden Pole, vereint von Artaud in der magischen Formel: Heliogabalus-Anarchist, « das Bild aller menschlichen Widersprüche und des Widerspruchs im Prinzip. » Aber kein Übergang verhindert oder hebt den Unterschied der Natur zwischen den beiden auf, Nomadismus und Segregation. Wenn wir diesen Unterschied als den definieren können, der Paranoia und Schizophrenie trennt, dann einerseits weil wir den schizophrenen Prozess (« der Durchbruch ») von den Unfällen und Rückfällen unterschieden haben, die ihn hemmen oder unterbrechen (« der Zusammenbruch »), andererseits weil wir die Paranoia nicht weniger als die Schizophrenie als unabhängig von jeder pseudo-familiären Ätiologie gesetzt haben, um sie direkt auf das soziale Feld zu beziehen: die Namen der Geschichte und nicht der Name des Vaters. Von den Schnitten und Flüssen des sozialen Feldes, so wie sie unter einem Typ oder unter einem anderen, an einem Pol oder am anderen, besetzt werden, hängt im Gegenteil die Natur der familiären Besetzungen ab. Und das Kind wartet nicht darauf, erwachsen zu sein, um unter Vater-Mutter die ökonomischen, finanziellen, sozialen, kulturellen Probleme zu erfassen, die eine Familie durchqueren: seine Zugehörigkeit oder sein Wunsch, zu einer « überlegenen » oder « minderwertigen » Rasse zu gehören, der reaktionäre oder revolutionäre Gehalt einer Familiengruppe, mit der es bereits seine Brüche und seine Konformitäten vorbereitet. Was für eine Suppe, was für ein Koazervat, die Familie, aufgewühlt von Strudeln, in die eine oder andere Richtung mitgerissen, so dass der ödipale Bazillus greift oder nicht greift, seine Form auferlegt oder es nicht schafft, sie aufzuerlegen, je nach Richtungen ganz anderer Natur, die sie von außen durchqueren. Wir wollen sagen, dass der Ödipus aus einer Anwendung oder einem Zurückklappen auf personalisierte Bilder entsteht, die eine soziale Besetzung vom paranoiden Typ voraussetzt (weshalb Freud den Familienroman und den Ödipus zunächst in Bezug auf die Paranoia entdeckt). Ödipus ist eine Abhängigkeit der Paranoia. Während die schizophrene Besetzung eine ganz andere Bestimmung der Familie gebietet, zitternd, auseinandergerissen nach den Dimensionen eines sozialen Feldes, das sich weder schließt noch zurückklappt: Familie-Matrix für entpersonalisierte Partialobjekte, die eintauchen und wieder eintauchen in die reißenden oder verdünnten Flüsse eines historischen Kosmos, eines historischen Chaos. Matrixspalte der Schizophrenie gegen die paranoide Kastration; und die Fluchtlinie gegen die « blaue Linie ».
O Mutter
leb wohl
mit einem langen schwarzen Schuh
leb wohl
mit der kommunistischen Partei und einem gelaufenen Strumpf…
mit deinem großen schlaffen Bauch
mit deiner Hitlerangst
mit deinem Mund der schlechten Witze…
mit deinem Bauch der Streiks und der Fabrikschornsteine
mit deinem Kinn von Trotzki und vom Spanischen Krieg
mit deiner Stimme, die für die erschöpften Arbeiter singt, in Verwesung…
mit deinen Augen
mit deinen Augen von Russland
mit deinen Augen von Geldmangel…
mit deinen Augen von ausgehungertem Indien…
mit deinen Augen von der von Robotern angegriffenen Tschechoslowakei…
mit deinen Augen, von den Bullen in einem Krankenwagen mitgenommen
mit deinen Augen, auf einem Operationstisch gefesselt
mit deinen Augen von amputierter Bauchspeicheldrüse
mit deinen Augen von Abtreibungen
mit deinen Augen von Elektroschocks
mit deinen Augen von Lobotomie
mit deinen Augen der Geschiedenen…5
Warum diese Wörter, Paranoia und Schizophrenie, wie sprechende Vögel und Vornamen junger Mädchen? Warum folgen die sozialen Besetzungen dieser Trennlinie, die ihnen einen eigentlich wahnhaften Inhalt gibt (die Geschichte delirieren)? Und worin besteht diese Linie, wie Schizophrenie und Paranoia auf ihr definieren? Wir nehmen an, dass alles sich auf dem Körper ohne Organe abspielt; aber dieser hat gleichsam zwei Seiten. Elias Canetti hat gut gezeigt, wie der Paranoiker Massen und « Rudel » organisierte. Der Paranoiker kombiniert sie, setzt sie gegeneinander, manövriert sie.6 Der Paranoiker maschiniert die Massen, er ist der Künstler der großen molaren Gesamtheiten, statistische Formationen oder Gregaritäten, organisierte Menschenmengenphänomene. Er besetzt alles unter der Art der großen Zahlen. Am Abend der Schlacht reiht Oberst Lawrence die nackten jungen Leichen auf dem vollen Körper der Wüste auf. Präsident Schreber verklumpt auf seinem Körper die kleinen Männer zu Tausenden. Es ist, als habe der Paranoiker von den zwei Richtungen der Physik, der molaren Richtung, die zu den großen Zahlen und zu den Menschenmengenphänomenen geht, und der molekularen Richtung, die sich im Gegenteil in die Singularitäten, ihre Interaktionen und ihre Fern- oder verschieden geordneten Verbindungen vertieft, die erste gewählt: Er macht Makrophysik. Und dass der Schizo im Gegenteil in die andere Richtung geht, die der Mikrophysik, der Moleküle insofern, als sie den statistischen Gesetzen nicht mehr gehorchen; Wellen und Korpuskeln, Flüsse und Partialobjekte, die nicht mehr den großen Zahlen tributär sind, infinitesimale Fluchtlinien statt der Perspektiven großer Gesamtheiten. Und zweifellos wäre es ein Fehler, diese beiden Dimensionen als das Kollektive und das Individuelle zu противоп setzen. Einerseits weist das Mikro-Unbewusste nicht weniger Anordnungen, Verknüpfungen und Interaktionen auf, auch wenn diese Anordnungen von einem ursprünglichen Typ sind; andererseits gehört ihm die Form der individualisierten Personen nicht an, da es nur Partialobjekte und Flüsse kennt, sondern gehört im Gegenteil zu den Gesetzen der statistischen Verteilung des molaren Unbewussten oder Makro-Unbewussten. Freud war Darwinist, Neodarwinist, als er sagte, im Unbewussten sei alles ein Populationsproblem (ebenso sah er ein Zeichen der Psychose in der Betrachtung der Vielheiten).7 Es geht also eher um den Unterschied zwischen zwei Arten von Sammlungen oder Populationen: den großen Gesamtheiten und den Mikro-Vielheiten. In beiden Fällen ist die Besetzung kollektiv, sie ist die eines kollektiven Feldes; selbst ein einziges Teilchen hat eine zugeordnete Welle als Fluss, die den koexistierenden Raum seiner Präsenzen definiert. Jede Besetzung ist kollektiv, jede Phantasie ist Gruppenphantasie und in diesem Sinn Realitätssetzung. Aber die beiden Typen der Besetzung unterscheiden sich radikal, je nachdem, ob die eine die molaren Strukturen besetzt, die die Moleküle unterordnen, und die andere im Gegenteil die molekularen Vielheiten, die die strukturierten Menschenmengenphänomene unterordnen. Die eine ist eine Besetzung einer unterworfenen Gruppe, sowohl in der Form der Souveränität als auch in den kolonialen Formationen der gregaren Gesamtheit, die das Begehren der Personen unterdrückt und verdrängt; die andere eine Besetzung einer Gruppen-Subjekt in den transversalen Vielheiten, die das Begehren als molekulares Phänomen tragen, das heißt Partialobjekte und Flüsse, im Gegensatz zu den Gesamtheiten und den Personen.
Es ist wahr, dass die sozialen Investitionen sich auf dem socius selbst als vollem Körper vollziehen, und dass ihre jeweiligen Pole sich notwendig auf den Charakter oder die « Karte » dieses socius beziehen, Erde, Despot oder Kapital-Geld (für jede soziale Maschine verteilen sich die beiden Pole, der paranoide und der schizophrene, in variabler Weise). Während der Paranoiker im eigentlichen Sinn, der Schizophrene im eigentlichen Sinn, nicht auf dem socius operieren, sondern auf dem Körper ohne Organe im reinen Zustand. Dann könnte man sagen, dass der Paranoiker, im klinischen Sinn des Wortes, uns der imaginären Geburt des Massenphänomens beiwohnen lässt, und zwar auf einem noch mikroskopischen Niveau. Der Körper ohne Organe ist wie das kosmische Ei, das riesige Molekül, in dem Würmer, Bazillen, lilliputanische Figuren, Animalcula und Homunculi wimmeln, mit ihrer Organisation und ihren Maschinen, winzigen Schnüren, Seilen, Zähnen, Nägeln, Hebeln und Rollen, Katapulten: so bei Schreber die Millionen Spermatozoen in den Strahlen des Himmels, oder die Seelen, die auf seinem Körper eine kurze Existenz als kleine Männer führen. Artaud sagt: diese Welt der Mikroben, die nur geronnenes Nichts ist. Die beiden Seiten des Körpers ohne Organe sind also diejenige, auf der sich im mikroskopischen Maßstab das Massenphänomen und die entsprechende paranoide Investition organisieren, die andere, im submikroskopischen Maßstab, auf der sich die molekularen Phänomene und ihre schizophrene Investition anordnen. Auf dem Körper ohne Organe, als Scharnier, Grenze zwischen dem Molaren und dem Molekularen, vollzieht sich die Teilung Paranoia-Schizophrenie. Muss man dann glauben, dass die sozialen Investitionen sekundäre Projektionen sind, als ob ein großer zweigesichtiger Schizonoiker, Vater der Urhorde, die Basis des socius im Allgemeinen wäre? Wir haben gesehen, dass dem nicht so ist. Der socius ist keine Projektion des Körpers ohne Organe, sondern vielmehr ist der Körper ohne Organe die Grenze des socius, seine Tangente der Deterritorialisierung, der letzte Rest eines deterritorialisierten socius. Der socius: die Erde, der Körper des Despoten, das Kapital-Geld, sind bekleidete volle Körper, wie der Körper ohne Organe ein nackter voller Körper; aber dieser ist an der Grenze, am Ende, nicht am Ursprung. Und zweifellos spukt der Körper ohne Organe in allen Formen des socius. Aber eben in diesem Sinn können soziale Investitionen paranoide oder schizophrene genannt werden, insofern sie Paranoia und Schizophrenie als letzte Produkte unter den bestimmten Bedingungen des Kapitalismus haben. Vom Standpunkt einer universellen Klinik kann man Paranoia und Schizophrenie als die beiden Amplitudegrenzen eines Pendels darstellen, das um die Position eines socius als vollem Körper schwingt und, an der Grenze, um einen Körper ohne Organe, dessen eine Seite von molaren Gesamtheiten besetzt ist, die andere von molekularen Elementen bevölkert wird. Man kann aber auch eine einzige Linie darstellen, auf der die verschiedenen socius, ihre Ebene und ihre großen Gesamtheiten aufgefädelt sind; auf jeder dieser Ebenen eine paranoide Dimension, eine andere perverse, ein Typ familiärer Position und eine gestrichelte Fluchtlinie oder ein schizoider Durchbruch. Die große Linie mündet in den Körper ohne Organe, und dort geht sie entweder über die Mauer, tritt in die molekularen Elemente hinaus, wo sie in Wahrheit das wird, was sie von Anfang an war, schizophrenischer Prozess, reiner schizophrenischer Deterritorialisierungsprozess. Oder aber sie stößt an, prallt zurück, fällt auf die unerquicklichsten eingerichteten Territorialitäten der modernen Welt zurück als Simulakren der vorherigen Ebenen, klebt im Anstaltskomplex der Paranoia und der Schizophrenie als klinischen Entitäten fest, in den künstlichen Gesamtheiten oder Gesellschaften, die durch die Perversion eingesetzt werden, im familiären Ensemble der ödipalen Neurosen.
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Was bedeutet diese Unterscheidung zweier Regionen, der einen molekularen und der anderen molaren, der einen mikropsychischen oder mikrologischen, der anderen statistischen und gregarischen? Gibt es da etwas anderes als eine Metapher, die auf das Unbewusste eine in der Physik begründete Unterscheidung bezieht, wenn man intraatomare Phänomene und Menschenmengenphänomene durch statistische Akkumulation gegenüberstellt, die Gesamtgesetzen gehorchen? Doch in Wahrheit ist das Unbewusste Physik; es ist keineswegs metaphorisch, dass der Körper ohne Organe und seine Intensitäten die Materie selbst sind. Wir behaupten auch nicht, die Frage einer Individualpsychologie und einer Kollektivpsychologie und der Priorität der einen oder der anderen wiederzubeleben; diese Unterscheidung, wie sie in Massenpsychologie und Ich-Analyse erscheint, bleibt vollständig im Ödipus gefangen. Im Unbewussten gibt es nur Populationen, Gruppen und Maschinen. Wenn wir im einen Fall ein Unwillkürliches der sozialen und technischen Maschinen setzen, im anderen Fall ein Unbewusstes der begehrenden Maschinen, handelt es sich um ein notwendiges Verhältnis zwischen untrennbar verknüpften Kräften, die einen sind elementare Kräfte, durch die das Unbewusste sich produziert, die anderen sind Resultanten, die auf die ersten zurückwirken, statistische Gesamtheiten, durch die das Unbewusste sich repräsentiert und bereits Verdrängung und Repression seiner elementaren produktiven Kräfte erleidet.
Aber wie kann man in dieser mikrophysischen oder mikropsychischen Region von Maschinen sprechen, dort, wo es Begehren gibt, das heißt nicht nur Funktionieren, sondern Formation und Selbstproduktion? Eine Maschine funktioniert gemäß den vorausgehenden Verknüpfungen ihrer Struktur und der Positionsordnung ihrer Teile, aber sie setzt sich nicht selbst ein, ebenso wenig wie sie sich formt oder produziert. Das ist sogar das, was die gewöhnliche Polemik von Vitalismus und Mechanismus belebt: die Fähigkeit der Maschine, die Funktionsweisen des Organismus zu erklären, aber ihre grundlegende Unfähigkeit, seine Formationen zu erklären. Der Mechanismus abstrahiert den Maschinen eine strukturelle Einheit, anhand deren er das Funktionieren des Organismus erklärt. Der Vitalismus beruft sich auf eine individuelle und spezifische Einheit des Lebendigen, die jede Maschine voraussetzt, insofern sie sich der organischen Persistenz unterordnet und die autonomen Formationen nach außen verlängert. Aber man wird bemerken, dass, auf die eine oder andere Weise, Maschine und Begehren so in einem extrinsischen Verhältnis verbleiben, sei es, dass das Begehren als ein durch ein System mechanischer Ursachen bestimmter Effekt erscheint, sei es, dass die Maschine selbst ein System von Mitteln im Hinblick auf die Zwecke des Begehrens ist. Die Verbindung bleibt zwischen beiden sekundär und indirekt, sowohl in den neuen Mitteln, die sich das Begehren aneignet, als auch in den abgeleiteten Begierden, die die Maschinen hervorrufen. Ein tiefgehender Text von Samuel Butler, « Das Buch der Maschinen », erlaubt jedoch, diese Standpunkte zu überschreiten.8 Es ist wahr, dass dieser Text zunächst nur die beiden gewöhnlichen Thesen gegenüberzustellen scheint, die eine, wonach Organismen vorläufig nur perfektere Maschinen seien (« Die Dinge selbst, die wir für rein geistig halten, sind nichts als Gleichgewichtsstörungen in einer Reihe von Hebeln, beginnend mit jenen dieser Hebel, die zu klein sind, um unter dem Mikroskop gesehen zu werden »), die andere, wonach Maschinen niemals mehr als Verlängerungen des Organismus seien (« Die niederen Tiere behalten ihre Gliedmaßen bei sich, in ihrem eigenen Körper, während die meisten Gliedmaßen des Menschen frei sind und bald hier, bald dort an verschiedenen Orten der Welt abgetrennt liegen »). Aber es gibt eine butlerische Weise, jede der Thesen an einen Extrempunkt zu treiben, an dem sie sich nicht mehr der anderen entgegenstellen kann, an einen Punkt der Indifferenz oder der Dispersion. Einerseits begnügt Butler sich nicht damit zu sagen, dass die Maschinen den Organismus verlängern, sondern dass sie wirklich Glieder und Organe sind, die auf dem Körper ohne Organe einer Gesellschaft liegen, die die Menschen sich je nach ihrer Macht und ihrem Reichtum aneignen und deren Armut sie beraubt, als wären sie verstümmelte Organismen. Andererseits begnügt er sich nicht damit zu sagen, dass die Organismen Maschinen sind, sondern dass sie eine solche Fülle von Teilen enthalten, dass sie mit sehr verschiedenen Teilen unterschiedlicher Maschinen verglichen werden müssen, die aufeinander verweisen, die übereinander maschinell angeordnet sind. Das ist das Wesentliche, ein doppelter Grenzgang, den Butler vollzieht. Er sprengt die vitalistische These, indem er die spezifische oder personale Einheit des Organismus in Frage stellt, und erst recht die mechanistische These, indem er die strukturelle Einheit der Maschine in Frage stellt. Man sagt, dass die Maschinen sich nicht reproduzieren, oder sich nur durch Vermittlung des Menschen reproduzieren, aber « gibt es jemanden, der behaupten könnte, dass der Rotklee kein Reproduktionssystem hat, weil die Hummel, und nur die Hummel, als Kuppler dienen muss, damit er sich reproduzieren kann? Die Hummel ist Teil des Reproduktionssystems des Klees. Jeder von uns ist aus unendlich kleinen Animalculen hervorgegangen, deren Identität vollständig von der unseren verschieden war und die Teil unseres eigenen Reproduktionssystems sind; warum sollten wir nicht Teil desjenigen der Maschinen sein?… Was uns täuscht, ist, dass wir jede komplizierte Maschine als ein einziges Objekt betrachten. In Wirklichkeit ist es eine Stadt oder eine Gesellschaft, deren jedes Mitglied direkt gemäß seiner Art gezeugt wird. Wir sehen eine Maschine als ein Ganzes, wir geben ihr einen Namen und individualisieren sie; wir betrachten unsere eigenen Gliedmaßen und denken, dass ihre Kombination ein Individuum bildet, das aus einem einzigen Zentrum reproduktiver Aktion hervorgegangen ist. Aber dieser Schluss ist unwissenschaftlich, und die bloße Tatsache, dass niemals eine Dampfmaschine von einer anderen oder von zwei anderen Maschinen ihrer eigenen Art gemacht worden ist, berechtigt uns keineswegs zu sagen, dass Dampfmaschinen kein Reproduktionssystem haben. In Wirklichkeit wird jeder Teil irgendeiner Dampfmaschine von seinen besonderen und speziellen Erzeugern gezeugt, deren Funktion darin besteht, diesen Teil, und nur diesen, zu erzeugen, während die Kombination der Teile zu einem Ganzen eine andere Abteilung des mechanischen Reproduktionssystems bildet… » Nebenbei trifft Butler auf das Phänomen des Code-Mehrwerts, wenn ein Maschinenteil in seinem eigenen Code ein Codefragment einer anderen Maschine abfängt und sich so dank eines Teils einer anderen Maschine reproduziert: der Rotklee und die Hummel; oder aber die Orchidee und die männliche Wespe, die sie anzieht, die sie abfängt, indem sie auf ihrer Blüte das Bild und den Geruch der weiblichen Wespe trägt.
An diesem Punkt der Dispersion der beiden Thesen wird es gleichgültig zu sagen, dass Maschinen Organe sind oder Organe Maschinen. Die beiden Definitionen sind äquivalent: der Mensch als « Wirbeltiersch-Maschine », oder als « aphidischer Parasit der Maschinen ». Das Wesentliche liegt nicht im Grenzgang ins Unendliche selbst, der zusammengesetzten Unendlichkeit der Maschinenteile oder der zeitlichen Unendlichkeit der Animalcula, sondern vielmehr in dem, was sich dank dieses Grenzgangs zeigt. Sobald die strukturelle Einheit der Maschine aufgelöst ist, sobald die personale und spezifische Einheit des Lebendigen abgelegt ist, erscheint eine direkte Verbindung zwischen Maschine und Begehren, die Maschine geht ins Herz des Begehrens über, die Maschine ist begehrend und das Begehren, maschinell. Nicht das Begehren ist im Subjekt, sondern die Maschine im Begehren – und das residuale Subjekt ist auf der anderen Seite, neben der Maschine, ringsum am ganzen Rand, Parasit der Maschinen, Zubehör des wirbeltiers-maschinierten Begehrens. Kurz, der wahre Unterschied ist nicht zwischen Maschine und Lebendigem, Vitalismus und Mechanismus, sondern zwischen zwei Zuständen der Maschine, die ebenso zwei Zustände des Lebendigen sind. Die Maschine in ihrer strukturellen Einheit genommen, das Lebendige in seiner spezifischen und sogar personalen Einheit genommen, sind Massenphänomene oder molare Gesamtheiten; in diesem Sinn verweisen sie von außen aufeinander. Und selbst wenn sie sich unterscheiden und einander gegenüberstehen, dann nur als zwei Richtungen in derselben statistischen Richtung. Aber in der anderen, tieferen oder intrinsischen Richtung der Vielheiten gibt es Durchdringung, direkte Kommunikation zwischen den molekularen Phänomenen und den Singularitäten des Lebendigen, das heißt zwischen den kleinen Maschinen, die in jeder Maschine verstreut sind, und den kleinen Formationen, die in jedem Organismus ausschwärmen: Bereich der Indifferenz des Mikrophysischen und des Biologischen, der bewirkt, dass es ebenso viele Lebendige in der Maschine gibt wie Maschinen im Lebendigen. Warum in diesem Bereich von Maschinen sprechen, wo es sie scheinbar, im eigentlichen Sinn, nicht gibt (keine strukturelle Einheit und keine vorgeformten mechanischen Verknüpfungen)? « Aber es gibt die Möglichkeit der Formation solcher Maschinen, in unbestimmt übereinandergelagerten Relais, in Funktionszyklen, die ineinander eingreifen, die, einmal aufgebaut, den Gesetzen der Thermodynamik gehorchen werden, die aber in ihrem Aufbau nicht von diesen Gesetzen abhängen, da die Montagekette in einem Bereich beginnt, in dem es per definitionem noch keine statistischen Gesetze gibt… Auf dieser Ebene sind Funktionieren und Formation noch vermischt wie im Molekül; und von dieser Ebene aus öffnen sich die zwei divergierenden Wege, die führen werden, der eine zu mehr oder minder regelmäßigen Haufen von Individuen, der andere zu den Vervollkommnungen der individuellen Organisation, deren einfachstes Schema die Formation eines Rohres ist… »9 Der wahre Unterschied liegt also zwischen den molaren Maschinen einerseits, seien sie sozial, technisch oder organisch, und andererseits den begehrenden Maschinen, die von molekularer Ordnung sind. Das sind die begehrenden Maschinen: formative Maschinen, deren Fehlleistungen selbst funktional sind und deren Funktionieren von der Formation ununterscheidbar ist; chronogene Maschinen, die mit ihrem eigenen Aufbau zusammenfallen, die durch nicht lokalisierbare Verknüpfungen und verstreute Lokalisierungen operieren, Prozesse der Temporalisation einschalten, Formationen in Fragmenten und Ersatzteilen, mit Code-Mehrwert, und bei denen das Ganze selbst neben den Teilen produziert wird, als ein Teil für sich oder, nach Butlers Wort, « in einer anderen Abteilung », die es auf die anderen Teile zurückklappt; Maschinen im eigentlichen Sinn, weil sie durch Schnitte und Flüsse verfahren, assoziierte Wellen und Teilchen, assoziative Flüsse und Partialobjekte, die immer auf Distanz transversale Verbindungen, inklusive Disjunktionen, polyvoke Konjunktionen induzieren und so Entnahmen, Ablösungen und Reste produzieren, mit Übertragung von Individualität, in einer generalisierten Schizogenese, deren Elemente die Fluss-Schizen sind.
Wenn dann, oder vielmehr andererseits, die Maschinen auf der strukturalen Ebene der Techniken und Institutionen vereinheitlicht werden, die ihnen eine sichtbare Existenz wie ein Stahlgerüst geben, wenn die Lebendigen ihrerseits durch die statistischen Einheiten ihrer Personen, ihrer Arten, Varietäten und Milieus strukturiert werden, – wenn eine Maschine als ein einziges Objekt erscheint und ein Lebendiges als ein einziges Subjekt, – wenn die Verbindungen global und spezifisch werden, die Disjunktionen exklusiv, die Konjunktionen bivoque, – dann hat das Begehren keinerlei Bedürfnis, sich in diese opak gewordenen Formen zu projizieren. Diese sind unmittelbar die molaren Manifestationen, die statistischen Bestimmungen des Begehrens und seiner eigenen Maschinen. Es sind dieselben Maschinen (es gibt keinen Unterschied der Natur): hier als organische, technische oder soziale Maschinen, erfasst in ihrem Massenphänomen, dem sie untergeordnet sind, dort als begehrende Maschinen, erfasst in ihren submikroskopischen Singularitäten, die die Massenphänomene unterordnen. Deshalb haben wir von Anfang an die Idee zurückgewiesen, dass die begehrenden Maschinen dem Bereich des Traums oder des Imaginären angehören und die anderen Maschinen verdoppeln. Es gibt nur Begehren und Milieus, Felder, Formen der Gregarität. Das heißt: die molekularen begehrenden Maschinen sind in sich selbst Investition der großen molaren Maschinen oder der Konfigurationen, die sie unter den Gesetzen der großen Zahlen bilden, in der einen oder der anderen Richtung der Unterordnung. Begehrende Maschinen einerseits, und andererseits organische, technische oder soziale Maschinen: es sind dieselben Maschinen unter bestimmten Bedingungen. Unter bestimmten Bedingungen verstehen wir jene statistischen Formen, in die sie als ebenso viele stabile Formen eintreten, vereinheitlichend, strukturierend und durch schwere große Gesamtheiten verfahrend; die selektiven Drücke, die die Teile gruppieren, einige zurückhalten, andere ausschließen, die Menschenmengen organisieren. Es sind also dieselben Maschinen, aber es ist keineswegs dasselbe Regime, dieselben Größenverhältnisse, dieselben Verwendungen der Synthesen. Funktionalismus gibt es nur auf der submikroskopischen Ebene der begehrenden Maschinen, maschinische Gefüge, Maschinerie des Begehrens (engineering); denn nur dort fallen Funktionieren und Formation, Gebrauch und Aufbau, Produkt und Produktion zusammen. Jeder molare Funktionalismus ist falsch, da die organischen oder sozialen Maschinen sich nicht in derselben Weise formen, wie sie funktionieren, und die technischen Maschinen sich nicht so montieren, wie man sie benutzt, sondern gerade bestimmte Bedingungen implizieren, die ihre eigene Produktion von ihrem unterschiedenen Produkt trennen. Sinn, und auch Ziel, eine Intention, hat nur, was sich nicht so produziert, wie es funktioniert. Die begehrenden Maschinen dagegen repräsentieren nichts, bedeuten nichts, wollen nichts sagen, und sind genau das, was man aus ihnen macht, was man mit ihnen macht, was sie in sich selbst machen.
Sie funktionieren nach Regimen von Synthesen, die in den großen Gesamtheiten kein Äquivalent haben. Jacques Monod hat die Originalität dieser Synthesen bestimmt, vom Standpunkt einer molekularen Biologie oder einer « mikroskopischen Kybernetik », die der traditionellen Opposition von Mechanismus und Vitalismus gegenüber indifferent ist. Die grundlegenden Merkmale der Synthese sind hier die beliebige Natur der chemischen Signale, die Indifferenz gegenüber dem Substrat, der indirekte Charakter der Interaktionen. Solche Formeln sind nur dem Anschein nach negativ und im Verhältnis zu den Gesamtgesetzen, müssen aber positiv in Begriffen der Potenz verstanden werden. « Zwischen dem Substrat eines allosterischen Enzyms und den Liganden, die seine Aktivität aktivieren oder inhibieren, existiert keinerlei chemisch notwendige Beziehung der Struktur oder Reaktivität… Ein allosterisches Protein muss als ein spezialisiertes Produkt molekularen engineering betrachtet werden, das es erlaubt, eine Interaktion zwischen Körpern herzustellen, die chemischer Affinität entbehren, und so eine beliebige Reaktion der Intervention chemisch fremder und dieser Reaktion gegenüber indifferenter Verbindungen zu unterwerfen. Das operative Prinzip der allosterischen (indirekten) Interaktionen erlaubt daher eine volle Freiheit in der Wahl der Unterwerfungen, die, jeder chemischen Zwangsbedingung entzogen, umso besser nur den physiologischen Zwängen gehorchen werden, kraft deren sie nach dem zusätzlichen Maß an Kohärenz und Wirksamkeit selektiert werden, das sie der Zelle oder dem Organismus verleihen. Es ist letztlich gerade die Unentgeltlichkeit dieser Systeme, die, indem sie der molekularen Evolution ein praktisch unendliches Feld der Exploration und der Experimente öffnet, ihr erlaubt hat, das immense Netz kybernetischer Interkonnektionen zu konstruieren… »10 Wie sich aus diesem Bereich des Zufalls oder der wirklichen Inorganisation große Konfigurationen organisieren, die notwendig eine Struktur reproduzieren, unter der Wirkung der DNA und ihrer Segmente, der Gene, die wirkliche Losziehungen vollziehen und Weichenstellungen bilden wie Selektions- oder Evolutionslinien, das zeigen alle Etappen des Übergangs vom Molekularen zum Molaren, wie er in den organischen Maschinen erscheint, aber nicht weniger in den sozialen Maschinen mit anderen Gesetzen und anderen Figuren. Man konnte in diesem Sinn auf einen gemeinsamen Charakter der menschlichen Kulturen und der lebenden Arten hinweisen, als « Markow-Ketten » (teilweise abhängige Zufallsphänomene). Denn im genetischen Code wie in den sozialen Codes ist das, was man signifikante Kette nennt, eher ein Jargon als eine Sprache, gemacht aus nicht signifikanten Elementen, die erst in den großen Gesamtheiten, die sie durch verkettete Losziehung bilden, einen Sinn oder einen Signifikationseffekt annehmen, partielle Abhängigkeit und Überlagerung von Relais.11 Es geht nicht darum, die menschliche Geschichte zu biologisieren oder die natürliche Geschichte zu anthropologisieren, sondern die gemeinsame Beteiligung der sozialen Maschinen und der organischen Maschinen an den begehrenden Maschinen zu zeigen. Im Grund des Menschen, das Es: die schizophrene Zelle, die Schizo-Moleküle, ihre Ketten und ihre Jargons. Es gibt eine ganze Biologie der Schizophrenie, die molekulare Biologie ist selbst schizophren (wie die Mikrophysik). Aber umgekehrt ist die Schizophrenie, die Theorie der Schizophrenie, biologisch, biokulturell, insofern sie die maschinischen Verbindungen von molekularer Ordnung betrachtet, ihre Verteilung in Intensitätskarten auf dem riesigen Molekül des Körpers ohne Organe und die statistischen Akkumulationen, die die großen Gesamtheiten formen und selektieren.
Auf diesem molekularen Weg hat Szondi sich engagiert und ein genisches Unbewusstes entdeckt, das er sowohl dem individuellen Unbewussten Freuds als auch dem kollektiven Unbewussten Jungs entgegensetzte.12 Dieses genische oder genealogische Unbewusste nennt er oft familiär; und Szondi selbst ging an die Untersuchung der Schizophrenie heran, wobei er als Maßeinheiten familiäre Gesamtheiten verwendete. Aber familiär ist das genische Unbewusste nur wenig, viel weniger als das Freuds, da die Diagnose geführt wird, indem man das Begehren auf Fotos von Hermaphroditen, Mördern usw. bezieht, statt es wie gewöhnlich auf Papa-Mama-Bilder zurückzuklappen. Endlich ein wenig Beziehung zum Draußen… Ein ganzes Alphabet, eine ganze Axiomatik mit Fotos von Verrückten; « das Bedürfnis nach väterlichem Gefühl » auf einer Skala von Mörderporträts zu testen, das muss man erst einmal machen; man kann noch so sehr sagen, das bleibe im Ödipus, in Wahrheit öffnet es ihn auf eigentümliche Weise… Die erblichen Gene der Triebe spielen also die Rolle bloßer Stimuli, die in variable Kombinationen eingehen, je nach Vektoren, die ein ganzes historisches soziales Feld übergittern – Analyse des Schicksals. Tatsächlich kann das wirklich molekulare Unbewusste nicht bei Genen als Reproduktionseinheiten stehen bleiben; diese sind noch expressiv und führen zu molaren Formationen. Die Molekularbiologie lehrt uns, dass sich nur die DNA reproduziert, nicht die Proteine. Die Proteine sind zugleich Produzierte und Produktionseinheiten; sie sind es, die das Unbewusste als Zyklus konstituieren oder als Selbstproduktion des Unbewussten, letzte molekulare Elemente im Gefüge der begehrenden Maschinen und der Synthesen des Begehrens. Wir haben gesehen, dass durch die Reproduktion und ihre Objekte (familiär oder genetisch bestimmt) hindurch es immer das Unbewusste ist, das sich selbst in einer verwaisten zyklischen Bewegung produziert, Schicksalszyklus, in dem es stets Subjekt bleibt. Genau auf diesem Punkt beruht die rechtliche Unabhängigkeit der Sexualität gegenüber der Generation. Nun spürt Szondi diese Richtung, nach der das Molare zum Molekularen hin zu überschreiten ist, so gut, dass er jede statistische Interpretation dessen zurückweist, was man fälschlich seinen « Test » nennt. Mehr noch, er fordert ein Überschreiten von den Inhalten zu den Funktionen. Aber dieses Überschreiten vollzieht er nur so, diese Richtung verfolgt er nur so, dass er von Gesamtheiten oder Klassen zu « Kategorien » geht, deren Liste er systematisch geschlossen aufstellt und die noch immer nur expressive Existenzformen sind, die ein Subjekt frei wählen und kombinieren soll. Damit verfehlt er die inneren oder molekularen Elemente des Begehrens, die Natur ihrer Wahlakte, ihrer maschinischen Gefüge und Kombinationen – und die eigentliche Frage der Schizoanalyse: Was sind deine eigenen trieblichen begehrenden Maschinen? und welches Funktionieren, in welchen Synthesen gehen sie ein, operieren sie? welchen Gebrauch machst du von ihnen, in all den Übergängen, die vom Molekularen zum Molaren und umgekehrt gehen und die den Zyklus konstituieren, in dem das Unbewusste, Subjekt bleibend, sich selbst produziert?
Wir nennen Libido die den begehrenden Maschinen eigene Energie; und die Transformationen dieser Energie (Numen und Voluptas) sind niemals Entsexualisierungen noch Sublimierungen. Aber gerade diese Terminologie scheint äußerst willkürlich. Nach den zwei Weisen, in denen man die begehrenden Maschinen betrachten muss, sieht man nicht recht, was sie mit einer eigentlich sexuellen Energie zu tun haben sollen: sei es, dass man sie auf die molekulare Ordnung bezieht, die die ihre ist, sei es, dass man sie auf die molare Ordnung bezieht, in der sie organische oder soziale Maschinen bilden und organische oder soziale Milieus besetzen. Es ist in der Tat schwierig, die sexuelle Energie als unmittelbar kosmisch und intraatomar zu präsentieren und ebenso als unmittelbar sozialgeschichtlich. Man mag noch so sehr sagen, die Liebe habe mit Proteinen und mit der Gesellschaft zu tun… Ist das nicht, ein weiteres Mal, die alte Liquidation des Freudismus wiederaufzunehmen, indem man an die Stelle der Libido eine vage kosmische Energie setzt, die zu allen Metamorphosen fähig ist, oder eine Art vergesellschafteter Energie, die zu allen Investitionen fähig ist? Oder aber der abschließende Versuch Reichs einer « Biogenese », den man nicht ohne Grund schizo-paranoid nennt? Man erinnert sich, dass Reich zur Existenz einer intraatomischen kosmischen Energie, des Orgons, schloss, die einen elektrischen Fluss erzeugt und submikroskopische Partikel trägt, die Bione. Diese Energie produzierte Potentialdifferenzen oder Intensitäten, verteilt auf den Körper, der von einem molekularen Standpunkt aus betrachtet wird, und verband sich mit einer Mechanik der Flüssigkeiten in demselben Körper, der von einem molaren Standpunkt aus betrachtet wird. Was also die Libido als Sexualität definierte, war die Verbindung der beiden Funktionsweisen, der mechanischen und der elektrischen, in einer Sequenz mit zwei Polen, molar und molekular (mechanische Spannung, elektrische Ladung, elektrische Entladung, mechanische Entspannung). Dadurch glaubte Reich, die Alternative von Mechanismus und Vitalismus zu überschreiten, da diese Funktionen, die mechanische und die elektrische, in der Materie im Allgemeinen existierten, sich aber in einer dem Lebendigen eigenen Sequenz kombinierten. Und vor allem hielt er an der grundlegenden psychoanalytischen Wahrheit fest, deren höchstes Verleugnen er bei Freud anprangern konnte: die Unabhängigkeit der Sexualität gegenüber der Reproduktion, die Unterordnung der progressiven oder regressiven Reproduktion unter die Sexualität als Zyklus.13 Wenn man das Detail von Reichs letzter Theorie betrachtet, gestehen wir, dass ihr zugleich schizophrenischer und paranoider Charakter für uns keinerlei Nachteil darstellt, im Gegenteil. Wir gestehen, dass jede Annäherung der Sexualität an kosmische Phänomene vom Typ « elektrisches Gewitter », « bläulicher Dunst und blauer Himmel », das Blau des Orgons, « Elmsfeuer und Sonnenflecken », Fluida und Flüsse, Materien und Partikel, uns letztlich angemessener erscheint als die Reduktion der Sexualität auf das jämmerliche kleine familialistische Geheimnis. Wir glauben, dass Lawrence und Miller eine richtigere Einschätzung der Sexualität haben als Freud, auch vom Standpunkt der berühmten Wissenschaftlichkeit. Nicht der Neurotiker, der auf seiner Couch liegt, spricht zu uns von der Liebe, von ihrer Macht und ihren Verzweiflungen, sondern der stumme Spaziergang des Schizo, der Lauf Lenz’ in den Bergen und unter den Sternen, die unbewegte Reise in Intensitäten auf dem Körper ohne Organe. Was die Gesamtheit der reichistischen Theorie betrifft, hat sie den unvergleichlichen Vorteil, den doppelten Pol der Libido zu zeigen, als molekulare Formation im submikroskopischen Maßstab, als Besetzung molarer Formationen im Maßstab organischer und sozialer Gesamtheiten. Es fehlen nur die Bestätigungen des gesunden Menschenverstands: warum, worin ist das Sexualität?
Über die Liebe hat der Zynismus alles gesagt oder vorgegeben, alles zu sagen: nämlich dass es sich um eine Kopulation organischer und sozialer Maschinen im großen Maßstab handelt (im Grund der Liebe die Organe, im Grund der Liebe die ökonomischen Bestimmungen, das Geld). Aber das Eigene des Zynismus ist, den Skandal dort zu beanspruchen, wo es keinen gibt, und für kühn zu gelten ohne Kühnheit. Eher als seine Plattheit, der Wahn des gesunden Menschenverstands. Denn die erste Evidenz ist, dass das Begehren nicht Personen oder Dinge zum Objekt hat, sondern ganze Milieus, die es durchläuft, Vibrationen und Flüsse jeder Art, die es umschlingt, indem es Schnitte und Erfassungen in sie einführt, ein stets nomadisches und wanderndes Begehren, dessen Charakter zuerst der « Gigantismus » ist: niemand hat das besser gezeigt als Charles Fourier. Kurz, soziale wie biologische Milieus sind Objekt von Investitionen des Unbewussten, die notwendig begehrend oder libidinös sind, im Gegensatz zu den vorbewussten Investitionen von Bedürfnis und Interesse. Die Libido als sexuelle Energie ist unmittelbar Investition von Massen, von großen Gesamtheiten und organischen und sozialen Feldern. Wir verstehen schlecht, auf welche Prinzipien die Psychoanalyse ihre Auffassung des Begehrens stützt, wenn sie voraussetzt, die Libido müsse sich entsexualisieren oder sogar sublimieren, um soziale Investitionen vorzunehmen, und umgekehrt diese erst im Verlauf pathologischer Regressionsprozesse wieder re-sexualisiere.14 Es sei denn, das Postulat einer solchen Auffassung wäre noch immer der Familialismus, der behauptet, Sexualität operiere nur in der Familie und müsse sich verwandeln, um größere Gesamtheiten zu besetzen. In Wahrheit ist Sexualität überall: in der Weise, wie ein Bürokrat seine Akten streichelt, wie ein Richter Recht spricht, wie ein Geschäftsmann das Geld fließen lässt, wie die Bourgeoisie das Proletariat in den Arsch nimmt, usw. Und man braucht nicht durch Metaphern zu gehen, ebenso wenig wie die Libido durch Metamorphosen zu gehen braucht. Hitler brachte die Faschisten zum Steifen. Fahnen, Nationen, Armeen, Banken bringen viele Leute zum Steifen. Eine revolutionäre Maschine ist nichts, wenn sie nicht mindestens ebenso viel Schneide- und Flusspower erwirbt wie diese Zwangsmaschinen. Nicht durch entsexualisierende Ausdehnung besetzt die Libido die großen Gesamtheiten, sondern im Gegenteil durch Restriktion, Blockierung und Zurückklappen wird sie dazu bestimmt, ihre Flüsse zu verdrängen, um sie in engen Zellen vom Typ « Paar », « Familie », « Personen », « Objekte » zu enthalten. Und zweifellos ist eine solche Blockierung notwendig begründet: Die Libido geht nur im Verhältnis zu diesem Körper, dieser Person, die sie zum Objekt nimmt, ins Bewusstsein über. Aber unsere « Objektwahl » verweist selbst auf eine Konjunktion von Lebens- und Gesellschaftsflüssen, die dieser Körper, diese Person abfangen, empfangen und aussenden, stets in einem biologischen, sozialen, historischen Feld, in das wir ebenfalls eingetaucht sind oder mit dem wir kommunizieren. Die Personen, denen unsere Lieben gewidmet sind, einschließlich der elterlichen Personen, treten nur als Punkte der Verbindung, der Disjunktion, der Konjunktion von Flüssen auf, deren libidinösen Gehalt unbewusster Investition sie übersetzen. Sobald dies so ist, verändert die Liebesblockierung, so begründet sie auch sei, ihre Funktion auf eigentümliche Weise, je nachdem, ob sie das Begehren in die ödipalen Sackgassen von Paar und Familie im Dienst repressiver Maschinen verstrickt oder ob sie im Gegenteil eine freie Energie verdichtet, die fähig ist, eine revolutionäre Maschine zu speisen (auch hier ist alles von Fourier gesagt worden, wenn er die zwei entgegengesetzten Richtungen der « Erfassung » oder der « Mechanisierung » der Leidenschaften zeigt). Aber es ist immer mit Welten, dass wir Liebe machen. Und unsere Liebe richtet sich an diese libidinöse Eigenschaft des geliebten Wesens, sich auf größere Welten zu schließen oder sich auf sie zu öffnen, Massen und große Gesamtheiten. Es gibt immer etwas Statistisches in unseren Lieben und Gesetze der großen Zahl. Und ist es nicht so, dass man die berühmte Formel von Marx zuerst so verstehen muss: Das Verhältnis von Mann und Frau ist « das unmittelbare, natürliche, notwendige Verhältnis des Menschen zum Menschen »? Das heißt, dass das Verhältnis zwischen den beiden Geschlechtern (Mann zur Frau) nur das Maß des Sexualitätsverhältnisses im Allgemeinen ist, insofern es große Gesamtheiten besetzt (Mensch zum Menschen)? Daher das, was man die Spezifizierung der Sexualität auf die Geschlechter nennen konnte. Und muss man nicht auch sagen, dass der Phallus kein Geschlecht ist, sondern die ganze Sexualität, das heißt das Zeichen der von der Libido besetzten großen Gesamtheit, woraus notwendig zugleich die beiden Geschlechter in ihrer Trennung (die zwei homosexuellen Reihen des Mannes mit dem Mann, der Frau mit der Frau) wie in ihren statistischen Beziehungen innerhalb dieser Gesamtheit hervorgehen?
Aber Marx sagt noch etwas Mysteriöseres: dass der wahre Unterschied nicht der der beiden Geschlechter im Menschen ist, sondern der des menschlichen Geschlechts und des « nichtmenschlichen Geschlechts ».15 Es handelt sich offensichtlich nicht um die Tiere, um die tierische Sexualität. Es handelt sich um etwas ganz anderes. Wenn Sexualität die unbewusste Investition großer molarer Gesamtheiten ist, dann weil sie auf ihrer anderen Seite identisch ist mit dem Spiel der molekularen Elemente, die diese Gesamtheiten unter bestimmten Bedingungen konstituieren. Der Zwergwuchs des Begehrens als Korrelat seines Gigantismus. Die Sexualität ist strikt eins mit den begehrenden Maschinen, insofern sie in den sozialen Maschinen, in ihrem Feld, ihrer Formation, ihrem Funktionieren präsent und wirksam sind. Nichtmenschliches Geschlecht, das sind die begehrenden Maschinen, die molekularen maschinischen Elemente, ihre Gefüge und ihre Synthesen, ohne die es weder ein in großen Gesamtheiten spezifiziertes menschliches Geschlecht noch eine menschliche Sexualität gäbe, die fähig ist, diese Gesamtheiten zu besetzen. In wenigen Sätzen hat Marx, der doch so karg und so zurückhaltend ist, sobald es um Sexualität geht, gesprengt, worin Freud und die ganze Psychoanalyse im Gegenteil für immer gefangen bleiben werden: die anthropomorphe Repräsentation des Geschlechts! Was wir anthropomorphe Repräsentation nennen, ist sowohl die Idee, dass es zwei Geschlechter gibt, als auch die Idee, dass es nur eines gibt. Man weiß, wie der Freudismus von dieser seltsamen Idee durchzogen ist, dass es letztlich nur ein Geschlecht gebe, das männliche, in Bezug auf das die Frau als Mangel definiert wird, das weibliche Geschlecht als Abwesenheit. Man könnte zunächst glauben, eine solche These begründe die Allgegenwart einer männlichen Homosexualität. Dem ist dennoch nicht so; was hier begründet wird, ist vielmehr die statistische Gesamtheit der intersexuellen Lieben. Denn wenn die Frau als Mangel in Bezug auf den Mann definiert wird, so fehlt dem Mann seinerseits das, woran der Frau fehlt, nur auf eine andere Weise: die Idee eines einzigen Geschlechts führt notwendig zur Errichtung eines Phallus als Höhenobjekt, der den Mangel unter zwei nicht deckungsgleichen Seiten verteilt und die beiden Geschlechter in einer gemeinsamen Abwesenheit kommunizieren lässt, der Kastration. Psychoanalytikerinnen oder Psychoanalysierte, die Frauen können sich dann freuen, dem Mann den Weg zu zeigen und die Gleichheit in der Differenz wiederzugewinnen. Daher die unwiderstehliche Komik der Formeln, nach denen man durch die Kastration zum Begehren gelangt. Aber die Idee, es gebe wirklich zwei Geschlechter, ist schließlich auch nicht besser. Man versucht diesmal, wie Melanie Klein, das weibliche Geschlecht durch positive Merkmale zu definieren, und wären sie auch furchterregend. Wenn man nicht aus dem Anthropomorphismus herauskommt, so kommt man zumindest aus dem Phallozentrismus heraus. Aber diesmal, weit davon entfernt, die Kommunikation der beiden Geschlechter zu begründen, begründet man vielmehr ihre Trennung in zwei noch immer statistische homosexuelle Reihen. Und man kommt überhaupt nicht aus der Kastration heraus. Nur wird diese, statt Prinzip des Geschlechts zu sein, das als männliches Geschlecht gedacht ist (der große abgeschnittene Phallus, der darüberhinweg schwebt), zum Ergebnis des Geschlechts, das als weibliches Geschlecht gedacht ist (der kleine absorbierte, vergrabene Penis). Wir sagen also, dass die Kastration das Fundament der anthropomorphen und molaren Repräsentation der Sexualität ist. Sie ist der universelle Glaube, der Männer und Frauen zugleich unter das Joch einer und derselben Illusion des Bewusstseins sammelt und zerstreut und sie dieses Joch anbeten lässt. Jeder Versuch, die nichtmenschliche Natur des Geschlechts zu bestimmen, zum Beispiel « das große Andere », indem man den Mythos der Kastration beibehält, ist von vornherein verloren. Und was meint Lyotard, in seinem doch so tiefen Kommentar zum Text von Marx, wenn er die Öffnung des Nichtmenschlichen als etwas ansetzt, das « der Eintritt des Subjekts in das Begehren durch die Kastration » sein müsse? Es lebe die Kastration, damit das Begehren stark sei? Man begehrt nur Phantasmen wirklich? Welche perverse, menschliche, allzu menschliche Idee. Welche Idee, die aus dem schlechten Gewissen kommt und nicht aus dem Unbewussten. Die anthropomorphe molare Repräsentation kulminiert in dem, was sie begründet, der Ideologie des Mangels. Dagegen ignoriert das molekulare Unbewusste die Kastration, weil die Partialobjekte an nichts Mangel leiden und als solche freie Vielheiten bilden; weil die vielfachen Schnitte nicht aufhören, Flüsse zu produzieren, statt sie in einem und demselben einzigen Schnitt zu verdrängen, der sie versiegen lassen könnte; weil die Synthesen lokale und nicht-spezifische Verbindungen konstituieren, inklusive Disjunktionen, nomadische Konjunktionen: überall eine mikroskopische Transsexualität, die bewirkt, dass die Frau ebenso viele Männer enthält wie der Mann, und der Mann ebenso viele Frauen, fähig, die einen mit den anderen, die einen mit den einen, in Produktionsverhältnisse des Begehrens einzutreten, die die statistische Ordnung der Geschlechter umstürzen. Liebe machen heißt nicht, eins zu werden, ja nicht einmal zwei zu machen, sondern hunderttausend zu machen. Das ist es, die begehrenden Maschinen oder das nichtmenschliche Geschlecht: nicht ein Geschlecht und nicht einmal zwei, sondern n… Geschlechter. Die Schizoanalyse ist die variable Analyse der n… Geschlechter in einem Subjekt, jenseits der anthropomorphen Repräsentation, die die Gesellschaft ihm auferlegt und die es sich selbst von seiner eigenen Sexualität gibt. Die schizoanalytische Formel der begehrenden Revolution wird zuerst sein: jedem seine Geschlechter.
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Die These der Schizoanalyse ist einfach: Das Begehren ist Maschine, Synthese von Maschinen, maschinisches Gefüge – begehrende Maschinen. Das Begehren gehört zur Ordnung der Produktion, jede Produktion ist zugleich begehrend und sozial. Wir werfen der Psychoanalyse daher vor, diese Ordnung der Produktion zerdrückt und sie in die Repräsentation zurückgeschoben zu haben. Weit davon entfernt, der Wagemut der Psychoanalyse zu sein, markiert die Idee der unbewussten Repräsentation von Anfang an ihr Scheitern oder ihren Verzicht: ein Unbewusstes, das nicht mehr produziert, sondern sich damit begnügt zu glauben… Das Unbewusste glaubt an den Ödipus, es glaubt an die Kastration, an das Gesetz… Zweifellos ist der Psychoanalytiker der Erste, der sagt, dass der Glaube, streng genommen, kein Akt des Unbewussten ist; immer ist es das Vorbewusste, das glaubt. Muss man nicht sogar sagen, dass es der Psychoanalytiker ist, der glaubt, der Psychoanalytiker in uns? Wäre der Glaube ein Effekt auf das bewusste Material, den die unbewusste Repräsentation auf Distanz ausübt? Aber umgekehrt, was hat das Unbewusste auf diesen Zustand der Repräsentation reduziert, wenn nicht zunächst ein System von Glaubenssätzen, das an die Stelle der Produktionen gesetzt wurde? In Wahrheit ist es zugleich so, dass die soziale Produktion in vermeintlich autonome Glaubenssätze entfremdet wird und dass die begehrende Produktion in vermeintlich unbewusste Repräsentationen umgeleitet wird. Und es ist dieselbe Instanz, wie wir gesehen haben, die Familie, die diese doppelte Operation vollzieht, die begehrende soziale Produktion entnaturend, entstellend, in eine Sackgasse führend. Auch ist die Verbindung von Repräsentation-Glaube mit der Familie nicht zufällig, es gehört zum Wesen der Repräsentation, familiäre Repräsentation zu sein. Aber die Produktion wird dadurch nicht aufgehoben, sie grollt weiter, sie dröhnt weiter unter der repräsentativen Instanz, die sie erstickt, und die sie ihrerseits bis an die Bruchgrenze zum Klingen bringen kann. Dann muss sich die Repräsentation mit der ganzen Macht des Mythos und der Tragödie aufblasen, sie muss der Familie eine mythische und tragische Präsentation geben (und dem Mythos und der Tragödie eine familiäre Präsentation), damit sie tatsächlich in die Produktionszonen hineinbeißt. Sind Mythos und Tragödie nicht doch auch Produktionen, Produktionsformen? Sicher nicht; sie sind es nur bezogen auf die reale soziale Produktion, auf die reale begehrende Produktion. Sonst sind es ideologische Formen, die an die Stelle der Produktionseinheiten getreten sind. Ödipus, Kastration usw., wer glaubt daran? Sind es die Griechen? Aber produzierten die Griechen nicht so, wie sie glaubten? Sind es die Hellenisten, die glauben, dass die Griechen so produzierten? Zumindest die Hellenisten des 19. Jahrhunderts, jene, von denen Engels sagte: man möchte meinen, sie glauben daran, an den Mythos, an die Tragödie… Ist es das Unbewusste, das sich Ödipus, die Kastration repräsentiert? oder ist es der Psychoanalytiker, der Psychoanalytiker in uns, der so das Unbewusste repräsentiert? Denn nie hat Engels’ Wort so viel Sinn wiedergewonnen: man möchte meinen, sie glauben daran, die Psychoanalytiker, an den Mythos, an die Tragödie… (Sie glauben weiter daran, wenn die Hellenisten längst aufgehört haben.)
Immer noch der Fall Schreber: Schrebers Vater erfand und fertigte erstaunliche kleine Maschinen, sadistisch-paranoide, zum erzwungenen Gebrauch der Kinder, damit sie sich ganz gerade hielten, zum Beispiel Kopfspanner mit Metallstange und Lederriemen.16 Diese Maschinen spielen in der freudschen Analyse keinerlei Rolle. Vielleicht wäre es schwieriger gewesen, den ganzen sozial-politischen Gehalt von Schrebers Wahn zu zerdrücken, wenn man diese begehrenden Maschinen des Vaters und ihre offensichtliche Teilnahme an einer allgemeinen pädagogischen sozialen Maschine berücksichtigt hätte. Denn die ganze Frage ist diese: gewiss wirkt der Vater auf das Unbewusste des Kindes – aber wirkt er als Familienvater in einer expressiven familiären Übertragung, oder als Maschinenagent in einer maschinischen Information oder Kommunikation? Die begehrenden Maschinen des Präsidenten kommunizieren mit denen seines Vaters; aber gerade dadurch sind sie seit der Kindheit libidinöse Investition eines sozialen Feldes. Der Vater hat darin nur eine Rolle als Agent der Produktion und der Anti-Produktion. Freud wählt dagegen den ersten Weg: nicht der Vater verweist auf Maschinen, sondern gerade umgekehrt; es gibt dann nicht einmal mehr Anlass, die Maschinen zu betrachten, weder als begehrende Maschinen noch als soziale Maschinen. Dafür wird man den Vater mit allen « Mächten des Mythos und der Religion » und der Phylogenese aufblasen, damit die kleine familiäre Repräsentation den Anschein hat, dem Feld des Wahns koextensiv zu sein. Das Produktionspaar, begehrende Maschinen und soziales Feld, weicht einem repräsentativen Paar ganz anderer Natur, Familie-Mythos. Noch einmal: Haben Sie je ein Kind spielen sehen: wie es die sozialen technischen Maschinen bereits mit seinen eigenen begehrenden Maschinen bevölkert, o Sexualität – Vater oder Mutter im Hintergrund, von denen das Kind bei Bedarf Teile und Getriebe entleiht, und die dort sind als aussendende, empfangende oder abfangende Agenten, wohlwollende Agenten der Produktion oder misstrauische Agenten der Anti-Produktion?
Warum hat man der mythischen und tragischen Repräsentation dieses unsinnige Privileg gewährt? Warum hat man expressive Formen und ein ganzes Theater dort installiert, wo es Felder, Werkstätten, Fabriken, Produktionseinheiten gab? Der Psychoanalytiker schlägt seinen Zirkus im verblüfften Unbewussten auf, ein ganzes Barnum auf den Feldern und in der Fabrik. Das ist es, was Miller, und schon Lawrence, gegen die Psychoanalyse zu sagen haben (die Lebendigen sind keine Gläubigen, die Sehenden glauben nicht an den Mythos, an die Tragödie): « Indem Sie zu den heroischen Zeiten des Lebens zurückgehen, zerstören Sie die Prinzipien des Heroismus selbst, denn der Held, ebenso wenig wie er an seiner Kraft zweifelt, blickt niemals zurück. Hamlet hielt sich ohne Zweifel für einen Helden, und für jeden Hamlet-Geborenen ist der einzige Weg, dem zu folgen ist, der Weg, den Shakespeare ihm vorgezeichnet hat. Aber es müsste darum gehen zu wissen, ob wir Hamlet-Geborene sind. Sind Sie Hamlet geboren? Haben Sie nicht vielmehr Hamlet in sich zur Welt gebracht? Aber die Frage, die mir die wichtigste zu sein scheint, ist diese: warum zum Mythos zurückkehren?… Diese ideologische Ramschware, deren sich die Welt bedient hat, um ihr kulturelles Gebäude zu errichten, ist dabei, ihren poetischen Wert, ihren mythischen Charakter zu verlieren, weil durch eine Reihe von Schriften, die von Krankheit handeln und folglich von den Möglichkeiten, aus ihr herauszukommen, das Gelände freigeräumt wird, neue Gebäude können sich erheben (diese Idee neuer Gebäude ist mir zuwider, aber sie ist nur das Bewusstsein eines Prozesses und nicht der Prozess selbst). Für den Augenblick besteht mein Prozess, das heißt alle Zeilen, die ich schreibe, einzig darin, energisch die Gebärmutter zu reinigen, ihr gewissermaßen eine Kürettage zuzufügen. Was mich zur Idee führt, nicht eines neuen Gebäudes, neuer Überbauten, die Kultur bedeuten, also Lüge, sondern einer fortwährenden Geburt, einer Regeneration, des Lebens… Es gibt kein mögliches Leben im Mythos. Es kann nur der Mythos im Mythos leben… Diese Fähigkeit, den Mythos zur Welt zu bringen, kommt uns vom Bewusstsein, dem Bewusstsein, das sich unaufhörlich entwickelt. Deshalb sagte ich, als ich vom schizophrenen Charakter unserer Epoche sprach: solange der Prozess nicht beendet sein wird, wird es der Bauch der Welt sein, der das dritte Auge sein wird. Was wollte ich damit sagen? Wenn nicht, dass aus dieser Ideenwelt, in der wir herumplanschen, eine neue Welt hervorgehen muss? Aber diese Welt kann nur erscheinen, sofern sie empfangen wird. Und um zu empfangen, muss man zuerst begehren… Das Begehren ist instinktiv und heilig, nur durch das Begehren vollziehen wir die unbefleckte Empfängnis. »17 In diesen Seiten von Miller ist alles: das Vorantreiben des Ödipus (oder Hamlets) bis zum Punkt der Selbstkritik, die Denunziation der expressiven Formen, Mythos und Tragödie, als Glaubenssätze oder Illusionen des Bewusstseins, nichts als Ideen, die Notwendigkeit einer Reinigung des Unbewussten, die Schizoanalyse als Kürettage des Unbewussten, die Gegenüberstellung der Matrixspalte zur Kastrationslinie, die herrliche Affirmation eines verwaisten und produzierenden Unbewussten, die Exaltation des Prozesses als schizophrenen Deterritorialisierungsprozess, der eine neue Erde produzieren muss, und an der Grenze das Funktionieren der begehrenden Maschinen gegen die Tragödie, gegen « das unheilvolle Drama der Persönlichkeit », gegen « die unvermeidliche Verwechslung von Maske und Schauspieler ». Es ist offensichtlich, dass Michael Fraenkel, Millers Korrespondent, nicht versteht. Er spricht wie ein Psychoanalytiker oder wie ein Hellenist des 19. Jahrhunderts: ja, Mythos, Tragödie, Ödipus, Hamlet sind gute Ausdrücke, pregnante Formen; sie drücken das wahre permanente Drama des Begehrens und der Erkenntnis aus… Fraenkel ruft alle Gemeinplätze zu Hilfe, Schopenhauer und den Nietzsche der Geburt der Tragödie. Er glaubt, Miller ignoriere all das, und fragt sich nicht einen Augenblick, warum Nietzsche selbst mit der Geburt der Tragödie gebrochen hat, warum er aufgehört hat, an die tragische Repräsentation zu glauben…
Michel Foucault hat tief gezeigt, welchen Schnitt das Eindringen der Produktion in die Welt der Repräsentation einführt. Die Produktion kann die der Arbeit oder die des Begehrens sein, sie kann sozial oder begehrend sein, sie ruft Kräfte auf, die sich nicht mehr in der Repräsentation halten lassen, Flüsse und Schnitte, die sie durchstoßen, sie von allen Seiten durchqueren: « eine ungeheure Schattenfläche », ausgebreitet unterhalb der Repräsentation.18 Und dieses Scheitern oder dieses Versinken der klassischen Welt der Repräsentation datiert Foucault auf das Ende des 18. und das 19. Jahrhundert. Es scheint also, dass die Lage viel komplexer ist, als wir sagen; denn die Psychoanalyse nimmt in höchstem Maß an dieser Entdeckung der Produktionseinheiten teil, die alle möglichen Repräsentationen unterwerfen, statt sich ihnen unterzuordnen. So wie Ricardo die politische oder soziale Ökonomie begründet, indem er die quantitative Arbeit als Prinzip jedes darstellbaren Werts entdeckt, begründet Freud die begehrende Ökonomie, indem er die quantitative Libido als Prinzip jeder Repräsentation der Objekte und Ziele des Begehrens entdeckt. Freud entdeckt die subjektive Natur oder das abstrakte Wesen des Begehrens, wie Ricardo die subjektive Natur oder das abstrakte Wesen der Arbeit, jenseits jeder Repräsentation, die sie an Objekte, Ziele oder selbst an Quellen im Besonderen binden würde. Freud ist also der Erste, der das Begehren schlechthin freilegt, wie Ricardo « die Arbeit schlechthin », und dadurch die Sphäre der Produktion, die die Repräsentation tatsächlich überflutet. Und ebenso wie die abstrakte subjektive Arbeit ist das abstrakte subjektive Begehren untrennbar von einer Deterritorialisierungsbewegung, die das Spiel der Maschinen und der Agenten unter allen besonderen Bestimmungen entdeckt, die das Begehren oder die Arbeit noch an diese oder jene Person, an dieses oder jenes Objekt im Rahmen der Repräsentation banden. Maschinen und begehrende Produktion, psychische Apparate und Maschinen des Begehrens, begehrende Maschinen und Montage einer analytischen Maschine, die fähig ist, sie zu dekodieren: der Bereich der freien Synthesen, in dem alles möglich ist, die partiellen Verbindungen, die eingeschlossenen Disjunktionen, die nomadischen Konjunktionen, die polyvoken Flüsse und Ketten, die transduktiven Schnitte – und das Verhältnis der begehrenden Maschinen als Formationen des Unbewussten zu den molaren Formationen, die sie statistisch in den organisierten Menschenmengen konstituieren, der daraus hervorgehende Repressions-Verdrängungsapparat… Das ist die Konstitution des analytischen Feldes; und dieses subrepräsentative Feld wird weiter überleben und funktionieren, selbst durch den Ödipus hindurch, selbst durch Mythos und Tragödie, die doch die Versöhnung der Psychoanalyse mit der Repräsentation markieren. Es bleibt, dass ein Konflikt die ganze Psychoanalyse durchzieht, zwischen der mythischen und tragischen familiären Repräsentation und der begehrenden und sozialen Produktion. Denn Mythos und Tragödie sind Systeme symbolischer Repräsentationen, die das Begehren noch auf bestimmte äußere Bedingungen wie auf besondere objektive Codes zurückführen – den Körper der Erde, den despotischen Körper – und die so die Entdeckung des abstrakten oder subjektiven Wesens behindern. Man hat in diesem Sinn bemerken können, dass jedes Mal, wenn Freud die Betrachtung der psychischen Apparate, der begehrenden und sozialen Maschinen, der triebhaften und institutionellen Mechanismen in den Vordergrund rückt, sein Interesse am Mythos und an der Tragödie dazu neigt, abzunehmen, während er zugleich bei Jung, dann bei Rank, die Wiederherstellung einer äußeren Repräsentation des Wesens des Begehrens als eines objektiven anprangert, entfremdet im Mythos oder in der Tragödie.19
Wie diese sehr komplexe Ambivalenz der Psychoanalyse erklären? Wir müssen mehrere Dinge unterscheiden. Zunächst erfasst die symbolische Repräsentation das Wesen des Begehrens sehr wohl, aber indem sie es auf große Objektitäten wie auf besondere Elemente bezieht, die ihm Objekte, Ziele und Quellen fixieren. So bezieht der Mythos das Begehren auf das Element der Erde als vollen Körper und auf den territorialen Code, der die Verbote und Vorschriften verteilt; und die Tragödie auf den vollen Körper des Despoten und den entsprechenden imperialen Code. Von da an kann das Verständnis der symbolischen Repräsentationen in einer systematischen Phänomenologie dieser Elemente und Objektitäten bestehen (nach Art der alten Hellenisten oder selbst Jungs); oder in einer historischen Untersuchung, die sie auf ihre objektiven und realen sozialen Bedingungen bezieht (nach Art der jüngeren Hellenisten). Von diesem letzten Standpunkt aus impliziert die Repräsentation eine gewisse Verschiebung und drückt weniger ein stabiles Element aus als den bedingten Übergang von einem Element zu einem anderen: die mythische Repräsentation drückt nicht das Element der Erde aus, sondern eher die Bedingungen, unter denen dieses Element vor dem despotischen Element zurückweicht; und die tragische Repräsentation drückt nicht das despotische Element im eigentlichen Sinn aus, sondern die Bedingungen, unter denen, etwa in Griechenland im 5. Jahrhundert, dieses Element zugunsten der neuen Ordnung der Stadt zurückweicht.20 Nun ist es offensichtlich, dass keine dieser Behandlungen des Mythos oder der Tragödie der Psychoanalyse entspricht. Die psychoanalytische Methode ist eine ganz andere: statt die symbolische Repräsentation auf bestimmte Objektitäten und objektive soziale Bedingungen zu beziehen, bezieht sie sie auf das subjektive und universelle Wesen des Begehrens als Libido. So kann die Operation des Dekodierens in der Psychoanalyse nicht mehr bedeuten, was sie in den Humanwissenschaften bedeutet, nämlich das Geheimnis dieses oder jenes Codes zu entdecken, sondern die Codes zu lösen, um quantitative und qualitative Libido-Flüsse zu erreichen, die den Traum, die Phantasie, die pathologischen Formationen ebenso durchqueren wie den Mythos, die Tragödie und die sozialen Formationen. Die psychoanalytische Interpretation besteht nicht darin, in Codes zu konkurrieren, einen Code zu den bereits bekannten Codes hinzuzufügen, sondern absolut zu dekodieren, etwas zu lösen, das kraft seines Polymorphismus und seiner Polyvokheit unkodbari ist.21 Dann zeigt sich, dass das Interesse der Psychoanalyse am Mythos (oder an der Tragödie) ein wesentlich kritisches Interesse ist, da die Spezifik des Mythos, objektiv verstanden, in der subjektiven Sonne der Libido schmelzen muss: es ist tatsächlich die Welt der Repräsentation, die zusammenbricht oder dazu tendiert, zusammenzubrechen.
Das heißt, zweitens, dass die Verbindung der Psychoanalyse mit dem Kapitalismus nicht weniger tief ist als die der politischen Ökonomie. Diese Entdeckung der dekodierten und deterritorialisierten Flüsse ist dieselbe, die sich für die politische Ökonomie und in der sozialen Produktion in der Gestalt der abstrakten subjektiven Arbeit vollzieht, und für die Psychoanalyse und in der begehrenden Produktion in der Gestalt der abstrakten subjektiven Libido. Wie Marx sagt, ist es im Kapitalismus, dass das Wesen subjektiv wird, allgemeine Produktionstätigkeit, und dass die abstrakte Arbeit etwas Reales wird, von dem aus man alle früheren sozialen Formationen vom Standpunkt einer Dekodierung oder eines Prozesses allgemeiner Deterritorialisierung neu interpretieren kann: « So erscheint die einfachste Abstraktion, die die moderne Ökonomie an die erste Stelle setzt und die ein uraltes, für alle Gesellschaftsformen gültiges Phänomen ausdrückt, doch als praktisch wahr, in dieser Abstraktion, nur als Kategorie der modernsten Gesellschaft. » Dasselbe gilt für das abstrakte Begehren als Libido, als subjektives Wesen. Nicht dass man einen bloßen Parallelismus herstellen müsste zwischen der kapitalistischen sozialen Produktion und der begehrenden Produktion, oder zwischen den Kapital-Geld-Flüssen und den Scheiß-Flüssen des Begehrens. Das Verhältnis ist viel enger: die begehrenden Maschinen sind nirgendwo anders als in den sozialen Maschinen, so dass die Konjunktion der dekodierten Flüsse in der kapitalistischen Maschine dazu tendiert, die freien Figuren einer universellen subjektiven Libido freizusetzen. Kurz, die Entdeckung einer Produktionstätigkeit im Allgemeinen und ohne Unterscheidung, wie sie im Kapitalismus erscheint, ist untrennbar die der politischen Ökonomie und der Psychoanalyse, jenseits der bestimmten Repräsentationssysteme.
Das heißt natürlich nicht, dass der kapitalistische Mensch oder im Kapitalismus zu arbeiten begehrt oder gemäß seinem Begehren arbeitet. Die Identität von Begehren und Arbeit ist eher, nicht ein Mythos, sondern die aktive Utopie par excellence, die die Grenze bezeichnet, die im Kapitalismus in der begehrenden Produktion zu überschreiten ist. Aber warum wird gerade die begehrende Produktion an der Grenze stets vom Kapitalismus behindert? Warum hört der Kapitalismus, während er das subjektive Wesen des Begehrens und der Arbeit entdeckt – gemeinsames Wesen als Produktionstätigkeit im Allgemeinen –, nicht auf, es wieder zu entfremden, und sofort, in einer repressiven Maschine, die das Wesen in zwei Teile trennt und getrennt hält, abstrakte Arbeit auf der einen Seite, abstraktes Begehren auf der anderen: politische Ökonomie und Psychoanalyse, politische Ökonomie und libidinöse Ökonomie? Hier können wir das ganze Ausmaß der Zugehörigkeit der Psychoanalyse zum Kapitalismus würdigen. Denn wie wir gesehen haben, hat der Kapitalismus zwar als Grenze die dekodierten Flüsse der begehrenden Produktion, hört aber nicht auf, sie zurückzustoßen, indem er sie in einer Axiomatik bindet, die an die Stelle der Codes tritt. Der Kapitalismus ist untrennbar von der Bewegung der Deterritorialisierung, aber diese Bewegung beschwört er durch faktische und künstliche Reterritorialisierungen. Er baut sich auf den Ruinen der territorialen und despotischen, mythischen und tragischen Repräsentationen auf, aber er restauriert sie zu seinem Dienst und in anderer Form, als Bilder des Kapitals. Marx fasst das Ganze zusammen, indem er sagt, dass das abstrakte subjektive Wesen vom Kapitalismus nur entdeckt wird, um erneut gekettet, entfremdet zu werden, nicht mehr zwar in einem äußeren und unabhängigen Element als Objektität, aber im selbst subjektiven Element des Privateigentums: « Früher war der Mensch außer sich, sein Zustand war der der wirklichen Entfremdung; jetzt hat sich dieser Zustand in Akt der Entfremdung, der Enteignung verwandelt. » In der Tat ist es die Form des Privateigentums, die die Konjunktion der dekodierten Flüsse bedingt, das heißt ihre Axiomatisierung in einem System, in dem der Fluss der Produktionsmittel als Eigentum der Kapitalisten sich auf den Fluss der sogenannten freien Arbeit bezieht, als « Eigentum » der Arbeiter (so dass staatliche Einschränkungen in der Materie oder im Inhalt des Privateigentums diese Form überhaupt nicht betreffen). Es ist noch immer die Form des Privateigentums, die das Zentrum der faktischen Reterritorialisierungen des Kapitalismus bildet. Sie ist es schließlich, die die Bilder produziert, die das Immanenzfeld des Kapitalismus füllen, « der » Kapitalist, « der » Arbeiter usw. Mit anderen Worten, der Kapitalismus impliziert wohl den Zusammenbruch der großen bestimmten objektiven Repräsentationen zugunsten der Produktion als inneres universelles Wesen, aber er tritt dadurch nicht aus der Welt der Repräsentation heraus, er vollzieht nur eine umfassende Konversion dieser Welt, indem er ihr die neue Form einer unendlichen subjektiven Repräsentation gibt.22
Wir scheinen uns von den Sorgen der Psychoanalyse zu entfernen, und doch waren wir ihr nie näher. Denn auch hier, wie wir zuvor gesehen haben, ist es im Inneren seiner Bewegung, dass der Kapitalismus nicht nur eine soziale Axiomatik verlangt und einsetzt, sondern eine Anwendung dieser Axiomatik auf die privatisierte Familie. Niemals würde die Repräsentation ihre eigene Konversion ohne diese Anwendung sichern, die sie aushöhlt, sie spaltet und sie auf sich selbst zurückklappt. Dann hat die abstrakte subjektive Arbeit, wie sie im Privateigentum repräsentiert ist, als Korrelat das abstrakte subjektive Begehren, wie es in der privatisierten Familie repräsentiert ist. Die Psychoanalyse übernimmt diesen zweiten Term, wie die politische Ökonomie den ersten. Die Psychoanalyse ist die Anwendungstechnik, deren Axiomatik die politische Ökonomie ist. Kurz, die Psychoanalyse legt den zweiten Pol in der dem Kapitalismus eigenen Bewegung frei, die die unendliche subjektive Repräsentation an die Stelle der großen bestimmten objektiven Repräsentationen setzt. Denn die Grenze der dekodierten Flüsse der begehrenden Produktion muss zweimal beschworen, zweimal verschoben werden, einmal durch die Setzung immanenter Grenzen, die der Kapitalismus unaufhörlich in immer größerem Maßstab reproduziert, ein anderes Mal durch das Ziehen einer inneren Grenze, die diese soziale Reproduktion auf die eingeschränkte familiäre Reproduktion zurückklappt. Die Ambiguität der Psychoanalyse gegenüber Mythos oder Tragödie erklärt sich dann so: sie löst sie als objektive Repräsentationen auf und entdeckt in ihnen die Figuren einer universellen subjektiven Libido; aber sie findet sie wieder und befördert sie als subjektive Repräsentationen, die die mythischen und tragischen Inhalte ins Unendliche erheben. Sie behandelt Mythos und Tragödie, aber behandelt sie als die Träume und Phantasmen des privaten Menschen, Homo familia – und in der Tat verhalten sich Traum und Phantasma zu Mythos und Tragödie wie das Privateigentum zum Gemeineigentum. Was im Mythos und in der Tragödie als objektives Element fungiert, wird also von der Psychoanalyse wiederaufgenommen und erhöht, aber als unbewusste Dimension der subjektiven Repräsentation (der Mythos als Traum der Menschheit). Was als objektives und öffentliches Element fungiert – die Erde, der Despot – wird nun wiederaufgenommen, aber als Ausdruck einer subjektiven und privaten Reterritorialisierung: Ödipus ist der gestürzte, verbannte, deterritorialisierte Despot, aber man reterritorialisiert auf den Ödipuskomplex, verstanden als Papa-Mama-Ich des beliebigen Menschen heute. Die Psychoanalyse und der Ödipuskomplex sammeln alle Glaubenssätze, alles, was die Menschheit seit jeher geglaubt hat, aber um es in den Zustand einer Verneinung zu bringen, die den Glauben bewahrt, ohne daran zu glauben (es ist nur ein Traum…: die strengste Frömmigkeit verlangt heute nicht mehr…). Daher dieser doppelte Eindruck, dass die Psychoanalyse sich ebenso der Mythologie wie den Mythologen widersetzt, aber zugleich Mythos und Tragödie auf die Dimensionen des subjektiven Universellen hebt: wenn Ödipus selbst « ohne Komplex » ist, ist der Ödipuskomplex ohne Ödipus, wie der Narzissmus ohne Narziss.23 Das ist die Ambivalenz, die die Psychoanalyse durchzieht und die das besondere Problem von Mythos und Tragödie übersteigt: mit der einen Hand löst sie das System der objektiven Repräsentationen (Mythos, Tragödie) zugunsten des subjektiven Wesens, gedacht als begehrende Produktion, auf, und mit der anderen Hand führt sie diese Produktion in ein System subjektiver Repräsentationen zurück (Traum, Phantasma, deren Entwicklungen oder Projektionen Mythos und Tragödie gesetzt werden). Bilder, nichts als Bilder. Was am Ende bleibt, ist ein intimes und familiäres Theater, das Theater des privaten Menschen, das weder begehrende Produktion noch objektive Repräsentation ist. Das Unbewusste als Bühne. Ein ganzes Theater an die Stelle der Produktion gesetzt, das sie noch mehr entstellt, als Tragödie und Mythos es konnten, auf ihre bloßen antiken Mittel reduziert.
Mythos, Tragödie, Traum, Phantasma – und Mythos und Tragödie in Funktion von Traum und Phantasma uminterpretiert –, das ist die repräsentative Serie, die die Psychoanalyse an die Stelle der Produktionslinie setzt, soziale und begehrende Produktion. Theater-Serie statt Produktions-Serie. Aber gerade: warum nimmt die Repräsentation, sobald sie subjektiv geworden ist, diese theatralische Form an (« Zwischen der Psychoanalyse und dem Theater gibt es eine geheimnisvolle Verbindung… »)? Man kennt die eminent moderne Antwort einiger jüngerer Autoren: Das Theater legt die endliche Struktur der unendlichen subjektiven Repräsentation frei. Was freilegen bedeutet, ist sehr komplex, da die Struktur niemals etwas anderes präsentieren kann als ihre eigene Abwesenheit, oder etwas Nicht-Repräsentiertes in der Repräsentation repräsentieren kann: aber es ist, so sagt man, das Privileg des Theaters, diese metaphorische und metonymische Kausalität auf die Bühne zu bringen, die zugleich die Anwesenheit und die Abwesenheit der Struktur in ihren Wirkungen markiert. André Green macht in dem Moment, in dem er Vorbehalte gegenüber der Genügsamkeit der Struktur anbringt, diese Vorbehalte nur im Namen eines Theaters, das für die Aktualisierung jener notwendig ist, eine Rolle als Enthüller spielt, der Ort, durch den sie sichtbar wird.24 Octave Mannoni nimmt in seiner schönen Analyse des Phänomens des Glaubens ebenso das Modell des Theaters, um zu zeigen, wie die Glaubensverneinung in Wahrheit eine Transformation des Glaubens impliziert, unter der Wirkung einer Struktur, die das Theater verkörpert oder auf die Bühne stellt.25 Wir müssen verstehen, dass die Repräsentation, wenn sie aufhört, objektiv zu sein, wenn sie unendliche subjektive Repräsentation wird, das heißt imaginär, tatsächlich jede Konsistenz verliert, sofern sie nicht auf eine Struktur verweist, die sowohl den Platz und die Funktionen des Subjekts der Repräsentation bestimmt, der repräsentierten Objekte als Bilder, wie die formalen Verhältnisse zwischen ihnen allen. Symbolisch bezeichnet dann keineswegs mehr das Verhältnis der Repräsentation zu einer Objektität als Element, sondern die letzten Elemente der subjektiven Repräsentation, reine Signifikanten, reine nicht repräsentierte Repräsentanten, aus denen zugleich die Subjekte, die Objekte und ihre Verhältnisse hervorgehen. Die Struktur bezeichnet so das Unbewusste der subjektiven Repräsentation. Die Serie dieser Repräsentation stellt sich nun dar: unendliche subjektive Repräsentation (imaginär) – theatralische Repräsentation – strukturelle Repräsentation. Und gerade weil das Theater die latente Struktur auf die Bühne bringen soll, gleichsam ihre Elemente und Beziehungen verkörpern soll, ist es geeignet, die Universalität dieser Struktur zu enthüllen, einschließlich in den objektiven Repräsentationen, die es aufgreift und in Funktion der verborgenen Repräsentanten, ihrer Migrationen und variablen Beziehungen uminterpretiert. Man sammelt, man nimmt alle Glaubenssätze wieder auf im Namen einer Struktur des Unbewussten: wir sind noch immer fromm. Überall das große Spiel des symbolischen Signifikanten, der sich in den Signifikaten des Imaginären verkörpert – Ödipus als universelle Metapher.
Warum das Theater? Wie seltsam ist dieses Unbewusste aus Theater und Pappmaché. Das Theater als Modell der Produktion genommen. Selbst bei Althusser erlebt man folgende Operation: die Entdeckung der sozialen Produktion als « Maschine » oder « Maschinerie », irreduzibel auf die Welt der objektiven Repräsentation (Vorstellung); aber sofort die Reduktion der Maschine auf die Struktur, die Identifikation der Produktion mit einer strukturalen und theatralischen Repräsentation (Darstellung).26 Nun ist es mit der begehrenden Produktion wie mit der sozialen Produktion: jedes Mal, wenn die Produktion, statt in ihrer Originalität, in ihrer Realität erfasst zu werden, so auf einen Repräsentationsraum zurückgeklappt wird, kann sie nur noch durch ihre eigene Abwesenheit gelten und erscheint als ein Mangel in diesem Raum. Auf der Suche nach der Struktur in der Psychoanalyse kann Moustafa Safouan sie als einen « Beitrag zu einer Theorie des Mangels » darstellen. In der Struktur vollzieht sich die Verschweißung des Begehrens mit dem Unmöglichen, und der Mangel wird als Kastration definiert. Aus der Struktur erhebt sich das strengste Lied zu Ehren der Kastration: ja, ja, durch die Kastration treten wir in die Ordnung des Begehrens ein – sobald die begehrende Produktion sich im Raum einer Repräsentation ausgebreitet hat, die sie nur als Abwesenheit und als Mangel an sich selbst bestehen lässt. Denn man zwingt den begehrenden Maschinen eine strukturelle Einheit auf, die sie in einer molaren Gesamtheit vereint; man bezieht die Partialobjekte auf eine Totalität, die nur als das erscheinen kann, dessen sie entbehren, und als das, dem an sich selbst etwas fehlt, indem es ihnen fehlt (der große Signifikant, « symbolisierbar durch das Inhärenzsein eines – 1 an der Gesamtheit der Signifikanten »). Wie weit wird man in der Entwicklung eines Mangels des Mangels gehen, der die Struktur durchzieht? Das ist die strukturelle Operation: sie richtet den Mangel in der molaren Gesamtheit ein. Dann ist die Grenze der begehrenden Produktion – die Grenze, die die molaren Gesamtheiten und ihre molekularen Elemente trennt, die objektiven Repräsentationen und die Maschinen des Begehrens – nun völlig verschoben. Sie verläuft nur noch in der molaren Gesamtheit selbst, insofern sie durch die Furche der Kastration ausgehöhlt ist. Die formalen Operationen der Struktur sind die der Extrapolation, der Anwendung, der Bi-Univokisierung, die die soziale Ausgangsgesamtheit auf eine familiäre Ankunftsgesamtheit zurückklappen, wobei die familiäre Relation « metaphorisch für alle anderen » wird und die molekularen produktiven Elemente daran hindert, ihrer eigenen Fluchtlinie zu folgen. Wenn Green nach den Gründen sucht, die die Affinität der Psychoanalyse mit der theatralischen Repräsentation und der Struktur begründen, die sie sichtbar macht, führt er zwei besonders markante an: dass das Theater die familiäre Beziehung in den Zustand eines universellen metaphorischen Strukturverhältnisses erhebt, aus dem das imaginäre Spiel und der imaginäre Platz der Personen hervorgehen; und umgekehrt, dass es das Spiel und das Funktionieren der Maschinen hinter die Kulissen zurückdrängt, hinter eine Grenze, die unüberschreitbar geworden ist (genau wie im Phantasma sind die Maschinen da, aber hinter der Mauer). Kurz, die verschobene Grenze verläuft nicht mehr zwischen objektiver Repräsentation und begehrender Produktion, sondern zwischen den beiden Polen der subjektiven Repräsentation, als unendliche imaginäre Repräsentation und endliche strukturelle Repräsentation. Man kann von da an diese beiden Aspekte gegeneinanderstellen, die imaginären Variationen, die zur Nacht des Unbestimmten oder des Undifferenzierten tendieren, und das symbolische Invariante, das den Weg der Differenzierungen zeichnet: es ist dasselbe, was man auf beiden Seiten findet, nach einer Regel des umgekehrten Verhältnisses oder des double bind. Die ganze Produktion in die doppelte Sackgasse der subjektiven Repräsentation geführt. Man kann Ödipus immer dem Imaginären zuschieben, man findet ihn wieder, stärker und ganzer, stärker mangelnd und triumphierend gerade dadurch, dass er fehlt, man findet ihn ganz und gar in der symbolischen Kastration wieder. Und gewiss gibt uns die Struktur keinerlei Mittel, dem Familialismus zu entkommen; im Gegenteil, sie schnürt ab, sie gibt der Familie einen universellen metaphorischen Wert in dem Moment, in dem sie ihre objektiven wörtlichen Werte verloren hat. Die Psychoanalyse gesteht ihre Ambition: den Staffelstab der versagenden Familie zu übernehmen, das zertrümmerte Familienbett durch die psychoanalytische Couch zu ersetzen, zu machen, dass die « analytische Situation » ihrem Wesen nach inzestuös sei, dass sie Beweis oder Garant ihrer selbst sei und für die Realität gelte.27 Darum geht es in letzter Instanz, wie Octave Mannoni zeigt: wie kann der Glaube nach der Verwerfung weitergehen, wie können wir weiter fromm sein? Wir haben alle unsere Glaubenssätze verworfen und verloren, die durch die objektiven Repräsentationen gingen. Die Erde ist tot, die Wüste wächst: der alte Vater ist tot, der territoriale Vater, auch der Sohn, der Ödipus-Despot. Wir sind allein mit unserem schlechten Gewissen und unserer Langeweile, unserem Leben, in dem nichts geschieht; nichts mehr als Bilder, die in der unendlichen subjektiven Repräsentation kreisen. Aber diesen Bildern finden wir die Kraft wieder zu glauben, aus dem Grund einer Struktur heraus, die unsere Verhältnisse zu ihnen und unsere Identifikationen als ebenso viele Effekte eines symbolischen Signifikanten regelt. Die « gute Identifikation »… Wir sind alle Chéri-Bibi im Theater, wir rufen vor Ödipus: das ist einer von meinem Schlag, das ist einer von meinem Schlag! Alles wird wieder aufgenommen, der Mythos der Erde, die Tragödie des Despoten, als Schatten, die auf ein Theater projiziert werden. Die großen Territorialitäten sind zusammengebrochen, aber die Struktur vollzieht alle subjektiven und privaten Reterritorialisierungen. Was für eine perverse Operation, die Psychoanalyse, in der dieser Neo-Idealismus kulminiert, dieser wiederhergestellte Kult der Kastration, diese Ideologie des Mangels: die anthropomorphe Repräsentation des Geschlechts! In Wahrheit wissen sie nicht, was sie tun, noch welchem Repressionsmechanismus sie dienen, denn ihre Intentionen sind oft progressistisch. Aber heute kann niemand in das Kabinett eines Analytikers treten, ohne wenigstens zu wissen, dass alles im Voraus gespielt ist: Ödipus und die Kastration, das Imaginäre und das Symbolische, die große Lektion der Unzulänglichkeit des Seins oder der Entäußerung… Psychoanalyse als Gadget, Ödipus als Reterritorialisierung, als Wiederaufforstung des modernen Menschen auf dem « Fels » der Kastration.
Ganz anders war der von Lacan gezogene Weg. Er begnügt sich nicht, wie das analytische Eichhörnchen, im Rad des Imaginären und des Symbolischen zu laufen, des ödipalen Imaginären und der ödipianisierenden Struktur, der imaginären Identität der Personen und der strukturalen Einheit der Maschinen, überall an die Sackgassen einer molaren Repräsentation stoßend, die die Familie in sich selbst schließt. Wozu dient es, vom imaginären Duell zum symbolischen Dritten (oder Vierten) überzugehen, wenn dieses bi-univokisierend ist, während jenes bi-univokisiert ist? Die begehrenden Maschinen als Partialobjekte erleiden zwei Totalisierungen, die eine, wenn der socius ihnen eine strukturelle Einheit unter einem symbolischen Signifikanten verleiht, der als Abwesenheit und Mangel in einer Ausgangsgesamtheit wirkt, die andere, wenn die Familie ihnen eine personale Einheit mit imaginären Signifikaten aufzwingt, die den Mangel verteilen, ihn « vakuolisieren » in einer Ankunftsgesamtheit: zwei Entführungen von Maschinen, insofern die Struktur darin ihre Artikulation setzt, insofern die Eltern darin ihre Finger legen. Von den Bildern zur Struktur aufzusteigen hätte wenig Tragweite und würde uns nicht aus der Repräsentation herausführen, wenn die Struktur nicht eine Kehrseite hätte, die wie die reale Produktion des Begehrens ist. Diese Kehrseite ist die « reale Inorganisation » der molekularen Elemente: Partialobjekte, die in Synthesen oder indirekte Interaktionen eintreten, da sie nicht partiell im Sinn ausgedehnter Teile sind, sondern eher « partiell » wie die Intensitäten, unter denen eine Materie den Raum immer in verschiedenen Graden erfüllt (das Auge, der Mund, der Anus als Grade der Materie); reine positive Vielheiten, in denen alles möglich ist, ohne Ausschluss und ohne Negation, Synthesen, die ohne Plan operieren, in denen die Verbindungen transversal sind, die Disjunktionen eingeschlossen, die Konjunktionen polyvok, ihrem Träger gegenüber indifferent, da diese Materie, die ihnen gerade als Träger dient, unter keiner strukturellen noch personalen Einheit spezifiziert ist, sondern als Körper ohne Organe erscheint, der den Raum erfüllt, jedes Mal wenn eine Intensität ihn erfüllt; Zeichen des Begehrens, die eine signifikante Kette komponieren, aber selbst nicht signifikant sind, nicht den Regeln eines sprachlichen Schachspiels entsprechen, sondern den Ziehungen eines Lottospiels, das bald ein Wort, bald eine Zeichnung, bald ein Ding oder ein Stück Ding hervorbringt, die voneinander nur durch die Ordnung der Zufallsziehungen abhängen und nur durch das Fehlen einer Verbindung zusammenhalten (nicht lokalisierbare Verbindungen), keinen anderen Status haben, als verstreute Elemente begehrender Maschinen zu sein, die selbst verstreut sind.28 Diese ganze Kehrseite der Struktur entdeckt Lacan, mit dem « a » als Maschine und dem « A » als nichtmenschlichem Geschlecht: das analytische Feld schizophrénisieren, statt das psychotische Feld zu ödipianisieren.
Wie die Struktur daraus hervorgeht, nach Konsistenz- oder Strukturierungsebenen, Selektionslinien, die den großen statistischen Gesamtheiten oder molaren Formationen entsprechen, die Verbindungen bestimmen und die Produktion auf die Repräsentation zurückklappen: dort werden die Disjunktionen exklusiv (und die Verbindungen global und die Konjunktionen bi-univok), während der Träger unter einer strukturalen Einheit spezifiziert wird und die Zeichen selbst unter der Wirkung eines despotischen Symbols, das sie im Namen seiner eigenen Abwesenheit oder seines eigenen Rückzugs totalisiert, zu Signifikanten werden. Denn dort-ja-in-der-Tat: die Produktion des Begehrens kann nur in Funktion eines extrapolierten Zeichens repräsentiert werden, das alle ihre Elemente in einer Gesamtheit vereint und selbst nicht Teil dieser Gesamtheit ist. Dort erscheint das Fehlen einer Verbindung notwendig als ein Fehlen und nicht mehr als eine positive Kraft. Dort wird das Begehren notwendig auf einen fehlenden Term bezogen, dessen Wesen selbst darin besteht, zu fehlen. Die Zeichen des Begehrens, die nicht signifikant sind, werden in der Repräsentation nur in Funktion eines Signifikanten der Abwesenheit oder des Mangels zu Signifikanten. Die Struktur bildet sich und erscheint nur in Funktion des symbolischen Terms, der als Mangel definiert ist. Der große Andere als nichtmenschliches Geschlecht macht in der Repräsentation einem Signifikanten des großen Anderen als stets fehlendem Term Platz, allzu menschliches Geschlecht, Phallus der molaren Kastration.29 Aber eben dort nimmt auch Lacans Vorgehen seine ganze Komplexität an; denn gewiss schließt er keine ödipale Struktur über das Unbewusste. Er zeigt im Gegenteil, dass Ödipus imaginär ist, nichts als ein Bild, ein Mythos; und dass dieses oder diese Bilder von einer ödipianisierenden Struktur produziert werden; und dass diese Struktur nur wirkt, sofern sie das Element der Kastration reproduziert, das seinerseits nicht imaginär, sondern symbolisch ist. Das sind die drei großen Strukturierungsebenen, die den molaren Gesamtheiten entsprechen: Ödipus als imaginäre Reterritorialisierung des privaten Menschen, produziert unter den strukturalen Bedingungen des Kapitalismus, insofern dieser den Archaismus des imperialen Symbols oder des verschwundenen Despoten reproduziert und wiedererweckt. Alle drei sind notwendig: gerade um Ödipus bis an den Punkt seiner Selbstkritik zu führen. Ödipus an einen solchen Punkt zu führen, das ist die von Lacan unternommene Aufgabe. (Ebenso hat Élisabeth Roudinesco gut gesehen, dass bei Lacan die Hypothese eines Unbewussten-Sprache das Unbewusste nicht in eine linguistische Struktur einschließt, sondern die Linguistik an ihren Punkt der Selbstkritik führt, indem sie zeigt, wie die strukturelle Organisation der Signifikanten noch immer von einem großen despotischen Signifikanten abhängt, der als Archaismus wirkt.)30 Was ist der Punkt der Selbstkritik? Es ist der, an dem die Struktur, jenseits der Bilder, die sie füllen, und des Symbolischen, das sie in der Repräsentation bedingt, ihre Kehrseite als ein positives Prinzip der Nicht-Konsistenz entdeckt, das sie auflöst: wo das Begehren in die Ordnung der Produktion zurückgeführt wird, auf seine molekularen Elemente bezogen, und wo es an nichts Mangel leidet, weil es sich als natürliches und sinnliches Objekt-Sein definiert, während das Reale sich als objektives Sein des Begehrens definiert. Denn das Unbewusste der Schizoanalyse ignoriert die Personen, die Gesamtheiten und die Gesetze; die Bilder, die Strukturen und die Symbole. Es ist verwaist, so wie es anarchistisch und atheistisch ist. Es ist nicht verwaist in dem Sinn, dass der Name des Vaters eine Abwesenheit bezeichnen würde, sondern in dem Sinn, dass es sich selbst überall dort produziert, wo die Namen der Geschichte gegenwärtige Intensitäten bezeichnen (« das Meer der Eigennamen »). Es ist nicht figurativ, denn sein Figural ist abstrakt, die Figur-Schize. Es ist nicht struktural noch symbolisch, denn seine Realität ist die des Realen in seiner Produktion, in seiner eigenen Inorganisation. Es ist nicht repräsentativ, sondern nur maschinisch und produktiv.
Zerstören, zerstören: die Aufgabe der Schizoanalyse geht durch die Zerstörung, durch eine ganze Reinigung, eine ganze Kürettage des Unbewussten. Ödipus zerstören, die Ich-Illusion, den Hampelmann des Über-Ichs, die Schuld, das Gesetz, die Kastration… Es handelt sich nicht um fromme Zerstörungen, wie sie die Psychoanalyse unter der wohlwollenden Neutralität des Analytikers vollzieht. Denn das sind Zerstörungen nach Art Hegels, Weisen des Bewahrens. Wie sollte die berühmte Neutralität nicht lachen machen? Und was die Psychoanalyse Verschwinden oder Auflösung des Ödipuskomplexes nennt, zu nennen wagt? Man sagt uns, Ödipus sei unentbehrlich, Quelle jeder möglichen Differenzierung, und rette uns vor der furchtbaren undifferenzierten Mutter. Aber diese furchtbare Mutter, die Sphinx, gehört selbst zu Ödipus; ihre Undifferenziertheit ist nur die Kehrseite der exklusiven Differenzierungen, die Ödipus schafft, sie ist selbst von Ödipus geschaffen: Ödipus funktioniert notwendig in der Form dieser doppelten Sackgasse. Man sagt uns, Ödipus müsse seinerseits überwunden werden, und er werde es durch Kastration, Latenz, Entsexualisierung und Sublimierung. Aber was ist die Kastration anderes als Ödipus noch, in Potenz n, und symbolisch geworden, umso virulenter? Und was ist die Latenz, diese reine Fabel, anderes als das den begehrenden Maschinen auferlegte Schweigen, damit Ödipus sich entwickeln, sich in uns stärken, sein giftiges Sperma ansammeln kann, die Zeit, fähig zu werden, sich zu verbreiten, auf unsere zukünftigen Kinder überzugehen? Und die Beseitigung der Kastrationsangst ihrerseits, die Entsexualisierung und die Sublimierung, was sind sie anderes als die göttliche Annahme, die unendliche Resignation des schlechten Gewissens, die darin besteht, dass die Frau « ihr Penisbegehren in Begehren nach dem Mann und dem Kind umwandelt », und dass der Mann seine passive Haltung übernimmt und « sich vor einem Vaterersatz neigt »?31 Umso mehr sind wir « aus » Ödipus heraus, als wir zu einem lebendigen Beispiel, zu einem Plakat, zu einem Theorem in actu werden, um unsere Kinder in ihn hineinzubringen: wir haben uns zu Ödipus entwickelt, wir haben uns zu Ödipus strukturiert, unter dem neutralen und wohlwollenden Auge des Ersatzes, wir haben das Lied der Kastration gelernt, das Mangel-an-Sein-der-das-Leben-ist, « ja es ist durch die Kastration / dass wir / zum Begehreeeeeren gelangen… ». Was man das Verschwinden von Ödipus nennt, das ist Ödipus, zur Idee geworden. Nur die Idee kann das Gift injizieren. Ödipus muss eine Idee werden, damit jedes Mal seine Arme und Beine wieder austreiben, seine Lippen und sein Schnurrbart: « Indem Sie die reminiszente Toten wiedererleben, wird Ihr Ich zu einer Art mineralischem Theorem, das ständig die Nichtigkeit des Lebens beweist. »32 Wir sind zu Ödipus trianguliert worden, und wir werden in ihm triangulieren. Von der Familie zum Paar, vom Paar zur Familie. In Wahrheit ist die wohlwollende Neutralität des Analytikers sehr begrenzt: sie hört auf, sobald man ihm nicht mehr Papa-Mama antwortet. Sie hört auf, sobald man eine kleine begehrende Maschine einführt, das Tonbandgerät im Kabinett des Analytikers, sie hört auf, sobald man einen Fluss durchlässt, der sich nicht von Ödipus stempeln lässt, der Marke des Dreiecks (man sagt Ihnen, Sie hätten die Libido zu zäh, oder zu flüssig, Gegenanzeigen für die Analyse). Wenn Fromm die Existenz einer psychoanalytischen Bürokratie anprangert, geht er noch nicht weit genug, weil er nicht sieht, was der Stempel dieser Bürokratie ist und dass ein bloßer Appell an das Prä-Ödipale nicht genügt, ihr zu entkommen: das Prä-Ödipale ist wie das Post-Ödipale noch immer eine Weise, die ganze begehrende Produktion auf Ödipus zurückzuführen – das Anödpale. Wenn Reich anprangert, wie die Psychoanalyse sich in den Dienst der sozialen Repression stellt, geht er noch nicht weit genug, weil er nicht sieht, dass die Verbindung der Psychoanalyse mit dem Kapitalismus nicht nur ideologisch ist, dass sie unendlich viel enger, viel fester ist; und dass die Psychoanalyse direkt von einem ökonomischen Mechanismus abhängt (daher ihre Beziehungen zum Geld), durch den die dekodierten Flüsse des Begehrens, so wie sie in der Axiomatik des Kapitalismus gefasst sind, notwendig auf ein familiäres Feld zurückgeklappt werden müssen, auf dem die Anwendung dieser Axiomatik stattfindet: Ödipus als letztes Wort der kapitalistischen Konsumtion, an Papa-Mama nuckeln, sich stempeln und triangulieren lassen auf der Couch, « also ist es… ». Nicht weniger als der bürokratische oder militärische Apparat ist die Psychoanalyse ein Mechanismus der Absorption des Mehrwerts; und sie ist es nicht von außen, extrinsisch, sondern ihre Form und ihre Finalität selbst sind durch diese soziale Funktion geprägt. Es ist nicht der Perverse, nicht einmal der Autist, die der Psychoanalyse entkommen, es ist die ganze Psychoanalyse, die eine gigantische Perversion ist, eine Droge, ein radikaler Schnitt mit der Realität, angefangen bei der Realität des Begehrens, ein Narzissmus, ein monströser Autismus: der eigentliche Autismus und die intrinsische Perversion der Maschine des Kapitals. An der Grenze misst sich die Psychoanalyse keiner Realität mehr, öffnet sich auf kein Draußen mehr, sondern wird selbst zur Realitätserprobung und zum Garanten ihrer eigenen Erprobung, die Realität als Mangel, auf den man das Außen und das Innen, den Ausgang und die Ankunft zurückführt: die Psychoanalyse index sui, ohne andere Referenz als sie selbst oder « die analytische Situation ».
Die Psychoanalyse sagt zwar, dass die unbewusste Repräsentation niemals unabhängig von den Deformationen, Verkleidungen oder Verschiebungen erfasst werden kann, die sie erleidet. Die unbewusste Repräsentation umfasst also wesentlich, kraft ihres Gesetzes, ein Repräsentiertes, das gegenüber einer in fortwährender Verschiebung befindlichen Instanz verschoben ist. Aber daraus zieht man zwei illegitime Schlüsse: dass man diese Instanz ausgehend vom verschobenen Repräsentierten entdecken könne; und dies, weil diese Instanz selbst zur Repräsentation gehört, als nicht repräsentierter Repräsentant oder als Mangel, « der im Übervoll einer Repräsentation hervorspringt ». Denn die Verschiebung verweist auf sehr unterschiedliche Bewegungen: einmal handelt es sich um die Bewegung, durch die die begehrende Produktion unaufhörlich die Grenze überschreitet, sich deterritorialisiert, ihre Flüsse fliehen lässt, die Schwelle der Repräsentation überschreitet; ein andermal handelt es sich im Gegenteil um die Bewegung, durch die die Grenze selbst verschoben wird und nun ins Innere der Repräsentation hinein verläuft, die die künstlichen Reterritorialisierungen des Begehrens vollzieht. Nun kann man vom Verschobenen auf das Verschiebende nur im zweiten Sinn schließen, wo die molare Repräsentation sich um einen Repräsentanten organisiert, der das Repräsentierte verschiebt. Aber gewiss nicht im ersten Sinn, wo die molekularen Elemente unaufhörlich durch die Maschen hindurchgehen. Wir haben aus dieser Perspektive gesehen, wie das Gesetz der Repräsentation die produktiven Kräfte des Unbewussten entnaturte und in seiner eigenen Struktur ein falsches Bild induzierte, das das Begehren in seine Falle nahm (Unmöglichkeit, vom Verbot auf das, was wirklich verboten ist, zu schließen). Ja, Ödipus ist tatsächlich das verschobene Repräsentierte; ja, die Kastration ist tatsächlich der Repräsentant, der Verschiebende, der Signifikant – aber nichts davon bildet ein unbewusstes Material, noch betrifft es die Produktionen des Unbewussten. All dies liegt vielmehr am Kreuzungspunkt zweier Fangoperationen: derjenigen, in der die repressive soziale Produktion durch Glaubenssätze ersetzt wird, und derjenigen, in der die verdrängte begehrende Produktion durch Repräsentationen ersetzt wird. Und gewiss ist es nicht die Psychoanalyse, die uns glauben macht: Ödipus und Kastration, danach verlangt man, danach verlangt man wieder, und diese Verlangen kommen anderswoher und tiefer. Aber die Psychoanalyse hat das folgende Mittel gefunden und erfüllt die folgende Funktion: die Glaubenssätze selbst nach der Verwerfung überleben zu lassen! noch glauben zu machen denen, die an nichts mehr glauben, … ihnen wieder eine private Territorialität zu machen, einen privaten Urstaat, ein privates Kapital (der Traum als Kapital, sagte Freud…). Deshalb muss die Schizoanalyse umgekehrt sich mit allen Kräften den notwendigen Zerstörungen hingeben. Glaubenssätze und Repräsentationen zerstören, Theaterszenen. Und niemals wird sie für diese Aufgabe eine zu böswillige Tätigkeit haben. Ödipus und Kastration sprengen, brutal eingreifen, jedes Mal wenn ein Subjekt den Gesang des Mythos anstimmt oder die Verse der Tragödie, es immer zur Fabrik zurückbringen. Wie Charlus sagt: « aber man pfeift doch auf seine alte Großmutter, was, du kleine Schurkin! ». Ödipus und Kastration, nichts als Reaktionsbildungen, Widerstände, Blockierungen und Panzerungen, deren Zerstörung nicht schnell genug kommt. Reich ahnt ein fundamentales Prinzip der Schizoanalyse, wenn er sagt, dass die Zerstörung der Widerstände nicht auf die Entdeckung des Materials warten darf.33 Aber aus einem noch radikaleren Grund als dem, den er dachte: weil es kein unbewusstes Material gibt, so dass die Schizoanalyse nichts zu interpretieren hat. Es gibt nur Widerstände, und dann Maschinen, begehrende Maschinen. Ödipus ist ein Widerstand; wenn wir vom intrinsisch perversen Charakter der Psychoanalyse sprechen konnten, so deshalb, weil die Perversion im Allgemeinen die künstliche Reterritorialisierung der Flüsse des Begehrens ist, während die Maschinen im Gegenteil die Indizes deterritorialiserter Produktion sind. Die Psychoanalyse reterritorialisiert auf der Couch, in der Repräsentation von Ödipus und Kastration. Die Schizoanalyse muss dagegen die deterritorialisierten Flüsse des Begehrens freilegen, in den molekularen Elementen der begehrenden Produktion. Man erinnere sich an die von Leclaire im Anschluss an Lacan formulierte praktische Regel, die Regel des Rechts auf Unsinn wie auf das Fehlen einer Verbindung: Sie werden die letzten und irreduziblen Termini des Unbewussten nicht erreicht haben, solange Sie zwischen zwei Elementen eine Verbindung finden oder wiederherstellen… (Aber warum dann in dieser äußersten Dispersion, Maschinen in jeder Maschine zerstreut, nur eine bloße « Fiktion » sehen, die der als Mangel definierten Realität weichen müsse, Ödipus oder Kastration im Galopp zurück, während man zugleich das Fehlen der Verbindung auf einen « Signifikanten » der Abwesenheit zurückklappt, der damit beladen ist, es zu repräsentieren, es selbst zu verbinden und uns von einem Pol zum anderen der Verschiebung zurückzuführen? Man fällt in das molare Loch zurück, indem man vorgibt, das Reale zu entlarven.)
Was alles verkompliziert, ist, dass es wohl eine Notwendigkeit gibt, die begehrende Produktion ausgehend von der Repräsentation zu induzieren, entlang ihrer Fluchtlinien zu entdecken; aber auf eine ganz andere Weise, als die Psychoanalyse es glaubt. Die dekodierten Flüsse des Begehrens bilden die freie Energie (Libido) der begehrenden Maschinen. Die begehrenden Maschinen zeichnen sich ab und weisen auf einer Deterritorialisierungstangente, die die repräsentativen Milieus durchquert und den Körper ohne Organe entlangläuft. Aufbrechen, fliehen, aber indem man fliehen lässt… Die begehrenden Maschinen selbst sind die Fluss-Schizen oder die Schnitt-Flüsse, die zugleich schneiden und fließen auf dem Körper ohne Organe: nicht die große Wunde, die in der Kastration repräsentiert ist, sondern die tausend kleinen Verbindungen, Disjunktionen, Konjunktionen, durch die jede Maschine einen Fluss in Bezug auf eine andere produziert, die ihn schneidet, und einen Fluss schneidet, den eine andere produziert. Aber diese dekodierten und deterritorialisierten Flüsse der begehrenden Produktion, wie sollten sie nicht auf irgendeine repräsentative Territorialität zurückgeklappt werden, wie sollten sie nicht noch eine bilden, sei es auf dem Körper ohne Organe als indifferentem Träger einer letzten Repräsentation? Selbst diejenigen, die am besten « aufbrechen » können, die aus dem Aufbrechen etwas ebenso Natürliches machen wie geboren werden und sterben, diejenigen, die hinabtauchen auf der Suche nach dem nichtmenschlichen Geschlecht, Lawrence, Miller, errichten irgendwo in der Ferne eine Territorialität, die noch eine anthropomorphe und phallische Repräsentation bildet, der Orient, Mexiko oder Peru. Selbst der Spaziergang oder die Reise des Schizo operieren keine großen Deterritorialisierungen, ohne territoriale Kreisläufe zu entlehnen: der stolpernde Gang Molloys und seines Fahrrads bewahrt das Zimmer der Mutter als Residuum eines Ziels; die schwankenden Spiralen des Unnennbaren behalten als unsicheres Zentrum den Familienturm, um den er weiter kreist, indem er die Seinen niedertritt; die unendliche Serie der nebeneinandergestellten und unlokalisierbaren Parks von Watt hat noch eine Referenz auf das Haus von Mister Knott, allein fähig, « die Seele hinauszuschieben », aber auch sie in ihren Ort zurückzurufen. Wir sind alle kleine Hunde, wir brauchen Kreisläufe und müssen ausgeführt werden. Selbst diejenigen, die am besten abstöpseln, abkoppeln können, gehen in Verbindungen begehrender Maschinen ein, die kleine Erden neu bilden. Selbst die großen Deterritorialisierten von Gisela Pankow werden dazu gebracht, unter den Wurzeln des außerirdischen Baums, der ihren Körper ohne Organe durchquert, das Bild eines Familienkastells zu entdecken.34 Wir unterschieden zuvor zwei Pole des Wahns, wie die molekulare schizophrene Fluchtlinie und die molare paranoide Investition; aber ebenso ist es der perverse Pol, der dem schizophrenen Pol entgegengesetzt ist, als Rekonstitution von Territorialitäten gegenüber der Bewegung der Deterritorialisierung. Und wenn die Perversion im engsten Sinn eine gewisse sehr besondere Art der Reterritorialisierung im Kunstgriff vollzieht, so umfasst die Perversion im weiten Sinn alle Typen, nicht nur die künstlichen, sondern die exotischen, die archaischen, die residualen, die privaten usw.: so Ödipus und die Psychoanalyse als Perversion. Selbst die schizophrenen Maschinen von Raymond Roussel verwandeln sich in perverse Maschinen eines Theaters, das Afrika repräsentiert. Kurz: keine Deterritorialisierung der Flüsse des schizophrenen Begehrens, die nicht von globalen oder lokalen Reterritorialisierungen begleitet wäre, die immer wieder Repräsentationsstrände neu bilden. Mehr noch: man kann die Kraft und die Hartnäckigkeit einer Deterritorialisierung nur durch die Typen der Reterritorialisierung beurteilen, die sie repräsentieren; die eine ist die Kehrseite der anderen. Unsere Lieben sind Komplexe von Deterritorialisierung und Reterritorialisierung. Was wir lieben, das ist immer ein bestimmter Mulatte, eine bestimmte Mulattin. Die Deterritorialisierung kann man niemals in sich selbst fassen, man fasst nur ihre Indizes in Bezug auf territoriale Repräsentationen. Nehmen wir das Beispiel des Traums: ja, der Traum ist ödipisch, und darüber muss man sich nicht wundern, weil er eine perverse Reterritorialisierung in Bezug auf die Deterritorialisierung des Schlafs und des Alpdrucks ist. Aber warum zum Traum zurückkehren, warum ihn zum Königsweg des Begehrens und des Unbewussten machen, da er die Manifestation eines Über-Ichs ist, eines übermächtigen und über-archaisierten Ichs (die Urszene des Urstaats)? Und doch funktionieren im Traum selbst, wie im Phantasma und im Wahn, Maschinen als Indizes der Deterritorialisierung. Im Traum gibt es immer Maschinen, begabt mit der seltsamen Eigenschaft, von Hand zu Hand zu gehen, zu fliehen und fließen zu lassen, mitzunehmen und mitgenommen zu werden. Das Flugzeug des elterlichen Koitus, das Auto des Vaters, die Nähmaschine der Großmutter, das Fahrrad des kleinen Bruders, alle Objekte des Diebstahls, im doppelten Sinn von « stehlen »…, die Maschine ist im Familientraum immer infernalisch. Sie führt Schnitte und Flüsse ein, die verhindern, dass der Traum sich auf seine Szene schließt und sich in seiner Repräsentation systematisiert. Sie lässt einen irreduziblen Faktor des Unsinns gelten, der sich anderswo und draußen entwickeln wird, in den Konjunktionen des Realen als solchen. Die Psychoanalyse trägt dem sehr schlecht Rechnung, mit ihrer ödipischen Hartnäckigkeit; denn man reterritorialisiert auf die Personen und die Milieus, aber man deterritorialisiert auf die Maschinen. Ist es Schrebers Vater, der mittels der Maschinen wirkt, oder im Gegenteil die Maschinen, die mittels des Vaters funktionieren? Die Psychoanalyse fixiert sich auf die imaginären und strukturalen Repräsentanten der Reterritorialisierung, während die Schizoanalyse den maschinischen Indizes der Deterritorialisierung folgt. Immer der Gegensatz des Neurotikers auf der Couch, als letzte und sterile Erde, letzte erschöpfte Kolonie, mit dem Schizo auf dem Spaziergang in einem deterritorialisierten Kreislauf.
Auszug aus einem Artikel von Michel Cournot über Chaplin, der gut verständlich macht, was das schizophrene Lachen ist, die schizophrene Fluchtlinie oder der schizophrene Durchbruch, und der Prozess als Deterritorialisierung, mit seinen maschinischen Indizes: « In dem Moment, in dem er sich zum zweiten Mal das Brett auf den Kopf fallen lässt – psychotische Geste –, provoziert Charles Chaplin das Lachen des Zuschauers. Ja, aber um welches Lachen handelt es sich? Und um welchen Zuschauer? Zum Beispiel stellt sich die Frage in diesem Moment des Films überhaupt nicht mehr, ob der Zuschauer den Unfall kommen sehen oder von ihm überrascht werden soll. Alles geschieht, als ob der Zuschauer in diesem Moment nicht mehr in seinem Sessel wäre, nicht mehr in der Situation, die Dinge zu beobachten. Eine Art Wahrnehmungsgymnastik hat ihn nach und nach dahin geführt, nicht dazu, sich mit der Figur der Modern Times zu identifizieren, sondern so unmittelbar den Widerstand der Ereignisse zu empfinden, dass er diese Figur begleitet, dieselben Überraschungen hat, dieselben Vorahnungen, dieselbe Gewöhnung wie sie. So ist die berühmte Essmaschine, die in einem Sinn durch ihre Maßlosigkeit dem Film fremd ist (Chaplin hatte sie zweiundzwanzig Jahre vor dem Film erfunden), nur die formale, absolute Übung, die auf das ebenfalls psychotische Verhalten des Arbeiters vorbereitet, der in der Maschine eingeklemmt ist, von dem nur der zurückgeworfene Kopf herausragt, und dem Chaplin sein Mittagessen verabreichen lässt, denn es ist Zeit. Wenn das Lachen eine Reaktion ist, die bestimmte Kreisläufe nimmt, kann man sagen, dass Charles Chaplin im Verlauf der Sequenzen des Films die Reaktionen allmählich verschiebt, sie zurückdrängen lässt, Ebene um Ebene, bis zu dem Moment, in dem der Zuschauer nicht mehr Herr seiner Kreisläufe ist und dazu tendiert, spontan entweder einen kürzeren Weg zu nehmen, der nicht gangbar ist, der versperrt ist, oder aber einen Weg, der sehr ausdrücklich als zu nichts führend angekündigt ist. Nachdem er den Zuschauer als solchen ausgeschaltet hat, entstellt Chaplin das Lachen, das wie ebenso viele Kurzschlüsse einer abgekoppelten Mechanik wird. Man hat manchmal vom Pessimismus der Modern Times und vom Optimismus des Schlussbildes gesprochen. Beide Begriffe passen nicht zum Film. Charles Chaplin zeichnet in Modern Times vielmehr, in sehr kleinem Maßstab, mit trockenem Strich, die Reinzeichnung mehrerer bedrückender Manifestationen. Grundlegender. Die Hauptfigur, die Chaplin spielt, hat weder passiv noch aktiv, weder zustimmend noch widerständig zu sein, weil sie die Spitze des Stifts ist, die die Reinzeichnung zieht, sie ist der Strich selbst… Deshalb ist das Schlussbild ohne Optimismus. Man sieht nicht, was der Optimismus als Schlussfolgerung dieses Befunds zu tun hätte. Dieser Mann und diese Frau, von hinten gesehen, ganz schwarz, deren Schatten von keiner Sonne geworfen werden, gehen auf nichts zu. Die drahtlosen Pfähle, die die Straße links säumen, die blattlosen Bäume, die sie rechts säumen, treffen sich nicht am Horizont. Es gibt keinen Horizont. Die kahlen Hügel gegenüber bilden nur eine Stange, die mit der Leere, die sie überragt, zusammenfällt. Dieser Mann und diese Frau sind nicht mehr am Leben, das springt ins Auge. Das ist auch nicht pessimistisch. Was geschehen musste, ist geschehen. Sie haben sich nicht getötet. Sie sind nicht von der Polizei erschossen worden. Und man sollte nicht das Alibi eines Unfalls suchen. Charles Chaplin hat nicht insistiert. Er ist schnell weitergegangen, wie gewöhnlich. Er hat die Reinzeichnung gezogen. »35
In ihrer zerstörerischen Aufgabe muss die Schizoanalyse so schnell wie möglich vorgehen, kann aber auch nur mit großer Geduld, großer Vorsicht vorgehen, indem sie nacheinander die repräsentativen Territorialitäten und Reterritorialisierungen auflöst, durch die ein Subjekt in seiner individuellen Geschichte geht. Denn es gibt mehrere Schichten, mehrere Widerstandsebenen, die von innen kommen oder von außen auferlegt sind. Die Schizophrenie als Prozess, die Deterritorialisierung als Prozess ist untrennbar von den Stasen, die sie unterbrechen, oder die sie überreizen, oder die sie im Kreis laufen lassen und sie in Neurose, in Perversion, in Psychose reterritorialisieren. So sehr, dass der Prozess sich nur insofern herauslösen, sich selbst fortsetzen und sich vollenden kann, als er fähig ist zu schaffen – was also? eine neue Erde. Man muss in jedem Fall über die alten Erden erneut gehen, ihre Natur, ihre Dichte studieren, suchen, wie auf jeder die maschinischen Indizes gruppiert sind, die es erlauben, sie zu überschreiten. Ödipale familiäre Erden der Neurose, künstliche Erden der Perversion, anstaltsartige Erden der Psychose, wie auf ihnen jedes Mal den Prozess zurückerobern, die Reise ständig wieder aufnehmen? Auf der Suche nach der verlorenen Zeit als großes Unternehmen der Schizoanalyse: alle Ebenen werden bis zu ihrer molekularen Fluchtlinie durchquert, schizophrenischer Durchbruch; so im Kuss, in dem das Gesicht Albertines von einer Konsistenzebene zur anderen springt, um sich schließlich in einem Nebel von Molekülen aufzulösen. Der Leser läuft immer Gefahr, bei einer Ebene stehen zu bleiben und zu sagen: ja, dort erklärt sich Proust. Aber der Erzähler-Spinne hört nicht auf, Netze und Ebenen aufzulösen, die Reise wieder aufzunehmen, die Zeichen oder Indizes auszuspähen, die als Maschinen funktionieren und ihn weiter bringen werden. Diese Bewegung selbst ist der Humor, der schwarze Humor. Die familiären und neurotischen Erden des Ödipus, dort, wo die globalen und personalen Verbindungen sich herstellen, oh, der Erzähler lässt sich dort nicht nieder, er bleibt nicht dort, er durchquert sie, er profaniert sie, er durchstößt sie, er liquidiert sogar seine Großmutter mit einer Schnürmaschine für Schuhe. Die perversen Erden der Homosexualität, dort, wo die exklusiven Disjunktionen der Frauen mit den Frauen, der Männer mit den Männern sich herstellen, springen ebenso in Funktion der maschinischen Indizes, die sie unterminieren. Die psychotischen Erden, mit ihren Konjunktionen auf der Stelle (Charlus ist also sicher verrückt, Albertine war es also vielleicht!), werden ihrerseits durchquert bis zu dem Punkt, wo das Problem sich nicht mehr stellt, nicht mehr so stellt. Der Erzähler setzt seine eigene Angelegenheit fort, bis zur unbekannten Heimat, zur unbekannten Erde, die allein sein eigenes Werk in Gang schafft, die Recherche du temps perdu « in progress », funktionierend als begehrende Maschine, fähig, alle Indizes zu sammeln und zu bearbeiten. Er geht zu diesen neuen Regionen, wo die Verbindungen stets partiell und unpersonal sind, die Konjunktionen nomadisch und polyvok, die Disjunktionen eingeschlossen, wo Homosexualität und Heterosexualität sich nicht mehr unterscheiden können: Welt der transversalen Kommunikationen, wo das nichtmenschliche Geschlecht, endlich erobert, mit den Blumen zusammenfällt, neue Erde, wo das Begehren nach seinen molekularen Elementen und Flüssen funktioniert. Eine solche Reise impliziert nicht notwendig große Bewegungen in der Ausdehnung, sie vollzieht sich unbeweglich, in einem Zimmer und auf einem Körper ohne Organe, intensive Reise, die alle Erden zugunsten derjenigen auflöst, die sie schafft.
Die geduldige Wiederaufnahme des Prozesses oder im Gegenteil seine Unterbrechung, beide sind so eng miteinander vermischt, dass sie nur ineinander beurteilt werden können. Die Reise des Schizo, wie wäre sie möglich unabhängig von gewissen Kreisläufen, wie könnte sie ohne eine Erde auskommen? Aber umgekehrt, wie kann man sicher sein, dass diese Kreisläufe nicht die allzu bekannten Erden der Anstalt, des Kunstgriffs oder der Familie neu bilden? Wir kommen immer wieder auf dieselbe Frage zurück: woran leidet der Schizo, dessen Leiden unsagbar sind? Leidet er am Prozess selbst oder an seinen Unterbrechungen, wenn man ihn in der Familie auf der Erde des Ödipus neurotisiert, wenn man in der Erde der Anstalt denjenigen psychotisiert, der sich nicht ödipianisieren lässt, wenn man in künstlichem Milieu denjenigen pervertisiert, der der Anstalt und der Familie entkommt? Vielleicht gibt es nur eine Krankheit, die Neurose, die ödipale Fäulnis, an der sich alle pathogenen Unterbrechungen des Prozesses messen. Die meisten modernen Versuche – Tages- oder Nachtklinik, Krankenclub, Hospitalisierung zu Hause, Institution und sogar Anti-Psychiatrie – bleiben von einer Gefahr bedroht, die Jean Oury tief zu analysieren wusste: wie verhindern, dass die Institution eine anstaltsartige Struktur neu bildet oder perverse und reformistische künstliche Gesellschaften konstituiert oder residuale pseudo-familiäre mütterliche und paternalistische Gebilde? Wir denken nicht an die Versuche einer sogenannten Gemeinschaftspsychiatrie, deren erklärtes Ziel es ist, alles und jeden zu triangulieren, zu ödipianisieren, Menschen, Tiere und Dinge, bis man eine neue Rasse von Kranken sehen wird, die als Reaktion darum flehen, man gebe ihnen wieder eine Anstalt, oder eine kleine beckettische Erde, eine Mülltonne, um sich in einer Ecke zu katatonisieren. Aber in einem weniger offen repressiven Genre: wer sagt, dass die Familie ein guter Ort, ein guter Kreislauf für den deterritorialisierten Schizo ist? Das wäre doch erstaunlich, « die therapeutischen Potentialitäten des familiären Milieus »… Dann das ganze Dorf, das Viertel? Welche molare Einheit wird einen hinreichend nomadischen Kreislauf bilden? Wie verhindern, dass die gewählte Einheit, sei es eine spezifische Institution, eine perverse Gesellschaft der Toleranz konstituiert, eine Selbsthilfegruppe, die die wirklichen Probleme verdeckt? Wird die Struktur der Institution sie retten? Aber wie wird die Struktur ihre Beziehung zur neurotisierenden, pervertierenden, psychotisierenden Kastration brechen? Wie wird sie etwas anderes produzieren als eine unterworfene Gruppe? Wie wird sie dem Prozess freien Lauf lassen, sie, deren ganze molare Organisation die Funktion hat, den molekularen Prozess zu binden? Und selbst die Anti-Psychiatrie, besonders empfindlich für den schizophrenen Durchbruch und die intensive Reise, erschöpft sich darin, das Bild einer Gruppe-Subjekt vorzuschlagen, die sich sofort wieder pervertiert, mit ehemaligen Schizos, die damit betraut sind, die neueren zu führen, und als Relais kleine Kapellen oder, besser, ein Kloster in Ceylon.
Nur eine wirksame Politisierung der Psychiatrie kann uns aus diesen Sackgassen retten. Und gewiss ist die Anti-Psychiatrie in diesem Sinn sehr weit gegangen, mit Laing und Cooper. Aber es scheint uns, dass sie diese Politisierung noch immer in Begriffen von Struktur und Ereignis denken, eher als in den Begriffen des Prozesses selbst. Andererseits lokalisieren sie auf einer und derselben Linie die soziale Entfremdung und die mentale Entfremdung und tendieren dazu, sie zu identifizieren, indem sie zeigen, wie die familiäre Instanz die eine in die andere verlängert.36 Zwischen beiden jedoch ist das Verhältnis eher das einer eingeschlossenen Disjunktion. Denn das Dekodieren und die Deterritorialisierung der Flüsse definiert den Prozess selbst des Kapitalismus, das heißt sein Wesen, seine Tendenz und seine äußere Grenze. Aber wir wissen, dass der Prozess unaufhörlich unterbrochen wird, oder die Tendenz behindert, oder die Grenze verschoben, durch Reterritorialisierungen und subjektive Repräsentationen, die ebenso auf der Ebene des Kapitals als Subjekt (die Axiomatik) wie auf der Ebene der Personen, die es vollziehen (Anwendung der Axiomatik), operieren. Nun werden wir vergeblich versuchen, die soziale Entfremdung und die mentale Entfremdung auf die eine oder die andere Seite zu verlegen, solange wir zwischen beiden ein Ausschlussverhältnis herstellen. Aber die Deterritorialisierung der Flüsse im Allgemeinen fällt tatsächlich mit der mentalen Entfremdung zusammen, insofern sie die Reterritorialisierungen einschließt, die sie selbst nur als den Zustand eines besonderen Flusses bestehen lassen, als Fluss des Wahnsinns, der sich so definiert, weil man ihn damit belastet, alles zu repräsentieren, was in den anderen Flüssen den Axiomatischen und den Anwendungen der Reterritorialisierung entgeht. Umgekehrt wird man in allen Reterritorialisierungen des Kapitalismus die Form der sozialen Entfremdung in actu finden, insofern sie verhindern, dass die Flüsse dem System entfliehen, und die Arbeit im axiomatischen Rahmen des Eigentums und das Begehren im angewandten Rahmen der Familie halten; aber diese soziale Entfremdung schließt ihrerseits die mentale Entfremdung ein, die selbst als Neurose, Perversion, Psychose (Geisteskrankheiten) repräsentiert oder reterritorialisiert wird.
Eine wirkliche Politik der Psychiatrie oder der Anti-Psychiatrie bestünde also 1o) darin, alle Reterritorialisierungen aufzulösen, die den Wahnsinn in Geisteskrankheit verwandeln, 2o) darin, in allen Flüssen die schizoide Bewegung ihrer Deterritorialisierung freizusetzen, so dass dieser Charakter nicht mehr einen besonderen Rest als Fluss des Wahnsinns qualifizieren kann, sondern ebenso die Flüsse der Arbeit und des Begehrens, der Produktion, der Erkenntnis und der Schöpfung in ihrer tiefsten Tendenz betrifft. Der Wahnsinn würde nicht mehr als Wahnsinn existieren, nicht weil er in « Geisteskrankheit » verwandelt worden wäre, sondern im Gegenteil, weil er den Zubringer aller anderen Flüsse erhielte, einschließlich der Wissenschaft und der Kunst – wobei gesagt ist, dass er Wahnsinn genannt wird und als solcher erscheint nur weil ihm dieser Zubringer entzogen ist und er darauf reduziert wird, ganz allein für die Deterritorialisierung als universellen Prozess Zeugnis abzulegen. Es ist nur sein ungebührliches Privileg, über seinen Kräften, das ihn wahnsinnig macht. Foucault kündigte in diesem Sinn ein Zeitalter an, in dem der Wahnsinn verschwinden würde, nicht nur weil er in den kontrollierten Raum der Geisteskrankheiten (« große lauwarme Aquarien ») überführt würde, sondern im Gegenteil, weil die äußere Grenze, die er bezeichnet, von anderen Flüssen überschritten würde, die von allen Seiten der Kontrolle entweichen und uns mitreißen.37 Man muss also sagen, dass man im Sinn der Deterritorialisierung niemals weit genug gehen wird: ihr habt noch nichts gesehen, irreversibler Prozess. Und wenn wir betrachten, was es an zutiefst Künstlichem in den perversen Reterritorialisierungen gibt, aber auch in den psychotischen hospitalen Reterritorialisierungen oder in den neurotischen familiären, rufen wir aus: noch mehr Perversion! noch mehr Kunstgriff! bis die Erde so künstlich wird, dass die Deterritorialisierungsbewegung notwendig von selbst eine neue Erde schafft. Die Psychoanalyse ist in dieser Hinsicht besonders befriedigend: ihre ganze perverse Kur besteht darin, die familiäre Neurose in eine künstliche Neurose (der Übertragung) zu verwandeln und die Couch, kleine Insel mit ihrem Kommandanten, dem Psychoanalytiker, als autonome Territorialität und als letzten Kunstgriff zu errichten. Dann genügt kaum ein weiterer Aufwand, damit alles kippt und uns endlich in andere Fernen mitreißt. Der Schnipp der Schizoanalyse, der die Bewegung neu anstößt, wieder an die Tendenz anknüpft und die Simulakren bis zu dem Punkt treibt, an dem sie aufhören, künstliche Bilder zu sein, um Indizes der neuen Erde zu werden. Das ist die Vollendung des Prozesses: nicht eine verheißene und vorbestehende Erde, sondern eine Erde, die sich im Maß ihrer Tendenz, ihres Abhebens, ihrer Deterritorialisierung selbst schafft. Bewegung des Theaters der Grausamkeit; denn es ist das einzige Theater der Produktion, dort, wo die Flüsse die Schwelle der Deterritorialisierung überschreiten und die neue Erde produzieren (nicht eine Hoffnung, sondern ein simples « Konstatieren », eine « Reinzeichnung », wo der, der flieht, fliehen lässt und die Erde zeichnet, indem er sich deterritorialisiert). Aktiver Fluchtpunkt, wo die revolutionäre Maschine, die künstlerische Maschine, die wissenschaftliche Maschine, die (schizo)-analytische Maschine Stücke und Bruchstücke voneinander werden.
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Aber die negative oder zerstörerische Aufgabe der Schizoanalyse ist in keiner Weise von ihren positiven Aufgaben zu trennen (alle werden notwendig zugleich geführt). Die erste positive Aufgabe besteht darin, bei einem Subjekt die Natur, die Formation oder das Funktionieren seiner begehrenden Maschinen zu entdecken, unabhängig von jeder Interpretation. Was sind das, deine begehrenden Maschinen, was lässt du in deine Maschinen hinein, und heraus, wie läuft das, was sind deine nichtmenschlichen Geschlechter? Der Schizo-Analytiker ist ein Mechaniker, und die Schizoanalyse ausschließlich funktional. Sie kann es in dieser Hinsicht nicht bei der noch interpretativen (vom Standpunkt des Unbewussten) Untersuchung der sozialen Maschinen belassen, in denen das Subjekt als Rädchen oder als Benutzer steckt, noch bei den technischen Maschinen, die es bevorzugt besitzt oder die es verbessert oder sogar durch Basteln herstellt, noch bei dem Gebrauch, den es von Maschinen in seinen Träumen und Phantasmen macht. Sie sind noch zu repräsentativ und repräsentieren zu große Einheiten – selbst die perversen Maschinen des Sadisten oder Masochisten, die Beeinflussungsmaschinen des Paranoikers… Wir haben im Allgemeinen gesehen, dass die Pseudo-Analysen des « Objekts » wirklich der niedrigste Grad analytischer Tätigkeit waren, selbst und vor allem dann, wenn sie vorgeben, das reale Objekt durch ein imaginäres Objekt zu verdoppeln; und der Schlüssel der Träume ist besser als eine Markt-Psychoanalyse. Dennoch muss die Betrachtung all dieser Maschinen, ob real, symbolisch oder imaginär, sehr bestimmt eingreifen: aber als funktionale Indizes, um uns auf den Weg der begehrenden Maschinen zu bringen, denen sie mehr oder weniger nahe sind und verwandt. Die begehrenden Maschinen werden nämlich nur ausgehend von einer gewissen Schwelle der Dispersion erreicht, die weder die imaginäre Identität noch die strukturelle Einheit bestehen lässt (diese Instanzen gehören noch zur Ordnung der Interpretation, das heißt zur Ordnung des Signifikats oder des Signifikanten). Die begehrenden Maschinen haben als Stücke die Partialobjekte; die Partialobjekte definieren die working machine oder die arbeitenden Stücke, aber in einem Zustand der Dispersion, derart, dass ein Stück unaufhörlich auf ein Stück einer ganz anderen Maschine verweist, wie der Rotklee und die Hummel, die Wespe und die Orchideenblüte, das Fahrrad-Horn und der Arsch einer toten Ratte. Wir beeilen uns nicht, einen Term einzuführen, der wie ein Phallus wäre, der die Gesamtheit strukturiert und die Teile personalisiert, vereinheitlicht und totalisiert. Überall gibt es Libido als Maschinenenergie, und weder das Horn noch die Hummel haben das Privileg, ein Phallus zu sein: dieser interveniert nur in der strukturalen Organisation und den daraus folgenden personalen Beziehungen, wo jeder, wie der zur Armee einberufene Arbeiter, seine Maschinen verlässt und für eine Trophäe als großen Abwesenden zu kämpfen beginnt, mit derselben Sanktion, derselben lächerlichen Wunde für alle, der Kastration. Dieser ganze Kampf um den Phallus, Wille zur Macht, schlecht verstanden, anthropomorphe Repräsentation des Geschlechts, diese ganze Konzeption der Sexualität, die Lawrence schaudern macht, gerade weil sie nur eine Konzeption ist, weil sie eine Idee ist, die die « Vernunft » dem Unbewussten auferlegt und die sie in die triebhafte Sphäre einführt, und keineswegs eine Formation dieser Sphäre. Dort wird das Begehren gefangen, auf das menschliche Geschlecht spezifiziert, in der vereinigten und identifizierten molaren Gesamtheit. Aber die begehrenden Maschinen leben im Gegenteil unter dem Regime der Dispersion molekularer Elemente. Und man versteht nicht, was Partialobjekte sind, wenn man in ihnen nicht solche Elemente sieht, statt Teile eines Ganzen, selbst eines zerstückelten. Wie Lawrence sagte, hat die Analyse sich nicht um irgendetwas zu kümmern, das einem Begriff oder einer Person ähnelt, « die sogenannten menschlichen Beziehungen stehen nicht auf dem Spiel ».38 Sie hat sich nur (abgesehen von ihrer negativen Aufgabe) um die maschinischen Gefüge zu kümmern, erfasst im Element ihrer molekularen Dispersion.
Kehren wir also noch einmal zur Regel zurück, die Serge Leclaire so gut formuliert hat, auch wenn er darin nur eine Fiktion statt des Realen-Begehrens sieht: Die Stücke oder Elemente begehrender Maschinen erkennt man an ihrer gegenseitigen Unabhängigkeit, daran, dass nichts im einen von etwas im anderen abhängen darf oder abhängt. Sie dürfen nicht entgegengesetzte Bestimmungen einer und derselben Entität sein, noch die Differenzierungen eines einzigen Wesens, wie das Männliche und das Weibliche im menschlichen Geschlecht, sondern Verschiedene oder wirklich-Unterschiedene, wirklich Unterschiedene, « Wesen » distinct, wie man sie in der Dispersion des nichtmenschlichen Geschlechts findet (Klee und Hummel). Solange die Schizoanalyse nicht zu diesen disparaten gelangt, hat sie die Partialobjekte als letzte Elemente des Unbewussten noch nicht gefunden. In diesem Sinn nannte Leclaire den « erogenen Körper » nicht einen zerstückelten Organismus, sondern eine Emission prä-individueller und prä-personaler Singularitäten, eine reine zerstreute und anarchische Vielheit, ohne Einheit und ohne Totalität, deren Elemente durch die reale Unterscheidung oder durch das Fehlen der Verbindung selbst verschweißt, geklebt sind. Solche schizoiden beckettischen Sequenzen: Kiesel, Taschen, Mund; ein Schuh, ein Pfeifenkopf, ein kleines weiches nicht bestimmtes Paket, ein Deckel eines Fahrradklingel-Deckels, eine halbe Krücke… (« wenn man unendlich an derselben Gesamtheit reiner Singularitäten anstößt, kann man denken, dass man sich der Singularität des Begehrens des Subjekts genähert hat »).39 Gewiss kann man immer irgendeine Verbindung zwischen diesen Elementen einsetzen oder wiederherstellen: organische Verbindungen zwischen den Organen oder Organfragmenten, die eventuell Teil der Vielheit sind; psychologische und axiologische Verbindungen – das Gute, das Schlechte – die schließlich auf die Personen und Szenen zurückverweisen, denen diese Elemente entlehnt sind; strukturelle Verbindungen zwischen den Ideen oder Begriffen, die ihnen entsprechen können. Aber nicht unter diesem Aspekt sind die Partialobjekte die Elemente des Unbewussten, und wir können nicht einmal dem Bild folgen, das ihre Erfinderin, Melanie Klein, davon anbietet. Denn als Organe oder Organfragmente verweisen sie keineswegs auf einen Organismus, der phantasmatisch als verlorene Einheit oder als kommende Totalität funktionieren würde. Ihre Dispersion hat nichts mit einem Mangel zu tun und konstituiert ihre Weise der Präsenz in der Vielheit, die sie ohne Vereinheitlichung und ohne Totalisierung bilden. Jede Struktur abgelegt, jedes Gedächtnis aufgehoben, jeder Organismus annulliert, jede Verbindung gelöst, gelten sie als rohe Partialobjekte, zerstreute arbeitende Stücke einer Maschine, die selbst zerstreut ist. Kurz: die Partialobjekte sind die molekularen Funktionen des Unbewussten. Deshalb meinten wir, als wir eben auf den Unterschied zwischen den begehrenden Maschinen und allen Figuren molarer Maschinen bestanden, sehr wohl, dass die einen in den anderen sind und ohne sie nicht existieren, aber wir mussten den Unterschied des Regimes und des Maßstabs zwischen den beiden Arten markieren.
Es stimmt, dass man sich eher fragen wird, wie diese Bedingungen der Dispersion, der realen Unterscheidung und des Fehlens der Verbindung irgendein maschinisches Regime erlauben – wie so definierte Partialobjekte Maschinen und Maschinengriffe bilden können. Die Antwort liegt im passiven Charakter der Synthesen oder, was auf dasselbe hinausläuft, im indirekten Charakter der betrachteten Interaktionen. Wenn es wahr ist, dass jedes Partialobjekt einen Fluss emittiert, so ist dieser Fluss ebenso einem anderen Partialobjekt assoziiert, für das er ein Feld potentieller Präsenz definiert, das selbst multiple ist (eine Vielheit von Anus für den Scheißfluss). Die Synthese der Verbindung der Partialobjekte ist indirekt, da das eine, an jedem Punkt seiner Präsenz im Feld, stets einen Fluss schneidet, den das andere relativ emittiert oder produziert, wobei es selbst einen Fluss emittieren kann, den andere schneiden. Es sind die Flüsse, die wie zweiköpfig sind und durch die jede produzierende Verbindung operiert, wie wir zu zeigen versucht haben mit dem Begriff des Fluss-Schize oder des Schnitt-Flusses. So dass die wirklichen Aktivitäten des Unbewussten, fließen lassen und schneiden, in der passiven Synthese selbst bestehen, insofern sie die Koexistenz und die relative Verschiebung der beiden unterschiedlichen Funktionen gewährleistet. Nehmen wir nun an, dass die jeweiligen Flüsse, die zwei Partialobjekten assoziiert sind, sich wenigstens teilweise überdecken: ihre Produktion bleibt verschieden in Bezug auf die Objekte x und y, die sie emittieren, aber nicht die Felder der Präsenz in Bezug auf die Objekte a und b, die sie bevölkern und schneiden, so dass das Partielle a und das Partielle b in dieser Hinsicht ununterscheidbar werden (so Mund und Anus, der Mund-Anus des Anorektikers). Und sie sind nicht nur in der gemischten Region ununterscheidbar, da man immer annehmen kann, dass sie, nachdem sie in dieser Region ihre Funktion ausgetauscht haben, auch dort, wo die beiden Flüsse sich nicht mehr überdecken, nicht durch Ausschluss unterschieden werden können: man steht dann vor einer neuen passiven Synthese, wo a und b in einem paradoxen Verhältnis eingeschlossener Disjunktion stehen. Schließlich bleibt die Möglichkeit, nicht einer Überdeckung der Flüsse, sondern einer Permutation der Objekte, die sie emittieren: man entdeckt Interferenzsäume am Rand jedes Präsenzfeldes, die vom Rest eines Flusses im anderen zeugen und residuelle konjunktive Synthesen bilden, die den Übergang oder das gefühlte Werden des einen zum anderen leiten. Permutation von 2, 3, n Organen; deformierbare abstrakte Polygone, die dem figurativen ödipalen Dreieck entkommen und nicht aufhören, es zu lösen. All diese passiven indirekten Synthesen, durch Binarität, Überdeckung oder Permutation, sind ein und dieselbe Maschinerie des Begehrens. Aber wer wird die begehrenden Maschinen eines jeden sagen, welche Analyse fein genug? Die begehrende Maschine Mozarts? « Streck deinen Arsch bis zu deinem Mund, … ah, mein Arsch brennt wie Feuer, was kann das bedeuten? Vielleicht will ein Häufchen heraus? Ja, ja, Häufchen, ich kenne dich, ich sehe dich und ich rieche dich. Was ist das, ist das möglich?… »40
Diese Synthesen implizieren notwendig die Setzung eines Körpers ohne Organe. Denn der Körper ohne Organe ist keineswegs das Gegenteil der Organe-Partialobjekte. Er wird selbst in der ersten passiven Synthese der Verbindung produziert, als das, was die beiden Aktivitäten, die beiden Köpfe des Begehrens neutralisieren oder im Gegenteil in Gang setzen wird. Denn er kann ebenso, wie wir gesehen haben, als amorphe Flüssigkeit der Anti-Produktion wie als Träger produziert werden, der sich die Produktion der Flüsse aneignet. Er kann ebenso die Organe-Objekte zurückstoßen wie sie anziehen, sie sich aneignen. Aber in der Abstoßung nicht weniger als in der Anziehung stellt er sich ihnen nicht entgegen, er sichert nur seine eigene Opposition und ihre Opposition mit einem Organismus. Dem Organismus gegenüber stellen sich der Körper ohne Organe und die Organe-Partialobjekte gemeinsam entgegen. Der Körper ohne Organe wird nämlich als ein Ganzes produziert, aber ein Ganzes neben den Teilen, das sie weder vereinigt noch vereinheitlicht noch totalisiert, das sich ihnen als ein neues, wirklich distinctes Teil hinzufügt. Wenn er die Organe zurückstößt, so wie in der Montage der paranoischen Maschine, markiert er die äußere Grenze der reinen Vielheit, die sie selbst bilden als nichtorganische und nichtorganisierte Vielheit. Und wenn er sie anzieht und sich auf sie zurückklappt, im Prozess einer fetischistischen wundertätigen Maschine, totalisiert er sie nicht, vereinigt er sie nicht mehr nach Art eines Organismus: die Organe-Partialobjekte hängen sich an ihn und treten auf ihm in die neuen Synthesen eingeschlossener Disjunktion und nomadischer Konjunktion, der Überdeckung und der Permutation ein, die den Organismus und seine Organisation weiter zurückweisen. Es ist wohl durch den Körper, und es ist wohl durch die Organe, dass das Begehren geht, aber nicht durch den Organismus. Deshalb sind die Partialobjekte nicht der Ausdruck eines zerstückelten, gesprengten Organismus, der eine zerfallene Totalität oder aus einem Ganzen befreite Teile voraussetzen würde; der Körper ohne Organe ist ebenso wenig der Ausdruck eines wieder zusammengeklebten oder « ent-differenzierten » Organismus, der seine eigenen Teile überwinden würde. Im Grunde sind die Partialorgane und der Körper ohne Organe ein und dasselbe, ein und dieselbe Vielheit, die von der Schizoanalyse als solche gedacht werden muss. Die Partialobjekte sind die direkten Potenzen des Körpers ohne Organe, und der Körper ohne Organe die rohe Materie der Partialobjekte.41 Der Körper ohne Organe ist die Materie, die den Raum immer in diesem oder jenem Intensitätsgrad füllt, und die Partialobjekte sind diese Grade, diese intensiven Teile, die das Reale im Raum aus der Materie als Intensität = 0 produzieren. Der Körper ohne Organe ist die immanente Substanz, im spinozistischsten Sinn des Wortes; und die Partialobjekte sind wie seine letzten Attribute, die ihm gerade insofern angehören, als sie wirklich distinct sind und sich daher nicht ausschließen oder entgegensetzen können. Die Partialobjekte und der Körper ohne Organe sind die beiden materiellen Elemente der schizophrenen begehrenden Maschinen: die einen als arbeitende Stücke, der andere als unbeweglicher Motor; die einen als Mikromoleküle, der andere als Riesenmolekül – beide zusammen in einem Kontinuitätsverhältnis an den beiden Enden der molekularen Kette des Begehrens.
Die Kette ist wie der Übertragungs- oder Reproduktionsapparat in der begehrenden Maschine. Insofern sie (ohne sie zu vereinen, ohne sie zu vereinheitlichen) den Körper ohne Organe und die Partialobjekte zusammenbringt, fällt sie zugleich mit der Verteilung dieser auf jenem zusammen, mit dem Zurückklappen jenes auf diese, aus dem die Aneignung hervorgeht. Also impliziert die Kette eine andere Art von Synthese als die Flüsse: es sind nicht mehr die Verbindungslinien, die die produktiven Stücke der Maschine durchqueren, sondern ein ganzes Netz der Disjunktion auf der Registrierungsoberfläche des Körpers ohne Organe. Und gewiss konnten wir die Dinge in einer logischen Ordnung darstellen, in der die disjunktive Synthese der Registrierung der konnektiven Synthese der Produktion zu folgen schien, wobei ein Teil der Produktionsenergie (Libido) in Registrierungsenergie (Numen) überging. Aber tatsächlich gibt es aus dem Standpunkt der Maschine selbst keinerlei Sukzession, die die strikte Koexistenz der Ketten und der Flüsse gewährleistet, wie des Körpers ohne Organe und der Partialobjekte; die Konversion eines Teils der Energie geschieht nicht zu diesem oder jenem Zeitpunkt, sondern ist eine vorherige und konstante Bedingung des Systems. Die Kette ist das Netz der eingeschlossenen Disjunktionen auf dem Körper ohne Organe, insofern sie die produktiven Verbindungen kreuzen; sie lässt sie auf den Körper ohne Organe selbst übergehen und kanalisiert oder « kodifiziert » dadurch die Flüsse. Jedoch ist die ganze Frage, ob man auf der Ebene dieser molekularen Kette des Begehrens von einem Code sprechen kann. Wir haben gesehen, dass ein Code zwei Dinge implizierte – das eine oder das andere, oder beide zusammen: einerseits eine Spezifizierung des vollen Körpers als Territorialität des Trägers, andererseits die Errichtung eines despotischen Signifikanten, von dem die ganze Kette abhängt. Die Axiomatik mag sich in dieser Hinsicht tief von den Codes unterscheiden, da sie an dekodierten Flüssen arbeitet, sie kann selbst doch nur verfahren, indem sie Reterritorialisierungen vornimmt und die signifiante Einheit wiederauferstehen lässt. Die Begriffe Code und Axiomatik scheinen also nur für die molaren Gesamtheiten zu gelten, dort, wo die signifiante Kette diese oder jene bestimmte Konfiguration auf einem selbst spezifizierten Träger bildet und in Funktion eines abgelösten Signifikanten. Diese Bedingungen sind nicht erfüllt, ohne dass Ausschlüsse sich im disjunktiven Netz bilden und erscheinen (während zugleich die konnektiven Linien einen globalen und spezifischen Sinn annehmen). Aber ganz anders verhält es sich mit der eigentlich molekularen Kette: insofern der Körper ohne Organe ein nicht spezifischer und nicht spezifizierter Träger ist, der die molekulare Grenze der molaren Gesamtheiten markiert, hat die Kette keine andere Funktion mehr als die Flüsse zu deterritorialisieren und sie die Mauer des Signifikanten passieren zu lassen. Also die Codes aufzulösen. Die Funktion der Kette ist nicht mehr, die Flüsse auf einem vollen Körper der Erde, des Despoten oder des Kapitals zu kodieren, sondern im Gegenteil, sie auf dem vollen Körper ohne Organe zu dekodieren. Es ist eine Flucht-Kette und nicht mehr eine Code-Kette. Die signifiante Kette ist zu einer Kette des Dekodierens und der Deterritorialisierung geworden, die erfasst werden muss und nur erfasst werden kann als die Kehrseite der Codes und der Territorialitäten. Diese molekulare Kette ist noch signifiante, weil sie aus Zeichen des Begehrens besteht; aber diese Zeichen sind überhaupt nicht mehr signifikant, insofern sie unter dem Regime eingeschlossener Disjunktionen stehen, wo alles möglich ist. Diese Zeichen sind Punkte beliebiger Natur, abstrakte maschinische Figuren, die frei auf dem Körper ohne Organe spielen und noch keine strukturierte Konfiguration bilden (oder vielmehr keine mehr bilden). Wie Monod sagt, müssen wir uns eine Maschine vorstellen, die durch ihre funktionalen Eigenschaften eine solche ist, aber nicht durch ihre Struktur, « wo man nichts unterscheidet als das Spiel blinder Kombinationen ».42 Gerade die Ambiguität dessen, was die Biologen genetischen Code nennen, ist geeignet, uns eine solche Situation verständlich zu machen: denn wenn die entsprechende Kette tatsächlich Codes bildet, insofern sie sich in exklusive molare Konfigurationen einrollt, löst sie die Codes auf, indem sie sich entlang einer molekularen Faser abrollt, die alle möglichen Figuren einschließt. Ebenso hat bei Lacan die symbolische Organisation der Struktur, mit ihren Ausschlüssen, die aus der Funktion des Signifikanten kommen, als Kehrseite die reale Inorganisation des Begehrens. Man könnte sagen, der genetische Code verweise auf ein genisches Dekodieren: es genügt, die Funktionen des Dekodierens und der Deterritorialisierung in ihrer eigenen Positivität zu erfassen, insofern sie einen besonderen Zustand der Kette implizieren, metastabil, zugleich von jeder Axiomatik und von jedem Code verschieden. Die molekulare Kette ist die Form, unter der das genische Unbewusste, stets Subjekt bleibend, sich selbst reproduziert. Und das ist, wie wir gesehen haben, die erste Inspiration der Psychoanalyse: sie fügt nicht einen Code zu all denen hinzu, die schon bekannt sind. Die signifiante Kette des Unbewussten, Numen, dient nicht dazu, Codes des Begehrens zu entdecken oder zu entziffern, sondern im Gegenteil dazu, absolut dekodierte Flüsse des Begehrens, Libido, passieren zu lassen und im Begehren das zu finden, was alle Codes verwirrt und alle Erden auflöst. Es ist wahr, dass Ödipus die Psychoanalyse auf das Niveau eines bloßen Codes zurückführen wird, mit der familiären Territorialität und dem Signifikanten der Kastration. Schlimmer noch, es wird geschehen, dass die Psychoanalyse selbst für eine Axiomatik gelten will: das ist die berühmte Wendung, in der sie sich nicht einmal mehr auf die familiäre Szene bezieht, sondern nur auf die psychoanalytische Szene, die als Garant ihrer eigenen Wahrheit vorausgesetzt wird, und auf die psychoanalytische Operation, die als Garant ihres eigenen Gelingens vorausgesetzt wird – die Couch als axiomatisierte Erde, die Axiomatik der « Kur » als gelungene Kastration! Aber indem die Psychoanalyse die Flüsse des Begehrens so rekodiert oder axiomatisiert, macht sie von der signifianten Kette einen molaren Gebrauch, der eine Verkennung aller Synthesen des Unbewussten nach sich zieht.
Der Körper ohne Organe ist das Modell des Todes. Wie die Autoren des Schreckens gut verstanden haben, dient nicht der Tod als Modell der Katatonie, sondern die katatonische Schizophrenie gibt dem Tod sein Modell. Intensität-Null. Das Modell des Todes erscheint, wenn der Körper ohne Organe die Organe zurückstößt und ablegt – kein Mund, keine Zunge, keine Zähne… bis zur Selbstverstümmelung, bis zum Selbstmord. Und doch gibt es keinen realen Gegensatz zwischen dem Körper ohne Organe und den Organen als Partialobjekten; der einzige reale Gegensatz besteht zum molaren Organismus, der ihr gemeinsamer Feind ist. Man sieht in der begehrenden Maschine denselben Katatoniker, inspiriert vom unbeweglichen Motor, der ihn zwingt, seine Organe abzulegen, sie zu immobilisieren, sie zum Schweigen zu bringen, aber auch, angetrieben von den arbeitenden Stücken, die dann autonom oder stereotyp funktionieren, sie zu reaktivieren, ihnen lokale Bewegungen wieder einzuhauchen. Es handelt sich um verschiedene Stücke der Maschine, verschiedene und koexistente, verschieden in ihrer Koexistenz selbst. Daher ist es absurd, von einem Todestrieb zu sprechen, der sich qualitativ den Lebenstrieben entgegenstellte. Der Tod wird nicht begehrt, es gibt nur den Tod, der begehrt, als Körper ohne Organe oder unbeweglicher Motor, und es gibt auch das Leben, das begehrt, als Arbeitsorgane. Es gibt hier nicht zwei Begehren, sondern zwei Stücke, zwei Arten von Stücken der begehrenden Maschine, in der Dispersion der Maschine selbst. Dennoch bleibt das Problem: wie kann das zusammen funktionieren? Denn das ist noch kein Funktionieren, sondern nur die (nicht strukturelle) Bedingung eines molekularen Funktionierens. Das Funktionieren erscheint, wenn der Motor unter den vorhergehenden Bedingungen, das heißt ohne aufzuhören unbeweglich zu sein und ohne einen Organismus zu bilden, die Organe auf den Körper ohne Organe anzieht und sie sich in der scheinbaren objektiven Bewegung aneignet. Die Abstoßung ist die Bedingung des Funktionierens der Maschine, aber die Anziehung ist das Funktionieren selbst. Dass das Funktionieren von der Bedingung abhängt, sehen wir gut daran, dass es nur funktioniert, indem es sich verstellt. Man kann dann sagen, worin dieses Laufen oder dieses Funktionieren besteht: Es geht im Zyklus der begehrenden Maschine darum, ständig zu übersetzen, ständig das Modell des Todes in etwas ganz anderes zu konvertieren, nämlich in die Erfahrung des Todes. Den Tod, der von innen her aufsteigt (im Körper ohne Organe), in den Tod zu konvertieren, der von außen her ankommt (auf dem Körper ohne Organe).
Aber es scheint, dass die Dunkelheit sich häuft, denn was ist das, die Erfahrung des Todes, unterschieden vom Modell? Ist das wiederum ein Todesbegehren? Ein Sein zum Tode? Oder eine Investition des Todes, wäre sie auch spekulativ? Nichts davon. Die Erfahrung des Todes ist das Alltäglichste des Unbewussten, gerade weil sie sich im Leben und für das Leben vollzieht, in jedem Übergang oder jedem Werden, in jeder Intensität als Übergang und Werden. Es ist das Eigentümliche jeder Intensität, in sich selbst die Intensität-Null zu investieren, von der aus sie in einem Moment produziert wird als das, was unter einer Unendlichkeit von Graden wächst oder abnimmt (wie Klossowski sagte: « ein Zufluss ist notwendig, um nur das Fehlen von Intensität zu bedeuten »). Wir haben in diesem Sinn zu zeigen versucht, wie die Verhältnisse von Anziehung und Abstoßung solche Zustände, Empfindungen, Emotionen hervorbrachten, die eine neue energetische Konversion implizieren und die dritte Art von Synthese bilden, die Synthesen der Konjunktion. Man könnte sagen, das Unbewusste als reales Subjekt habe rund um den ganzen Umfang seines Zyklus ein scheinbares, residuales und nomadisches Subjekt ausgesät, das durch alle den eingeschlossenen Disjunktionen entsprechenden Werden hindurchgeht: letztes Stück der begehrenden Maschine, das angrenzende Stück. Es sind diese Werden und intensen Gefühle, diese intensiven Emotionen, die Wahn und Halluzinationen nähren. Aber an sich sind sie dem Stoff am nächsten, dessen Grad Null sie in sich selbst investieren. Sie führen die unbewusste Erfahrung des Todes herbei, insofern der Tod das ist, was in jedem Gefühl empfunden wird, was in jedem Werden unaufhörlich ankommt und nicht aufhört und nicht aufhört anzukommen – im Werden-anders-Geschlecht, im Werden-Gott, im Werden-Rasse usw., die die Intensitätszonen auf dem Körper ohne Organe bilden. Jede Intensität führt in ihrem eigenen Leben die Erfahrung des Todes mit sich und umhüllt sie. Und gewiss erlischt jede Intensität am Ende, jedes Werden wird selbst ein Werden-Tod! Dann kommt der Tod tatsächlich. Blanchot unterscheidet gut diesen doppelten Charakter, diese zwei irreduziblen Aspekte des Todes, den einen, unter dem das scheinbare Subjekt unaufhörlich als Man lebt und reist, « man hört nicht auf und man hört nicht auf zu sterben », und den anderen, unter dem dasselbe Subjekt, als Ich fixiert, tatsächlich stirbt, das heißt endlich aufhört zu sterben, weil es am Ende stirbt, in der Realität eines letzten Augenblicks, der es so als Ich fixiert, während er die Intensität auflöst, sie auf das Null zurückbringt, das sie umhüllt.43 Von einem Aspekt zum anderen gibt es keineswegs eine vertiefende Personalisierung, sondern etwas ganz anderes: es gibt die Rückkehr der Erfahrung des Todes zum Modell des Todes im Zyklus der begehrenden Maschinen. Der Zyklus ist geschlossen. Für einen neuen Aufbruch, denn Ich ist ein anderer? Es ist nötig, dass die Erfahrung des Todes uns gerade genug erweiterte Erfahrung gegeben hat, um zu leben und zu wissen, dass die begehrenden Maschinen nicht sterben. Und dass das Subjekt als angrenzendes Stück immer ein « man » ist, das die Erfahrung führt, nicht ein Ich, das das Modell empfängt. Denn das Modell selbst ist ebenso wenig das Ich, sondern der Körper ohne Organe. Und Ich erreicht das Modell nicht, ohne dass das Modell wiederum zur Erfahrung aufbricht. Immer vom Modell zur Erfahrung gehen und neu aufbrechen, vom Modell zur Erfahrung zurückkehren, das ist es, den Tod zu schizophränisieren, die Übung der begehrenden Maschinen (ihr Geheimnis, gut verstanden von den Autoren des Schreckens). Sie sagen uns dies, die Maschinen, und lassen es uns leben, fühlen, tiefer als der Wahn und weiter als die Halluzination: ja, die Rückkehr zur Abstoßung wird andere Anziehungen bedingen, andere Funktionierungen, das Anlaufen anderer arbeitender Stücke auf dem Körper ohne Organe, das In-Gang-Setzen anderer angrenzender Stücke am Umfang, die nicht weniger das Recht haben, Man zu sagen als wir selbst. « Möge er in seinem Aufspringen an den unerhörten und unbenennbaren Dingen verrecken: es werden andere schreckliche Arbeiter kommen; sie werden an den Horizonten beginnen, wo der andere zusammengebrochen ist. » Die ewige Wiederkehr als Erfahrung und deterritorialisierter Kreislauf aller Zyklen des Begehrens.
Wie merkwürdig, das Abenteuer der Psychoanalyse. Sie müsste ein Gesang des Lebens sein, sonst taugt sie nichts. Praktisch müsste sie uns lehren, das Leben zu singen. Und siehe da, aus ihr geht der traurigste Gesang des Todes hervor, der zerfallendste: eiapopeia. Freud hat von Anfang an, durch seinen hartnäckigen Dualismus der Triebe, nicht aufgehört, die Entdeckung eines subjektiven oder vitalen Wesens des Begehrens als Libido begrenzen zu wollen. Aber als der Dualismus in einen Todestrieb gegen Eros überging, war das nicht mehr bloß eine Begrenzung, es war eine Liquidierung der Libido. Reich hat sich darüber nicht getäuscht, der vielleicht der Einzige war, der daran festhielt, dass das Produkt der Analyse ein freier und fröhlicher Mensch sein müsse, Träger von Lebensflüssen, fähig, sie bis in die Wüste zu tragen und sie zu dekodieren – selbst wenn diese Idee notwendigerweise den Anschein einer verrückten Idee annahm, angesichts dessen, was die Analyse geworden war. Er zeigte, dass Freud die sexuelle Position nicht weniger widerrufen hatte als Jung und Adler: denn die Setzung des Todestriebs entzieht der Sexualität ihre Motorrolle, wenigstens in einem wesentlichen Punkt, der Genese der Angst, da diese zu einer autonomen Ursache der sexuellen Verdrängung wird statt zu deren Ergebnis; daraus folgt, dass die Sexualität als Begehren nicht mehr eine soziale Kritik der Zivilisation antreibt, sondern dass im Gegenteil die Zivilisation geheiligt wird als die einzige Instanz, die dem Todesbegehren entgegenzutreten vermag – und wie? indem sie prinzipiell den Tod gegen den Tod zurückwendet, aus dem zurückgewendeten Tod eine Kraft des Begehrens macht, ihn in den Dienst eines Pseudo-Lebens stellt durch eine ganze Kultur des Schuldgefühls… Man muss diese Geschichte nicht wieder beginnen, in der die Psychoanalyse in einer Kulturtheorie kulminiert, die die alte Aufgabe des asketischen Ideals wieder aufnimmt, Nirvana, Nährbouillon, das Leben zu richten, das Leben abzuwerten, es am Tod zu messen und davon nur zu behalten, was uns der Tod des Todes lassen will, erhabene Resignation. Wie Reich sagt: Als die Psychoanalyse anfing, von Eros zu sprechen, seufzte alles erleichtert auf, man wusste, was das bedeutete, und dass alles in einem mortifizierten Leben stattfinden würde, da Thanatos nun der Partner des Eros war, zum Schlimmsten, aber auch zum Besten.44 Die Psychoanalyse wird zur Formation eines neuen Priestertyps, Animateure des schlechten Gewissens: an ihr ist man krank, aber durch sie wird man auch genesen! Freud verbarg nicht, worum es beim Todestrieb wirklich geht: es geht um keinerlei Tatsache, sondern nur um ein Prinzip, eine Prinzipienfrage. Der Todestrieb ist reines Schweigen, reine Transzendenz, nicht gebbar und nicht gegeben in der Erfahrung. Eben dieser Punkt ist ganz bemerkenswert: weil der Tod nach Freud weder Modell noch Erfahrung hat, macht Freud aus ihm ein transzendentes Prinzip.45 So dass die Psychoanalytiker, die den Todestrieb ablehnten, dies aus denselben Gründen taten wie jene, die ihn annahmen: die einen sagten, es gebe keinen Todestrieb, da es im Unbewussten kein Modell und keine Erfahrung gebe, die anderen, es gebe einen Todestrieb gerade weil es kein Modell und keine Erfahrung gebe. Wir sagen im Gegenteil: es gibt keinen Todestrieb, weil es im Unbewussten Modell und Erfahrung des Todes gibt. Der Tod ist dann ein Stück der begehrenden Maschine, das selbst im Funktionieren der Maschine und im System ihrer energetischen Konversionen beurteilt, bewertet werden muss, und nicht als abstraktes Prinzip.
Wenn Freud ihn als Prinzip braucht, so aufgrund der Erfordernisse des Dualismus, der eine qualitative Opposition zwischen den Trieben verlangt (du wirst nicht aus dem Konflikt herauskommen): wenn der Dualismus der Sexualtriebe und der Ich-Triebe nur noch eine topische Tragweite hat, geht der qualitative oder dynamische Dualismus zwischen Eros und Thanatos über. Aber es ist dasselbe Unternehmen, das sich fortsetzt und verstärkt: das maschinische Element des Begehrens zu eliminieren, die begehrenden Maschinen. Es geht darum, die Libido zu eliminieren, insofern diese die Möglichkeit energetischer Konversionen in der Maschine impliziert (Libido-Numen-Voluptas). Es geht darum, die Idee einer energetischen Dualität aufzuzwingen, die maschinische Transformationen unmöglich macht, da alles durch eine neutrale, indifferente Energie gehen muss, durch jene, die von Ödipus ausgeht, fähig, sich der einen oder der anderen der beiden irreduziblen Formen hinzuzufügen – das Leben neutralisieren, mortifizieren.46 Die topischen und dynamischen Dualitäten haben zum Ziel, den Standpunkt der funktionalen Vielheit auszuschalten, der allein ökonomisch ist. (Szondi wird das Problem gut stellen: warum zwei Arten von Trieben, als molar qualifiziert, geheimnisvoll funktionierend, das heißt ödipisch, statt n Triebgenen, acht molekulare Gene etwa, maschinisch funktionierend?) Sucht man in dieser Richtung den letzten Grund, weshalb Freud einen transzendenten Todestrieb als Prinzip errichtet, so findet man ihn in der Praxis selbst. Denn wenn das Prinzip mit den Tatsachen nichts zu tun hat, hat es sehr viel mit der Vorstellung zu tun, die man sich von der Praxis macht und die man aufzwingen will. Freud hat die tiefste Entdeckung des abstrakten subjektiven Wesens des Begehrens gemacht, Libido. Aber weil er dieses Wesen wieder entfremdet, wieder in ein subjektives Repräsentationssystem des Ich reinvestiert hat, weil er es auf der residualen Territorialität des Ödipus rekodiert und unter dem despotischen Signifikanten der Kastration –, konnte er das Wesen des Lebens nur noch unter einer gegen sich selbst gewendeten Form denken, unter der Form des Todes selbst. Und diese Neutralisierung, diese Wendung gegen das Leben, ist noch die letzte Weise, in der eine depressive und erschöpfte Libido weiter überleben kann und träumen kann, sie überlebe: « Das asketische Ideal ist ein Kunstgriff der Kunst, das Leben zu erhalten… Ja, selbst wenn er sich verletzt, dieser zerstörerische Meister, Zerstörer seiner selbst, ist es noch die Wunde, die ihn zwingt zu leben… »47 Es ist Ödipus, sumpfige Erde, der einen tiefen Geruch von Fäulnis und Tod ausdünstet; und es ist die Kastration, die fromme asketische Wunde, der Signifikant, der aus diesem Tod ein Konservatorium für das ödipische Leben macht. Das Begehren ist an sich nicht Begehren zu lieben, sondern Kraft zu lieben, Tugend, die gibt und produziert, die maschiniert (denn wie könnte das, was im Leben ist, noch das Leben begehren? wer wollte das ein Begehren nennen?). Aber es muss, im Namen einer schrecklichen Ananké, der Ananké der Schwachen und Depressiven, der ansteckenden neurotischen Ananké, das Begehren sich gegen sich selbst wenden, seinen Schatten oder seinen Affen produzieren und eine seltsame künstliche Kraft finden, im Leeren zu vegetieren, im Innern seines eigenen Mangels. Für bessere Tage? Es muss – aber wer spricht so? welche Abjektion? – zum Begehren werden, geliebt zu werden, und schlimmer noch, zum weinerlichen Begehren, geliebt worden zu sein, zum Begehren, das aus seiner eigenen Frustration wiedergeboren wird: nein, Papa-Mama hat mich nicht genug geliebt… Das kranke Begehren legt sich auf die Couch, künstlicher Sumpf, kleine Erde, kleine Mutter. « Sehen Sie: Sie können nicht gehen, Sie stolpern, Sie wissen Ihre Beine nicht mehr zu gebrauchen… und die einzige Ursache davon ist Ihr Begehren, geliebt zu werden, ein sentimentales und weinerliches Begehren, das Ihren Knien jede Festigkeit nimmt. »48 Denn ebenso wie es zwei Mägen für den Wiederkäuer gibt, muss es zwei Abtreibungen, zwei Kastrationen für das kranke Begehren geben: einmal in der Familie, auf der Familienszene, mit der Strickenden; ein anderes Mal in der aseptisierten Luxusklinik, auf der psychoanalytischen Szene, mit Künstlern als Spezialisten, die den Todestrieb zu handhaben wissen und die Kastration « gelingen » lassen, die Frustration « gelingen » lassen. In Wahrheit, ist das das richtige Mittel für bessere Tage? Und sind nicht alle Zerstörungen, die die Schizoanalyse vollzieht, besser als dieses psychoanalytische Konservatorium, gehören sie nicht weit eher zu einer affirmativen Aufgabe? « Legen Sie sich also auf das weiche Sofa, das Ihnen der Analytiker anbietet, und versuchen Sie, etwas anderes zu denken… Wenn Ihnen klar wird, dass der Analytiker ein Mensch ist wie Sie, mit Kummer, Fehlern, Ambitionen, Schwächen und allem, dass er nicht Verwahrer einer universellen Weisheit (= Code) ist, sondern ein Vagabund wie Sie (deterritorialisiert), werden Sie vielleicht aufhören, Ihre Abwässer zu erbrechen, so melodisch ihr Echo auch in Ihren Ohren sein mag; vielleicht werden Sie sich auf Ihre zwei Pfoten erheben und anfangen zu singen mit der ganzen Stimme, die Gott (numen) Ihnen schenkte. Beichten, heucheln, klagen, jammern, lamentieren, das kostet immer teuer. Singen ist gratis. Und nicht nur gratis – man bereichert die anderen (statt sie zu infizieren)… Die Welt der Phantasmen ist die, die wir noch nicht erobert haben. Es ist eine Welt der Vergangenheit, nicht der Zukunft. Vorwärts gehen, indem man sich an die Vergangenheit klammert, heißt die Kugeln des Sträflings mit sich schleppen… Es gibt keinen von uns, der nicht eines Verbrechens schuldig wäre: des riesigen, das Leben nicht vollständig zu leben. »49 Du bist nicht als Ödipus geboren, du hast Ödipus in dir wachsen lassen; und du rechnest damit, durch das Phantasma, durch die Kastration herauszukommen, aber das ist seinerseits das, was du in Ödipus hast wachsen lassen, nämlich dich selbst, der schreckliche Kreis. Scheiß auf euer ganzes mortifizierendes Theater, imaginär oder symbolisch. Was verlangt die Schizoanalyse? Nichts anderes als ein wenig wirkliche Beziehung zum Außen, ein wenig wirkliche Realität. Und wir verlangen das Recht einer Leichtigkeit und einer radikalen Inkompetenz, das Recht, in das Sprechzimmer des Analytikers zu treten und zu sagen: es stinkt bei Ihnen. Es stinkt nach dem großen Tod und dem kleinen Ich.
Freud hat selbst den Zusammenhang seiner « Entdeckung » des Todestriebs mit dem Krieg von 14-18 gut gesagt, der das Modell des kapitalistischen Krieges bleibt. Und allgemeiner feiert der Todestrieb die Hochzeit der Psychoanalyse mit dem Kapitalismus; zuvor waren es noch zögernde Verlobungen. Was wir über den Kapitalismus zu zeigen versucht haben, ist, wie er eine mortifizierende transzendente Instanz, den despotischen Signifikanten, erbte, sie aber in die ganze Immanenz seines eigenen Systems ausfließen ließ: der volle Körper, der zum des Kapital-Geldes geworden ist, hebt die Unterscheidung von Anti-Produktion und Produktion auf; er mischt überall die Anti-Produktion unter die produktiven Kräfte, in der immanenten Reproduktion seiner eigenen, stets erweiterten Grenzen (Axiomatik). Das Unternehmen des Todes ist eine der hauptsächlichen und spezifischen Formen der Absorption des Mehrwerts im Kapitalismus. Genau diesen Gang findet die Psychoanalyse wieder und vollzieht ihn erneut mit dem Todestrieb: dieser ist nur noch reines Schweigen in seiner transzendenten Unterscheidung vom Leben, aber er fließt umso mehr durch alle immanenten Kombinationen aus, die er mit eben diesem Leben bildet. Der immanente, diffuse, absorbierte Tod, das ist der Zustand, den der Signifikant im Kapitalismus annimmt, das leere Feld, das man überall verschiebt, um die schizophrenen Ausbrüche zu verstopfen und die Fluchten abzubinden. Der einzige moderne Mythos ist der der Zombies – mortifizierte Schizos, gut für die Arbeit, zur Vernunft zurückgebracht. In diesem Sinn sind der Wilde und der Barbar mit ihren Arten, den Tod zu codieren, Kinder im Vergleich zum modernen Menschen und seiner Axiomatik (es braucht so und so viele Arbeitslose, es braucht so und so viele Tote, der Algerienkrieg tötet nicht mehr als die Autounfälle am Wochenende, der geplante Tod in Bengalen usw.). Der moderne Mensch « delirierte viel mehr. Sein Delirium ist ein Standard mit dreizehn Telefonen. Er gibt der Welt seine Befehle. Er mag die Damen nicht. Er ist auch tapfer. Man dekoriert ihn in einem fort. Im Spiel des Menschen ist der Todestrieb, der stille Trieb, entschieden gut platziert, vielleicht neben dem Egoismus. Er hält den Platz der Null im Roulette. Das Kasino gewinnt immer. Der Tod auch. Das Gesetz der großen Zahlen arbeitet für ihn… »50 Für uns ist es der Moment oder nie, ein Problem wieder aufzunehmen, das wir offen gelassen hatten. Wenn gesagt ist, dass der Kapitalismus auf dekodierten Flüssen als solchen arbeitet, wie kommt es, dass er unendlich weiter von der begehrenden Produktion entfernt ist als die primitiven oder sogar barbarischen Systeme, die doch die Flüsse codieren und übercodieren? Wenn gesagt ist, dass die begehrende Produktion eine selbst dekodierte und deterritorialiserte Produktion ist, wie erklärt man, dass der Kapitalismus mit seiner Axiomatik, seiner Statistik eine unendlich viel umfassendere Repression dieser Produktion ausübt als die vorhergehenden Regime, die doch an repressiven Mitteln nicht arm waren? Wir haben gesehen, dass die molaren statistischen Gesamtheiten sozialer Produktion in einem Verhältnis variabler Affinität zu den molekularen Formationen begehrender Produktion stehen. Was zu erklären ist, ist, dass die kapitalistische Gesamtheit die am wenigsten affine ist, in dem Moment selbst, in dem sie dekodiert und deterritorialisiert in einem fort.
Die Antwort ist Todestrieb, wobei man Trieb überhaupt als historisch und sozial bestimmte Lebensbedingungen bezeichnet, die durch die Produktions- und Anti-Produktionsverhältnisse in einem System bestimmt sind. Wir wissen, dass die molare soziale Produktion und die molekulare begehrende Produktion zugleich vom Standpunkt ihrer Identität der Natur und vom Standpunkt ihres Regimeunterschieds zu beurteilen sind. Aber es kann sein, dass diese beiden Aspekte, Natur und Regime, gewissermaßen potentiell sind und sich nur in umgekehrtem Verhältnis aktualisieren. Das heißt: dort, wo die Regime einander am nächsten sind, ist die Identität der Natur umgekehrt auf ihrem Minimum; und dort, wo die Identität der Natur im Maximum erscheint, unterscheiden sich die Regime am stärksten. Wenn wir die primitiven oder barbarischen Gesamtheiten betrachten, sehen wir, dass das subjektive Wesen des Begehrens als Produktion auf große Objektitäten verlegt wird, territorialer oder despotischer Körper, die als natürliche oder göttliche Voraussetzungen wirken und daher die Codierung oder Übercodierung der Begehrensflüsse gewährleisten, indem sie sie in Repräsentationssysteme einführen, die selbst objektiv sind. Man kann also sagen, dass die Identität der Natur zwischen den beiden Produktionen dort völlig verborgen ist: sowohl durch den Unterschied zwischen dem objektiven Socius und dem subjektiven vollen Körper der begehrenden Produktion, als auch durch den Unterschied zwischen den qualifizierten Codes und Übercodierungen der sozialen Produktion und den Ketten der Dekodierung oder der Deterritorialisierung der begehrenden Produktion, und durch den ganzen repressiven Apparat, der in den wilden Verboten, dem barbarischen Gesetz und den Rechten der Antiproduktion repräsentiert ist. Und doch: weit davon entfernt, dass der Regimeunterschied sich akzentuierte und vertiefte, ist er im Gegenteil auf ein Minimum reduziert, weil die begehrende Produktion als absolute Grenze eine äußere Grenze bleibt oder als interiorisierte und verschobene Grenze unbesetzt bleibt, so dass die Maschinen des Begehrens diesseits ihrer Grenze im Rahmen des Socius und seiner Codes funktionieren. Darum bezeugen die primitiven Codes und selbst die despotischen Übercodierungen eine Polyvokität, die sie funktional einer Dekodierungskette des Begehrens annähert: Die Stücke begehrender Maschinen funktionieren in den Getrieben der sozialen Maschine selbst, die Begehrensflüsse treten durch die Codes ein und aus, die zugleich unaufhörlich das Modell und die Erfahrung des Todes informieren, die in der Einheit eines sozial-begehrenden Apparats ausgearbeitet werden. Und es gibt umso weniger Todestrieb, je besser Modell und Erfahrung in einem Kreislauf codiert sind, der unaufhörlich die begehrenden Maschinen auf die soziale Maschine aufpfropft und die soziale Maschine in die begehrenden Maschinen einpflanzt. Der Tod kommt umso mehr von außen, je mehr er von innen codiert ist. Das gilt vor allem für das System der Grausamkeit, in dem der Tod in den primitiven Mechanismus des Mehrwerts eingeschrieben ist wie in die Bewegung der endlichen Schuldblöcke. Aber selbst im System des despotischen Terrors, wo die Schuld unendlich wird und wo der Tod eine Erschöpfung erfährt, die dazu tendiert, aus ihm einen latenten Trieb zu machen, bleibt dennoch ein Modell im übercodierenden Gesetz bestehen und eine Erfahrung für die übercodierten Subjekte, während die Anti-Produktion getrennt bleibt als der Anteil des Herrn.
Im Kapitalismus ist das sehr verschieden. Gerade weil die Kapitalflüsse dekodierte und deterritorialisierte Flüsse sind, – gerade weil das subjektive Wesen der Produktion im Kapitalismus entdeckt wird, – gerade weil die Grenze dem Kapitalismus innerlich wird, der sie unaufhörlich reproduziert und sie auch als interiorisierte und verschobene Grenze besetzt –, muss die Identität der Natur zwischen der sozialen Produktion und der begehrenden Produktion für sich selbst erscheinen. Aber ihrerseits: weit davon entfernt, dass diese Identität der Natur eine Regimeaffinität zwischen den beiden Produktionen begünstigte, vergrößert sie den Regimeunterschied auf katastrophale Weise, sie errichtet einen Repressionsapparat, von dem weder Wildheit noch Barbarei uns eine Vorstellung geben konnten. Denn vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs der großen Objektitäten werden die dekodierten und deterritorialisierten Flüsse des Kapitalismus nicht wieder aufgenommen oder wiedergewonnen, sondern unmittelbar in einer Axiomatik ohne Code ergriffen, die sie auf das Universum der subjektiven Repräsentation bezieht. Dieses Universum hat die Funktion, das subjektive Wesen (Identität der Natur) in zwei Funktionen zu spalten: die des abstrakten, im Privateigentum entfremdeten Arbeitens, das die stets erweiterten inneren Grenzen reproduziert, und die des abstrakten, in der privatisierten Familie entfremdeten Begehrens, das stets enger werdende interiorisierte Grenzen verschiebt. Es ist die doppelte Entfremdung Arbeit–Begehren, die unaufhörlich den Regimeunterschied innerhalb der Identität der Natur vergrößert und vertieft. Während der Tod dekodiert wird, verliert er zugleich seinen Bezug zu einem Modell und zu einer Erfahrung und wird Trieb, das heißt: er fließt in das immanente System aus, in dem jeder Produktionsakt unauflöslich mit der Anti-Produktionsinstanz als Kapital vermischt ist. Dort, wo die Codes aufgelöst sind, bemächtigt sich der Todestrieb des repressiven Apparats und beginnt die Zirkulation der Libido zu dirigieren. Tödliche Axiomatik. Man kann dann an befreite Begehren glauben, die sich jedoch wie Leichen von Bildern nähren. Man begehrt nicht den Tod, aber was man begehrt, ist tot, schon tot: Bilder. Alles arbeitet im Tod, alles begehrt für den Tod. In Wahrheit hat der Kapitalismus nichts wiederzugewinnen; oder vielmehr: seine Rückgewinnungsmächte koexistieren meist mit dem, was wiederzugewinnen ist, und gehen ihm sogar voraus. (Wie viele revolutionäre Gruppen als solche sind bereits für eine Rückgewinnung in Stellung, die sich erst in der Zukunft vollziehen wird, und bilden einen Apparat für die Absorption eines Mehrwerts, der noch nicht einmal produziert ist: was ihnen gerade eine scheinbar revolutionäre Position gibt.) In einer solchen Welt gibt es kein einziges lebendiges Begehren, das nicht genügen würde, das System in die Luft zu jagen, oder es nicht an einem Ende fliehen ließe, wo schließlich alles folgen und sich hinein ergießen würde – Regimefrage.
Das sind die begehrenden Maschinen, – mit ihren drei Stücken: den arbeitenden Stücken, dem unbeweglichen Motor, dem angrenzenden Stück, – ihren drei Energien: Libido, Numen und Voluptas, – ihren drei Synthesen: den konnektiven Synthesen von Partialobjekten und Flüssen, den disjunktiven Synthesen von Singularitäten und Ketten, den konjunktiven Synthesen von Intensitäten und Werden. Der Schizo-Analytiker ist kein Interpret, noch weniger ein Regisseur, er ist ein Mechaniker, ein Mikromechaniker. Es gibt keine Grabung oder Archäologie im Unbewussten, es gibt keine Statuen: nichts als Steine zum Lutschen, à la Beckett, und andere maschinische Elemente deterritorialisierter Gesamtheiten. Es geht darum, herauszufinden, welche begehrenden Maschinen jemand hat, wie sie laufen, mit welchen Synthesen, welchen Hochläufen, welchen konstitutiven Störungen, mit welchen Flüssen, welchen Ketten, welchen Werden in jedem Fall. Ebenso kann diese positive Aufgabe nicht von den unabdingbaren Zerstörungen getrennt werden, von der Zerstörung der molaren Gesamtheiten, Strukturen und Repräsentationen, die die Maschine am Funktionieren hindern. Es ist nicht leicht, die Moleküle, sogar das Riesenmolekül, ihre Wege, ihre Präsenzzonen und ihre eigenen Synthesen durch die großen Haufen hindurch wiederzufinden, die das Vorbewusste füllen und ihre Vertreter in das Unbewusste selbst delegieren, die die Maschinen immobilisieren, sie zum Schweigen bringen, sie verkleben, sie sabotieren, sie einklemmen, sie festnageln. Es sind nicht die Drucklinien des Unbewussten, die zählen, sondern im Gegenteil seine Fluchtlinien. Nicht das Unbewusste setzt die Bewusstheit unter Druck, sondern das Bewusstsein setzt unter Druck und legt eine Garrotte an, um es am Fliehen zu hindern. Was das Unbewusste betrifft, so ist es wie das platonische Gegenteil beim Annähern an sein Gegenteil: es flieht oder es geht zugrunde. Was wir seit Beginn zu zeigen versucht haben, ist, wie die Produktionen und Formationen des Unbewussten nicht bloß von einer Verdrängungsinstanz zurückgewiesen werden, die Kompromisse mit ihnen schlösse, sondern wirklich von Anti-Formationen überdeckt werden, die das Unbewusste an sich entstellen und ihm Verursachungen, Verständnisse, Ausdrucksweisen auferlegen, die mit seinem realen Funktionieren nichts mehr zu tun haben: so all die Statuen, die ödipischen Bilder, die phantasmatischen Inszenierungen, die Symbolik der Kastration, das Ausfließen des Todestriebs, die perversen Reterritorialisierungen. So dass man niemals, wie in einer Interpretation, das Verdrängte durch und in der Verdrängung lesen kann, da diese unaufhörlich ein falsches Bild dessen induziert, was sie verdrängt: illegitime und transzendente Gebrauchsweisen von Synthesen, nach denen das Unbewusste nicht mehr gemäß seinen eigenen konstituierenden Maschinen funktionieren kann, sondern nur noch « repräsentieren » kann, was ein repressiver Apparat ihm zu repräsentieren gibt. Die Form der Interpretation selbst erweist sich als unfähig, das Unbewusste zu erreichen, weil sie selbst die unvermeidlichen Illusionen hervorruft (einschließlich Struktur und Signifikant), durch die das Bewusstsein sich vom Unbewussten ein Bild macht, das seinen Wünschen entspricht – wir sind noch immer fromm, die Psychoanalyse bleibt im vorkritischen Zeitalter.
Und gewiss würden diese Illusionen niemals greifen, wenn sie nicht von einer Koinzidenz und einer Stütze im Unbewussten selbst profitieren würden, die das « Greifen » gewährleistet. Wir haben gesehen, worin diese Stütze besteht: es handelt sich um die ursprüngliche Verdrängung, wie sie vom Körper ohne Organe im Moment der Abstoßung innerhalb der molekularen begehrenden Produktion ausgeübt wird. Ohne diese ursprüngliche Verdrängung könnte niemals eine eigentliche Verdrängung von den molaren Kräften in das Unbewusste delegiert werden und die begehrende Produktion zerdrücken. Die eigentliche Verdrängung nutzt eine Gelegenheit, ohne die sie sich nicht in die Maschinerie des Begehrens einschmuggeln könnte.51 Im Gegensatz zur Psychoanalyse, die selbst in die Falle gerät, indem sie das Unbewusste in ihre Falle bringt, verfolgt die Schizo-Analyse die Fluchtlinien und die maschinischen Indizes bis zu den begehrenden Maschinen. Wenn das Wesentliche der destruktiven Aufgabe darin besteht, die ödipische Falle der eigentlichen Verdrängung und all ihre Abhängigkeiten zu lösen, jedes Mal in einer dem « Fall » angepassten Weise, so besteht das Wesentliche der ersten positiven Aufgabe darin, die maschinische Konversion der ursprünglichen Verdrängung zu gewährleisten, auch dies in einer variablen, angepassten Weise. Das heißt: die Blockierung oder Koinzidenz zu lösen, auf der die eigentliche Verdrängung beruht, den scheinbaren Gegensatz der Abstoßung (Körper ohne Organe–Maschinen–Partialobjekte) in eine Bedingung realen Funktionierens zu verwandeln, dieses Funktionieren in den Formen der Anziehung und der Produktion von Intensitäten zu sichern, sodann die Störungen in das attraktive Funktionieren zu integrieren, wie man den Grad Null in die produzierten Intensitäten einhüllt, und dadurch die begehrenden Maschinen wieder anlaufen zu lassen. Das ist der fokale und heikle Punkt, der für die Übertragung in der Schizo-Analyse gilt (die perverse Übertragung der Psychoanalyse zerstreuen, schizophränisieren).
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Man darf dennoch nicht, wegen des Regimeunterschieds, die Identität der Natur vergessen. Es gibt grundlegend zwei Pole; aber wenn wir sie als Dualität molarer Formationen und molekularer Formationen darstellen müssen, können wir uns nicht damit begnügen, sie so darzustellen, da es keine molekulare Formation gibt, die nicht an sich Investition einer molaren Formation wäre. Keine begehrenden Maschinen, die außerhalb der sozialen Maschinen existieren, die sie in großem Maßstab bilden; und keine sozialen Maschinen ohne die begehrenden, die sie in kleinem Maßstab bevölkern. Ebenso gibt es keine molekulare Kette, die nicht ganze Blöcke molarer Codierung oder Axiomatik abfinge und reproduzierte, und auch keine solchen Blöcke, die nicht Fragmente molekularer Kette enthielten oder versiegelten. Eine Begehrenssequenz wird durch eine soziale Serie verlängert, oder eine soziale Maschine hat in ihren Getrieben Stücke begehrender Maschinen. Die begehrenden Mikro-Mehrheiten sind nicht weniger kollektiv als die großen sozialen Gesamtheiten, eigentlich untrennbar und bildend eine einzige und dieselbe Produktion. Von diesem Standpunkt geht die Dualität der Pole weniger zwischen dem Molaren und dem Molekularen hindurch als innerhalb der molaren sozialen Investitionen, da die molekularen Formationen ohnehin solche Investitionen sind. Darum musste unsere Terminologie hinsichtlich der beiden Pole notwendigerweise variieren. Bald stellten wir das Molare und das Molekulare gegenüber, als paranoische, signifikante und strukturierte Integrationslinien und als schizophrene, maschinische und verstreute Fluchtlinien; oder auch als das Ziehen der perversen Reterritorialisierungen und die Bewegung der schizophrenen Deterritorialisierungen. Bald hingegen stellten wir sie als zwei große Typen gleichermaßen sozialer Investitionen gegenüber, der eine sedentär und bi-univozisierend, mit reaktionärer oder faschistischer Tendenz, der andere nomadisch und polyvok, mit revolutionärer Tendenz. Denn in der schizoiden Erklärung « Ich bin ewig von unterlegener Rasse », « Ich bin ein Tier, ein Neger », « Wir sind alle deutsche Juden », ist das historisch-soziale Feld nicht weniger investiert als in der paranoischen Formel « Ich gehöre zu euch, und wahrhaft von hier, ich bin ein reiner Arier, für immer von überlegener Rasse »… Und von einer Formel zur anderen alle möglichen Oszillationen, vom Standpunkt der unbewussten libidinösen Investition. Wie ist das möglich? Wie kann die schizophrene Flucht mit ihrer molekularen Dispersion eine ebenso starke und bestimmte Investition bilden wie die andere? Und warum gibt es zwei Typen sozialer Investition, die den beiden Polen entsprechen? Weil es überall das Molare und das Molekulare gibt: ihre Disjunktion ist ein Verhältnis eingeschlossener Disjunktion, das nur nach den beiden Unterordnungsrichtungen variiert, je nachdem, ob die molekularen Phänomene den großen Gesamtheiten untergeordnet werden oder ihnen umgekehrt die großen Gesamtheiten untergeordnet werden. An dem einen Pol verhindern die großen Gesamtheiten, die großen Formen der Gregarität nicht die Flucht, die sie fortreißt, und setzen ihr die paranoische Investition nur als « Flucht vor der Flucht » entgegen. Aber am anderen Pol besteht die schizophrene Flucht selbst nicht nur darin, sich vom Sozialen zu entfernen, am Rand zu leben: sie lässt das Soziale fliehen durch die Vielheit der Löcher, die es zernagen und durchlöchern, stets in direktem Zugriff auf es, überall die molekularen Ladungen disponierend, die explodieren lassen werden, was explodieren muss, fallen lassen, was fallen muss, fliehen lassen, was fliehen muss, und an jedem Punkt die Konversion der Schizophrenie als Prozess in tatsächlich revolutionäre Kraft sichern. Denn was ist der Schizo, wenn nicht zuerst der, der « das alles » nicht mehr ertragen kann, das Geld, die Börse, die Todeskräfte, sagte Nijinsky – Werte, Moralen, Vaterländer, Religionen und private Gewissheiten? Vom Schizo zum Revolutionär gibt es nur den ganzen Unterschied zwischen dem, der flieht, und dem, der zu fliehen weiß, was er flieht, indem er ein schmutziges Rohr platzen lässt, eine Sintflut durchgehen lässt, einen Fluss freisetzt, eine Schize schneidet. Der Schizo ist nicht revolutionär, aber der schizophrene Prozess (von dem der Schizo nur die Unterbrechung oder die Fortsetzung im Leeren ist) ist das Potential der Revolution. Denen, die sagen, fliehen sei nicht mutig, antwortet man: Was ist nicht Flucht und zugleich soziale Investition? Die Wahl gibt es nur zwischen zwei Polen, der paranoischen Gegenflucht, die alle konformistischen, reaktionären und faschisierenden Investitionen belebt, und der schizophrenen Flucht, die in revolutionäre Investition konvertierbar ist. Blanchot sagt bewundernswert von dieser revolutionären Flucht, von diesem Sturz, der als das Positivste gedacht und geführt werden muss: « Was ist diese Flucht? Das Wort ist schlecht gewählt, um zu gefallen. Der Mut besteht dennoch darin, das Fliehen zu akzeptieren, statt ruhig und heuchlerisch in falschen Zufluchten zu leben. Die Werte, die Moralen, die Vaterländer, die Religionen und jene privaten Gewissheiten, die unsere Eitelkeit und unsere Selbstgefälligkeit uns großzügig zugestehen, haben ebenso viele trügerische Aufenthalte, wie die Welt für jene einrichtet, die meinen, so aufrecht und in Ruhe zu stehen, unter stabilen Dingen. Sie wissen nichts von dieser ungeheuren Verwirrung, in die sie gehen, unwissend über sich selbst, im monotonen Summen ihrer stets schnelleren Schritte, die sie unpersönlich durch eine große unbewegliche Bewegung tragen. Flucht vor der Flucht. [Nehmen wir einen dieser Menschen] der, nachdem er die Offenbarung der geheimnisvollen Drift hatte, es nicht mehr erträgt, in den falschen Anscheinen des Aufenthalts zu leben. Zuerst versucht er, diese Bewegung auf eigene Rechnung zu nehmen. Er möchte sich persönlich entfernen. Er lebt am Rand… [Aber] vielleicht ist es das, der Sturz, dass er nicht mehr ein persönliches Schicksal sein kann, sondern das Los jedes Einzelnen in allen. »52 In diesem Sinn ist die erste These der Schizo-Analyse: jede Investition ist sozial und richtet sich in jedem Fall auf ein historisch-soziales Feld.
Rufen wir die großen Züge einer molaren Formation oder einer Form der Gregarität in Erinnerung. Sie operieren eine Vereinheitlichung, eine Totalisierung der molekularen Kräfte durch statistische Akkumulation, die den Gesetzen der großen Zahlen gehorcht. Diese Einheit kann die biologische Einheit einer species oder die strukturelle Einheit eines Socius sein: ein sozialer oder lebendiger Organismus setzt sich als ein Ganzes zusammen, als ein globales oder vollständiges Objekt. In Bezug auf diese neue Ordnung erscheinen die Partialobjekte molekularer Ordnung als Mangel, während zugleich das Ganze selbst als das gilt, was den Partialobjekten fehlt. So wird das Begehren an den Mangel gelötet. Die tausend Schnitt-Fluss, die die positive Dispersion in einer molekularen Vielheit definieren, werden auf Mangelvakuolen zurückgebogen, die dieses Löten in einer statistischen Gesamtheit molarer Ordnung vollziehen. Freud zeigte gut in diesem Sinn, wie man von den psychotischen Vielheiten der Dispersion, gegründet auf Schnitten oder Schizen, zu großen, global bestimmten Vakuolen übergeht, vom Typ Neurose und Kastration: der Neurotiker braucht ein globales Objekt, in Bezug auf das die Partialobjekte als Mangel bestimmt werden können und umgekehrt.53 Aber allgemeiner ist es die statistische Transformation der molekularen Vielheit in eine molare Gesamtheit, die den Mangel im großen Maßstab organisiert. Eine solche Organisation gehört wesentlich zum biologischen oder sozialen Organismus, species oder socius. Es gibt keine Gesellschaft, die nicht in ihrem Innern den Mangel einrichtet, durch variable, ihr eigene Mittel (diese Mittel sind nicht dieselben, zum Beispiel in einer Gesellschaft despotischen Typs oder in einer kapitalistischen Gesellschaft, wo die Marktwirtschaft sie zu einem bis dahin unbekannten Grad der Perfektion bringt). Dieses Löten des Begehrens an den Mangel ist genau das, was dem Begehren kollektive und persönliche Zwecke, Ziele oder Intentionen gibt – statt des Begehrens, das in der realen Ordnung seiner Produktion als ein molekulares Phänomen ohne Ziel und Intention funktioniert. Man darf also nicht glauben, dass die statistische Akkumulation ein Ergebnis des Zufalls, ein zufälliges Ergebnis sei. Sie ist im Gegenteil die Frucht einer Selektion, die sich auf die Elemente des Zufalls ausübt. Wenn Nietzsche sagt, die Selektion übe sich meist zugunsten der großen Zahl aus, wirft er eine grundlegende Intuition aus, die das moderne Denken inspirieren wird. Denn er will sagen, dass die großen Zahlen oder die großen Gesamtheiten nicht einer selektiven Pressung vorausgehen, die daraus singuläre Linien herauslösen würde, sondern dass sie im Gegenteil aus dieser selektiven Pressung hervorgehen, die die Singularitäten zerdrückt, eliminiert oder regularisiert. Nicht die Selektion setzt eine ursprüngliche Gregarität voraus, sondern die Gregarität setzt die Selektion voraus und entsteht aus ihr. Die « Kultur » als selektiver Prozess des Markierens oder Einschreibens erfindet die großen Zahlen, zugunsten deren sie sich ausübt. Darum ist die Statistik nicht funktional, sondern struktural, und betrifft Ketten von Phänomenen, die die Selektion bereits in einen Zustand partieller Abhängigkeit versetzt hat (Markoff-Ketten). Man sieht das sogar im genetischen Code. Mit anderen Worten: Gregaritäten sind niemals beliebig, sie verweisen auf qualifizierte Formen, die sie durch schöpferische Selektion hervorbringen. Die Ordnung ist nicht: Gregarität → Selektion, sondern im Gegenteil molekulare Vielheit → Formen der Gregarität, die die Selektion ausüben → daraus hervorgehende molare oder gregarische Gesamtheiten.
Was sind diese qualifizierten Formen, « Souveränitätsformationen », sagte Nietzsche, die die Rolle totalisierender, vereinheitlichender, signifikanter Objektitäten spielen, die Organisationen, Mängel und Ziele fixieren? Es sind die vollen Körper, die die verschiedenen Modi des Socius bestimmen, wirkliche schwere Gesamtheiten der Erde, des Despoten, des Kapitals. Volle Körper oder bekleidete Materien, die sich vom vollen Körper ohne Organe oder von der nackten Materie der molekularen begehrenden Produktion unterscheiden. Fragt man, woher diese Machtformen kommen, so ist offensichtlich, dass sie sich durch kein Ziel, keinen Zweck erklären, da sie es sind, die Ziele und Zwecke festlegen. Die Form oder Qualität dieses oder jenes Socius, Körper der Erde, Körper des Despoten, Körper des Kapital-Geldes, hängt von einem Zustand oder einem Grad intensiver Entwicklung der Produktivkräfte ab, insofern diese einen Mensch-Natur bestimmen, der von allen sozialen Formationen unabhängig ist oder vielmehr allen gemeinsam (was die Marxisten « die Daten der nützlichen Arbeit » nennen). Die Form oder Qualität des Socius ist also selbst produziert, aber als das Ungezeugte, das heißt als die natürliche oder göttliche Voraussetzung der entsprechenden Produktion auf diesem oder jenem Grad, der sie eine strukturelle Einheit und scheinbare Ziele gibt, auf die sie sich zurücklegt und deren Kräfte sie sich aneignet, indem sie die Selektionen, die Akkumulationen, die Anziehungen bestimmt, ohne die diese keinen sozialen Charakter annehmen würden. In diesem Sinn ist die soziale Produktion genau die begehrende Produktion selbst unter bestimmten Bedingungen. Diese bestimmten Bedingungen sind also die Formen der Gregarität als Socius oder voller Körper, unter denen die molekularen Formationen molare Gesamtheiten konstituieren.
Wir können dann die zweite These der Schizo-Analyse präzisieren: Man wird in den sozialen Investitionen die unbewusste libidinöse Gruppen- oder Begehrensinvestition und die vorbewusste Klassen- oder Interesseninvestition unterscheiden. Letztere geht durch die großen sozialen Ziele und betrifft den Organismus und die kollektiven Organe, einschließlich der eingerichteten Mangelvakuolen. Eine Klasse wird durch ein Synthesenregime definiert, einen Zustand globaler Verbindungen, exklusiver Disjunktionen, residualer Konjunktionen, die die betrachtete Gesamtheit charakterisieren. Die Zugehörigkeit zu einer Klasse verweist auf die Rolle in der Produktion oder Anti-Produktion, auf den Platz in der Einschreibung, auf den Anteil, der den Subjekten zufällt. Das vorbewusste Klasseninteresse verweist also selbst auf die Abschöpfungen von Flüssen, die Abtrennungen von Codes, auf die Reste oder subjektiven Einkünfte. Und es ist von diesem Standpunkt aus durchaus wahr, dass eine Gesamtheit praktisch nur eine einzige Klasse umfasst, diejenige, die ein Interesse an einem solchen Regime hat. Die andere Klasse kann sich nur durch eine Gegeninvestition konstituieren, die ihr eigenes Interesse in Funktion neuer sozialer Ziele, neuer Organe und Mittel, eines neuen möglichen Zustands der sozialen Synthesen schafft. Daher die Notwendigkeit für die andere Klasse, durch einen Parteiapparat repräsentiert zu werden, der diese Ziele und diese Mittel fixiert und im Bereich des Vorbewussten einen revolutionären Schnitt vollzieht (zum Beispiel der leninistische Schnitt). In diesem Bereich der vorbewussten Klassen- oder Interesseninvestitionen ist es also leicht zu unterscheiden, was reaktionär oder reformistisch ist oder was revolutionär ist. Aber diejenigen, die in diesem Sinn ein Interesse haben, sind stets in geringerer Zahl als diejenigen, deren Interesse gewissermaßen « gehabt » oder repräsentiert ist: die Klasse vom Standpunkt der Praxis ist unendlich viel weniger zahlreich oder weniger weit als die Klasse, genommen in ihrer theoretischen Bestimmung. Daher die fortbestehenden Widersprüche innerhalb der herrschenden Klasse, das heißt der Klasse schlechthin. Das ist im kapitalistischen Regime offensichtlich, wo zum Beispiel die ursprüngliche Akkumulation nur zugunsten eines eng begrenzten Bruchteils der Gesamtheit der herrschenden Klasse erfolgen kann.54 Aber nicht weniger offensichtlich ist es für die russische Revolution mit ihrer Bildung eines Parteiapparats.
Diese Situation reicht jedoch keineswegs aus, um das folgende Problem zu lösen: Warum behalten viele von denen, die ein objektiv revolutionäres Interesse haben oder haben sollten, eine vorbewusste Investition reaktionären Typs? und seltener: Wie gelingt es manchen, deren Interesse objektiv reaktionär ist, eine vorbewusste revolutionäre Investition zu vollziehen? Muss man im einen Fall einen Durst nach Gerechtigkeit anrufen, eine richtige ideologische Position, als eine gute und richtige Sicht; und im anderen Fall eine Blindheit, Frucht einer ideologischen Täuschung oder Mystifikation? Revolutionäre vergessen oft oder mögen nicht anerkennen, dass man die Revolution aus Begehren will und macht, nicht aus Pflicht. Hier wie anderswo ist der Ideologiebegriff ein verabscheuungswürdiger Begriff, der die wirklichen Probleme verdeckt, stets organisatorischer Natur. Wenn Reich, in dem Moment, als er die tiefste Frage stellte, « Warum haben die Massen den Faschismus begehrt? », sich damit begnügte, zu antworten, indem er das Ideologische, das Subjektive, das Irrationale, das Negative und das Gehemmte anrief, so deshalb, weil er Gefangener abgeleiteter Begriffe blieb, die ihn die materialistische Psychiatrie, von der er träumte, verfehlen ließen, die ihn daran hinderten zu sehen, wie das Begehren Teil der Infrastruktur war, und ihn in der Dualität des Objektiven und des Subjektiven einschlossen (von da an wurde die Psychoanalyse auf die Analyse des Subjektiven verwiesen, definiert durch die Ideologie). Aber alles ist objektiv oder subjektiv, wie man will. Die Unterscheidung liegt nicht dort; die zu machende Unterscheidung verläuft in der ökonomischen Infrastruktur selbst und ihren Investitionen. Die libidinöse Ökonomie ist nicht weniger objektiv als die politische Ökonomie, und die Politik nicht weniger subjektiv als die libidinöse, obwohl beide zwei verschiedenen Investitionsweisen derselben Realität als sozialer Realität entsprechen. Es gibt eine unbewusste libidinöse Begehrensinvestition, die nicht notwendig mit den vorbewussten Interesseninvestitionen zusammenfällt und erklärt, wie diese gestört, pervertiert werden können in « der dunkelsten Organisation », unterhalb jeder Ideologie.
Die libidinöse Investition richtet sich nicht auf das Regime der sozialen Synthesen, sondern auf den Entwicklungsgrad der Kräfte oder Energien, von denen diese Synthesen abhängen. Sie richtet sich nicht auf die Abschöpfungen, Abtrennungen und Reste, die diese Synthesen vornehmen, sondern auf die Natur der Flüsse und Codes, die sie bedingen. Sie richtet sich nicht auf die sozialen Ziele und Mittel, sondern auf den vollen Körper als Socius, auf die Souveränitätsformation oder die Machtform für sich selbst, die sinn- und ziellos ist, da die Sinne und Ziele aus ihr hervorgehen und nicht umgekehrt. Zweifellos disponieren uns die Interessen zu dieser oder jener libidinösen Investition, aber sie fallen nicht mit ihr zusammen. Mehr noch: Es ist die unbewusste libidinöse Investition, die uns bestimmt, unser Interesse eher auf der einen als auf der anderen Seite zu suchen, unsere Ziele auf diesem Weg zu pflanzen, überzeugt, dass wir dort alle Chancen haben – weil die Liebe uns dorthin treibt. Die manifesten Synthesen sind nur die vorbewussten Gradmesser eines Entwicklungsgrades, die scheinbaren Interessen und Ziele sind nur die vorbewussten Exponenten eines sozialen vollen Körpers. Wie Klossowski in seinem tiefen Kommentar zu Nietzsche sagt, fällt eine Machtform mit der Gewalt zusammen, die sie gerade durch ihre Absurdität ausübt, kann diese Gewalt aber nur ausüben, indem sie sich Ziele und Sinne zuweist, an denen selbst die unterworfensten Elemente teilnehmen: « Die souveränen Formationen werden keinen anderen Zweck haben, als die Abwesenheit von Ziel und Sinn ihrer Souveränität durch das organische Ziel ihrer Schöpfung zu maskieren », und auf diese Weise die Absurdität in Spiritualität zu verwandeln.55 Deshalb ist es so unerquicklich, in einer Gesellschaft zu unterscheiden, was rational und was irrational ist. Gewiss treiben Rolle, Platz, Anteil, den man in einer Gesellschaft hat und den man gemäß den Gesetzen der sozialen Reproduktion erbt, die Libido dazu, diesen Socius als vollen Körper zu investieren, diese absurde Macht, an der wir unter dem Deckmantel der Ziele und Interessen teilnehmen oder Chancen haben teilzunehmen. Es bleibt, dass es eine uneigennützige Liebe zur sozialen Maschine gibt, zur Machtform und zum Entwicklungsgrad für sich selbst. Selbst bei dem, der ein Interesse daran hat – und der sie zusätzlich noch durch eine andere Liebe liebt als die seines Interesses. Selbst bei dem, der kein Interesse daran hat und an die Stelle dieses Gegeninteresses die Kraft einer seltsamen Liebe setzt. Flüsse, die auf dem porösen vollen Körper eines Socius fließen, das ist das Objekt des Begehrens, höher als alle Ziele. Es wird niemals genug fließen, niemals genug schneiden, niemals genug codieren – und auf diese Weise! Wie schön die Maschine ist! Der Offizier aus In der Strafkolonie zeigt, was die intensive libidinöse Investition einer Maschine sein kann, die nicht nur technisch, sondern sozial ist, durch die das Begehren seine eigene Repression begehrt. Wir haben gesehen, wie die kapitalistische Maschine ein Immanenzsystem konstituierte, gesäumt von einem großen mutierenden, nicht possessiven und nicht besessenen Fluss, der auf dem vollen Körper des Kapitals floss und eine absurde Macht bildete. Jede:r empfängt in seiner Klasse und seiner Person etwas von dieser Macht oder ist von ihr ausgeschlossen, insofern der große Fluss sich in Einkünfte verwandelt, Lohn- oder Unternehmenseinkünfte, die Ziele oder Interessensphären definieren, Abschöpfungen, Abtrennungen, Anteile. Aber die Investition des Flusses selbst und seiner Axiomatik, die gewiss keine präzise Kenntnis der politischen Ökonomie erfordert, ist Sache der unbewussten Libido, insofern sie von den Zielen vorausgesetzt wird. Man sieht die am stärksten Benachteiligten, die am stärksten Ausgeschlossenen, mit Leidenschaft das System investieren, das sie unterdrückt und in dem sie immer ein Interesse finden, da sie es dort suchen und messen. Das Interesse folgt immer. Die Anti-Produktion fließt in das System aus: man wird die Anti-Produktion um ihrer selbst willen lieben und die Weise, wie das Begehren sich selbst im großen kapitalistischen Ensemble unterdrückt. Das Begehren unterdrücken, nicht nur für die anderen, sondern in sich selbst, der Bulle der anderen und seiner selbst sein, das macht geil, und das ist keine Ideologie, das ist Ökonomie. Der Kapitalismus sammelt und besitzt die Macht des Ziels und des Interesses (die Macht), aber er empfindet eine uneigennützige Liebe zur absurden und nicht besessenen Macht der Maschine. Oh, gewiss, nicht für sich und nicht für seine Kinder arbeitet der Kapitalist, sondern für die Unsterblichkeit des Systems. Gewalt ohne Ziel, Freude, reine Freude, sich als ein Rädchen der Maschine zu fühlen, von Flüssen durchzogen, von Schizen geschnitten. Sich in die Position bringen, in der man so durchzogen, geschnitten, vom Socius gefickt wird, den guten Platz suchen, wo man, gemäß den Zielen und Interessen, die uns zugewiesen sind, etwas vorbeigehen spürt, das weder Interesse noch Ziel hat. Eine Art Kunst um der Kunst willen in der Libido, ein Geschmack an der gut gemachten Arbeit, jede:r an seinem Platz, der Bankier, der Bulle, der Soldat, der Technokrat, der Bürokrat, und warum nicht der Arbeiter, der Gewerkschafter… Das Begehren gafft.
Nun kann nicht nur die libidinöse Investition des sozialen Feldes die Interesseninvestition stören und die am stärksten Benachteiligten, die am stärksten Ausgebeuteten dazu zwingen, ihre Ziele in einer unterdrückenden Maschine zu suchen, sondern das, was in der vorbewussten Interesseninvestition reaktionär oder revolutionär ist, fällt nicht notwendig mit dem zusammen, was es in der unbewussten libidinösen Investition ist. Eine vorbewusste revolutionäre Investition richtet sich auf neue Ziele, neue soziale Synthesen, eine neue Macht. Aber es kann sein, dass wenigstens ein Teil der unbewussten Libido weiterhin den alten Körper, die alte Machtform, ihre Codes und Flüsse investiert. Das ist umso leichter, und der Widerspruch ist umso besser maskiert, als ein Kräftezustand sich nicht über den alten hinwegsetzt, ohne den alten vollen Körper als residuale und untergeordnete Territorialität zu bewahren oder wiederzubeleben (so die Weise, wie die kapitalistische Maschine den despotischen Urstaat wiederbelebt oder wie die sozialistische Maschine einen staatsmonopolistischen und marktlichen Kapitalismus bewahrt). Aber es gibt noch Schlimmeres: Selbst wenn die Libido den neuen Körper, die neue Macht annimmt, die den tatsächlich revolutionären Zielen und Synthesen vom Standpunkt des Vorbewussten entspricht, ist nicht sicher, dass die unbewusste libidinöse Investition selbst revolutionär ist. Denn es sind nicht dieselben Schnitte, die auf der Ebene der unbewussten Begehren und der vorbewussten Interessen verlaufen. Der vorbewusste revolutionäre Schnitt ist hinreichend definiert durch die Promotion eines Socius als vollen Körper, Träger neuer Ziele, als Machtform oder Souveränitätsformation, die die begehrende Produktion unter neuen Bedingungen unterordnet. Aber obwohl die unbewusste Libido dazu gebracht wird, diesen Socius zu investieren, ist ihre Investition nicht notwendig revolutionär im gleichen Sinn wie die vorbewusste Investition. Denn der unbewusste revolutionäre Schnitt impliziert seinerseits den Körper ohne Organe als Grenze des Socius, dem die begehrende Produktion sich wiederum unterordnet, unter der Bedingung einer umgekehrten Macht, einer umgekehrten Unterordnung. Die vorbewusste Revolution verweist auf ein neues Regime sozialer Produktion, das neue Ziele und Interessen schafft, verteilt und befriedigt; aber die unbewusste Revolution verweist nicht nur auf den Socius, der diesen Wandel als Machtform bedingt, sie verweist in diesem Socius auf das Regime der begehrenden Produktion als umgekehrte Macht auf dem Körper ohne Organe. Es ist nicht derselbe Zustand der Flüsse und Schizen: In einem Fall liegt der Schnitt zwischen zwei Socii, wobei der zweite an seiner Fähigkeit gemessen wird, die Begehrensflüsse in einen neuen Code oder eine neue Interessenaxiomatik einzuführen; im anderen Fall liegt der Schnitt im Socius selbst, insofern er die Fähigkeit hat, die Begehrensflüsse entlang ihrer positiven Fluchtlinien passieren zu lassen und sie entlang von Schnitten produktiver Schnitte zu kreuzen. Das allgemeinste Prinzip der Schizo-Analyse ist, dass stets das Begehren konstitutiv für ein soziales Feld ist. In jedem Fall gehört es zur Infrastruktur, nicht zur Ideologie: Das Begehren ist in der Produktion als sozialer Produktion, ebenso wie die Produktion im Begehren als begehrender Produktion ist. Aber diese Formeln können auf zweierlei Weise verstanden werden, je nachdem, ob das Begehren sich einem strukturierten molaren Ensemble dienstbar macht, das es unter dieser oder jener Macht- und Gregaritätsform konstituiert, oder je nachdem, ob es das große Ensemble den funktionalen Vielheiten dienstbar macht, die es selbst auf molekularer Skala bildet (es geht in diesem Fall nicht mehr um Personen oder Individuen als im anderen). Nun erscheint der vorbewusste revolutionäre Schnitt auf der ersten Ebene und ist durch die Charakteristika eines neuen Ensembles definiert, während der unbewusste oder libidinöse auf der zweiten Ebene liegt und durch die antreibende Rolle der begehrenden Produktion und die Stellung ihrer Vielheiten definiert ist. Man begreift also, dass eine Gruppe vom Standpunkt des Klasseninteresses und ihrer vorbewussten Investitionen revolutionär sein kann, ohne es zu sein, und sogar faschistisch und polizeilich bleiben kann, vom Standpunkt ihrer libidinösen Investitionen. Wirklich revolutionäre vorbewusste Interessen implizieren nicht notwendig unbewusste Investitionen gleicher Natur; niemals gilt ein Interessenapparat als Begehrensmaschine.
Eine vorbewusst revolutionäre Gruppe bleibt eine unterworfene Gruppe, selbst wenn sie die Macht erobert, insofern diese Macht selbst auf eine Machtform verweist, die die begehrende Produktion weiterhin dienstbar macht und zerdrückt. In dem Moment, wo sie vorbewusst revolutionär ist, weist eine solche Gruppe bereits alle unbewussten Merkmale einer unterworfenen Gruppe auf: die Unterordnung unter einen Socius als festen Träger, der sich die Produktivkräfte zuschreibt, aus ihnen den Mehrwert herauszieht und absorbiert; das Ausfließen der Anti-Produktion und der todbringenden Elemente in das System, das sich umso mehr als unsterblich fühlt und will; die Phänomene der « Über-Ich-Bildung », des Narzissmus und der Gruppenhierarchie, die Mechanismen der Repression des Begehrens. Eine Subjekt-Gruppe hingegen ist diejenige, deren libidinöse Investitionen selbst revolutionär sind; sie lässt das Begehren in das soziale Feld eindringen und unterordnet den Socius oder die Machtform der begehrenden Produktion; als Produzent von Begehren und Begehren, das produziert, erfindet sie stets sterbliche Formationen, die in ihr das Ausfließen eines Todestriebs bannen; den symbolischen Bestimmungen der Unterwerfung setzt sie reale Koeffizienten der Transversalität entgegen, ohne Hierarchie und ohne Gruppen-Über-Ich. Was alles verkompliziert, ist freilich, dass dieselben Menschen unter verschiedenen Verhältnissen an beiden Gruppenarten teilnehmen können (Saint-Just, Lenin). Oder dass eine und dieselbe Gruppe zugleich beide Merkmale in verschiedenen, aber koexistierenden Situationen aufweisen kann. Eine revolutionäre Gruppe kann bereits die Form einer unterworfenen Gruppe wiedergefunden haben und dennoch unter gewissen Bedingungen bestimmt sein, noch die Rolle einer Subjekt-Gruppe zu spielen. Man hört nicht auf, von einem Gruppentyp zum anderen überzugehen. Die Subjekt-Gruppen gehen unaufhörlich durch Bruch aus den unterworfenen Gruppen hervor: Sie lassen das Begehren passieren und schneiden es immer weiter, überschreiten die Grenze, beziehen die sozialen Maschinen auf die elementaren Kräfte des Begehrens, die sie formen.56 Aber umgekehrt schließen sie sich auch unaufhörlich wieder, modellieren sich nach dem Bild der unterworfenen Gruppen: sie stellen innere Grenzen wieder her, bilden wieder einen großen Schnitt, den die Flüsse nicht passieren, nicht überschreiten werden, und unterordnen die begehrenden Maschinen dem repressiven Ensemble, das sie in großem Maßstab konstituieren. Es gibt eine Geschwindigkeit der Unterwerfung, die sich den Koeffizienten der Transversalität entgegenstellt; und welche Revolution hat nicht die Versuchung, sich gegen ihre Subjekt-Gruppen zu wenden, sie als Anarchisten oder Verantwortunglose zu qualifizieren und sie zu liquidieren? Wie die verhängnisvolle Neigung bannen, die eine Gruppe von ihren revolutionären libidinösen Investitionen zu revolutionären Investitionen übergehen lässt, die nur noch vorbewusst oder interessenmäßig sind, dann zu vorbewussten Investitionen, die nur noch reformistisch sind? Und überhaupt: Wo eine solche oder jene Gruppe situieren? Hatte sie jemals revolutionäre unbewusste Investitionen? Die surrealistische Gruppe mit ihrer fantastischen Unterwerfung, ihrem Narzissmus und ihrem Über-Ich? (Es kommt vor, dass ein einzelner Mensch als Fluss-Schize funktioniert, als Subjekt-Gruppe, durch Bruch mit der unterworfenen Gruppe, aus der er sich ausschließt oder ausgeschlossen ist: Artaud der Schizo.) Und die psychoanalytische Gruppe, wo ist sie in dieser Komplexität der sozialen Investitionen zu situieren? Jedes Mal, wenn man sich fragt, wann es anfängt, schlecht zu laufen, muss man immer höher hinaufgehen. Freud als Gruppen-Über-Ich, ödipianisierender Großvater, der Ödipus als innere Grenze einsetzt, mit allerhand kleinen Narzissen ringsum, und Reich der Marginale, der eine Tangente der Deterritorialisierung zieht, Begehrensflüsse durchlässt, die Grenze bricht, die Mauer überschreitet. Aber es geht nicht nur um Literatur oder sogar um Psychoanalyse. Es geht um Politik, obwohl es nicht um Programm geht, wie wir sehen werden.
Die Aufgabe der Schizo-Analyse besteht also darin, zu den unbewussten Begehrensinvestitionen des sozialen Feldes vorzudringen, insofern sie sich von den vorbewussten Interesseninvestitionen unterscheiden und nicht nur mit ihnen in Konflikt geraten, sondern mit ihnen auch auf entgegengesetzten Weisen koexistieren können. Im Generationenkonflikt hört man Alte den Jungen in bösartigster Weise vorwerfen, ihre Begierden (Auto, Kredit, Darlehen, Beziehungen zwischen Mädchen und Jungen) vor ihr Interesse (Arbeit, Sparen, gute Heirat) zu stellen. Aber in dem, was anderen als rohes Begehren erscheint, gibt es noch Komplexe von Begehren und Interesse sowie eine Mischung aus genau reaktionären und vage revolutionären Formen des einen wie des anderen. Die Lage ist völlig verworren. Es scheint, dass die Schizo-Analyse nur über Indizes verfügen kann – maschinelle Indizes –, um auf der Ebene von Gruppen oder Individuen die libidinösen Investitionen des sozialen Feldes zu entwirren. Nun ist es in dieser Hinsicht die Sexualität, die die Indizes bildet. Nicht dass die revolutionäre Fähigkeit nach Objekten, Zielen und Quellen der sexuellen Triebe zu beurteilen wäre, die ein Individuum oder eine Gruppe antreiben; gewiss verleihen Perversionen und selbst sexuelle Emanzipation keinerlei Privileg, solange die Sexualität im Rahmen des „dreckigen kleinen Geheimnisses“ eingeschlossen bleibt. Man mag das Geheimnis veröffentlichen, sein Recht auf Öffentlichkeit verlangen, man kann es sogar desinfizieren, es wissenschaftlich und psychoanalytisch behandeln, man riskiert eher, das Begehren zu töten oder ihm Befreiungsformen zu erfinden, die trüber sind als das repressivste Gefängnis – solange man die Sexualität nicht der Kategorie des Geheimnisses selbst entreißt, selbst eines öffentlichen, selbst eines desinfizierten, das heißt dem ödipisch-narzisstischen Ursprung, den man ihr als die Lüge auferlegt, unter der sie nur zynisch, schamhaft oder mortifiziert sein kann. Es ist eine Lüge zu behaupten, man befreie die Sexualität, und für sie Rechte an Objekt, Ziel und Quelle zu reklamieren, während man die entsprechenden Flüsse in den Grenzen eines ödipischen Codes hält (Konflikt, Regression, Lösung, Sublimierung des Ödipus…) und ihr weiterhin eine familistische und masturbatorische Form oder Motivation aufzwingt, die jede Befreiungsperspektive von vornherein nichtig macht. So ist zum Beispiel keine „homosexuelle Front“ möglich, solange Homosexualität in einem Verhältnis exklusiver Disjunktion zur Heterosexualität gefasst wird, das beide auf einen gemeinsamen ödipischen und kastrierenden Stamm bezieht, der lediglich ihre Differenzierung in zwei nicht kommunizierenden Reihen sichern soll, statt ihre wechselseitige Inklusion und ihre transversale Kommunikation in den dekodierten Flüssen des Begehrens sichtbar zu machen (inklusive Disjunktionen, lokale Verbindungen, nomadische Konjunktionen). Kurz: Die sexuelle Repression, lebendiger denn je, wird alle Veröffentlichungen, Manifestationen, Emanzipationen, Proteste hinsichtlich der Freiheit von Objekten, Quellen und Zielen überleben, solange die Sexualität bewusst oder unbewusst in den narzisstischen, ödipischen und kastrierenden Koordinaten festgehalten wird, die ausreichen, den Triumph der strengsten Zensoren zu sichern, jener grauen Männchen, von denen Lawrence sprach.
Lawrence zeigt tiefgehend, dass Sexualität, einschließlich der Keuschheit, eine Sache der Flüsse ist, „eine Unendlichkeit verschiedener und sogar entgegengesetzter Flüsse“. Alles hängt davon ab, wie diese Flüsse, gleichgültig welches Objekt, welche Quelle und welches Ziel sie haben mögen, nach konstanten Figuren codiert und geschnitten werden, oder aber in Dekodierungsketten erfasst werden, die sie nach beweglichen und nicht-figurativen Punkten wieder durchschneiden (die Fluss-Schizen). Lawrence greift die Armut der identischen, unveränderlichen Bilder an, figurative Rollen, die ebenso viele Aderpressen auf den Sexualitätsflüssen sind: „Verlobte, Geliebte, Frau, Mutter“ – man könnte ebenso gut „Homosexuelle, Heterosexuelle“ usw. sagen –, all diese Rollen werden durch das ödipische Dreieck verteilt, Vater-Mutter-Ich, wobei ein repräsentatives Ich vorausgesetzt wird, das sich in Funktion der Vater-Mutter-Repräsentationen definiert, durch Fixierung, Regression, Übernahme, Sublimierung, und das alles unter welcher Regel? Unter der Regel des großen Phallus, den niemand besitzt, despotischer Signifikant, der den unerquicklichsten Kampf belebt, gemeinsame Abwesenheit für alle wechselseitigen Ausschlüsse, in denen die Flüsse versiegen, ausgetrocknet durch das schlechte Gewissen und den Ressentiment. „Die Frau etwa auf ein Podest stellen oder ihr im Gegenteil jede Bedeutung absprechen: sie zu einer Musterhausfrau, einer Mustermutter oder einer Musterehefrau machen, das sind lediglich Mittel, sich jedem Kontakt mit ihr zu entziehen. Eine Frau stellt nichts dar, sie ist keine getrennte und definierte Persönlichkeit… Eine Frau ist eine seltsame und sanfte Schwingung der Luft, die voranschreitet, unbewusst und unbeachtet, auf der Suche nach einer Schwingung, die ihr antwortet. Oder es ist eine schmerzliche, dissonante und fürs Ohr harte Schwingung, die voranschreitet und alle verletzt, die in ihre Reichweite geraten. Ebenso ist es beim Mann.“57 Man soll sich nicht zu schnell über den Pantheismus der Flüsse in solchen Texten lustig machen: Es ist nicht leicht, selbst die Natur, selbst die Landschaften zu ent-ödipianisieren, bis zu dem Punkt, den Lawrence zu erreichen wusste. Der grundlegende Unterschied zwischen der Psychoanalyse und der Schizo-Analyse ist folgender: dass die Schizo-Analyse zu einem nicht-figurativen und nicht-symbolischen Unbewussten gelangt, zu einem rein abstrakt-figuralen im Sinn, wie man von abstrakter Malerei spricht, Fluss-Schizen oder Real-Begehren, erfasst unterhalb der Minimalbedingungen von Identität.
Was macht die Psychoanalyse, und zunächst: was macht Freud, wenn nicht die Sexualität unter dem todbringenden Joch des kleinen Geheimnisses zu halten, während er zugleich ein medizinisches Mittel findet, es öffentlich zu machen, daraus das Geheimnis des Polichinelle zu machen, den analytischen Ödipus? Man sagt uns: nun ja, das ist ganz normal, alle sind so, aber man macht sich von der Sexualität weiterhin dieselbe demütigende und erniedrigende Vorstellung, dieselbe figurative Vorstellung wie die Zensoren. Gewiss hat die Psychoanalyse ihre malerische Revolution nicht gemacht. Es gibt eine These, an der Freud sehr festhält: Die Libido investiert das soziale Feld als solches nur unter der Bedingung, dass sie sich desexualisiert und sublimiert. Wenn er so sehr daran festhält, dann weil er die Sexualität zunächst im engen Rahmen von Narziss und Ödipus, des Ichs und der Familie, festhalten will. Von da an scheint ihm jede libidinöse sexuelle Investition von sozialer Dimension einen pathogenen Zustand zu bezeugen, „Fixierung“ am Narzissmus oder „Regression“ zu Ödipus und den prä-ödipischen Stadien, durch die sich ebenso gut die Homosexualität als verstärkter Trieb wie die Paranoia als Abwehrmittel erklären werden.58 Wir haben im Gegenteil gesehen, dass das, was die Libido durch die Lieben und die Sexualität investierte, das soziale Feld selbst in seinen ökonomischen, politischen, historischen, rassischen, kulturellen usw. Bestimmungen war: Die Libido hört nicht auf, die Geschichte, die Kontinente, die Königreiche, die Rassen, die Kulturen zu delirieren. Nicht dass es angebracht wäre, historische Repräsentationen an die Stelle der familiären Repräsentationen des freudschen Unbewussten zu setzen oder gar Archetypen eines kollektiven Unbewussten. Es geht nur darum festzustellen, dass unsere Liebeswahlen an der Kreuzung von „Schwingungen“ liegen, das heißt Verbindungen, Disjunktionen, Konjunktionen von Flüssen ausdrücken, die eine Gesellschaft durchqueren, in sie eintreten und aus ihr austreten, sie mit anderen Gesellschaften verbinden, antiken oder zeitgenössischen, fernen oder verschwundenen, toten oder zu gebärenden, Afrikas und Orienten, stets am unterirdischen Faden der Libido. Nicht Figuren oder geo-historische Statuen, obwohl unser Lernen sich eher mit ihnen vollzieht, mit Büchern, Geschichten, Reproduktionen, als mit unserer Mama. Sondern Flüsse und Codes des Socius, die nichts darstellen, die nur Zonen libidinöser Intensität auf dem Körper ohne Organe bezeichnen, und die von dem Wesen, das wir dann zu lieben bestimmt sind, ausgesandt, erfasst, abgefangen werden, wie von einem Zeichenpunkt, einem singulären Punkt im ganzen Netz des intensiven Körpers, der der Geschichte antwortet, mit ihr vibriert. Die Gradiva, nie ist Freud so weit gegangen… Kurz: Unsere libidinösen Investitionen des sozialen Feldes, reaktionär oder revolutionär, sind so gut verborgen, so gut unbewusst, so gut von den vorbewussten Investitionen überdeckt, dass sie nur in unseren sexuellen Liebeswahlen erscheinen. Eine Liebe ist nicht reaktionär oder revolutionär, aber sie ist der Index des reaktionären oder revolutionären Charakters der sozialen Investitionen der Libido. Die begehrenden sexuellen Beziehungen des Mannes und der Frau (oder des Mannes und des Mannes oder der Frau und der Frau) sind der Index sozialer Beziehungen zwischen den Menschen. Die Lieben und die Sexualität sind die Exponenten oder Gradmesser, diesmal unbewusste, der libidinösen Investitionen des sozialen Feldes. Jedes geliebte oder begehrte Wesen gilt als kollektiver Äußerungsagent. Und es ist gewiss nicht, wie Freud glaubte, die Libido, die sich desexualisieren und sublimieren müsste, um die Gesellschaft und ihre Flüsse zu investieren; vielmehr sind es Liebe, Begehren und ihre Flüsse, die den unmittelbar sozialen Charakter der nicht sublimierten Libido und ihrer sexuellen Investitionen manifestieren.
Denjenigen, die ein Dissertationsthema über die Psychoanalyse suchen, sollte man nicht weite Betrachtungen über die analytische Epistemologie empfehlen, sondern bescheidene und strenge Themen wie: die Theorie der Dienstboten oder Hausangestellten im Denken Freuds. Dort liegen die wahren Indizes. Denn hinsichtlich der Dienstboten, die in den von Freud untersuchten Fällen überall präsent sind, entsteht ein beispielhaftes Zögern im freudschen Denken, das allzu schnell zugunsten dessen gelöst wird, was zu einem Dogma der Psychoanalyse werden sollte. Philippe Girard stellt in unveröffentlichten Bemerkungen, die uns von großer Tragweite zu sein scheinen, das Problem auf mehreren Ebenen. Erstens entdeckt Freud „seinen eigenen“ Ödipus in einem komplexen sozialen Kontext, der den älteren Halbbruder aus dem reichen Familienzweig und das stehlende Dienstmädchen als arme Frau ins Spiel bringt. Zweitens wird der Familienroman und die fantasmatique Aktivität überhaupt von Freud als ein wahrer Drift des sozialen Feldes dargestellt werden, in dem man an die Stelle der Eltern Personen höheren oder niedrigeren Ranges setzt (Sohn einer Prinzessin, von Zigeunern entführt, oder Sohn eines Armen, von Bürgerlichen aufgenommen); Ödipus tat es bereits, als er sich auf eine arme Geburt und auf Eltern als Dienstleute berief. Drittens installiert der Rattenmann seine Neurose nicht nur von einem Ende zum anderen in einem bestimmten sozialen Feld als Militär, er lässt sie nicht nur um eine Strafe kreisen, die aus dem Orient hergeleitet ist, sondern in diesem Feld selbst lässt er sie von einem Pol zum anderen gehen, gebildet von der reichen Frau und der armen Frau, unter einer seltsamen unbewussten Kommunikation mit dem Unbewussten des Vaters. Lacan war der Erste, der diese Themen hervorhob, die genügen, den ganzen Ödipus in Frage zu stellen; und er zeigt die Existenz eines „sozialen Komplexes“, in dem das Subjekt bald dazu tendiert, seine eigene Rolle zu übernehmen, jedoch um den Preis einer Verdopplung des Sexualobjekts in reiche Frau und arme Frau, bald die Einheit des Objekts sichert, jedoch diesmal um den Preis einer Verdopplung „seiner eigenen sozialen Funktion“, am anderen Ende der Kette. Viertens zeigt der Wolfsmann einen entscheidenden Geschmack für die arme Frau, die Bäuerin auf allen vieren beim Wäschewaschen oder das Dienstmädchen beim Bodenwaschen.59 Nun ist das grundlegende Problem in Bezug auf diese Texte folgendes: Soll man in all diesen sexual-sozialen Investitionen der Libido und diesen Objektwahlen bloße Abhängigkeiten eines familiären Ödipus sehen? Soll man um jeden Preis den Ödipus retten, indem man sie als Abwehren gegen den Inzest interpretiert (so der Familienroman oder der Wunsch des Ödipus selbst, von armen Eltern geboren zu sein, die ihn entlasten würden)? Soll man sie als Kompromisse und Inzestersatz verstehen (so im Wolfsmann, die Bäuerin als Ersatz der Schwester, mit demselben Namen wie sie, oder die Person auf allen vieren, bei der Arbeit, als Ersatz der Mutter, die beim Koitus überrascht wurde; und im Rattenmann die verkleidete Wiederholung der väterlichen Situation, selbst wenn man den Ödipus um einen vierten „symbolischen“ Term bereichert oder schwängert, der die Verdopplungen erklären soll, durch die die Libido das soziale Feld investiert)? Freud wählt entschieden diese Richtung; umso entschiedener, als er nach eigenem Eingeständnis mit Jung und Adler abrechnen will. Und nachdem er im Fall des Wolfsmanns die Existenz einer „Tendenz zur Herabsetzung“ der Frau als Liebesobjekt festgestellt hat, schließt er, es handle sich nur um eine „Rationalisierung“, und dass „die wirkliche und tiefe Bestimmung“ uns wie immer zur Schwester, zur Mama zurückführt, betrachtet als die einzigen „rein erotischen Motive“! Und er schreibt, das ewige Lied des Ödipus, das ewige Wiegenlied wieder aufnehmend: „Das Kind stellt sich über die sozialen Unterschiede, die für es nicht viel bedeuten, und es ordnet Personen niedrigerer Stellung in die Reihe der Eltern ein, wenn diese Personen es lieben wie seine Eltern es lieben.“60
Immer fallen wir in die falsche Alternative zurück, in die Freud durch Ödipus geführt und dann durch seine Polemik mit Adler und Jung bestätigt wurde: Entweder, sagt er, ihr werdet die sexuelle Position der Libido zugunsten eines individuellen und sozialen Machtwillens oder eines prähistorischen kollektiven Unbewussten aufgeben – oder ihr werdet Ödipus anerkennen, ihn zur sexuellen Wohnstätte der Libido machen und aus Papa-Mama „das rein erotische Motiv“ machen. Ödipus, Prüfstein des reinen Psychoanalytikers, um daran das heilige Messer der gelungenen Kastration zu schärfen. Was war doch die andere Richtung, die Freud im Zusammenhang mit dem Familienroman einen Augenblick lang erblickte, bevor die ödipische Falltür sich schloss? Diejenige, die Philippe Girard wiederfindet, wenigstens hypothetisch: Es gibt keine Familie, in der nicht Vakuolen eingerichtet wären und in der nicht außerfamiliäre Schnitte verliefen, durch die die Libido hineinstürzt, um das Nicht-Familiäre sexuell zu investieren, das heißt die andere Klasse, bestimmt unter den empirischen Arten des „reicheren oder ärmeren“, und manchmal beides zugleich. Der große Andere, unerlässlich für die Position des Begehrens, wäre das nicht der soziale Andere, der soziale Unterschied, erfasst und investiert als Nicht-Familie innerhalb der Familie selbst? Die andere Klasse wird von der Libido keineswegs als ein verherrlichtes oder miserabilisiertes Bild der Mutter erfasst, sondern als der Fremde, Nicht-Mutter, Nicht-Vater, Nicht-Familie, Index dessen, was im Sex Nicht-Menschliches ist, und ohne das die Libido nicht über ihre begehrenden Maschinen ansteigen würde. Der Klassenkampf geht durch das Herz der Begehrensprobe. Nicht der Familienroman ist ein Derivat des Ödipus, vielmehr ist Ödipus eine Drift des Familienromans und damit des sozialen Feldes. Es geht nicht darum, die Bedeutung des elterlichen Koitus und der Position der Mutter zu leugnen; aber wenn diese Position sie einer Bodenschrubberin oder einem Tier ähnlich macht, was berechtigt Freud zu sagen, das Tier oder das Dienstmädchen gelte für die Mutter, unabhängig von sozialen oder generischen Unterschieden, statt zu schließen, dass die Mutter auch als etwas anderes als Mutter funktioniert und in der Libido des Kindes eine ganze differenzierte soziale Investition hervorruft, zugleich mit einem Verhältnis zum nicht-menschlichen Sex? Denn ob die Mutter arbeitet oder nicht, ob die Mutter aus einem reicheren oder ärmeren Ursprung stammt als der Vater usw., das sind Schnitte und Flüsse, die die Familie durchqueren, sie aber von allen Seiten übersteigen und nicht familiär sind. Seit Beginn fragen wir uns, ob die Libido Vater-Mutter kennt oder ob sie die Eltern als ganz anderes funktionieren lässt, als Produktionsagenten in Beziehung zu anderen Agenten in der sozial-begehrenden Produktion. Vom Standpunkt der libidinösen Investition sind die Eltern nicht nur auf das Andere hin offen, sie sind selbst vom Anderen durchschnitten und verdoppelt, das sie ent-familiarisiert nach den Gesetzen der sozialen Produktion und der begehrenden Produktion: Die Mutter funktioniert selbst als reiche Frau oder arme Frau, Dienstmädchen oder Prinzessin, junges hübsches Mädchen oder alte Frau, Tier oder heilige Jungfrau, und beides zugleich. Alles geht in der Maschine vor sich, die die eigentlich familiären Bestimmungen sprengt. Was die verwaiste Libido investiert, ist ein Feld sozialen Begehrens, ein Feld von Produktion und Anti-Produktion mit seinen Schnitten und Flüssen, in dem die Eltern in nicht-elterlichen Funktionen und Rollen erfasst werden, konfrontiert mit anderen Rollen und anderen Funktionen. Heißt das, dass die Eltern als Eltern keine unbewusste Rolle haben? Natürlich haben sie eine, aber auf zwei genau bestimmte Arten, die sie noch mehr ihrer angeblichen Autonomie entkleiden. Entsprechend der Unterscheidung, die Embryolog:innen am Ei zwischen Reiz und Organisator treffen, sind die Eltern Reize von beliebigem Wert, die die Verteilung der Gradienten oder Intensitätszonen auf dem Körper ohne Organe auslösen: in Bezug auf sie werden sich in jedem Fall Reichtum und Armut, der relativ Reichere und der relativ Ärmere, als empirische Formen des sozialen Unterschieds situieren – so dass sie selbst erneut, innerhalb dieses Unterschieds, in dieser oder jener Zone verteilt auftauchen, aber unter einer anderen Art als der der Eltern. Und der Organisator ist das soziale Feld des Begehrens, das allein die Intensitätszonen mit den Wesen bezeichnet, die sie bevölkern, und ihre libidinöse Investition bestimmt. Zweitens sind die Eltern als Eltern Anwendungstermine, die das Zurückschlagen des von der Libido investierten sozialen Feldes auf eine endliche Ankunftsmenge ausdrücken, in der diese nur noch Sackgassen und Blockierungen findet, gemäß den Mechanismen der Repression-Verdrängung, die im Feld wirken: Ödipus, das ist Ödipus. In jedem dieser Sinne setzt die dritte These der Schizo-Analyse den Primat der libidinösen Investitionen des sozialen Feldes über die familiäre Investition, sowohl vom Standpunkt der Tatsache wie des Rechts: beliebiger Reiz am Anfang, extrinsisches Ergebnis am Ende. Das Verhältnis zum Nicht-Familiären ist immer zuerst da, in der Form der Feldsexualität in der sozialen Produktion und des nicht-menschlichen Sex in der begehrenden Produktion (Gigantismus und Nanismus).
Man hat oft den Eindruck, dass die Familien die Lektion der Psychoanalyse zu gut verstanden haben, selbst aus der Ferne oder auf diffuse Weise, in der Luft der Zeit: Sie spielen Ödipus, erhabenes Alibi. Aber dahinter gibt es eine ökonomische Situation, die Mutter auf Hausarbeit reduziert oder auf eine schwere und uninteressante Arbeit draußen, die Kinder, deren zukünftiger Zustand ungewiss bleibt, der Vater, der es satt hat, all diese Leute zu ernähren – kurz, ein grundlegendes Verhältnis zum Draußen, von dem der Psychoanalytiker die Hände wäscht, zu sehr darauf bedacht, dass seine Klienten schön spielen. Nun ist die ökonomische Situation, das Verhältnis zum Draußen, genau das, was die Libido als sexuelle Libido investiert und gegen-investiert. Man kriegt einen Ständer nach den Flüssen und ihren Schnitten. Man betrachte einen Augenblick die Motivationen, aus denen jemand sich psychoanalysieren lässt: Es geht um eine ökonomische Abhängigkeitssituation, die dem Begehren unerträglich geworden ist, oder voller Konflikte für die Begehrensinvestition. Der Psychoanalytiker, der so viel über die Notwendigkeit des Geldes in der Kur sagt, bleibt der Frage gegenüber souverän gleichgültig: wer zahlt? Zum Beispiel enthüllt die Analyse die unbewussten Konflikte einer Frau mit ihrem Mann, aber der Mann bezahlt die Analyse der Frau. Es ist nicht das erste Mal, dass wir der Dualität des Geldes begegnen, als Struktur externer Finanzierung und als internes Zahlungsmittel, mit der objektiven „Verschleierung“, die sie mit sich bringt, wesentlich für das kapitalistische System. Aber es ist interessant, diese wesentliche Verschleierung, miniaturisiert, im Kabinett des Analytikers thronen zu finden. Der Analytiker spricht vom Ödipus, von der Kastration und vom Phallus, von der Notwendigkeit, das Geschlecht zu „übernehmen“, wie Freud sagt, das menschliche Geschlecht, und dass die Frau auf ihr Penisbegehren verzichte und dass der Mann ebenfalls auf seinen männlichen Protest verzichte… Wir sagen, dass es keine Frau, kein Kind insbesondere gibt, die als solche ihre Situation in einer kapitalistischen Gesellschaft „übernehmen“ könnten, gerade weil diese Situation nichts mit Phallus und Kastration zu tun hat, sondern eng eine unerträgliche ökonomische Abhängigkeit betrifft. Und Frauen und Kinder, die es schaffen, „zu übernehmen“, tun es nur über Umwege und Bestimmungen, die ganz verschieden von ihrem Frau-Sein oder ihrem Kind-Sein sind. Nichts mit dem Phallus, aber viel mit dem Begehren, mit der Sexualität als Begehren. Denn der Phallus war niemals Objekt oder Ursache des Begehrens, sondern er ist selbst der Kastrationsapparat, die Maschine, den Mangel in das Begehren zu setzen, alle Flüsse versiegen zu lassen und aus allen Schnitten des Draußen und des Realen ein und denselben Schnitt mit dem Draußen, mit dem Realen zu machen. Vom Draußen dringt dem Analytiker im Kabinett des Analytikers immer zu viel ein. Selbst die geschlossene Familienszene erscheint ihm noch als ein übermäßiges Draußen. Er fördert die reine analytische Szene, Kabinetts-Ödipus und Kabinetts-Kastration, die für sich selbst ihre eigene Realität, ihren eigenen Beweis sein soll und die sich, im Gegensatz zur Bewegung, nur dadurch beweist, dass sie nicht funktioniert und nicht endet. Die Psychoanalyse ist zu einer ziemlich verblödenden Droge geworden, in der die seltsamste persönliche Abhängigkeit den Klienten erlaubt, während der Sitzungen auf der Couch die ökonomischen Abhängigkeiten zu vergessen, die sie dorthin treiben (ein wenig so, wie das Dekodieren der Flüsse eine Verstärkung der Knechtschaft nach sich zieht). Wissen sie, was sie tun, diese Psychoanalytiker, die Frauen, Kinder, Neger, Tiere ödipianisieren? Wir träumen davon, bei ihnen einzutreten, die Fenster zu öffnen und zu sagen: es riecht muffig, ein bisschen Beziehung zum Draußen… Denn das Begehren überlebt nicht, abgeschnitten vom Draußen, abgeschnitten von seinen ökonomischen und sozialen Investitionen und Gegeninvestitionen. Und wenn es ein „rein erotisches Motiv“ gibt, um wie Freud zu sprechen, dann ist es gewiss nicht Ödipus, der es sammelt, nicht der Phallus, der es bewegt, nicht die Kastration, die es überträgt. Das erotische Motiv, rein erotisch, durchquert die vier Ecken des sozialen Feldes, überall dort, wo begehrende Maschinen sich in sozialen Maschinen verklumpen oder sich in ihnen zerstreuen und wo Liebes-Objektwahlen an der Kreuzung entstehen, entlang von Flucht- oder Integrationslinien. Wird Aaron mit seiner Flöte aufbrechen, die kein Phallus ist, sondern begehrende Maschine und Prozess der Deterritorialisierung?
Nehmen wir an, man gäbe uns alles zu: Man gibt es uns nur nachträglich zu. Erst nachträglich würde die Libido das soziale Feld investieren und das Soziale und die Metaphysik „machen“. Das erlaubt, die freudsche Grundposition zu retten, wonach die Libido sich desexualisieren muss, um solche Investitionen zu vollziehen, aber bei Ödipus, Ich, Vater und Mutter beginnt (wobei die präödipischen Stadien sich strukturell oder eschatologisch auf die ödipische Organisation beziehen). Wir haben gesehen, dass diese nachträgliche Auffassung einen radikalen Missgriff über die Natur der aktuellen Faktoren implizierte. Denn: Entweder ist die Libido in der molekularen begehrenden Produktion gefangen, und sie ignoriert die Personen ebenso wie das Ich, selbst das fast undifferenzierte Ich des Narzissmus, da ihre Investitionen bereits differenziert sind, aber nach dem vorpersonalen Regime der Partialobjekte, der Singularitäten, der Intensitäten, der Zahnräder und Maschinenteile der Begehrensmaschinen, in denen man schwerlich Mutter oder Vater, noch Ich erkennen würde (wir haben gesehen, wie widersprüchlich es war, die Partialobjekte anzurufen und sie zu Repräsentanten elterlicher Figuren oder zu Trägern familiärer Beziehungen zu machen). Oder aber die Libido investiert Personen und ein Ich, doch dann ist sie schon in eine soziale Produktion und soziale Maschinen eingebunden, die sie nicht nur als Familienwesen differenzieren, sondern als Derivate des molaren Ensembles, dem sie unter diesem anderen Regime angehören. Es stimmt durchaus, dass das Soziale und das Metaphysische zugleich eintreffen, gemäß den zwei gleichzeitigen Bedeutungen von Prozess, als historischer Prozess sozialer Produktion und als metaphysischer Prozess begehrender Produktion. Aber sie treffen nicht nachträglich ein. Immer wieder das Bild von Lindner, in dem der dicke kleine Junge bereits eine Begehrensmaschine an eine soziale Maschine angeschlossen hat, die Eltern kurzschließend, die nur als Produktions- und Anti-Produktionsagenten eingreifen können, im einen wie im anderen Fall. Es gibt nur Soziales und Metaphysik. Wenn etwas nachträglich eintritt, dann sind es gewiss nicht die sozialen und metaphysischen Investitionen der Libido, die Synthesen des Unbewussten; im Gegenteil ist es vielmehr Ödipus, der Narzissmus und die ganze Reihe psychoanalytischer Begriffe. Die Produktionsfaktoren sind immer „aktuell“, und dies schon seit frühester Kindheit: aktuell bedeutet nicht jüngst im Gegensatz zu infantil, sondern wirksam, im Gegensatz zu dem, was virtuell ist und unter bestimmten Bedingungen erst eintreten wird. Ödipus, virtuell und reaktionell. Betrachten wir nämlich die Bedingungen, unter denen Ödipus eintritt: Ein Ausgangsensemble, transfinit, gebildet aus allen Objekten, Agenten, Beziehungen der sozial-begehrenden Produktion, wird auf ein endliches familiäres Ensemble als Ankunftsensemble zurückgebogen (Minimum, drei Terme, die man erhöhen kann und sogar muss, aber nicht ins Unendliche). Eine solche Anwendung setzt tatsächlich einen vierten beweglichen, extrapolierten Term voraus, den abstrakten symbolischen Phallus, der das Falten oder die Entsprechung vollziehen soll; sie operiert jedoch faktisch an den drei Personen, die das minimale Familienensemble konstituieren, oder an ihren Substituten – Vater, Mutter, Kind. Dabei bleibt man nicht stehen, da diese drei Terme dazu tendieren, auf zwei reduziert zu werden, sei es in der Kastrationsszene, in der der Vater das Kind tötet, sei es in der Inzestszene, in der das Kind den Vater tötet, sei es in der Szene der schrecklichen Mutter, in der die Mutter das Kind oder den Vater tötet. Dann geht man von zwei zu einem über, im Narzissmus, der Ödipus keineswegs vorausgeht, sondern dessen Produkt ist. Deshalb sprechen wir von einer ödipisch-narzisstischen Maschine, am Ende derer das Ich seinem eigenen Tod begegnet, als dem Nullterm einer reinen Abschaffung, die seit Beginn das ödipianisierte Begehren heimsuchte und die man nun am Ende als Thanatos identifiziert. 4, 3, 2, 1, 0, Ödipus ist ein Wettlauf zum Tod.
Seit dem 19. Jahrhundert bleibt das Studium der Geisteskrankheiten und des Wahnsinns im Postulat des Familialismus und seinen Korrelaten gefangen, dem personologischen Postulat und dem Ich-Postulat. Wir haben, Foucault folgend, gesehen, wie die Psychiatrie des 19. Jahrhunderts die Familie zugleich als Ursache und als Richterin der Krankheit begriffen hatte und die geschlossene Anstalt als künstliche Familie, beauftragt, die Schuld zu verinnerlichen und die Verantwortung herzustellen, den Wahnsinn nicht minder als seine Kur in ein allgegenwärtiges Vater-Kind-Verhältnis hüllend. In dieser Hinsicht hat die Psychoanalyse, weit davon entfernt, mit der Psychiatrie zu brechen, deren Forderungen aus der Anstalt hinausgetragen und zunächst einen bestimmten „freien“, inneren, intensiven, phantasmatischen Gebrauch der Familie auferlegt, der besonders passend zu dem schien, was man als Neurosen isolierte. Doch haben einerseits der Widerstand der Psychosen, andererseits die Notwendigkeit, eine soziale Ätiologie zu berücksichtigen, Psychiater und Psychoanalytiker dazu gebracht, unter offenen Bedingungen die Ordnung einer erweiterten Familie erneut zu entfalten, die immer noch das Geheimnis der Krankheit wie der Kur enthalten soll. Nachdem man die Familie in Ödipus verinnerlicht hat, externalisiert man Ödipus in der symbolischen Ordnung, in der institutionellen Ordnung, in der gemeinschaftlichen, sektoralen Ordnung usw. Das ist eine Konstante aller modernen Versuche. Und wenn diese Tendenz am naivsten in der adaptiven Gemeindepsychiatrie erscheint – „therapeutische Rückkehr zur Familie“, zur Identität der Personen und zur Integrität des Ich, das Ganze gesegnet durch die gelungene Kastration in heiliger triangulärer Form –, wirkt dieselbe Tendenz, unter versteckteren Gestalten, in anderen Strömungen. Es ist kein Zufall, dass Lacans symbolische Ordnung umgeleitet, benutzt wurde, um einen Struktur-Ödipus zu etablieren, der auf die Psychose anwendbar sei, und um die familialistischen Koordinaten über ihr reales und sogar imaginäres Gebiet hinaus auszudehnen. Es ist kein Zufall, dass die institutionelle Analyse Mühe hat, sich gegen die Rekonstitution künstlicher Familien zu schützen, in denen die symbolische Ordnung, in der Institution verkörpert, Gruppen-Ödipusse neu bildet, mit allen letalen Merkmalen der unterworfenen Gruppen. Noch mehr: Die Anti-Psychiatrie hat in den wiederentfalteten Familien das Geheimnis einer zugleich sozialen und schizogenen Kausalität gesucht. Vielleicht zeigt sich hier die Mystifikation am deutlichsten, weil die Anti-Psychiatrie durch manche ihrer Aspekte am ehesten geeignet war, den traditionellen Familienbezug zu brechen. Was sieht man nämlich in den amerikanischen familialistischen Studien, wie sie von den Anti-Psychiatern aufgenommen und fortgeführt werden? Man tauft als schizogen Familien, die völlig gewöhnlich sind, völlig gewöhnliche familiäre Mechanismen, eine gewöhnliche Familienlogik, das heißt kaum mehr als neurotisierend. In den sogenannten schizophrenen Familienmonographien erkennt jeder leicht seinen eigenen Papa, seine eigene Mama. Nehmen wir zum Beispiel die „double bind“ oder „double prise“ von Bateson: Welcher Vater sendet nicht gleichzeitig die beiden widersprüchlichen Anweisungen aus – „Seien wir Freunde, mein Sohn, ich bin dein bester Freund“ und „Achtung, mein Sohn, behandle mich nicht wie einen Kumpel“? Daraus macht man keinen Schizophrenen. Wir haben in diesem Sinn gesehen, dass die doppelte Sackgasse keineswegs einen spezifischen schizogenen Mechanismus definierte, sondern nur Ödipus in der Gesamtheit seiner Ausdehnung charakterisierte. Wenn es eine wirkliche Sackgasse, einen wirklichen Widerspruch gibt, dann ist es der, in den der Forscher selbst fällt, wenn er behauptet, soziale schizogene Mechanismen zuzuweisen, und sie zugleich in der Ordnung der Familie zu entdecken, der sowohl die soziale Produktion als auch der schizophrene Prozess entgehen. Vielleicht ist dieser Widerspruch bei Laing besonders spürbar, weil er der revolutionärste Anti-Psychiater ist. Aber in dem Moment, in dem er mit der psychiatrischen Praxis bricht, eine wirkliche soziale Genese der Psychose zuzuweisen unternimmt und als Bedingung der Kur die Notwendigkeit einer Fortsetzung der „Reise“ als Prozess und einer Auflösung des „normalen Ego“ fordert, fällt er in die schlimmsten familialistischen, personologischen und Ich-Postulate zurück, so dass die angerufenen Heilmittel nur noch eine „aufrichtige Bestätigung zwischen Eltern“, eine „Anerkennung der Personen“, eine Entdeckung des wahren Ich oder Selbst nach Art Martin Bubers sind.61 Neben der Feindseligkeit der traditionellen Autoritäten ist dies vielleicht die Quelle des aktuellen Scheiterns der Versuche der Anti-Psychiatrie, ihrer Vereinnahmung zugunsten adaptiver Formen der Familienpsychotherapie und der Sektorpsychiatrie sowie des Rückzugs Laings selbst in den Orient. Und ist es nicht ein Widerspruch auf einer anderen, aber analogen Ebene, in den man die Lehre Lacans zu treiben versucht, wenn man sie auf einer familialen und personologischen Achse wieder platziert – während Lacan die Ursache des Begehrens in einem nicht-menschlichen „Objekt“ ansetzt, der Person heterogen, unterhalb der Minimalbedingungen von Identität, den intersubjektiven Koordinaten ebenso entziehend wie der Welt der Bedeutungen?
Es lebe die Ndembu, denn, wenn man Turners ausführlicher Erzählung folgt, hat allein der ndembu Doktor Ödipus als Erscheinung, als Kulisse behandeln und zu den unbewussten libidinösen Investitionen des sozialen Feldes aufsteigen können. Der ödipische Familialismus, auch und gerade in seinen modernsten Formen, macht die Entdeckung dessen unmöglich, was man heute doch zu suchen vorgibt, nämlich die schizogene soziale Produktion. Erstens: Man mag noch so sehr behaupten, die Familie drücke tiefere soziale Widersprüche aus, man verleiht ihr den Wert eines Mikrokosmos, man gibt ihr die Rolle eines notwendigen Relais für die Umwandlung der sozialen Entfremdung in geistige Entfremdung; mehr noch, man tut so, als investiere die Libido nicht direkt die sozialen Widersprüche als solche, sondern müsse, um sich zu erregen, erst nach dem Code der Familie übersetzt werden. Damit hat man bereits der sozialen Produktion eine familiäre Verursachung oder einen familiären Ausdruck untergeschoben, und man findet sich in den Kategorien der idealistischen Psychiatrie wieder. Wie auch immer, so entlastet man die Gesellschaft: Es bleiben nur vage Betrachtungen übrig über den kranken Charakter der Familie oder noch allgemeiner über die moderne Lebensweise, um sie anzuklagen. Man ist also am Wesentlichen vorbeigegangen: dass die Gesellschaft auf der Ebene ihrer Infrastruktur, ihrer Produktionsweise, ihrer genauesten kapitalistischen Wirtschaftskreisläufe schizophrenisierend ist; und dass die Libido dieses soziale Feld investiert, nicht in einer Form, in der es von einer Familie-Mikrokosmos ausgedrückt und übersetzt würde, sondern in der Form, in der es in die Familie seine außerfamiliären Schnitte und Flüsse hineinträgt, als solche investiert; folglich, dass die Familieninvestitionen immer ein Ergebnis der sozial-begehrenden libidinösen Investitionen sind, die allein primär sind; schließlich, dass die geistige Entfremdung direkt auf diese Investitionen verweist und nicht weniger sozial ist als die soziale Entfremdung, die ihrerseits auf die vorbewussten Interesseninvestitionen verweist.
Nicht nur verfehlt man so jede korrekte Bewertung der sozialen Produktion in ihrem pathogenen Charakter, sondern man verfehlt zweitens nicht minder den schizophrenen Prozess und sein Verhältnis zum Schizophrenen als Kranken. Denn man versucht, alles zu neurotisieren. Und gewiss entspricht man damit der Mission der Familie, die darin besteht, durch ihre Ödipianisierung, durch ihr System der Sackgassen, durch ihre delegierte Verdrängung, ohne die die soziale Repression niemals gefügige und resignierte Subjekte fände und niemals die Fluchtlinien der Flüsse abdichten könnte, Neurotiker zu produzieren. Wir haben nicht im Geringsten darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Psychoanalyse vorgibt, die Neurose zu heilen, da Heilen für sie in einer unendlichen Unterhaltung, in einer unendlichen Resignation, in einem Zugang zum Begehren durch Kastration besteht!… und in der Herstellung von Bedingungen, unter denen das Subjekt ausschwärmen, das Übel an seine Nachkommenschaft weitergeben kann, statt zölibatär, impotent und masturbierend zu verrecken. Mehr noch, erneut: Vielleicht wird man eines Tages entdecken, dass der einzige Unheilbare die Neurose ist (daher die unendliche Psychoanalyse). Man beglückwünscht sich, wenn man es schafft, einen Schizo in einen Paranoiker oder einen Neurotiker zu verwandeln. Vielleicht gibt es hier viele Missverständnisse. Denn der Schizo ist derjenige, der jeder ödipischen, familialen und personologischen Referenz entkommt – ich werde nicht mehr Ich sagen, ich werde nicht mehr Papa-Mama sagen – und er hält Wort. Die Frage ist nun zuerst, ob er daran krank ist, oder ob dies im Gegenteil der schizophrene Prozess ist, der keine Krankheit, kein „Zusammenbruch“, sondern ein „Durchbruch“ ist, so angstvoll und abenteuerlich er auch sein mag: die Wand oder Grenze überschreiten, die uns von der begehrenden Produktion trennt, die Begehrensflüsse passieren lassen. Die Größe Laings besteht darin, ausgehend von bestimmten Intuitionen, die bei Jaspers noch ambivalent blieben, die unglaubliche Reichweite dieser Reise markiert zu haben. So gibt es keine Schizo-Analyse, die nicht ihren positiven Aufgaben die ständige destruktive Aufgabe beimischt, das sogenannte normale Ich aufzulösen. Lawrence, Miller, dann Laing haben es tief gezeigt: Gewiss sind weder Mann noch Frau klar definierte Persönlichkeiten – sondern Schwingungen, Flüsse, Schizen und „Knoten“. Das Ich verweist auf personologische Koordinaten, aus denen es hervorgeht, die Personen ihrerseits verweisen auf familiale Koordinaten; wir werden sehen, worauf das Familienensemble verweist, um seinerseits Personen zu produzieren. Die Aufgabe der Schizo-Analyse ist, die Ichs und ihre Voraussetzungen unermüdlich zu entmachen, die vorpersonalen Singularitäten zu befreien, die sie einschließen und verdrängen, die Flüsse fließen zu lassen, die sie auszusenden, zu empfangen oder abzufangen fähig wären, die Schizen und Schnitte immer weiter und feiner, weit unterhalb der Identitätsbedingungen, zu setzen, die Begehrensmaschinen zu montieren, die jeden durchschneiden und ihn mit anderen gruppieren. Denn jeder ist ein Grüppchen und muss so leben, oder vielmehr wie die zerbrochene multiple Zen-Teedose, deren jeder Riss mit Goldzement geflickt wird, oder wie die Kirchenplatte, deren jeder Spalt durch Farbe oder Kalk hervorgehoben wird (das Gegenteil der Kastration, vereinheitlicht, molarisiert, verborgen, vernarbt, unproduktiv). Die Schizo-Analyse heißt so, weil sie in ihrem ganzen Kurverfahren schizophrenisiert, statt wie die Psychoanalyse zu neurotisieren.
Woran ist der Schizophrene krank, wenn nicht an der Schizophrenie als Prozess? Was verwandelt den Durchbruch in den Zusammenbruch? Es ist im Gegenteil das erzwungene Anhalten des Prozesses oder seine Fortsetzung im Leeren oder die Art, wie er gezwungen wird, sich selbst für ein Ziel zu halten. Wir haben in diesem Sinn gesehen, wie die soziale Produktion den kranken Schizo hervorbringt: aufgebaut auf dekodierten Flüssen, die seine tiefe Tendenz oder seine absolute Grenze bilden, hört der Kapitalismus nicht auf, diese Tendenz zu hemmen, diese Grenze zu beschwören, indem er ihr relative innere Grenzen substituiert, die er in stets größerem Maßstab reproduzieren kann, oder eine Axiomatik der Flüsse, die die Tendenz dem Despotismus und der festesten Repression unterwirft. In diesem Sinn richtet sich der Widerspruch nicht nur auf der Ebene der Flüsse ein, die das soziale Feld durchqueren, sondern auf der Ebene ihrer libidinösen Investitionen, die konstitutive Teile davon sind – zwischen der paranoischen Rekonstruktion des despotischen Urstaats und den positiven schizophrenen Fluchtlinien. Daher zeichnen sich drei Möglichkeiten ab: Entweder wird der Prozess angehalten, die Grenze der begehrenden Produktion wird verschoben, entstellt und verläuft nun innerhalb der ödipischen Teilmenge. Dann wird der Schizo tatsächlich neurotisiert, und diese Neurotisierung bildet seine Krankheit; denn in jedem Fall geht die Neurotisierung der Neurose voraus, diese ist deren Frucht. Oder aber der Schizo widersteht der Neurotisierung, der Ödipianisierung. Selbst die Nutzung moderner Ressourcen, die reine analytische Szene, der symbolische Phallus, die strukturelle Verwerfung, der Name des Vaters, vermögen ihn nicht zu packen (und auch hier: in diesen modernen Ressourcen, welche seltsame Nutzung der Entdeckungen Lacans, der doch als Erster im Gegenteil das analytische Feld schizophrenisierte…). In diesem zweiten Fall wird der Prozess, konfrontiert mit einer Neurotisierung, der er widersteht, die ihn aber von allen Seiten zu blockieren genügt, dazu gebracht, sich selbst zum Zweck zu nehmen: Es wird ein Psychotiker produziert, der der delegierten eigentlichen Verdrängung nur entkommt, um sich in die ursprüngliche Verdrängung zu flüchten, den Körper ohne Organe auf sich zu schließen und die Begehrensmaschinen verstummen zu lassen. Lieber Katatonie als Neurose, lieber Katatonie als Ödipus und Kastration – aber es ist noch immer ein Effekt der Neurotisierung, ein Gegen-Effekt derselben einzigen Krankheit. Oder drittens: Der Prozess beginnt, im Leeren zu kreisen. Als Prozess der Deterritorialisierung kann er seine neue Erde nicht mehr suchen und schaffen. Konfrontiert mit der ödipischen Reterritorialisierung, archaischer, residualer, lächerlich verengter Erde, wird er noch künstlichere Erden bilden, die sich mehr oder weniger, außer bei Unfall, mit der etablierten Ordnung arrangieren: der Perverse. Und schließlich war Ödipus bereits eine künstliche Erde, oh Familie! Und der Widerstand gegen Ödipus, die Rückkehr zum Körper ohne Organe, war noch eine künstliche Erde, oh Anstalt. So dass alles Perversion ist. Aber ebenso ist alles Psychose und Paranoia, da alles durch die Gegen-Investition des sozialen Feldes ausgelöst wird, die den Psychotiker produziert. Und wiederum ist alles Neurose, da Frucht der Neurotisierung, die sich dem Prozess entgegenstellt. Schließlich ist alles Prozess, Schizophrenie als Prozess, da an ihr alles gemessen wird, sein eigener Verlauf, seine neurotischen Stillstände, seine perversen Fortsetzungen im Leeren, seine psychotischen Finalisierungen.
Insofern Ödipus aus einer Anwendung des ganzen sozialen Feldes auf die endliche Familienfigur hervorgeht, impliziert er nicht irgendeine Investition dieses Feldes durch die Libido, sondern eine ganz bestimmte Investition, die diese Anwendung möglich und notwendig macht. Deshalb erschien uns Ödipus als eine Idee eines Paranoikers, bevor er ein Gefühl eines Neurotikers ist. Denn die paranoische Investition besteht darin, die molekulare begehrende Produktion dem molaren Ensemble unterzuordnen, das sie auf einer Seite des vollen Körpers ohne Organe bildet, und sie dadurch einer Socio-Form zu versklaven, die unter bestimmten Bedingungen die Funktion des vollen Körpers ausübt. Der Paranoiker maschiniert die Massen und hört nicht auf, große Ensembles zu bilden, schwere Apparate zur Einrahmung und Repression der Begehrensmaschinen zu erfinden. Gewiss fällt es ihm nicht schwer, vernünftig zu erscheinen, indem er kollektive Ziele und Interessen, zu machende Reformen, manchmal sogar zu vollziehende Revolutionen anruft. Doch der Wahnsinn bricht durch, unter den reformistischen Investitionen oder den reaktionären und faschistischen Investitionen, die nur im Licht des Vorbewussten einen vernünftigen Anschein annehmen und den seltsamen Diskurs einer Organisation der Gesellschaft beleben. Selbst die Sprache ist daran wahnsinnig. Hören Sie einem Minister zu, einem General, einem Unternehmenschef, einem Techniker… Hören Sie das große paranoische Rauschen unter dem Diskurs der Vernunft, die für die anderen spricht, im Namen der Stummen. Denn unter den vorbewussten Zielen und Interessen, die angerufen werden, erhebt sich eine andersartige unbewusste Investition, die auf einen vollen Körper um seiner selbst willen zielt, unabhängig von jedem Ziel, auf einen Entwicklungsgrad um seiner selbst willen, unabhängig von jeder Vernunft: dieser Grad und kein anderer, keinen Schritt weiter, dieser Socio-Körper und kein anderer, rührt ihn nicht an. Eine uneigennützige Liebe zur molaren Maschine, ein wahrer Genuss, mit der darin enthaltenen Feindschaft gegenüber denen, die sich ihr nicht unterwerfen: die ganze Libido ist im Spiel. Vom Standpunkt der libidinösen Investition sieht man wohl, dass es wenige Unterschiede gibt zwischen einem Reformisten, einem Faschisten, manchmal sogar gewissen Revolutionären, die sich nur vorbewusst unterscheiden, deren unbewusste Investitionen aber vom gleichen Typ sind, selbst wenn sie nicht denselben Körper umarmen. Wir können Maud Mannoni nicht folgen, wenn sie den ersten historischen Akt der Anti-Psychiatrie im Urteil von 1902 sieht, das Präsident Schreber Freiheit und Verantwortung zusprach, trotz der anerkannten Fortdauer seiner Wahnideen.62 Denn es gibt Anlass zu bezweifeln, dass das Urteil dasselbe gewesen wäre, wenn der Präsident schizophren statt paranoisch gewesen wäre, wenn er sich für einen Neger oder einen Juden gehalten hätte statt für einen reinen Arier, wenn er nicht so viel Kompetenz in der Verwaltung seines Vermögens gezeigt hätte und wenn er in seinem Wahn nicht für den Socio-Körper von einer bereits faschisierenden libidinösen Investition Zeugnis abgelegt hätte. Die sozialen Maschinen als Unterwerfungsmaschinen rufen unvergleichliche Lieben hervor, die sich nicht durch Interesse erklären, da die Interessen vielmehr aus ihnen hervorgehen. Im Grund der Gesellschaft: das Delirium, denn das Delirium ist die Investition des Socius als solchen, jenseits der Ziele. Und es ist nicht nur auf den Körper des Despoten, nach dem der Paranoiker vor Liebe strebt, sondern auf den Körper des Kapital-Geldes oder auf einen neuen revolutionären Körper, sobald er Form von Macht und Geselligkeit ist. Von ihm besessen werden ebenso wie ihn besitzen, die unterworfenen Gruppen maschinieren, deren Stücke und Zahnräder man selbst ist, sich selbst in die Maschine einführen, um dort endlich den Genuss der Mechanismen zu kennen, die das Begehren zermahlen.
Nun wirkt Ödipus wie etwas relativ Unschuldiges, eine private Bestimmung, die im Praxiszimmer des Analytikers behandelt wird. Aber wir fragen gerade, welchen Typ unbewusster sozialer Investition Ödipus voraussetzt – denn nicht die Psychoanalyse erfindet Ödipus; sie begnügt sich damit, davon zu leben, ihn zu entfalten, ihn zu bestätigen, ihm eine medizinische Warenform zu geben. Insofern die paranoische Investition die begehrende Produktion versklavt, ist ihr sehr daran gelegen, dass die Grenze dieser Produktion verschoben wird, dass sie innerhalb des Socius verläuft, als Grenze zwischen zwei molaren Ensembles, dem sozialen Ausgangsensemble und dem familiären Ziel-Teilensemble, dem es entsprechen soll, so dass das Begehren in die Falle einer familiären Verdrängung gerät, die die soziale Repression verdoppelt. Der Paranoiker wendet sein Delirium auf die Familie an, und auf seine eigene Familie, aber es ist zuerst ein Delirium über Rassen, Ränge, Klassen, Weltgeschichte. Kurz, Ödipus impliziert im Unbewussten selbst eine ganze reaktionäre und paranoische Investition des sozialen Feldes, die als ödipianisierender Faktor wirkt und die die vorbewussten Investitionen ebenso gut speisen wie ihnen entgegenwirken kann. Vom Standpunkt der Schizo-Analyse besteht die Analyse des Ödipus daher darin, von den verworrenen Gefühlen des Sohnes zu den delirierenden Ideen oder Investitionslinien der Eltern, ihrer verinnerlichten Repräsentanten und ihrer Substituten aufzusteigen: nicht um das Ensemble einer Familie zu erreichen, die niemals mehr ist als ein Ort der Anwendung und der Reproduktion, sondern die sozialen und politischen Einheiten libidinöser Investition. So dass die ganze familialistische Psychoanalyse, den Psychoanalytiker an erster Stelle eingeschlossen, der Schizo-Analyse unterliegt. Eine einzige Art, sich auf der Couch die Zeit zu vertreiben: den Psychoanalytiker schizo-analysieren. Wir sagten, dass, kraft ihrer Unterschiedlichkeit der Natur gegenüber den vorbewussten Interesseninvestitionen, die unbewussten Begehrensinvestitionen in ihrer sozialen Reichweite selbst die Sexualität zum Indikator haben. Nicht dass es genügen würde, die arme Frau, die Dienstmagd oder die Hure zu investieren, um revolutionäre Lieben zu haben. Es gibt keine revolutionären oder reaktionären Lieben, das heißt, die Lieben definieren sich weder durch ihre Objekte noch durch die Quellen und Ziele der Wünsche oder Triebe. Aber es gibt Liebesformen, die die Indizes des reaktionären oder revolutionären Charakters der Investition eines historischen oder geografischen sozialen Feldes durch die Libido sind, von dem die geliebten und begehrten Wesen ihre Bestimmungen erhalten. Ödipus ist eine dieser Formen, Index reaktionärer Investition. Und die gut bestimmten Figuren, die gut identifizierten Rollen, die gut unterschiedenen Personen, kurz die Bilder-Modelle, von denen Lawrence sprach, Mutter, Verlobte, Geliebte, Ehefrau, Heilige und Hure, Prinzessin und Dienstmagd, reiche Frau und arme Frau, sind Abhängigkeiten des Ödipus, bis hinein in ihre Umkehrungen und Substitutionen. Es ist die Form selbst dieser Bilder, ihr Zuschnitt und die Gesamtheit ihrer möglichen Beziehungen, die das Produkt eines Codes oder einer sozialen Axiomatik sind, an die sich die Libido durch sie hindurch richtet. Die Personen sind die Simulakren, abgeleitet von einem sozialen Ensemble, dessen Code unbewusst um seiner selbst willen investiert ist. Daher zeigen Liebe, Begehren reaktionäre oder aber revolutionäre Indizes; letztere treten im Gegenteil als nicht-figurative Indizes auf, wo die Personen den dekodierten Begehrensflüssen Platz machen, Vibrationslinien, und wo die Bildschnitte Schizen Platz machen, die singuläre Punkte konstituieren, Zeichen-Punkte mit mehreren Dimensionen, die die Flüsse passieren lassen, statt sie zu annullieren. Nicht-figurative Lieben, Indizes einer revolutionären Investition des sozialen Feldes, die weder ödipisch noch präödipisch sind, denn das ist dasselbe, sondern unschuldig an-ödipal, und die dem Revolutionär das Recht geben zu sagen: „Ödipus, kenn ich nicht.“ Die Form der Personen und des Ich entmachen, nicht zugunsten eines präödipischen Undifferenzierten, sondern zugunsten der Linien an-ödipaler Singularitäten, der Begehrensmaschinen. Denn es gibt sehr wohl eine sexuelle Revolution, die weder die Objekte noch die Ziele noch die Quellen betrifft, sondern nur die Form oder die maschinischen Indizes.
Die vierte und letzte These der Schizo-Analyse ist daher die Unterscheidung zweier Pole der sozialen libidinösen Investition: des paranoischen, reaktionären und faschisierenden Pols, und des schizoïd-revolutionären Pols. Noch einmal: Wir sehen keinen Nachteil darin, soziale Investitionen des Unbewussten mit Begriffen zu charakterisieren, die aus der Psychiatrie ererbt sind, gerade insofern diese Begriffe aufhören, eine familiale Konnotation zu haben, die sie zu bloßen Projektionen machte, und sobald das Delirium als einen primären sozialen Gehalt anerkannt wird, der unmittelbar adäquat ist. Die beiden Pole definieren sich: der eine durch die Unterwerfung der Produktion und der Begehrensmaschinen unter die Herden-Ensembles, die sie im großen Maßstab unter dieser oder jener Form von Macht oder selektiver Souveränität konstituieren; der andere durch die umgekehrte Unterordnung und die Umkehr der Macht; der eine durch diese molaren und strukturierten Ensembles, die Singularitäten zerdrücken, die sie auswählen und diejenigen regulieren, die sie in Codes oder Axiomatik(en) festhalten; der andere durch die molekularen Vielfachheiten von Singularitäten, die im Gegenteil die großen Ensembles als ebenso viele Materialien behandeln, die ihrer Ausarbeitung eignen; der eine durch die Linien der Integration und der Territorialisierung, die die Flüsse anhalten, ihnen die Kehle zuschnüren, sie umkehren oder sie nach den dem System inneren Grenzen zurückschneiden, so dass sie die Bilder produzieren, die das dem System oder dem Ensemble eigene Immanenzfeld ausfüllen; der andere durch Fluchtlinien, denen die dekodierten und deterritorialisierten Flüsse folgen, ihre eigenen nicht-figurativen Schnitte oder Schizen erfindend, die neue Flüsse produzieren, stets die codierte Mauer oder die territoriale Grenze überschreitend, die sie von der begehrenden Produktion trennt; und alle vorhergehenden Bestimmungen zusammenfassend: der eine durch die unterworfenen Gruppen, der andere durch die Subjektgruppen. Es ist wahr, dass wir hier noch auf allerlei Probleme bezüglich dieser Unterscheidungen stoßen. In welchem Sinn konstituiert die schizoïde Investition ebenso wie die andere eine reale Investition des historischen sozialen Feldes und nicht bloß eine Utopie? In welchem Sinn sind die Fluchtlinien kollektiv, positiv und schöpferisch? Welches Verhältnis haben die beiden unbewussten Pole zueinander und zu den vorbewussten Interesseninvestitionen?
Wir haben gesehen, dass die paranoische unbewusste Investition auf den Socius selbst als vollen Körper ohne Organe zielt, jenseits der vorbewussten Ziele und Interessen, die er zuweist und verteilt. Es bleibt jedoch, dass eine solche Investition nicht erträgt, ans Licht gebracht zu werden: Sie muss sich stets unter zuweisbaren Zielen oder Interessen verbergen, die als allgemein ausgegeben werden, selbst wenn sie nur die der herrschenden Klasse oder ihres Bruchteils repräsentieren. Wie könnte eine Formation der Souveränität, ein fixes und bestimmtes Herden-Ensemble, es ertragen, um seiner rohen Macht, seiner Gewalt und seiner Absurdität willen investiert zu werden? Es würde nicht überleben. Selbst der erklärteste Faschismus spricht die Sprache der Ziele, des Rechts, der Ordnung und der Vernunft. Selbst der verrückteste Kapitalismus spricht im Namen der ökonomischen Rationalität. Und das ist notwendig, da in der Irrationalität des vollen Körpers die Ordnung der Gründe untrennbar fixiert ist, unter einem Code, unter einer Axiomatik, die darüber entscheidet. Mehr noch: Die Aufdeckung der reaktionären unbewussten Investition als zwecklos würde genügen, um sie vollständig zu verwandeln, sie an den anderen Pol der Libido übergehen zu lassen, das heißt an den schizo-revolutionären Pol, da sie nicht geschehen könnte, ohne die Macht umzukehren, ohne die Unterordnung zu invertieren, ohne die Produktion selbst dem Begehren zurückzugeben; denn nur das Begehren lebt davon, zwecklos zu sein. Die molekulare begehrende Produktion würde ihre Freiheit wiederfinden, ihrerseits das molare Ensemble unter eine umgekehrte Form von Macht oder Souveränität zu unterwerfen. Deshalb kann Klossowski, der die Theorie der zwei Investitionspole am weitesten getrieben hat, aber stets in der Kategorie einer aktiven Utopie, schreiben: „Jede Formation der Souveränität hätte so den rechten Augenblick ihrer Desintegration vorauszusehen… Keine Formation der Souveränität wird je, um zu kristallisieren, dieses Bewusstwerden ertragen: denn sobald sie dessen in den Individuen, die sie zusammensetzen, bewusst wird, zersetzen diese sie… Über den Umweg der Wissenschaft und der Kunst hat sich der Mensch vielfach gegen diese Fixität aufgelehnt; und ungeachtet dieser Fähigkeit ließ der Herdentrieb in und durch die Wissenschaft diesen Bruch scheitern. An dem Tag, an dem der Mensch wüsste, sich wie intentionlose Phänomene zu verhalten – denn jede Intention auf der Ebene des Menschen gehorcht immer seiner Selbsterhaltung, seiner Dauer –, an diesem Tag würde ein neues Geschöpf die Integrität der Existenz aussprechen… Die Wissenschaft zeigt durch ihren eigenen Gang, dass die Mittel, die sie unaufhörlich ausarbeitet, nichts anderes tun, als nach außen ein Spiel von Kräften zu reproduzieren, das von sich aus ohne Zweck und ohne Ende ist, deren Kombinationen dieses oder jenes Ergebnis erzielen… Gleichwohl kann keine Wissenschaft sich noch außerhalb einer konstituierten sozialen Gruppierung entwickeln. Um die Infragestellung der sozialen Gruppen durch die Wissenschaft zu verhindern, nehmen diese sie wieder in die Hand…, (integrieren) sie in die verschiedenen industriellen Planungen, ihre Autonomie erscheint geradezu undenkbar. Eine Konspiration, die Kunst und Wissenschaft verbindet, setzt einen Bruch all unserer Institutionen und eine totale Umwälzung der Produktionsmittel voraus… Sollte irgendeine Konspiration, nach dem Wunsch Nietzsches, Wissenschaft und Kunst zu nicht minder verdächtigen Zwecken verschwören, so schiene die Industriegesellschaft sie im Voraus zu vereiteln durch die Art von Inszenierung, die sie davon bietet, unter der Gefahr, tatsächlich zu erleiden, was diese Konspiration ihr bereitet: nämlich das Auseinanderbrechen der institutionellen Strukturen, die sie bedecken, in eine Pluralität experimenteller Sphären, die endlich das authentische Gesicht der Modernität enthüllen würden – letzte Phase, an der Nietzsche die Entwicklung der Gesellschaften enden sah. In dieser Perspektive würden Kunst und Wissenschaft dann als jene Formationen der Souveränität hervortreten, von denen Nietzsche sagte, dass sie den Gegenstand seiner Gegensoziologie ausmachen – Kunst und Wissenschaft, die sich als herrschende Mächte auf den Ruinen der Institutionen etablieren.“63
Warum diese Anrufung von Kunst und Wissenschaft in einer Welt, in der Gelehrte und Techniker, selbst Künstler, Wissenschaft und Kunst selbst so sehr im Dienst der etablierten Souveränitäten stehen (sei es nur durch die Finanzierungsstrukturen)? Weil die Kunst, sobald sie zu ihrer eigenen Größe, zu ihrem eigenen Genie gelangt, Ketten der Dekodierung und der Deterritorialisierung schafft, die Begehrensmaschinen einrichten und zum Funktionieren bringen. Nehmen wir das Beispiel der venezianischen Schule in der Malerei: Während Venedig den mächtigsten Handelskapitalismus an den Grenzen eines Urstaats entwickelt, der ihm eine große Autonomie lässt, fügt sich seine Malerei scheinbar in einen byzantinischen Code, in dem selbst Farben und Linien einem Signifikanten untergeordnet sind, der ihre Hierarchie als vertikale Ordnung bestimmt. Doch gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts, als der venezianische Kapitalismus den ersten Zeichen seines Niedergangs begegnet, bricht etwas in dieser Malerei auf: Man würde sagen, eine neue Welt öffnet sich, eine andere Kunst, in der die Linien deterritorialisiert werden, die Farben dekodiert werden, nur noch auf die Beziehungen verweisen, die sie untereinander und zueinander haben. Es entsteht eine horizontale oder transversale Organisation des Bildes mit Flucht- oder Durchbruchslinien. Der Leib Christi wird von allen Seiten und auf alle Arten maschiniert, von allen Seiten gezerrt, nimmt die Rolle des vollen Körpers ohne Organe ein, Anheftungsort für alle Maschinen des Begehrens, Ort sadomasochistischer Übungen, in denen die Freude des Künstlers aufbricht. Sogar schwule Christe. Die Organe sind die direkten Potenzen des Körpers ohne Organe und senden auf ihm Flüsse aus, die die tausend Wunden, wie die Pfeile des heiligen Sebastian, schneiden und zurückschneiden, um andere Flüsse zu produzieren. Die Personen und die Organe hören auf, nach hierarchisierten kollektiven Investitionen codiert zu sein; jede, jeder gilt für sich und führt seine eigene Sache: das Jesuskind schaut zur einen Seite, während die Jungfrau zur anderen hört, Jesus gilt für alle begehrenden Kinder, die Jungfrau für alle begehrenden Frauen, eine heitere Tätigkeit der Profanierung breitet sich unter dieser generalisierten Privatisierung aus. Ein Tintoretto malt die Erschaffung der Welt als einen Langstreckenlauf, dessen Start selbst Gott als Letzter von rechts nach links gibt. Auf einmal taucht ein Bild von Lotto auf, das ebenso gut aus dem 19. Jahrhundert sein könnte. Und natürlich werden diese Dekodierung der Malereiflüsse, diese schizoïden Fluchtlinien, die am Horizont die Begehrensmaschinen bilden, in Fetzen des alten Codes wieder aufgenommen oder in neue Codes eingeführt, und zuerst in eine eigentlich malerische Axiomatik, die den Fluchten die Kehle zuschnürt, das Ensemble über die transversalen Beziehungen zwischen Linien und Farben schließt und es auf archaische oder neue Territorialitäten zurückbiegt (zum Beispiel die Perspektive). So wahr es ist, dass die Bewegung der Deterritorialisierung nur als Kehrseite von Territorialitäten erfasst werden kann, auch residuellen, künstlichen oder faktischen. Aber wenigstens ist etwas aufgetaucht, das die Codes sprengt, die Signifikanten entmacht, unter die Strukturen hindurchgeht, die Flüsse passieren lässt und die Schnitte an der Grenze des Begehrens vollzieht: ein Durchbruch. Es genügt nicht zu sagen, dass das 19. Jahrhundert schon mitten im 15. da ist, denn man müsste seinerseits das Analogon des 19. Jahrhunderts sagen, und man hätte es für den byzantinischen Code sagen müssen, unter dem bereits seltsame befreite Flüsse verliefen. Wir haben es für den Maler Turner gesehen, für seine vollendetsten Bilder, die man manchmal „unvollendete“ Bilder nennt: Sobald es Genie gibt, gibt es etwas, das keiner Schule, keiner Zeit mehr angehört, einen Durchbruch vollziehend – die Kunst als Prozess ohne Zweck, der sich aber als solcher vollzieht.
Die Codes und ihre Signifikanten, die Axiomatik(en) und ihre Strukturen, die imaginären Figuren, die sie ausfüllen, ebenso wie die rein symbolischen Verhältnisse, die sie messen, konstituieren eigentlich ästhetische molare Ensembles, charakterisiert durch Ziele, Schulen und Epochen, beziehen sie auf die größeren sozialen Ensembles, die darin eine Anwendung finden, und überall unterwerfen sie die Kunst einer großen kastrierenden Souveränitätsmaschine. Denn auch für die Kunst gibt es einen Pol reaktionärer Investition, eine dunkle paranoisch-ödipisch-narzisstische Organisation. Ein schmutziger Gebrauch der Malerei, um das schmutzige kleine Geheimnis herum, selbst in der abstrakten Malerei, wo die Axiomatik ohne Figuren auskommt: eine Malerei, deren geheimes Wesen skatologisch ist, eine ödipianisierende Malerei, selbst wenn sie mit der heiligen Dreifaltigkeit als ödipischem Bild gebrochen hat, eine neurotische und neurotisierende Malerei, die aus dem Prozess ein Ziel macht oder einen Stillstand, eine Unterbrechung oder eine Fortsetzung im Leeren. Diese Malerei, die heute unter dem usurpierten Namen modern blüht, giftige Blume, und die einen Helden von Lawrence sagen ließ: „Es ist wie eine Art reiner Mord… – Und wer wird ermordet?… – Alle Eingeweide des Erbarmens, die man in sich spürt, werden ermordet… – Vielleicht ist es die Dummheit, die ermordet wird, die sentimentale Dummheit, höhnte der Künstler. – Glauben Sie? Mir scheint, all diese Röhren und diese Vibrationen von Wellblech sind dümmer als alles und ziemlich sentimental. Sie scheinen mir viel Selbstmitleid zu zeigen und viel nervöse Eitelkeit.“ Die produktiven Schnitte auf den großen unproduktiven Schnitt der Kastration projiziert, die Flüsse zu Wellblech-Flüssen geworden, die Durchbrüche von allen Seiten verstopft. Und vielleicht ist es das, wir haben es gesehen, der Marktwert der Kunst und der Literatur: eine Form paranoischer Expression, die nicht einmal mehr ihre reaktionären libidinösen Investitionen „bedeuten“ muss, da sie ihr im Gegenteil als Signifikant dienen: eine ödipische Inhaltsform, die nicht einmal mehr Ödipus figurieren muss, da die „Struktur“ genügt. Aber am anderen, schizo-revolutionären Pol misst sich der Wert der Kunst nur noch an den dekodierten und deterritorialisierten Flüssen, die sie unter einem zum Schweigen gebrachten Signifikanten passieren lässt, unterhalb der Identitätsbedingungen der Parameter, durch eine zur Ohnmacht gebrachte Struktur; Schreiben auf indifferenten pneumatischen, elektronischen oder gasförmigen Trägern, und das den Intellektuellen umso schwieriger und intellektueller erscheint, je zugänglicher es für Debile, Analphabeten, Schizos ist, alles umarmend, was fließt und was zurückschneidet, Eingeweide des Erbarmens, Sinn und Zweck ignorierend (die Erfahrung Artaud, die Erfahrung Burroughs). Hier gelangt die Kunst zu ihrer authentischen Modernität, die nur darin besteht, freizusetzen, was in der Kunst seit jeher präsent war, aber unter den Zielen und Objekten, mögen sie ästhetisch sein, unter den Rekodierungen oder den Axiomatik(en) verborgen lag: den reinen Prozess, der sich vollzieht, und der nicht aufhört, vollzogen zu werden, insofern er fortschreitet, die Kunst als „Experiment“.64
Und man wird dasselbe von der Wissenschaft sagen: Die dekodierten Erkenntnisflüsse sind zunächst in die eigentlich wissenschaftlichen Axiomatik(en) gebunden, aber diese drücken ein bipolares Schwanken aus. Einer der Pole ist die große soziale Axiomatik, die von der Wissenschaft zurückhält, was im Hinblick auf die Bedürfnisse des Marktes und die Zonen technischer Innovation zurückzuhalten ist, das große soziale Ensemble, das aus den wissenschaftlichen Teilensembles ebenso viele ihm eigene und ihm entsprechende Anwendungen macht, kurz, die Gesamtheit der Verfahren, die sich nicht damit begnügen, die Wissenschaftler zur „Vernunft“ zurückzubringen, sondern jede Abweichung ihrerseits verhindert, ihnen Ziele auferlegt und aus der Wissenschaft und den Wissenschaftlern eine Instanz macht, die der Formation der Souveränität vollkommen unterworfen ist (Beispiel: die Art, wie der Indeterminismus nur bis zu einem Punkt geduldet wurde und dann dazu angehalten, sich mit dem Determinismus zu versöhnen). Der andere Pol aber ist der schizoïde Pol, in dessen Nähe die Erkenntnisflüsse schizophrenisieren und nicht nur durch die soziale Axiomatik hindurch fliehen, sondern durch ihre eigenen Axiomatik(en) hindurchgehen, immer deterritorialisiertere Zeichen erzeugend, Schizen-Figuren, die nicht mehr figurativ oder strukturiert sind, und ein Spiel von Phänomenen ohne Zweck und Ende reproduzieren oder produzieren: die Wissenschaft als Experiment, im zuvor definierten Sinn. Gibt es in diesem Bereich wie in den anderen nicht einen eigentlich libidinösen Konflikt zwischen einem paranoisch-ödipianisierenden Element der Wissenschaft und einem schizo-revolutionären Element? Jenen Konflikt, der Lacan sagen lässt, es gebe ein Drama des Wissenschaftlers („J. R. Mayer, Cantor, ich werde keine Rangliste dieser Dramen aufstellen, die bisweilen in den Wahnsinn gehen…, und die sich hier nicht in den Ödipus einschließen lassen, außer um ihn in Frage zu stellen“: da in der Tat Ödipus hier nicht als Familienfigur noch als mentale Struktur eingreift, sondern unter der Gestalt einer Axiomatik als ödipianisierender Faktor, woraus ein spezifisch wissenschaftlicher Ödipus resultiert).65 Und dem Gesang Lautréamonts, der sich um den paranoisch-ödipisch-narzisstischen Pol erhebt, O strenge Mathematiken… Arithmetik! Algebra! Geometrie! grandiose Dreifaltigkeit! leuchtendes Dreieck!, stellt sich ein anderer Gesang entgegen: o schizophrene Mathematiken, unkontrollierbare und verrückte Begehrensmaschinen!…
In der kapitalistischen Formation der Souveränität (voller Körper des Kapital-Geldes als Socius) hat die große soziale Axiomatik die territorialen Codes und die despotischen Übercodierungen ersetzt, die die vorhergehenden Formationen charakterisierten; so hat sich ein herdenhaftes, molares Ensemble gebildet, dessen Unterwerfung ihresgleichen sucht. Wir haben gesehen, auf welchen Grundlagen dieses Ensemble funktionierte: ein ganzes Immanenzfeld, das sich in stets größerem Maßstab reproduziert, das seine Axiome unaufhörlich vervielfacht, so viele es braucht, das sich mit Bildern und Bildern von Bildern füllt, durch die hindurch das Begehren dazu bestimmt wird, seine eigene Repression zu begehren (Imperialismus), – eine beispiellose Dekodierung und Deterritorialisierung, die eine Konjugation als System differentieller Beziehungen zwischen den dekodierten und deterritorialisierten Flüssen einrichtet, so dass die soziale Einschreibung und Repression nicht einmal mehr direkt auf die Körper und Personen zu zielen braucht, sondern ihnen im Gegenteil vorausgeht (Axiomatik, Regulation und Anwendung), – ein Mehrwert, bestimmt als Mehrwert der Flüsse, dessen Erpressung nicht durch eine bloße arithmetische Differenz zwischen zwei homogenen Größen und von demselben Code geschieht, sondern gerade durch differentielle Beziehungen zwischen heterogenen Größen, die nicht in derselben Potenz stehen: Kapitalfluss und Arbeitsfluss als menschlicher Mehrwert im industriellen Wesen des Kapitalismus, Finanzierungsfluss und Zahlungsfluss oder Einkommensfluss in der monetären Einschreibung des Kapitalismus, Marktfluss und Innovationsfluss als maschinischer Mehrwert im kommerziellen und bankmäßigen Funktionieren des Kapitalismus (Mehrwert als erster Aspekt der Immanenz), – eine herrschende Klasse, umso erbarmungsloser, als sie die Maschine nicht in ihren Dienst stellt, sondern Dienerin der kapitalistischen Maschine ist: einzigartige Klasse in diesem Sinn, die sich ihrerseits damit begnügt, Einkommen zu ziehen, die, wie enorm sie auch sein mögen, nur eine arithmetische Differenz zu den Lohn-Einkommen der Arbeiter haben, während sie tiefer als Schöpferin, Regulatorin und Hüterin des großen nicht angeeigneten, nicht besessenen, mit Löhnen und Profiten inkommensurablen Flusses funktioniert, der in jedem Augenblick die inneren Grenzen des Kapitalismus, ihre unaufhörliche Verschiebung und ihre Reproduktion im erweiterten Maßstab markiert (Spiel der inneren Grenzen als zweiter Aspekt des kapitalistischen Immanenzfeldes, definiert durch die zirkuläre Relation „großer Finanzierungsstrom–Rückstrom der Lohn-Einkommen–Zustrom des Bruttogewinns“), – die Ausströmung der Anti-Produktion in die Produktion als Realisierung oder Absorption des Mehrwerts, so dass der militärische, bürokratische und polizeiliche Apparat in der Ökonomie selbst gegründet ist, die direkt libidinöse Investitionen der Repression des Begehrens produziert (Anti-Produktion als dritter Aspekt der Immanenz, der die doppelte Natur des Kapitalismus ausdrückt: produzieren, um zu produzieren, aber unter den Bedingungen des Kapitals). Es gibt keinen dieser Aspekte, nicht die geringste Operation, nicht den geringsten industriellen oder finanziellen Mechanismus, der nicht den Wahnsinn der kapitalistischen Maschine und den pathologischen Charakter ihrer Rationalität manifestierte (keineswegs falsche Rationalität, sondern wahre Rationalität dieses Pathologischen, dieses Wahnsinns, „denn die Maschine funktioniert, dessen seid sicher“). Sie läuft nicht Gefahr, verrückt zu werden; von einem Ende zum anderen ist sie es seit Beginn, und daher kommt ihre Rationalität. Der schwarze Humor von Marx, die Quelle des Kapitals, ist seine Faszination für eine solche Maschine: wie konnte sie montiert werden, auf welchem Grund von Dekodierung und Deterritorialisierung, wie funktioniert sie, immer mehr dekodiert, immer mehr deterritorialisiert, wie funktioniert sie umso härter durch die Axiomatik, durch die Konjugation der Flüsse, wie produziert sie die schreckliche Einheitsklasse der grauen Männchen, die die Maschine unterhalten, wie läuft sie nicht Gefahr, von selbst zu sterben, sondern eher uns sterben zu lassen, indem sie bis zuletzt Begehrensinvestitionen hervorruft, die nicht einmal über eine täuschende und subjektive Ideologie gehen, und die uns bis zuletzt schreien lassen: Es lebe das Kapital in seiner Realität, in seiner objektiven Verhüllung! Es hat niemals, außer in der Ideologie, einen menschlichen, liberalen, väterlichen Kapitalismus usw. gegeben. Der Kapitalismus definiert sich durch eine Grausamkeit ohne jedes Maß gegenüber dem primitiven System der Grausamkeit, durch einen Terror ohne jedes Maß gegenüber dem despotischen Regime des Terrors. Lohnerhöhungen, die Verbesserung des Lebensniveaus sind Realitäten, aber Realitäten, die aus diesem oder jenem zusätzlichen Axiom hervorgehen, das der Kapitalismus stets die Fähigkeit hat, seiner Axiomatik hinzuzufügen, je nach Erweiterung seiner Grenzen (machen wir den New Deal, wollen und anerkennen wir starke Gewerkschaften, fördern wir die Mitbestimmung, die Einheitsklasse, machen wir einen Schritt in Richtung Russland, das so viele Schritte zu uns macht, usw.). Doch in der erweiterten Realität, die diese Inseln bedingt, verhärtet sich die Ausbeutung unaufhörlich, der Mangel wird auf die gelehrteste Weise eingerichtet, Endlösungen vom Typ „Judenproblem“ werden sehr sorgfältig vorbereitet, die Dritte Welt wird als integraler Bestandteil des Kapitalismus organisiert. Die Reproduktion der inneren Grenzen des Kapitalismus in stets größerem Maßstab hat mehrere Konsequenzen: im Zentrum die Erhöhungen und Verbesserungen des Niveaus zu erlauben, die härtesten Formen der Ausbeutung vom Zentrum an die Peripherie zu verlagern, aber auch im Zentrum selbst die Enklaven der Überausbeutung zu vervielfachen, die sogenannten sozialistischen Formationen leicht zu ertragen (nicht der Kibbutz-Sozialismus stört den zionistischen Staat, ebensowenig wie der russische Sozialismus den Weltkapitalismus stört). Nicht metaphorisch stellt man fest: Fabriken sind Gefängnisse, sie ähneln nicht Gefängnissen, sie sind welche.
Alles ist verrückt im System: denn die kapitalistische Maschine nährt sich von dekodierten und deterritorialisierten Flüssen; sie dekodiert und deterritorialisiert sie noch mehr, aber indem sie sie durch einen axiomatischen Apparat passieren lässt, der sie konjugiert und der an den Konjugationspunkten Pseudo-Codes und künstliche Reterritorialisierungen produziert. In diesem Sinn kann die kapitalistische Axiomatik nicht darauf verzichten, immer neue Territorialitäten hervorzurufen und immer neue despotische Urstaaten wiederzubeleben. Der große mutierende Fluss des Kapitals ist reine Deterritorialisierung, aber er vollzieht ebenso viele Reterritorialisierungen, wenn er sich in den Rückfluss von Zahlungsmitteln umwandelt. Die Dritte Welt ist gegenüber dem Zentrum des Kapitalismus deterritorialisiert, gehört aber zum Kapitalismus, ist eine reine periphere Territorialität von ihm. Die vorbewussten Klassen- und Interesseninvestitionen wimmeln. Und zuerst haben die Kapitalisten Interesse am Kapitalismus. Eine so flache Feststellung ist zu etwas anderem da: Sie haben daran nur durch die Profitabschöpfung Interesse, die sie daraus ziehen, und die, wie enorm sie auch sei, den Kapitalismus nicht definiert. Und für das, was den Kapitalismus definiert, für das, was den Profit bedingt, haben sie eine Begehrensinvestition ganz anderer Natur, libidinös-unbewusst, die sich nicht einfach durch die bedingten Profite erklärt, sondern im Gegenteil erklärt, dass ein kleiner Kapitalist ohne großen Profit und ohne Hoffnung die Gesamtheit seiner Investitionen vollständig aufrechterhält: die Libido für den großen Fluss, der als solcher nicht konvertierbar ist, als solcher nicht angeeignet, „Nicht-Besitz und Nicht-Reichtum“ – wie Bernard Schmitt sagt, der unter den modernen Ökonomen für uns den unvergleichlichen Vorteil hat, eine delirierende Interpretation eines genau delirierenden ökonomischen Systems zu liefern (wenigstens geht er bis zum Ende). Kurz, eine wirklich unbewusste Libido, eine interesselose Liebe: das ist großartig, diese Maschine. Von da an, und immer ausgehend von der tautologischen Feststellung von vorhin, versteht man, dass Menschen, deren vorbewusste Interesseninvestitionen nicht im Sinn des Kapitalismus gehen oder nicht gehen sollten, eine unbewusste libidinöse Investition aufrechterhalten, die dem Kapitalismus entspricht oder ihn kaum bedroht. Entweder indem sie ihr vorbewusstes Interesse auf Lohnerhöhung und Verbesserung des Lebensniveaus begrenzen, lokalisieren; mächtige Organisationen vertreten sie, die bösartig werden, sobald man die Natur der Ziele in Frage stellt („Man sieht, Sie sind keine Arbeiter, Sie haben keine Ahnung von den realen Kämpfen, greifen wir die Profite für eine bessere Verwaltung des Systems an, wählen Sie für ein sauberes Paris, Willkommen, Herr Breschnew“). Und in der Tat: Wie sollte man sein Interesse nicht in dem Loch finden, das man sich selbst gegraben hat, innerhalb des kapitalistischen Systems? Oder, zweiter Fall: Es gibt wirklich eine neue Interesseninvestition, neue Ziele, die einen anderen Körper als den des Kapital-Geldes voraussetzen; die Ausgebeuteten werden sich ihres vorbewussten Interesses bewusst, und dieses ist wirklich revolutionär, großer Schnitt vom Standpunkt des Vorbewussten. Aber es genügt nicht, dass die Libido einen neuen sozialen Körper investiert, der diesen neuen Zielen entspricht, damit sie auf der Ebene des Unbewussten einen revolutionären Schnitt vollzieht, der dieselbe Weise hätte wie der des Vorbewussten. Gerade die beiden Ebenen haben nicht dieselbe Weise. Der neue Socius, als voller Körper von der Libido investiert, kann sehr wohl als autonome Territorialität funktionieren, aber innerhalb der kapitalistischen Maschine gefasst und eingehegt, und im Feld ihres Marktes lokalisierbar. Denn der große mutierende Fluss des Kapitals stößt seine Grenzen zurück, fügt neue Axiome hinzu, hält das Begehren im beweglichen Rahmen seiner erweiterten Grenzen. Es kann einen revolutionären vorbewussten Schnitt geben, ohne realen libidinösen und unbewussten revolutionären Schnitt. Oder vielmehr ist die Ordnung der Dinge folgende: Zuerst gibt es einen realen libidinösen revolutionären Schnitt, dann gleitet er in einen bloßen revolutionären Schnitt von Zielen und Interesse ab, schließlich bildet er eine nur noch spezifische Reterritorialität, einen spezifischen Körper auf dem vollen Körper des Kapitals. Die unterworfenen Gruppen hören nicht auf, aus den revolutionären Subjektgruppen abzudriften. Ein Axiom mehr. Es ist nicht komplizierter als bei der abstrakten Malerei. Alles beginnt mit Marx, setzt sich mit Lenin fort und endet bei „Willkommen, Herr Breschnew“. Sprechen da noch Revolutionäre zu einem Revolutionär, oder verlangt ein Dorf die Ankunft eines neuen Präfekten? Und wenn man fragt, wann es anfängt, schlecht zu laufen, wie weit muss man zurückgehen, bis zu Lenin, bis zu Marx? So sehr können die verschiedensten und gegensätzlichen Investitionen in Komplexen koexistieren, die nicht die des Ödipus sind, sondern das historische soziale Feld, seine vorbewussten und unbewussten Konflikte und Widersprüche betreffen, und von denen man nur sagen kann, dass sie sich auf Ödipus zurückbiegen: Marx-Vater, Lenin-Vater, Breschnew-Vater. Immer weniger Leute glauben daran, aber das hat keine Bedeutung, denn der Kapitalismus ist wie die christliche Religion, er lebt gerade vom Mangel an Glauben, er braucht ihn nicht – bunte Malerei von allem, was geglaubt worden ist.
Doch nun ist auch das Umgekehrte wahr: der Kapitalismus hört nicht auf, an allen Enden zu entweichen. Seine Produktionen, seine Kunst, seine Wissenschaft bilden dekodierte und deterritorialiserte Flüsse, die sich nicht nur der entsprechenden Axiomatik unterwerfen, sondern bestimmte ihrer Strömungen durch die Maschen der Axiomatik hindurchgehen lassen, unterhalb der Rekodierungen und Reterritorialisierungen. Ihrerseits driften Subjektgruppen durch Bruch aus den unterworfenen Gruppen ab. Der Kapitalismus hört nicht auf, den Flüssen die Kehle zuzuziehen, sie zu schneiden und den Schnitt zurückzuschieben, aber diese hören nicht auf, sich zu ergießen und sich selbst nach Schizen zu schneiden, die sich gegen den Kapitalismus wenden und ihn aufschlitzen. Stets bereit, seine inneren Grenzen zu vergrößern, bleibt der Kapitalismus von einer äußeren Grenze bedroht, die umso mehr von innen kommen und ihn aufreißen kann, je mehr sich die inneren Grenzen vergrößern. Deshalb sind die Fluchtlinien in besonderem Maß schöpferisch und positiv: sie konstituieren eine Investition des sozialen Feldes, nicht weniger vollständig, nicht weniger total als die entgegengesetzte Investition. Die paranoische Investition und die schizoïde Investition sind wie zwei entgegengesetzte Pole der unbewussten libidinösen Investition, von denen der eine die begehrende Produktion der Formation der Souveränität und dem herdenhaften Ensemble unterordnet, das daraus hervorgeht, und der andere die umgekehrte Unterordnung vollzieht, die Macht umkehrt und das herdenhafte Ensemble den molekularen Vielfachheiten der Produktionen des Begehrens unterwirft. Und wenn es wahr ist, dass das Delirium mit dem sozialen Feld koextensiv ist, so sieht man in jedem Delirium die beiden Pole koexistieren und Fragmente schizoïd-revolutionärer Investition mit Blöcken paranoisch-reaktionärer Investition zusammenfallen. Die Oszillation zwischen den beiden Polen ist sogar konstitutiv für das Delirium. Dennoch scheint es, dass die Oszillation nicht gleich ist und dass der schizoïde Pol eher potentiell ist gegenüber dem paranoischen aktuellen Pol (wie könnte man auf Kunst und Wissenschaft anders zählen als als Potentialitäten, da ihre Aktualität selbst leicht von den Formationen der Souveränität kontrolliert wird?). Das liegt daran, dass die beiden Pole der unbewussten libidinösen Investition nicht dasselbe Verhältnis, und nicht dieselbe Form des Verhältnisses, zu den vorbewussten Interesseninvestitionen haben. Auf der einen Seite nämlich verbirgt die Interesseninvestition grundlegend die paranoische Begehrensinvestition und verstärkt sie, indem sie sie verbirgt: sie bedeckt ihren irrationalen Charakter mit einer bestehenden Ordnung von Interessen, Ursachen und Mitteln, Zielen und Gründen; oder sie ruft selbst diese Interessen hervor und schafft sie, die die paranoische Investition rationalisieren; oder, mehr noch, eine tatsächlich revolutionäre vorbewusste Investition hält eine paranoische Investition auf der Ebene der Libido vollständig aufrecht, insofern der neue Socius weiterhin die ganze Begehrensproduktion im Namen der höheren Interessen der Revolution und der unvermeidlichen Verkettungen der Kausalität unterordnet. Im anderen Fall muss das vorbewusste Interesse im Gegenteil die Notwendigkeit einer Investition anderer Art entdecken, und es muss eine Art Kausalitätsbruch als Infragestellung der Ziele und Interessen vollziehen. Denn das Problem ist nicht dasselbe: Es genügt nicht, einen neuen Socius als vollen Körper aufzubauen, sondern auf die andere Seite dieses vollen sozialen Körpers überzugehen, wo die molekularen Formationen des Begehrens sich betätigen und sich einschreiben, die das neue molare Ensemble unterwerfen sollen. Erst dort gelangt man zum revolutionären Schnitt und zur revolutionären unbewussten Investition der Libido. Doch dies kann sich nur um den Preis und zugunsten eines Kausalitätsbruchs vollziehen. Das Begehren ist ein Exil, das Begehren ist eine Wüste, die den Körper ohne Organe durchquert und uns von einer seiner Seiten zur anderen übergehen lässt. Niemals ein individuelles Exil, niemals eine persönliche Wüste, sondern ein kollektives Exil und eine kollektive Wüste. Es ist allzu offensichtlich, dass das Schicksal der Revolution einzig mit dem Interesse der ausgebeuteten und beherrschten Massen verknüpft ist. Aber das Problem ist die Natur dieser Verknüpfung, als bestimmte kausale Bindung oder als Verknüpfung anderer Art. Es geht darum zu wissen, wie sich ein revolutionäres Potential realisiert, in seinem Verhältnis selbst zu den ausgebeuteten Massen oder den „schwächsten Gliedern“ eines gegebenen Systems. Handeln diese an ihrem Platz, in der Ordnung der Ursachen und Ziele, die einen neuen Socius fördern, oder sind sie im Gegenteil der Ort und der Agent eines plötzlichen, unerwarteten Einbruchs, eines Einbruchs des Begehrens, der mit Ursachen und Zielen bricht und den Socius auf seine andere Seite wendet? In den unterworfenen Gruppen definiert sich das Begehren noch durch eine Ordnung von Ursachen und Zielen und webt selbst ein ganzes System makroskopischer Beziehungen, die die großen Ensembles unter einer Formation der Souveränität bestimmen. Die Subjektgruppen dagegen haben als einzige Ursache einen Kausalitätsbruch, eine revolutionäre Fluchtlinie; und obwohl man in den kausalen Reihen die objektiven Faktoren zuweisen kann und muss, die einen solchen Bruch möglich gemacht haben, wie die schwächsten Glieder, erklärt allein das, was zur Ordnung des Begehrens und seines Einbruchs gehört, die Realität, die er in einem bestimmten Moment, an einem bestimmten Ort annimmt.66 Man sieht gut, wie alles koexistieren und sich mischen kann: im „leninistischen Schnitt“, wenn die bolschewistische Gruppe oder zumindest ein Teil dieser Gruppe die unmittelbare Möglichkeit einer proletarischen Revolution wahrnimmt, die nicht der vorgesehenen kausalen Ordnung der Kräfteverhältnisse folgen würde, sondern die Dinge auf singuläre Weise überstürzen würde, indem sie sich in eine Bresche hineinstürzt (die Flucht oder der „revolutionäre Defätismus“), koexistiert in Wahrheit alles: vorbewusste, bei einigen noch zögernde Investitionen, die an diese Möglichkeit nicht glauben; vorbewusste revolutionäre Investitionen bei denen, die die Möglichkeit eines neuen Socius „sehen“, sie aber in einer molaren Kausalitätsordnung halten, die aus der Partei bereits eine neue Form der Souveränität macht; schließlich unbewusste revolutionäre Investitionen, die einen echten Kausalitätsbruch in der Ordnung des Begehrens vollziehen. Und bei denselben Menschen können die verschiedensten Typen von Investitionen zu diesem oder jenem Moment koexistieren, die beiden Gruppentypen können sich durchdringen. Denn die beiden Gruppen sind wie Determinismus und Freiheit bei Kant: sie haben sehr wohl dasselbe „Objekt“, und niemals ist die soziale Produktion etwas anderes als die begehrende Produktion, und umgekehrt, aber sie haben nicht dasselbe Gesetz oder dasselbe Regime. Die Aktualisierung eines revolutionären Potentials erklärt sich weniger durch den vorbewussten Kausalzustand, in dem sie doch begriffen wird, als durch die Wirklichkeit eines libidinösen Schnitts in einem präzisen Moment, einer Schize, deren einzige Ursache das Begehren ist, das heißt der Kausalitätsbruch, der dazu zwingt, die Geschichte im Realen neu zu schreiben und jenen seltsam polyvoken Moment zu produzieren, in dem alles möglich ist. Gewiss ist die Schize durch eine unterirdische Arbeit der Ursachen, Ziele und Interessen vorbereitet worden; gewiss läuft diese Ordnung der Ursachen Gefahr, sich wieder zu schließen und die Bresche im Namen des neuen Socius und seiner Interessen zu verstopfen. Gewiss kann man immer nachträglich sagen, dass die Geschichte nie aufgehört hat, durch dieselben Gesetze des Ensembles und der großen Zahlen regiert zu werden. Es bleibt, dass die Schize nur durch ein Begehren ohne Ziel und ohne Ursache zur Existenz gekommen ist, das sie zeichnete und umarmte. Unmöglich ohne die Ordnung der Ursachen, wird sie nur durch etwas anderer Ordnung real: das Begehren, das Begehren-Wüste, die revolutionäre Begehrensinvestition. Und genau das unterhöhlt den Kapitalismus: Woher wird die Revolution kommen, und in welcher Form in den ausgebeuteten Massen? Es ist wie der Tod: wo, wann? Ein dekodierter, deterritorialisierter Fluss, der zu weit fließt, der zu fein schneidet, der der Axiomatik des Kapitalismus entgeht. Ein Castro, ein Araber, ein Black Panther, ein Chinese am Horizont? Ein Mai 68, ein Mao von innen, auf einem Fabrikschornstein gepflanzt wie der Anachoret? Immer ein Axiom hinzufügen, um die vorherige Bresche zu verstopfen; faschistische Obersten fangen an, Mao zu lesen; man wird sich nicht mehr erwischen lassen; Castro ist unmöglich geworden, sogar im Verhältnis zu sich selbst; man isoliert die Vakuolen; man macht Ghettos; man ruft die Gewerkschaften zu Hilfe; man erfindet die unerquicklichsten Formen der „Abschreckung“; man verstärkt die Interessenrepression – aber woher wird der neue Einbruch des Begehrens kommen?67
Wer uns bis hierher gelesen haben wird, wird uns vielleicht viele Vorwürfe machen können: zu sehr an die reinen Potentialitäten der Kunst und sogar der Wissenschaft zu glauben; die Rolle der Klassen und des Klassenkampfs zu leugnen oder zu minimieren; für einen Irrationalismus des Begehrens zu kämpfen; den Revolutionär mit dem Schizo zu identifizieren; in all diese bekannten, allzu bekannten Fallen zu tappen. Das wäre eine schlechte Lektüre, und wir wissen nicht, was besser ist, eine schlechte Lektüre oder gar keine Lektüre. Und sicher gibt es andere, weit schwerwiegendere Vorwürfe, an die wir nicht gedacht haben. Doch zu den vorherigen sagen wir erstens, dass Kunst und Wissenschaft eine revolutionäre Potentialität haben, und nichts anderes, und dass diese Potentialität umso mehr erscheint, je weniger man fragt, was sie bedeuten, vom Standpunkt der Bedeuteten oder eines Signifikanten aus, die zwangsläufig den Spezialisten vorbehalten sind; vielmehr lassen sie im Socius Ströme passieren, die immer stärker dekodiert und deterritorialisiert sind, für alle spürbar, die die soziale Axiomatik zwingen, sich immer mehr zu verkomplizieren, sich stärker zu sättigen, bis zu dem Punkt, dass Künstler und Wissenschaftler dazu bestimmt sein können, sich einer objektiv revolutionären Situation anzuschließen, als Reaktion gegen die autoritären Planungen eines Staates, der seinem Wesen nach inkompetent und vor allem kastrierend ist (denn der Staat legt einen eigentlich künstlerischen Ödipus auf, einen eigentlich wissenschaftlichen Ödipus). Zweitens haben wir die Bedeutung der vorbewussten Investitionen von Klasse und Interesse keineswegs minimiert, die in der Infrastruktur selbst gegründet sind; vielmehr messen wir ihnen umso mehr Bedeutung bei, als sie in der Infrastruktur der Index libidinöser Investitionen anderer Natur sind, die sich mit ihnen versöhnen können oder ihnen zuwiderlaufen können. Das ist nur eine Weise, die Frage zu stellen: „Wie kann die Revolution verraten werden?“, nachdem gesagt ist, dass die Verrätereien nicht warten, sondern von Anfang an da sind (Aufrechterhaltung unbewusster paranoischer Investitionen in revolutionären Gruppen). Und wenn wir das Begehren als revolutionäre Instanz anrufen, dann deshalb, weil wir glauben, dass die kapitalistische Gesellschaft viele Manifestationen von Interesse ertragen kann, aber keine Manifestation von Begehren, die ausreichen würde, ihre Grundstrukturen zu sprengen, sogar auf der Ebene des Kindergartens. Wir glauben an das Begehren als das Irrationale jeder Rationalität, und nicht weil es Mangel, Durst oder Aspiration wäre, sondern weil es Produktion des Begehrens und Begehren, das produziert, Real-Begehren oder das Reale an sich ist. Schließlich denken wir keineswegs, der Revolutionär sei schizophren oder umgekehrt. Im Gegenteil haben wir unaufhörlich den Schizophrenen als Entität und die Schizophrenie als Prozess unterschieden; jener kann sich nur in Bezug auf die Stopps, die Fortsetzungen im Leeren oder die finalistischen Illusionen definieren, die die Repression dem Prozess selbst auferlegt. Darum haben wir nur von einem schizoïden Pol in der libidinösen Investition des sozialen Feldes gesprochen, um möglichst die Verwechslung des schizophrenen Prozesses mit der Produktion eines Schizophrenen zu vermeiden. Der schizophrene Prozess (schizoïder Pol) ist revolutionär, in demselben Sinn, in dem das paranoische Verfahren reaktionär und faschistisch ist; und von allem Familialismus befreit sind es nicht diese psychiatrischen Kategorien, die uns die ökonomisch-politischen Bestimmungen verständlich machen sollen, sondern genau umgekehrt.
Und dann vor allem: Wir suchen keinerlei Ausflucht, indem wir sagen, die Schizo-Analyse als solche habe strikt überhaupt kein politisches Programm vorzuschlagen. Hätte sie eines, wäre es zugleich grotesk und beunruhigend. Sie hält sich weder für eine Partei noch auch nur für eine Gruppe und beansprucht nicht, im Namen der Massen zu sprechen. Ein politisches Programm hat sich nicht im Rahmen der Schizoanalyse auszuarbeiten. Endlich etwas, das nicht beansprucht, im Namen irgendetwas zu sprechen, nicht einmal und vor allem nicht im Namen der Psychoanalyse: nichts als Eindrücke, der Eindruck, dass es in der Psychoanalyse schlecht geht, und dass es seit Beginn schlecht geht. Wir sind noch zu kompetent, wir möchten im Namen einer absoluten Inkompetenz sprechen. Jemand hat uns gefragt, ob wir je einen Schizophrenen gesehen hätten, nein, nein, wir haben nie einen gesehen. Wenn jemand findet, dass es in der Psychoanalyse gut geht, sprechen wir nicht für ihn, und für ihn ziehen wir alles zurück, was wir gesagt haben. Also, welches Verhältnis hat die Schizo-Analyse zur Politik einerseits, zur Psychoanalyse andererseits? Alles dreht sich um die begehrenden Maschinen und die Produktion von Begehren. Die Schizo-Analyse als solche stellt nicht das Problem der Natur des Socius, der aus der Revolution hervorgehen soll; sie beansprucht keineswegs, für die Revolution selbst zu gelten. Ein gegebener Socius vorausgesetzt, fragt sie nur, welchen Platz er der begehrenden Produktion einräumt, welche motorische Rolle darin das Begehren hat, in welchen Formen darin die Versöhnung des Regimes der begehrenden Produktion und des Regimes der sozialen Produktion geschieht, da es ohnehin dieselbe Produktion ist, aber unter zwei verschiedenen Regimen – ob es also auf diesem Socius als vollem Körper die Möglichkeit gibt, von einer Seite zur anderen überzugehen, das heißt von der Seite, auf der sich die molaren Ensembles sozialer Produktion organisieren, zu jener anderen, nicht minder kollektiven Seite, auf der sich die molekularen Vielfachheiten begehrender Produktion bilden, – ob ein solcher Socius die Umkehrung der Macht, die bewirkt, dass die begehrende Produktion die soziale Produktion unterwirft, ertragen kann und bis zu welchem Punkt, und sie doch nicht zerstört, da es dieselbe Produktion unter dem Unterschied des Regimes ist, – ob es die Bildung von Subjektgruppen gibt und wie, usw. Und wenn man uns antwortet, wir verlangten die berühmten Rechte auf Faulheit oder auf Unproduktivität oder auf die Produktion von Traum und Phantasie, sind wir ein weiteres Mal sehr zufrieden, da wir nicht aufgehört haben, das Gegenteil zu sagen, und dass die begehrende Produktion Reales produzierte, und dass das Begehren wenig mit Phantasie und Traum zu tun hatte. Im Unterschied zu Reich macht die Schizo-Analyse keinen Naturunterschied zwischen politischer Ökonomie und libidinöser Ökonomie. Sie fragt nur, welche maschinellen, sozialen und technischen Indizes sich auf einem Socius auf die begehrenden Maschinen öffnen, die in deren Teile, Getriebe und Motoren eintreten, so sehr wie diese jene in ihre eigenen Teile, Getriebe und Motoren eintreten lassen. Jeder weiß, dass ein Schizo eine Maschine ist; alle Schizos sagen es, und nicht nur der kleine Joey. Die Frage ist zu wissen, ob die Schizophrenen die lebenden Maschinen einer toten Arbeit sind, die man dann den toten Maschinen der lebendigen Arbeit gegenüberstellt, wie man sie im Kapitalismus organisiert. Oder ob im Gegenteil begehrende, technische und soziale Maschinen sich in einem Prozess schizophrenen Produzierens zusammenschließen, der dann keine Schizophrenen mehr zu produzieren hat. Wenn Maud Mannoni in ihrem Lettre aux ministres schreibt: „Einer dieser Jugendlichen, für studienunfähig erklärt, besucht eine 3e-Klasse sehr ehrenhaft, unter der Bedingung, dass er Mechanik macht. Mechanik begeistert ihn. Der Garagist war sein bester Pfleger. Wenn wir ihm die Mechanik nehmen, wird er wieder schizophren“, hat sie nicht die Absicht, die Ergotherapie noch die Tugenden der sozialen Anpassung zu preisen. Sie markiert den Punkt, an dem die soziale Maschine, die technische Maschine, die begehrende Maschine sich eng zusammenschließen und ihre Regime miteinander kommunizieren lassen. Sie fragt, ob diese Gesellschaft dazu fähig ist, und was sie wert ist, wenn sie dazu nicht fähig ist. Und genau das ist der Sinn der sozialen, technischen, wissenschaftlichen, künstlerischen Maschinen, wenn sie revolutionär sind: begehrende Maschinen zu bilden, deren Index sie in ihrem eigenen Regime bereits sind, zugleich aber werden sie von den begehrenden Maschinen gebildet, im Regime, das das ihre ist, und als Position des Begehrens.
Was ist schließlich die Opposition der Schizo-Analyse zur Psychoanalyse, im Ganzen ihrer negativen und positiven Aufgaben? Wir haben nicht aufgehört, zwei Sorten Unbewusstes oder zwei Interpretationen des Unbewussten gegenüberzustellen: die eine schizo-analytisch, die andere psychoanalytisch; die eine schizophren, die andere neurotisch-ödipal; die eine abstrakt und nicht-figurativ, die andere imaginär; aber ebenso die eine wirklich konkret, die andere symbolisch; die eine maschinisch, die andere struktural; die eine molekular, mikropsychisch und mikrologisch, die andere molar oder statistisch; die eine materiell, die andere ideologisch; die eine produktiv, die andere expressiv. Wir haben gesehen, wie die negative Aufgabe der Schizo-Analyse gewaltsam, brutal sein musste: entfamiliarisieren, ent-ödipisieren, ent-kastrieren, ent-phallisieren, Theater, Traum und Phantasie auflösen, dekodieren, deterritorialisieren – ein schreckliches Ausschaben, eine böswillige Tätigkeit. Aber alles geschieht zugleich. Denn zugleich befreit sich der Prozess, Prozess der begehrenden Produktion entlang seiner molekularen Fluchtlinien, die bereits die mechanikerhafte Aufgabe des Schizo-Analytikers definieren. Und weiter sind die Fluchtlinien volle molare oder soziale Investitionen, die das ganze soziale Feld anbeißen: so dass die Aufgabe der Schizo-Analyse schließlich darin besteht, in jedem Fall die Natur der libidinösen Investitionen des sozialen Feldes zu entdecken, ihre möglichen inneren Konflikte, ihre Verhältnisse zu den vorbewussten Investitionen desselben Feldes, ihre möglichen Konflikte mit diesen, kurz, das ganze Spiel der begehrenden Maschinen und der Repression des Begehrens. Den Prozess vollenden, ihn nicht anhalten, ihn nicht im Leeren drehen lassen, ihm kein Ziel geben. Niemals wird man weit genug gehen in der Deterritorialisierung, in der Dekodierung der Flüsse. Denn die neue Erde („In Wahrheit wird die Erde eines Tages ein Ort der Heilung werden“) ist nicht in den neurotischen oder perversen Reterritorialisierungen, die den Prozess anhalten oder ihm Ziele fixieren; sie ist weder mehr hinten als vorn; sie fällt zusammen mit der Vollendung des Prozesses der begehrenden Produktion, dieses Prozesses, der stets schon vollendet ist, insofern er vorgeht, und solange er vorgeht. Es bleibt uns also zu sehen, wie diese verschiedenen Aufgaben der Schizo-Analyse tatsächlich und gleichzeitig vorgehen.
- Lévi-Strauss, Le Cru et le Cuit, Plon, 1964, S. 56.
- Joseph Gabel, „Délire politique chez un paranoïde“, L’Évolution psychiatrique, Nr. 2, 1952.
- Abram Kardiner, The Individual and his Society, Columbia University Press, 1939, S. 223 ff. (Und zu den zwei möglichen Wegen, vom Kind zum Erwachsenen oder vom Erwachsenen zum Kind, vgl. die Kommentare von Mikel Dufrenne, La Personnalité de base, P.U.F., 1953, S. 287-320.)
- Es ist auch in der Perspektive der randständigen Phänomene des Okkultismus, dass das Problem, obwohl grundlegend, der Kommunikation der Unbewussten gestellt wurde, zuerst von Spinoza im Brief 17 an Balling, dann von Myers, James, Bergson usw.
- Allen Ginsberg, Kaddish, 1961, frz. Übers. Bourgois, S. 61-63.
- Elias Canetti, Masse et puissance, 1960, frz. Übers. Gallimard, S. 460: „Vier Arten von Massen wirken in seinem Geist: seine Armee, sein Geld, seine Leichen, und der Hof, an den seine Hauptstadt gebunden ist. Er operiert ständig mit ihnen; die eine vergrößert sich auf Kosten der anderen… Was immer er unternimmt, er richtet es immer so ein, dass er eine dieser Massen bewahrt. In keinem Fall verzichtet er darauf zu töten. Die vor seinem Palast aufgestapelten Leichen sind eine permanente Institution.“
- In dem Artikel über „das Unbewusste“ von 1913 zeigt Freud, dass die Psychose kleine Vielfachheiten ins Spiel bringt, im Gegensatz zur Neurose, die ein globales Objekt braucht: zum Beispiel die Vielfachheiten von Löchern (doch dieses psychotische Phänomen erklärt Freud nur, indem er die Macht der Wortvorstellung anruft).
- Samuel Butler, Erewhon, Kap. 24 und 25.
- Raymond Ruyer, La Genèse des formes vivantes, Flammarion, 1958, S. 80-81. Indem er bestimmte Thesen von Bohr, Schrödinger, Jordan und Lillie aufnimmt, zeigt Ruyer, dass das Lebendige in direktem Zugriff auf die individuellen Phänomene des Atoms steht, jenseits der Masseneffekte, die sich sowohl in den inneren mechanischen Kreisläufen des Organismus als auch in den äußeren technischen Aktivitäten zeigen: „Die klassische Physik befasst sich nur mit Massenphänomenen. Die Mikrophysik dagegen führt natürlich zur Biologie. Von den individuellen Phänomenen des Atoms aus kann man in der Tat in zwei Richtungen gehen. Ihre statistische Akkumulation führt zu den Gesetzen der gewöhnlichen Physik. Aber dass diese individuellen Phänomene sich durch systematische Wechselwirkungen verkomplizieren, während sie ihre Individualität bewahren, innerhalb des Moleküls, dann des Makromoleküls, dann des Virus, dann des Einzellers, indem sie die Massenphänomene unterordnen, so gelangt man dann zum Organismus, der, so groß er auch sei, in diesem Sinn mikroskopisch bleibt.“ (S. 54) Diese Themen werden von Ruyer in Néo-finalisme, P.U.F., 1952, weithin entwickelt.
- Jacques Monod, Le Hasard et la nécessité, Éd. du Seuil, 1970, S. 91 (und S. 104-112: „Ein globuläres Protein ist bereits, auf molekularer Skala, eine wirkliche Maschine durch seine funktionalen Eigenschaften, aber nicht durch seine grundlegende Struktur, in der nichts anderes zu erkennen ist als das Spiel blinder Kombinationen. Zufall eingefangen, bewahrt, reproduziert durch die Maschinerie der Invarianz und so in Ordnung, Regel, Notwendigkeit verwandelt.“).
- Zu den Markoff-Ketten und ihrer Anwendung auf lebende Arten wie auf kulturelle Formationen vgl. Raymond Ruyer, La Genèse des formes vivantes, Kap. VIII. Die Phänomene des Code-Mehrwerts erklären sich gut in dieser Perspektive der „halbzufälligen Verkettungen“. Ruyer stellt mehrfach den Zusammenhang mit der schizophrenen Sprache her.
- L. Szondi, Diagnostic expérimental des pulsions, 1947, frz. Übers. P.U.F. Das Werk Szondis war das erste, das einen grundlegenden Zusammenhang zwischen Psychoanalyse und Genetik herstellte. Vgl. auch den jüngsten Versuch von André Green, im Licht der Fortschritte der Molekularbiologie, „Répétition et instinct de mort“, Revue française de psychanalyse, Mai 1970.
- Die Gesamtheit der letzten Studien Reichs, biokosmisch oder biogenetisch, wird am Ende von La Fonction de l’orgasme, Kap. IX, zusammengefasst. Das Primat der Sexualität über Generation und Reproduktion wird dort auf den Zyklus der Sexualität (mechanische Spannung – elektrische Ladung usw.) gegründet, der eine Zellteilung nach sich zieht: S. 224-227. Doch schon sehr früh in seinem Werk wirft Reich Freud vor, die sexuelle Position aufgegeben zu haben. Nicht nur die Dissidenten Freuds haben darauf verzichtet, Freud selbst hat es in gewisser Weise getan: ein erstes Mal, als er den Todestrieb einführt und anfängt, von Eros statt von Sexualität zu sprechen (Reich, S. 103-104); dann, wenn er die Angst zur Ursache der sexuellen Verdrängung macht und nicht mehr zu ihrem Ergebnis (Reich, S. 113-114); und allgemeiner, wenn er zu einem traditionellen Primat der Fortpflanzung über die Sexualität zurückkehrt (Reich, S. 225: „Die Fortpflanzung ist eine Funktion der Sexualität, und nicht umgekehrt, wie man behauptet hat. Freud hatte es bereits in Bezug auf die Psycho-Sexualität postuliert, als er die Begriffe des Sexuellen und des Genitalen trennte. Aber aus Gründen, die ich nie verstanden habe, stellte er die Genitalität in der Pubertät erneut in den Dienst der Fortpflanzung.“) Reich denkt offensichtlich an die schopenhauerischen oder weismannschen Texte Freuds, in denen die Sexualität unter die Abhängigkeit der Art und des germen gerät: zum Beispiel „Pour introduire le narcissime“, in La Vie sexuelle, P.U.F., S. 85-86.
- Freud, Cinq psychanalyses, „Le président Schreber“, frz. Übers. P.U.F., S. 307: „Die Personen, die nicht vollständig vom Stadium des Narzissmus befreit sind und die folglich darin eine Fixierung haben, die als pathogene Prädisposition wirken kann, diese Personen sind der Gefahr ausgesetzt, dass ein besonders mächtiger Libidostrom, wenn er keinen anderen Ausweg findet, um abzufließen, ihre sozialen Triebe sexualisiert und so die im Verlauf der psychischen Entwicklung erworbenen Sublimierungen annihiliert. Alles, was einen rückläufigen Strom der Libido (Regression) hervorruft, kann dieses Ergebnis produzieren… Die Paranoiker suchen sich gegen eine solche Sexualisierung ihrer sozialen Trieb-Besetzungen zu verteidigen.“
- Marx, „Critique de la philosophie de l’État de Hegel“, in Œuvres philosophiques, IV, frz. Übers. Costes, S. 182-184. Und zu diesem Text von Marx der schöne Kommentar von J.-F. Lyotard, Discours, figure, S. 138-141.
- Es ist W. G. Niederland, der die Maschinen von Schrebers Vater entdeckt und reproduziert hat: vgl. insbesondere „Schreber, Father and Son“, Psychoanalytic Quarterly, 1959, Bd. 28, S. 151-169. Ganz ähnliche pädagogische Folterinstrumente findet man bei der comtesse de Ségur: so „der Gürtel der guten Haltung“, „mit Eisenplatte auf dem Rücken und Eisenstange, die das Kinn nimmt“ (Comédies et proverbes, On ne prend pas les mouches…).
- Henry Miller, Hamlet, frz. Übers. Corrêa, S. 156-159.
- Michel Foucault, Les Mots et les choses, Gallimard, 1966: S. 221-224 (zur Opposition von Begehren oder begehrender Produktion und Repräsentation); S. 265-268 (zur Opposition von sozialer Produktion und Repräsentation, bei Adam Smith und vor allem bei Ricardo).
- Didier Anzieu unterscheidet insbesondere zwei Perioden: 1906-1920, die „die große Epoche der mythologischen Arbeiten in der Geschichte der Psychoanalyse“ bildet; dann eine Periode relativen Diskredits, je mehr Freud sich den Problemen der zweiten Topik und den Beziehungen zwischen Begehren und Institutionen zuwendet und sich immer mehr von einer systematischen Erkundung der Mythen desinteressiert („Freud et la mythologie“, in Incidences de la psychanalyse, Nr. 1, 1970, S. 126-129).
- Dazu, dass der Mythos die Organisation einer despotischen Macht ausdrückt, die die Erde verdrängt, vgl. J.-P. Vernant, Les Origines de la pensée grecque, S. 109-116; und zur Tragödie, die eine Organisation der Stadt ausdrückt, die ihrerseits den gestürzten Despoten verdrängt, Vernant, „Œdipe sans complexe“, in Raison présente, August 1967.
- Man wird also nicht sagen, dass die Psychoanalyse einen Code, einen psychologischen, zu den sozialen Codes hinzufügt, durch die Historiker und Mythologen die Mythen erklären. Freud wies das schon in Bezug auf den Traum aus: Es handelt sich nicht um eine Entzifferung nach einem Code. Vgl. dazu die Kommentare von Jacques Derrida, L’Écriture et la différence, S. 310 ff.: „Ohne Zweifel (die Schrift des Traums) arbeitet sie mit einer Masse von Elementen, die im Lauf einer individuellen oder kollektiven Geschichte kodiert wurden. Aber in ihren Operationen, ihrem Lexikon und ihrer Syntax ist ein rein idiomatischer Rest irreduzibel, der das ganze Gewicht der Interpretation tragen muss, in der Kommunikation zwischen den Unbewussten. Der Träumer erfindet seine eigene Grammatik.“
- Foucault zeigt, dass „die Humanwissenschaften“ ihr Prinzip in der Produktion gefunden haben und sich auf dem Scheitern der Repräsentation konstituiert haben, dass sie aber sofort einen neuen Typ von Repräsentation wiederherstellen, als unbewusste Repräsentation (Les Mots et les choses, S. 363-378).
- Didier Anzieu, „Freud et la mythologie“, Incidences de la psychanalyse, Nr. 1, 1970, S. 124 und 128: „Freud gesteht dem Mythos keinerlei Spezifität zu. Dieser Punkt ist einer von denen, die die späteren Beziehungen zwischen Psychoanalytikern und Anthropologen am schwersten belastet haben… Freud geht zu einer wirklichen Einebnung über… Der Artikel Pour introduire le narcissisme, der einen wichtigen Schritt zur Revision der Trieblehre markiert, enthält keinerlei Anspielung auf den Mythos von Narziss.“
- André Green geht sehr weit in der Analyse der Beziehungen Repräsentation–Theater–Struktur–Unbewusstes: Un œil en trop, Éd. de Minuit, 1969, Prolog (insbesondere S. 43, zur „Repräsentation des Nicht-Repräsentierten in der Repräsentation“). Die Kritik, die Green an der Struktur übt, wird jedoch nicht im Namen der Produktion geführt, sondern im Namen der Repräsentation, und ruft die Notwendigkeit extra-strukturaler Faktoren an, die nur die Struktur enthüllen sollen, und sie als ödipal enthüllen sollen.
- Octave Mannoni, Clefs pour l’imaginaire ou l’Autre Scène, Éd. du Seuil, 1969, Kap. I und VII.
- Louis Althusser, Lire le Capital, II, S. 170-177 (zur Struktur als Präsenz-Abwesenheit).
- Serge Leclaire, Démasquer le réel, Éd. du Seuil, 1971, S. 28-31.
- Jacques Lacan, Écrits, S. 657-659. Serge Leclaire hat in dieser Perspektive tiefgehend versucht, die Kehrseite der Struktur als „reines Sein des Begehrens“ zu bestimmen („La réalité du désir“, in Sexualité humaine, S. 242-249). Er sieht darin eine Vielheit vorpersonaler Singularitäten oder beliebiger Elemente, die sich gerade durch die Abwesenheit von Verbindung definieren. Aber diese Abwesenheit von Verbindung und Sinn ist positiv, „sie bildet die spezifische Kraft der Kohärenz dieses Ensembles“. Natürlich kann man Sinn und Verbindung immer wiederherstellen, und sei es, indem man Fragmente einschiebt, die man als vergessen voraussetzt: gerade das ist die Funktion des Ödipus. Aber „wenn die Analyse die Verbindung zwischen zwei Elementen wiederfindet, ist das ein Zeichen, dass sie nicht die letzten, irreduziblen Termini des Unbewussten sind“. Man wird bemerken, dass Leclaire hier das exakte Kriterium der realen Unterscheidung bei Spinoza und Leibniz verwendet: die letzten Elemente (unendliche Attribute) sind Gott zuschreibbar, weil sie nicht voneinander abhängen und zwischen ihnen keinerlei Verhältnis von Opposition oder Widerspruch ertragen. Die Abwesenheit jeder direkten Verbindung garantiert die Gemeinschaft ihrer Zugehörigkeit zur göttlichen Substanz. Ebenso die Partialobjekte und der Körper ohne Organe: der Körper ohne Organe ist die Substanz selbst, und die Partialobjekte sind seine Attribute oder letzten Elemente.
- Lacan, Écrits, S. 819 („Faute de ce signifiant, tous les autres ne représenteraient rien…“). Serge Leclaire zeigt, wie sich die Struktur um einen fehlenden Term organisiert, oder vielmehr um einen Signifikanten des Mangels: „Es ist der wahlverwandte Signifikant der Abwesenheit von Verbindung, der Phallus, den wir im einzigartigen Privileg seines Verhältnisses zur Essenz des Mangels wiederfinden, Emblem der Differenz schlechthin, irreduzibel, der der Geschlechter… Wenn der Mensch sprechen kann, dann deshalb, weil es an einem Punkt des Systems der Sprache einen Garanten der Irreduzibilität des Mangels gibt: den phallischen Signifikanten…“ (La Réalité du désir, S. 251). Wie seltsam das alles ist…
- Élisabeth Roudinesco, „L’action d’une métaphore“, La Pensée, Februar 1972 (vgl. in den Écrits, S. 821, die Weise, wie Lacan über dem „symbole zéro“, im linguistischen Sinn genommen, die Idee eines „signifiant du manque de ce symbole“ erhebt).
- Freud, Analyse terminée et analyse interminable, S. 36-37.
- Henry Miller, Hamlet, S. 156.
- Reich, La Fonction de l’orgasme, S. 137-139. Und L’Analyse caractérielle, frz. Übers., Payot.
- Gisela Pankow, L’Homme et sa psychose, Aubier, 1969, S. 68-72. Und zur Rolle des Hauses „La dynamique de l’espace et le temps vécu“, in Critique, Februar 1972.
- Michel Cournot, in Le Nouvel Observateur, 1. Nov. 1971.
- David Cooper, „Aliénation mentale et aliénation sociale“, Recherches, Dezember 1968, S. 48-49: „Die soziale Entfremdung überdeckt meistens die verschiedenen Formen der mentalen Entfremdung… Diejenigen, die in eine psychiatrische Klinik aufgenommen werden, werden es weniger, weil sie krank sind, als weil sie mehr oder weniger angemessen gegen die soziale Ordnung protestieren. Das soziale System, in das sie geraten sind, verstärkt so die Übel, die durch das Familiensystem produziert wurden, in dem sie aufgewachsen sind. Diese Autonomie, die sie gegenüber einer Mikrogemeinschaft zu behaupten suchen, wirkt als Enthüller einer massiven Entfremdung, die von der ganzen Gesellschaft ausgeübt wird.“
- Michel Foucault, „La folie, l’absence d’œuvre“, La Table ronde, Mai 1964 („Alles, was wir heute im Modus der Grenze, der Fremdheit oder des Unerträglichen erfahren, wird die Gelassenheit des Positiven erreicht haben…“).
- D. H. Lawrence, „Psychanalyse et inconscient“, 1920, in Homme d’abord, Reihe 10-18, S. 255-256.
- Serge Leclaire, La Réalité du désir, S. 245. Und Séminaire Vincennes, 1969, S. 31-34 (Gegensatz zwischen dem „corps érogène“ und dem Organismus).
- Brief von Mozart, zitiert nach Marcel Moré, Le Dieu Mozart et le monde des oiseaux, Gallimard, 1971, S. 124: „Als er das Alter der Volljährigkeit erreichte, fand er die Mittel, sein göttliches Wesen zu verbergen, indem er sich skatalogischen Scherzen hingab…“ Moré zeigt gut, wie die skatalogische Maschine unter dem ödipalen „Käfig“ funktioniert und gegen ihn.
- In seiner Studie „Objet magique, sorcellerie et fétichisme“ (Nouvelle revue de psychanalyse, Nr. 2, 1970) zeigt Pierre Bonnafé in dieser Hinsicht gut die Unzulänglichkeit eines Begriffs wie des zerstückelten Körpers: „Es gibt zwar Zerstückelung des Körpers, aber keineswegs mit einem Gefühl von Verlust oder Degradierung. Im Gegenteil, sowohl für den Inhaber als auch für andere wird der Körper durch Vervielfachung fragmentiert: die anderen haben es nicht mehr mit einer einfachen Person zu tun, sondern mit einem Mann-Macht x + y + z, dessen Leben sich maßlos vergrößert hat, zerstreut, indem es sich mit anderen natürlichen Kräften vereinigte…, da seine Existenz nicht mehr im Zentrum seiner Person ruht, sondern sich an mehreren fernen und uneinnehmbaren Orten verborgen hat“ (S. 166-167). Bonnafé erkennt im magischen Objekt die Existenz der drei begehrenden Synthesen: die konnektive Synthese, die Fragmente der Person mit denen von Tieren oder Pflanzen zusammensetzt; die inklusive disjunktive Synthese, die das Mensch-Tier-Komposit registriert; die konjunktive Synthese, die eine wirkliche Migration des Relikts oder Restes impliziert.
- Jacques Monod, Le Hasard et la nécessité, S. 112.
- Zur „doppelten Todesart“ vgl. Maurice Blanchot, L’Espace littéraire, Gallimard, 1955, S. 104, S. 160.
- Reich, La Fonction de l’orgasme, S. 103. (Bei Paul Ricœur findet man eine treffende, ganz von Idealismus geprägte Interpretation der Kulturtheorie bei Freud und ihrer katastrophischen Entwicklung hinsichtlich des Schuldgefühls: zum Tod und zur „mort de la mort“ vgl. De l’interprétation, Éd. du Seuil, 1965, S. 299-303.)
- Freud, Inhibition, symptôme et angoisse, 1926, frz. Übers. P.U.F., S. 53.
- Zur Unmöglichkeit unmittelbarer qualitativer Konversionen und zur Notwendigkeit, über eine neutrale Energie zu gehen, vgl. Freud, „Le moi et le ça“, 1923, in Essais de psychanalyse, frz. Übers. Payot, S. 210-215. Diese Unmöglichkeit, diese Notwendigkeit, scheint uns nicht mehr verständlich, wenn man mit Jean Laplanche zugibt, dass „die Todestrieb keine eigene Energie hat“ (Vie et mort en psychanalyse, Flammarion, 1970, S. 211). Der Todestrieb könnte dann in keinen wirklichen Dualismus eintreten oder müsste mit der neutralen Energie selbst zusammenfallen, was Freud verneint.
- Nietzsche, Généalogie de la morale, II, § 13.
- D. H. Lawrence, La Verge d’Aaron, S. 99.
- Henry Miller, Sexus, S. 450-452 (wir fügen hinzu, was in Klammern steht). Man wird in Sexus die Übungen komischer Psychoanalyse nachschlagen.
- L.-F. Céline, in L’Herne, Nr. 3, S. 171.
- Vgl. oben, Kap. II, 7.
- Maurice Blanchot, L’Amitié, Gallimard, 1971, S. 232-233.
- Vgl. Freud, „L’inconscient“, 1915, in Métapsychologie, frz. Übers. Gallimard, S. 152-154: die zwei Verwendungen der Socke, die eine psychotisch, die sie als molekulare Vielheit von Maschen behandelt, die andere neurotisch, als globales Objekt und molaren Mangel.
- Maurice Dobb, Études sur le développement du capitalisme, S. 191: „Es gibt Gründe, aus denen die volle Entfaltung des industriellen Kapitalismus nicht nur eine Übertragung der Reichtumstitel zugunsten einer Bourgeoisieklasse verlangt, sondern auch eine Konzentration des Eigentums am Reichtum in den Händen einer weit engeren Gruppe.“
- Pierre Klossowski, Nietzsche et le cercle vicieux, S. 174-175. Klossowskis Kommentar zu den formations de souveraineté nach Nietzsche (Herrschaftsgebilde), ihrer absurden oder ziellosen Macht, und zu den Zielen und Sinnen, die sie sich erfinden in Funktion eines Entwicklungsgrades der Energie, ist in jeder Hinsicht wesentlich.
- Zur Gruppe und zum Bruch oder zur Schize vgl. Change, Nr. 7, den Artikel von Jean-Pierre Faye, „Éclats“, S. 217: „Was zählt, was in unseren Augen wirksam ist, ist nicht diese oder jene Gruppe, es ist die Zerstreuung oder die Diaspora, die ihre Splitter erzeugen“ (und S. 212-213, der notwendig polyvoke Charakter der groupes-sujets und ihrer Schrift).
- D. H. Lawrence, „Nous avons besoin les uns des autres“, 1930, frz. Übers. in Éros et les chiens, Éd. Bourgois, S. 285. Und Pornographie et obscénité, 1929.
- Freud, Cinq psychanalyses, S. 307.
- Zum ersten Punkt Ernest Jones, La Vie et l’œuvre de Sigmund Freud, frz. Übers. P.U.F., Bd. I, Kap. 1. Zum zweiten Punkt Freud, Le Roman familial des névrosés, 1909. Zum dritten L’Homme aux rats, passim, und der Text von Lacan, Le Mythe individuel du névrosé, C.D.U., S. 7-18 (und S. 25, zur Notwendigkeit einer „critique de tout le schème de l’Œdipe“). Zum vierten Punkt „L’homme aux loups“, Cinq psychanalyses, S. 336, 396, 398.
- Freud, Cinq psychanalyses, S. 400 (und S. 336-337, 397).
- Ronald Laing, Soi et les autres, 1961 und 1969, frz. Übers. Gallimard, S. 123-124, 134.
- Maud Mannoni, Le Psychiatre, son fou et la psychanalyse, Kap. VII.
- Pierre Klossowski, Nietzsche et le cercle vicieux, S. 175, 202-203, 213-214. (Der Gegensatz der Ensembles der Herdenhaftigkeit und der Vielheiten von Singularitäten wird überall in diesem Buch entwickelt, dann in La Monnaie vivante.)
- Vgl. das gesamte Werk von John Cage und sein Buch Silence, Wesleyan University Press, 1961: „Das Wort experimental kann passen, vorausgesetzt man versteht darunter nicht eine Handlung, die in Begriffen von Erfolg oder Misserfolg beurteilt werden soll, sondern einfach eine Handlung, deren Ausgang unbekannt ist“ (S. 13). Und zu den aktiven oder praktischen Begriffen von Dekodierung, Entstrukturierung und vom Werk als Prozess wird man die ausgezeichneten Kommentare von Daniel Charles zu Cage heranziehen, „Musique et anarchie“, Bulletin de la Société française de philosophie, Juli 1971 (heftiger Zorn einiger Diskussionsteilnehmer, die auf die Idee reagieren, dass es keinen Code mehr gibt…).
- Jacques Lacan, Écrits, S. 870.
- Zur Analyse der groupes-sujets, ihrer Beziehungen zum Begehren und zur Kausalität vgl. J.-P. Sartre, Critique de la raison dialectique.
- André Glucksmann hat die Natur dieser speziellen gegenrevolutionären Axiomatik in „Le discours de la guerre“, L’Herne, 1967, analysiert.